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18.11.2019 Aspies e.V. beim Festakt und Symposium der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V.

18.11.2019 Aspies e.V. beim Festakt und Symposium der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V.

Auf dem Markt für Seelische Gesundheit am 10. und. 11. Oktober dieses Jahres, stellte Aspies e.V. den Kontakt zur Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V. her. Diese hatte sich vor 40 Jahren als eine  Vereinigung der Selbstvertretung für Menschen mit chronischen Krankheiten und Behinderungen gegründet. 2019 fand im Berliner Roten Rathaus die Jubiläumsveranstaltung statt, zu der auch Aspies e.V. eingeladen war. Dieser Einladung kamen wir sehr gerne nach, denn es würden sich hier sicher sehr gute Möglichleiten der Vernetzung mit anderen Betroffenenverbänden ergeben.

Zunächst wurden die Teilnehmenden im Eingangsbereich mit einer Ausstellung sogenannter Leuchtturm – Projekte und Infoständen begrüßt, z.B. von EUTB-Stellen, der Lebenshilfe e.V. (EMIL-Projekt) oder Sozial-Denker e.V. (Ausstellung „Inklusion im Blick“).

 Hier traf die Vertreterin von Aspies e.V. bekannte Aktivist*innen aus anderen Selbsthilfe- und Selbstvertretungsorganisationen wieder. Wir tauschten Informationen über unsere jeweilige Arbeit aus und gaben uns gegenseitig Tipps über Strategien, wie man die Finanzierung bestimmter Projekte erfolgreicher durchsetzen könnte.

Symposium „Selbsthilfe und Betroffenenvertretung“

In der Begrüßungsrede stellte der Vorsitzende der LVS Berlin e.V. kurz die Organisation und den Ablauf der Veranstaltung vor. Das Symposium sollte so ablaufen, dass sich Kleingruppen jeweils über bestimmte Themen austauschen, deren Ergebnisse anschließend im Plenum vorgestellt würden. Diese Kleingruppenarbeit sollte außerdem Möglichkeiten zur gegenseitigen Vernetzung bieten. Die Vertreterin von Aspies e.V. beteiligte sich an der AG„Selbsthilfe und Betroffenenvertretung“. Die im Plenum vorgestellten Ergebnisse waren folgende:

1. AG „Selbsthilfe und Betroffenenvertretung“

Selbstvertretung müsse professioneller werden und dafür von der Gesellschaft die dafür notwendigen Mittel bekommen. Kompetente Mitbestimmung und Beteiligung an Entscheidungen könne von Betroffenen nicht allein ehrenamtlich geleistet werden.

Innerhalb der Selbsthilfe verharre man leider immer noch zu sehr im Schubladendenken der Einzelbehinderungen. Nur wenn man sich zusammenschließe und gemeinsame Strategien entwickle, könne man auf die Politik genug Druck ausüben, damit sie die UN BRK endlich umsetze.

Am 20.05.20 sei der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Damit hier Stärke gezeigt werden könne, sollten die anwesenden Vertreter*innen  der einzelnen Organisationen in ihren jeweiligen Gruppen für eine möglichst breite Beteiligung werben.

2. AG „Laut und wirksam: (neue) Aktions- und Protestformate in und aus der Selbsthilfe“

Man solle hier möglichst viele Kanäle nutzen: z.B. Petitionen, Kultur- und Sportveranstaltungen, Kinobesuche, Plakate u.Ä. Man könne auch Kampagnen staatlicher Institutionen nutzen, z.B. Plakate übernehmen und für eigene Inhalte nutzen. Für Aktionen brauche man die Bereitschaft zur Bewegung, für Protest die für den Auftritt nach außen. Vorschlag: Man solle in der LVS eine eigene AG „Proteste & Aktionen“ bilden. Es brauche dafür eigentlich nicht viele Leute, nur ein paar Fähige, die sowas schnell organisieren könnten.

3. AG: „Digitalisierung in der Selbsthilfe“ mit 2 Unterthemen: „Digitalisierung als Inklusionschance in der Selbsthilfe“ und „Digitalisierung: Neue Kommunikationswege als Chance und Herausforderung“

Digitalisierung sehen die meisten in der AG als Chance, aber auch Risiken (z.B. Datenschutz). Es solle eine AG „Digitalisierung“ innerhalb der LVS gegründet werden. Auch vor dem Hintergrund, dass Internet-Selbsthilfe von der Krankenkasse ab dem kommenden Jahr stärker unterstützt werden soll.  Hier müsse man unbedingt Handreichungen für SHGS u.Ä. erarbeiten.

Festakt „40 Jahre Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V.“

Festreden: Diese hielten u.a. Staatssekretär Martin Matz mit dem Grußwort des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Elke Breitenbach (Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales),Dr. Dirk Behrendt (Senator für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung) und Christine Braunert-Rümenapf (Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung). Inhalte der Reden waren Glückwünsche und z.T. Rückblicke auf die Geschichte der Selbsthilfebewegung.

Kulturprogramm: Ein beeindruckendes Konzert gab der Aphasiker Chor Berlin (ACB). Modernere Musik kam von Graf Fidi, der über die Selbsthilfe rappte.

Blitzlichter – Wegbegleiter_Innen aus der Selbsthilfe“: In Kurzvorträgen stellten sich diverse Selbsthilfeorganisationen und-gruppen vor, die in diesen 40 Jahren Mitglied der LVS geworden waren. Es wurde nicht nur gelobt, sondern z.T. auch scharfe Kritik an die Adresse der anwesenden Politiker*innen geäußert, was die mangelnde finanzielle Förderung von Selbsthilfe- und Selbstvertretungsarbeit betrifft. Es könne z.B. nicht sein, dass eine mehrfach behinderte Person im Rollstuhl Fahrtkosten und Assistenzleistung selbst zahlen müsse, wenn sie an Selbsthilfetreffen teilnehmen oder sich in der Selbsthilfe engagieren möchte.  Das könne sie meist nicht und sei deshalb ausgeschlossen.

Auch Aspies e.V. übte Kritik: Im Anschluss an die Veranstaltung sprach die Vertreterin von Aspies e.V. die Senatorin Breitenbach mit der Frage an, ob ihre Senatsstelle denn hautamtliche Stellen in unserer Betroffenenorganisation finanziell unterstützen würde. Schließlich habe sie ja selbst die „Selbsthilfe als Säule im System der sozialen Sicherung“ bezeichnet und betont „… wir brauchen mehr partizipative Prozesse …“. Außerdem machte sie bereits im Oktober auf dem Markt für Seelische Gesundheit deutlich, dass „Ehrenamt auch immer Hauptamt“ brauche. Dass dies alles auch von staatlicher Stelle finanziert werden muss, sei selbstverständlich. Frau Breitenbach scheine hier also die richtige Ansprechpartnerin für dieses Thema zu sein.

Ihre Antwort war aber leider enttäuschend und so ganz anders als ihre in der Öffentlichkeit gesprochen Worte: Der Doppelhaushalt sei bereits beschlossen und sehe solche Mittel nicht vor. Außerdem könne ihre Senatsverwaltung die Schaffung solcher Arbeitsplätze in gemeinnützigen Organisationen nicht finanziell unterstützen, nicht mal wenn dadurch behinderte Menschen aus der Arbeitslosigkeit herauskämen, um fortan für sich und andere Selbsthilfe- und Selbstvertretungsarbeit zu leisten, wenn keine entsprechenden staatlichen Förderprogramme dafür existierten.