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Fachtagung „Autismus verstehen“ am 09.02.2019 in Halle

Fachtagung „Autismus verstehen“  am 09.02.2019 in Halle

Am 9. Februar fand in Halle die Fachtagung „Autismus verstehen“ statt. Präsentiert wurden Vorträge, in denen sowohl die Innen- als auch die Außensicht auf Autismus aufgezeigt wurde. Mehrere der Vortragenden waren Mitglieder von Aspies e.V., auch der Infostand unseres Vereins war vor Ort.

Veranstalter der Fachtagung in den Räumen der Franckeschen Stiftung waren das Internationale Bildungs- und Sozialwerk e.V. und die Autismusambulanz Halle, die nicht nur für Buffet und Grill gesorgt haben, sondern auch für autistische Gäste einen Ruheraum zur Verfügung gestellt haben und auch durch konsequente Zeitplanung und ausreichende Pausen auf die Bedürfnisse autistischer Teilnehmer eingegangen sind.

Den rund 200 Besuchern wurden insgesamt vier Vorträge geboten, von denen drei von autistischen Referent*innen präsentiert wurden:

Zunächst beschrieb Dr. Klaus Renziehausen, Mitglied von Aspies e.V., die Besonderheiten der Wahrnehmung autistischer Menschen, die zwar mitunter mit sensorischen Overloads zu kämpfen haben, die oft aber eine überdurchschnittliche Detailwahrnehmung besitzen. Deutlich wurde außerdem die Vielfalt an beruflichen Talenten bi autistischen Menschen, auch wenn in der anschließenden Diskussion deutlich wurde, dass diese in der Arbeitswelt nur zu einem geringen Teil auch tatsächlich genutzt werden.

 Imke Heuer, ebenfalls Mitglied von Aspies e.V., erläuterte danach in ihrem Vortrag, wie sich Autismus bei Mädchen und Frauen zeigen kann – ein Thema, das immer noch sehr zu kurz kommt, da autistische Jungen und Männer in der Wahrnehmung von Autismus immer noch sehr dominieren. Ihre Einschätzung, dass die klassische Ansicht, dass nur ein Viertel oder ein Achtel der Betroffenen weiblich sind, inzwischen überholt ist und eher eine 50:50-Verteilung vorherrscht, wurde in der anschließenden Diskussion auch von anderen geteilt, wobei ihrer Überzeugung nach die Unterrepräsentation von autistischen Frauen in der Wahrnehmung vor allem daran liegt, dass diese im Verhalten eher den typischen Geschlechterrollen entsprechen und im sozialen Bereich besser kompensieren können als männliche Autisten und dadurch weniger auffallen. 

Gee Vero, eine Autistin, die als ihre Berufsbezeichnung „Weltenwanderer und Brückenbauer“ angibt, beschrieb, wie sie es sich zur Lebensaufgabe gemacht hat, der „NT-Welt“ Autismus nahezubringen, auch, um für ihren autistischen Sohn mehr Akzeptanz und Teilhabe zu erreichen. Ihr Ansatz richtet sich dabei auf die Überwindung von Schubladendenken und „Ich-Masken“, Rollenschablonen, welche die Mitmenschen häufig im Umgang miteinander einsetzen. Sie plädiert stattdessen für Authentizität, die für viele Autisten charakteristisch ist und die sich nicht zuletzt im künstlerischen Ausdruck zeigt; auch ihr Kunstprojekt „Art of Inclusion“ soll dazu beitragen, den Fokus auf diese auf die individuellen Stärken autistischer und nichtautistischer Menschen zielende Perspektive zu lenken.

Letzter Vortragender war Prof. Dr. Georg Theunissen mit dem Thema „Das Autismus im Lichte von Empowerment“. Seine Emeritierung war Anlass der gesamten Veranstaltung, wobei in der Laudatio, mit der er vorgestellt wurde, deutlich wurde, dass von ihm auch in Zukunft sicher noch wichtige Beiträge zu erwarten sein werden. Auch wenn Prof. Dr. Theunissen selbst als Nichtautist ein Vertreter der Forschung ist, zeigte er mit einem Abriss über die historische Entwicklung der Selbstvertretung auch wichtige Elemente der Innenperspektive des autistischen Selbstverständnisses auf, wobei er durch seine praktische dazu, Erfahrung in den USA das dortige Empowerment, das in weiten Teilen auch Vorbild für die Entwicklung in der autistischen Community in Deutschland ist, selbst hautnah miterlebt hat.

Das Publikum setzte sich überwiegend aus Fachkräften, Eltern und Interessierten zusammen. Ein Großteil der an die Vorträge anschließenden Fragen kam allerdings von autistischen Gästen, die so noch einmal zur Vertiefung der behandelten Themen beitragen konnten.

Abgesehen von Aspies e.V. präsentierte sich auch Autismus Leipzig sowie ein Anbieter von Fachbüchern jeweils mit einem Stand. Unser Verein konnte die Gelegenheit nutzen, eine Reihe neuer Kontakte zu Besuchern, die aus der Region, aber auch aus ganz Deutschland angereist gekommen waren, zu knüpfen.