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22.Juni 2019: Autismustag von Aspies e.V. in Berlin: „ Autismus aus der Innenperspektive. Darstellungen und Erklärungsansätze“

22.Juni 2019: Autismustag von Aspies e.V. in Berlin: „ Autismus aus der Innenperspektive. Darstellungen und Erklärungsansätze“

Am 22.06.19 organisierte Aspies e.V. anlässlich des Autistic Pride Day den Autismustag „Autismus aus der Innenperspektive. Darstellungen und Erklärungsansätze“ in Berlin. Unsere Veranstaltung wurde ein großer Erfolg. Wir konnten sehr gute ReferentInnen gewinnen und sämtliche Plätze in der PUMPE waren belegt. Hier ein paar Eindrücke vom Autismustag:

Aufgrund der großen Nachfrage begann unsere Veranstaltung etwas später als geplant. Wir hatten nicht mit derartig vielen Teilnehmenden gerechnet und daher zu wenige HelferInnen am Eintritt  eingeplant. Aber es fanden sich nette und freundliche  Menschen zur spontan helfenden Unterstützung. Dank ihnen war die Verzögerung des Beginns nicht allzu groß.

Rainer Döhle stellt bei der Begrüßung das Programm vorNach der Begrüßung durch unser Vorstandsmitglied Rainer Döhle begann Hajo Seng (Mitglied von Aspies e.V., autWorker/ autSocial und der AFK) mit dem ersten Vortrag: „Was ist Autismus – Unterschiedliche Erklärungsansätze in wissenschaftlichen Theorien“. Der Vortrag enthielt für viele interessante Informationen, denn es wurden nicht nur die allg. bekannten Theorien über Autismus dargestellt, sondern auch weniger bekannte, die z.T. von autistischen ForscherInnen und nicht ausschließlich im medizinischen Kontext entwickelt wurden. 
Z.B die Monotropismus-Hypothese: Laut dieser ist es eine Besonderheit autistischer Menschen, dass sie komplexe Sinnesreize im Gehirn nicht gleichzeitig verarbeiten, sondern Teilbestandteile teilweise ausblenden, und ihre Aufmerksamkeit stark auf Einzelreize konzentrieren. Auf diese Weise ließen sich die Schwierigkeiten viele AutistInnen erklären, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, aber auch deren besondere Stärken aufgrund besonderer Kenntnisse und Fähigkeiten bzgl. eingegrenzter Spezialinteressen. Weitere genannte Theorien waren u.a die Intense World-Theorie nach Henry Markram und Besonderheiten des autistischen Denkens, „bottom up“ vs. „top down“.Hajo Seng

Der zweite Vortrag von Friedrich Pfeil (Mitglied bei Aspies e.V.) befasste sich mit dem Thema „Schattensyndrom oder doch schon Autismus – Wo beginnt das Autismusspektrum? – Mögliche Subtypen bei Autismus?: Auch wenn eine Person bei der Vorstellung beim Arzt nicht alle Kriterien erfülle, die für die Stellung einer Volldiagnose aus dem Autismusspektrum erforderlich seien, so könne diese in Teilbereichen durchaus dieselben Schwierigkeiten haben, wie Personen mit dieser Diagnose. Leider gebe es Unterstützungsangebote  aber meist nur für diejenigen Personen, die eine vollständige Autismusdiagnose  vorweisen könnten. Anscheinend werde der Unterstützungsbedarf bei „Suptypen“ bisher  leider noch zu wenig beachtet.

Nach der Mittagspause hielt, Silke Lipinski (Mitglied bei Aspies e.V. und der AFK) ihren mit großer Spannung und Vorfreude erwarteten Vortrag „‚Neurotypisches’ Sozialverhalten verstehen – Wieso

machen Nicht-AutistInnen das alles? Versuch einer Erklärung

Leider gab es ein Technikproblem. Aber Silke hat das souverän gemeistert, hielt den Vortrag einfach ohne Mikro und hat mit den Inhalten die Leute begeistert. Kommentar (Autistin): „Hier konnte ich was Alltagspraktisches für mich lernen“ Kommentar (Nichtautistin: „Hier habe ich was über mich gelernt“ Fazit: Die Erklärungen, inkl. Theorie, bzgl. der verschiedenen Kommunikationsstile bei AutistInnen und NichtautistInnen“ waren gewinnbringend für alle und öffnete die Augen für so manches Unbehagen, dass durch (ungewollte) Missverständnisse bei beiden Gruppen entstehen kann.  
Nach Silke Lipinski hielt Jan-Federik Metje (Mitglied bei Aspies e.V. und Begründer des Projekts AUIO-TV) den Vortrag „Ein neurodiverses Bildungsprojekt starten – ein Erfahrungsbericht von AUIO.tv“. Er berichtet, über die Fortschritte, die seit dem Start des Projekts erzielt wurden. (Siehe auch: „https://www.auio.tv/de/about“)

Nach der Kaffepause wurde es musikalisch. Dass AutistInnen sich nicht nur für Sachvorträge, sondern auch für Kunst und Tanz begeistern können, wurde beim folgenden Vortrag deutlich:

Sammy Francisco Windisch hielt nicht nur einen eindrucksvollen Vortrag drüber, wie es war, von Geburt an autistisch zu sein, z.B. sich lange Zeit nicht verbal äußern zu können und sich isoliert zu fühlen. Sondern es folgte danach noch eine sehr beeindruckende Tango-Tanz-Performance mit Tanzpartner Peter. Dazu wurden die Liedtexte übersetzt, wodurch für die Teilnehmenden deutlich wurde, welche Bedeutung diese für das Leben von Sammy F. Windisch hatten. 

Der letzte Vortrag an diesem Tag  „Kompensation autistischer Besonderheiten – Möglicher Nutzen, mögliche Kosten“ kam von Alex Bertrams (Mitglied von Aspies e.V., Prof. der Psychologie in Bern)

Sein Vortrag bildete sozusagen eine Ergänzung zu dem von Silke Lipinski, ohne dass dies vorher beabsichtigt war. Wie auch in Silkes Vortrag wurde deutlich, dass es durchaus Möglichkeiten gebe, als AutistIn das Andersein in gewissem Maße zu „tarnen“, um eine bessere Akzeptanz in der Gesellschaft zu erreichen. Es wurde aber ebenso deutlich, dass dies mit hohem persönlichen Energieaufwand verbunden ist und man sich gut überlegen sollte, ob überhaupt bzw. zu welchem Zweck man diesen u.U. aufwenden wolle (Nutzen-Kosten-Abwägung).

Unser Autismustag endete danach. Es war eine Veranstaltung mit vielen Inspirationen, vielen guten Gesprächen und Gedankenanregungen, die mit Sicherheit weiterwirken werden.

Einen großen Dank an all die vielen HelferInnen, die das Gelingen unsere Veranstaltung möglich gemacht haben. Ohne euch wäre überhaupt gar nichts gegangen, vielen lieben Dank  …

Nachtrag und Ausblick für das nächste Jahr: Unser Vereinsmaskottchen, der Octopus Autilus Divificus, war selbstverständlich ebenfalls bei unserem Autismustag dabei. Er meint, dass Aspies e.V. auch im nächsten Jahr wieder im nächsten so eine Veranstaltung organisieren sollte.

Das sehen wir genauso. Also merkt euch dafür schon mal den 06. Juni 2020 vor.

Autismustag 2019 Programmflyer, um den ganzen Flyer anzusehen hier klicken