18.01.19 Aspies e.V. beim „Round-Table Betroffenen- und Angehörigenvertreter“ in der Bundespsychotherapeutenkammer zu den Themen „Elektronische Patientenakte“ und „Erarbeitung einer neuen Psychiatrie-Personalverordnung“
18.01.19 Aspies e.V. beim „Round-Table Betroffenen- und Angehörigenvertreter“ in der Bundespsychotherapeutenkammer zu den Themen „Elektronische Patientenakte“ und „Erarbeitung einer neuen Psychiatrie-Personalverordnung“
Am 18.01.19 lud die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) verschiedene Organisationen von Betroffene- und Angehörigenverbände ein, um am RundenTisch gemeinsam zu diskutieren. Die BPtK ist an den Beratungen der Arbeitsgruppe des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) an der Erarbeitung der neuen Personalanforderungen in psychiatrischen Kliniken beteiligt und beschäftigt sich z.Z. auch mit der Frage, wie eine elektronische Patientenakte ausgestaltet sein muss, um der besonderen Schutzbedürftigkeit besonders sensibler Daten zu psychischen Erkrankungen
gerecht zu werden. Zu diesen beiden Themen wollte man die Perspektive der Betroffenen- und Angehörigenverbände erörtern. Aspies e.V. hat sich daran beteiligt.
Außer uns waren viele weitere Organisationen und Verbände anwesend, u.a. Autismus Deutschland e.V., ADHS Deutschland e.V., die Deutsche Depressionsliga e.V., die Verbraucherzentrale Bundesverband, der Bundesverband Psychiatrieerfahrene e.V., die Aktion Pyschisch Kranke e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe e.V. sowie BetroffenenvertreterInnen aus Bereichen verschiedener psychischer Erkrankungen.
Die BPtK hörte sich die Meinungen aller Beteiligten an und versicherte uns, dass alle Standpunkte in ihre Arbeit beim Gemeinsamen Bundesausschuss einfließen werden.
1. Thema: „Elektronische Patientenakte“
Die „elektronische Patientenakte“ wird schon lange in den Medien diskutiert. Die Einführung ist ab 2021 geplant. Der Plan: Alle med. Daten des Patienten sollen dann auf der Krankenkassen-Chipkarte gespeichert werden.
Die Standpunkte der BPtK :
Verwendung des technisch höchsten Standes der Verschlüsselung,
– einheitliche Standards, Hoheit der gespeicherten daten beim Patienten,
– Anwendung digitaler Technik nur durch approbierte Fachkräfte
Standpunkte/ Einwände der „Betroffenenverbände“ (mit denen Aspies e.V. übereinstimmt):
– Schutz digitaler Daten könne niemals zu 100% gewährleistet werden
– es bestehe immer die Möglichkeit des Missbrauchs (es sei ja nicht einmal möglich, z.B. digitale persönliche Kontodaten u.Ä. vor Hackern zu schützen)
– echte Löschung digitaler Daten sei nicht mehr möglich, sobald die gespeichert seien (Daten sind übers Internet weltweit verfügbar)
– der „normale“ Patient könne keine kompetente Entscheidung darüber treffen, ob seine Daten wirklich sicher gespeichert seien („normale“ Ärzte ohne fachliche IT-Ausbildung ebenso wenig)
– über digitalen Datenschutz brauche man gar nicht nachzudenken, solange noch in vielen Arztpraxen vom Personal die Minimalanforderungen nicht eingehalten würden (keine abgegrenzten Wartebereiche, Personal redet vor den Ohren anderer über Patienten; Medikationen, Namen, persönliche Meinungen oder Diagnosen würden dabei „vor Publikum“ besprochen)
Fragen/ geäußerte Bedenken der Vertreterin von Aspies e.V:
– Was geschehe, wenn ein Patient der digitalen Datenspeicherung nicht zustimme? – Dann könnte evtl. die Gefahr bestehen, dass Ärzte/ Krankenkassen darauf bestehen könnten, ansonsten evtl. eine Behandlung ablehnen könnten
– Wie könne gewährleistet werden, dass Patienten mögliche Auswirkungen einer Einverständniserklärung überblicken? – Schon jetzt müsse man in Arztpraxen in kurzer Zeit sehr viel unterschreiben/zustimmen, wo selbst juristische Fachkräfte einige Zeit bräuchten, um alles zu verstehen.
– Was passiere mit den Daten, wenn man später das Einverständnis widerrufen möchte? – Sie seien dann u.U. bereits bei div. Stellen gespeichert (Ärzte, Kliniken, Krankenkassen, Ämter u.Ä.)
– Wenn sämtliche med. Daten auf der Chipkarte gespeichert seien, wie könne ein Patient dann Einfluss nehmen, wem er welche Daten mitteilen/verschweigen wolle (Ggf. wolle man nicht jedem alles offenbaren oder der Krankenkasse nicht dasselbe wie einer Lebensversicherung u.Ä.)
– Was mit Fehldiagnosen? – Besonders häufig im Autismusbereich – Es bestehe die Gefahr, dass ein neuer Arzt in seinem Urteil beeinflusst werde, wenn er die Diagnosen seiner Vorgänger studiere
Standpunkte/ positive von Vertreterinnen aus mehreren Bereichen sahen z.T. auch Vorteile einer „elektronischen Patientenakte“:
– wenn „Krankengeschichte“ und Testergebnisse gespeichert seien, müsse man beim nächsten Arzt nicht alles wiederholen
– weniger Fehldiagnosen, wenn neuer Arzt lesen könnte, dass bereits mehrere andere Ärzte vor ihm übereinstimmend eine andere Diagnose gestellt hätten
– Vorteil, wenn Medikationen unkompliziert abrufbar wären (z.B. auch für Rettungskräfte)
– Fernbehandlungen wären besser möglich
Gemeinsamer Standpunkt der BPtK und der BetroffenenvertreterInnen:
Man sehe sich unter Druck gesetzt, weil diese Digitalisierung und Mobilisierung von Patientendaten so zeitnah umgesetzt werden soll.
2.) „Erarbeitung einer neuen Psychiatrie-Personalverordnung“
Leider enthält dieser Bericht wenige Informationen. Die BPtK versprach die Übersendung des Protokolls der Besprechung, man müsse also nicht mitschreiben und könne sich auf die Diskussionsinhalte konzentrieren. Bisher haben wir kein Protokoll erhalten.
Standpunkte/ Statements der BetroffenenvertreterInnen:
– leider sein die derzeitige Personalausstattung so desolat, dass Patienten in psychiatrischen Kliniken z.T. Schaden erlitten
– z.B. würden Jugendliche, die nach Suizidversuchen von Polizei und Feuerwehr in die Klinik eingewiesen wurden, eine Stunde später bereits wieder entlassen (oder laufen unbeaufsichtigt aus der Klinik weg), da kein Personal vorhanden sei, das sich in nötigem Maße um diese PatientInnen kümmere
– es wird berichtet, dass PatientInnen im Krisenfall eine Klinikbehandlung verweigert werde, wenn diese nicht bereit seien, Medikamente zu nehmen
– es gebe keine Ansprechpartner für PatientInnen in der Klinik
– es gebe keinen keine Koordination zwischen den behandelnden Fachkräften in der Klinik (weil es nicht genug Personal gebe, um überhaupt Behandlerteams zu bilden oder für gemeinsame Fallbesprechungen zu)
– Es gebe in psychiatrischen Kliniken fast gar kein therapeutisches Behandlungsangebot mehr (außer einem Bett und Verpflegung)
– Nicht selten kommen unnötige und unnötig lang andauernde Fixierungen von PatientInnen in Krisen vor (weil dem Personal an Zeit fehle bzw. gar kein für Kriseninterventionen qualifiziertes Personal gebe)
Anmerkung von Aspies e.V.: es sei nötig, dass jedes med. Personal Grundkenntnisse über Autismus erhalten müsse (Teil der Ausbildung) sowie eine Anleitungen zum Umgang mit autistischen Personen, gerade auch in psychiatrischen Kliniken (z.B. dürfe es nicht vorkommen, dass Overloadzustände mit anderen psychiatrischen Krisen verwechselt würden und entsprechende patientenschädliche Maßnahmen ergriffen würden)