Ich habe doch eine lange Leidensgeschichte, mein Asperger wurde ja erst im Alter von 44 Jahren bei mir entdeckt. Begonnen hatte es mit etwa 30 Jahren mit "Depressionen", irgendwann gegen Ende 30 das erste sogenannte Burnout, Anfang 40 das zweite. Mit 42 hatte man mich auf ADHS diagnostiziert. Dann mit 44 eben endlich als Aspie erkannt.
Meine Laufbahn beinhaltete viele Hochs und Tiefs (na ja, Hochs vielleicht nicht ganz so viele) mit verschiedenen Klinikaufenthalten, verschiedenen Medikamenten, einer Vielzahl von Psychiatern und Psychologen, beruflichen Massnahmen u.v.a.m. und ich habe mich mein Leben lang als Alien gefühlt. Das wird sich wohl auch nicht mehr ändern; ich bin der Überzeugung, dass ich auf diesem Planeten, oder zumindest in der "Gesellschaft" einfach falsch bin.
Nun, ich weiss jetzt seit einigen Monaten von meinem AS. Ich wusste zwar vorher schon einiges darüber, weil zumindest mein jüngerer Sohn (7) auch Aspie ist und wir uns daher schon länger damit beschäftigen. Aber wirklich auf mich selbst bezogen bin ich immer noch am Erkunden und Verstehen "meines" Aspergers. Es ist ja schon eine Erlösung, wenn man das ganze Leben "die" Antwort gesucht hatte, andererseits wird mir immer wieder die Erkenntnis ins Gesicht gedrückt, dass ich manche Dinge vielleicht nie werde ändern können.
Wie wahrscheinlich die meisten von euch auch leide ich täglich unter diversen Einschränkungen und Mühen, ziemlich stark im sozialen und kommunikativen Bereich, aber noch stärker im Bereich der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung. Und das ist der Punkt, an dem ich auf eure Meinung gespannt bin. Meine Theorie über mich selber, also ganz individuell ohne von oder auf Andere zu schliessen, ist dass der "Sturm" in meinem Kopf wohl meine grösste Beeinträchtigung und damit mein grösstes Problem darstellt. Dieser "Sturm" besteht aus "lebendigem Hirnmüll". Er entsteht durch laufend aufgenommene und erlebte Reize/Wahrnehmungen, Gefühle, Gedanken, meinen Tinnitus, meine Synästhesie (optisch -> akustisch), meine fast allgegenwärtige "musikalische Begleitung". Habt Ihr das auch, dass tagein, tagaus fast immer "nebenbei" Musik im Kopf läuft? Melodien, Sequenzen von Liedern und sonstigen Musikstücken, manchmal auch Geräuschsequenzen. Ich weiss nicht, ob mein Hirn das tut, um mich zu beruhigen (eine Art Stimming); manchmal beruhigt es mich, und manchmal lenkt es mich aber auch nur ab.
Anlässlich meiner ADHS-Diagnostik von vor wenigen Jahren wurde ein etwa 50-seitiger Bericht erstellt inkl. vieler Grafiken, Hirnscans und sonstiger bildlicher Darstellungen. Speziell aufgefallen ist mir dabei die "Theta/Beta-Ratio". Man hat mir das so erklärt, dass auf diese Weise spezifisch "störende" Hirnwellen aufgezeigt werden. Hirnmüll eben, der meine "Rechnerleistung" dauernd unnötig belastet. Das, was mich beim Denken so ablenkt und es mir erschwert, klare Gedanken zu fassen. Das ist immer da, auch in "Ruhephasen" des Hirns. In der grafischen Darstellung sieht man rechts das entsprechend "kalte" Hirn des Durchschnittstypen (also NT). Dem gegenüber links mein nervöses sinnlos-aktives Hirn, das eben keine Ruhe kennt.
Je länger, desto mehr vermute ich, dass darin der direkte Treiber meiner Leiden liegt. Ich glaube, all meine Beeinträchtigungen und die daraus entstehenden Probleme wären deutlich erträglicher, wenn ich den Hirnmüll ausmerzen oder zumindest dezimieren könnte. Klingt das für Euch plausibel?
Demzufolge frage ich mich, was ich tun kann, um dagegen anzukämpfen. Versuche mit Methylphenidat waren nicht wirklich erfolgreich und ich musste wegen Herzrasen abbrechen. Mein Autismuscoach hat mir empfohlen, LTO3 zu probieren. Hab ich mir nun besorgt und nehme es seit gestern, mal abwarten ob ich eine Veränderung wahrnehme. Ich hatte mir auch überlegt, Risperidon zu testen, aber da machen mir die möglichen Nebenwirkungen zuviel Angst.
Hat jemand sonstige Ideen, Erfahrungen, Anregungen, Tipps? Vielen Dank fürs Lesen.