Umgang mit Trauer (Autisten vs. Nichtautisten)

  • Spannende Diskussion. Tatsächlich scheint mit Trauer jeder irgendwie anders umzugehen. Mittlerweile glaube ich auch, dass es bei meiner Frau gar nicht um das Trauern geht, sondern darum, dass Sie generell große Probleme damit hat, wenn man sich nicht passend zu Ihren Konventionen verhält. Vielleicht ist Sie doch Borderliner, wie meine Therapeutin mal vermutet hat. Oder hat eine Dissoziative Identitätsstörung. Kennt sich da wer mit aus? :D

  • Tatsächlich scheint mit Trauer jeder irgendwie anders umzugehen.

    Nicht nur das, das kann auch bei der gleichen Person etwas unterschiedlich bzw. sogar widersprüchlich ausfallen. Ich persönlich brauche kein Grab, um mich an meine Eltern zu erinnern, ich gehe da höchst selten hin, nur wenn wir Geschwister uns aus passendem Anlaß treffen und dann gemeinsam auf den Friedhof gehen. Unlogischerweise kann ich mich mit der Vorstellung, dass in 9 Jahren die Pacht abläuft und das Grab dann geräumt wird (wenn wir es nicht vorher verlängern, diese Überlegung war der Anlaß daran zu denken), trotzdem überhaupt nicht anfreunden. Aber Logik und Trauer bzw. Gedenken gehören einfach nicht zusammen, das sind zwei unterschiedliche Welten.

  • Interessantes Thema, da dieses Jahr im Februar mein Opa gestorben ist. Dazu muss ich sagen, dass mein Opa aus meiner Familie den wirklichen einzigen Bezugspunkt darstellte und es einen für mich etwas unschönen zeitlichen Ablauf dazu gab. Er ist zu Hause gestorben, nur wenige Stunden, nachdem ich ihn, wie immer selten und doch geschafft, nach langer Zeit wieder einmal besucht habe. Da ich maßgeblich einer aus der Familie war, die Leute aus selbigen Bereich recht selten besuchen, kam ich mir ein bisschen seltsam vor. Zum einen kollidierte es mit meiner Planung, ihn zwei Tage später noch einmal zu besuchen, wenn es ihm ein bisschen besser geht. Auf der anderen Seite sah er bei meinem Besuch schon arg schlimm aus und für mich war es trocken und rational gesehen nur noch ein Frage der Zeit, bis er stirbt. Trotzdem war es dann letztlich für mich ein Wechsel der Gefühle zwischen Wut, Trauer und Unverständnis - das legte mich dann nach der Nachricht über den Tod meine Opas einen Tag lahm. Tränen, Überlastung, Unverständnis, Verwirrtheit - dass dann auch noch die Mitglieder meiner Familie typischerweise am Telefon in Tränen ausbrachen, gab mir dann leider den Rest, denn ich kann mit solchen Situationen nur schwer umgehen. Nicht weil ich damit nicht klar komme, dass jemand stirbt oder gestorben ist, sondern der Fakt, dass ich nur dann Trauer und das auch nur recht kurz, wenn ich persönlich betroffen bin und ich offenbar einfach nicht verstehe oder nachempfinden kann. Allerdings lässt auch das recht schnell nach und ich gerate dann wieder schnell auf die rationale Schiene. Deshalb kann ich auch nicht zu Beerdigungen, mich verwirrt und irritiert es, wenn dort Menschen anfangen zu Weinen. Beispiel: Mein Opa wurde noch einmal aufgebahrt und nur der engste Teil der Familie war im Raum zugegen. Alle Weinten und sagten irgend etwas, an das ich mich nicht einmal mehr erinnern kann, weil es für mich nur bedingt Sinn ergab. Liegt vielleicht auch daran, dass mein Bezug zum Tod doch recht trocken und rational ist. Trauer und Tod sind bei mir also eher recht... andere würden es evtl. als herzlos bezeichnen :frown: Für mich gibt es, wie auch bei @HCS keinen wirklichen Grund, das Grab zu besuchen, ebenfalls nur, wenn meine Schwester oder aber meine Mutter dort hin möchten und sie sich wünschen, dass ich mitkomme. Ich sehe einfach keinen Sinn darin jemanden am Grab zu besuchen - zumal ich immer etwas aufpassen muss, dass ich dann nicht anfange zu Lachen oder Lächle, wenn ich beobachte, wie Menschen an den Gräbern mit den verstorbenen (versuchen) zu sprechen - ich empfinde das als seltsam.

    Wobei Trauer und Verlust im direkten Bezug, bspw. Verlust des Partners (ohne tödlichem Ausgang), in mir weitaus mehr Schaden anrichten - ich denke dabei an die einzige wirkliche Beziehung bisher, die ich hatte. Bis ich das Thema verarbeitet hatte, vergingen Jahre und Rückzug und Co. waren dieser Zeit meinen ständigen und unerwünschten Begleiter. Mit dieser Art von Trauer komme ich nur schwer klar. Na ja, @HCS schrieb es ja bereits: Logik und Trauer.

    Oft am Lesen, wenig am Schreiben, so wird es bei mir wohl auch lange bleiben!

  • Ich meine, dass ist jetzt 10 Jahre her, die Mutter war lange schwer krank und Eltern sterben nun einmal vor den Kindern (idealerweise).

    Ich bin zwar Autistin, aber den Gedanken an den Tod meiner Eltern finde ich auch ganz schrecklich!!! Bei mir kommt halt noch hinzu, dass ich keinen Partner habe und Angst vor noch größerer Einsamkeit, da fast alle anderen ja mit Familie und Beziehung zu tun haben.
    Eltern hat man ja auch nur einmal.

    Generell kann ich aber mit dem Thema Tod auch pragmatischer umgehen. Wenn eins meiner Tiere sitrbt, bin ich erst mal voll traurig und weine. Aber ich halte trotzdem Ratten, die sehr kurzlebig sind. Ich kann das trotzdem irgendwie rational sehen, dann ich biete armen Tierhheimtieren ein schönes Leben und wenn eine stirbt, gibt es wieder Platz für eine neue. Zwei sehr empfindsame Personen in meinem Umfeld leiden wahrscheinlich mehr als ich, da es sie mitnimmt, wenn ich traurig bin. Aber die Trauer gehört zu den schönen Erlebnissen dazu. Solange sie leben, tue ich alles für sie, aber ihre Zeit ist eben sehr begrenzt.

  • Bei mir kommt halt noch hinzu, dass ich keinen Partner habe und Angst vor noch größerer Einsamkeit, da fast alle anderen ja mit Familie und Beziehung zu tun haben.

    Das verstehe ich sehr gut - ich hatte immer panische Angst vor dem Tag, an dem mein Vater stirbt und ich dann Weihnachten (das für mich immer extrem wichtig war) entweder allein verbringen oder mich einem meiner Geschwister aufdrängen muss.

  • Sowas habe ich aber auch noch nie gehört, dass andere Leute an den Todestag der Mutterr von einer Freundin denken, vor allem, wenn das so lange her ist. Hätte meiner Mutter jemand zum 10. Todestag ihrer Mutter angerufen, dann hätte sie sich ziemlich gewundert, was das soll.
    Diesen emotionalen Umgang finde ich total übertrieben. Aber es scheint auch eine Modeerscheinung zu sein. Früher ist man mit dem Tod generell selbstverständlicher umgegangen, heute macht man ein emotionales Drama draus. Habe auch den Eindruck, dass viele Leute vorher nie darüber nachdenken.

    Ich habe mich neulich auch gewundert, weil ich zu einem Nichtautisten sagte, dass ich mich frage, wie es sich anfühlt, in dem Moment wo einem bewusst wird, dass man stirbt. Für mich ein normales Thema, das zum Leben dazugehört. Er meinte etwas abweisend, dass er sich das nicht ausmalen will. Offenbar ist der Tod für viele Leute ein Tabuthema, und wenn er dann eintrifft, fallen sie aus allen Wolken.

    Klar kann man eine Person vermissen, manche mehr und manche weniger, und es sind Gefühle damit verbunden. Aber dieses übertriebene Zelebrieren von Trauer verstehe ich nicht.

    Über das, wie es wohl ist, wenn man stirbt, habe ich auch schon oft nachgedacht.
    Ich vermute, dass es - falls man es überhaupt bewußt mitbekommt - so ähnlich ist, wie andere natürliche Abläufe, die der Körper einfach "kann" (zum Beispiel gebären) und bei denen er das "Ich" gar nicht braucht und dieses einfach nur staunend oder auch sträubend, oder was auch immer, dabei ist. (ausser man ist eh schon im Koma, oder durch einen Unfall / eine Bombe usw...sofort tot).

  • Ich bin zwar Autistin, aber den Gedanken an den Tod meiner Eltern finde ich auch ganz schrecklich!!! Bei mir kommt halt noch hinzu, dass ich keinen Partner habe und Angst vor noch größerer Einsamkeit, da fast alle anderen ja mit Familie und Beziehung zu tun haben.

    Viele User, die im Gegensatz zu mir schwerwiegende autistische Einschränkungen haben, sind viel erfahrener als ich, was das Thema Partnerschaft betrifft, haben teilweise sogar eine eigene Familie gegründet. Den Wunsch nach einer eigenen Familie habe ich zwar nicht, aber nach einer Partnerschaft schon. Ich denke aber, dass in meinem Fall eher die Bequemlichkeit oder ein geringes Selbstvertrauen die Ursache für die Partnerlosigkeit ist, weniger der Autismus.

  • Viele User, die im Gegensatz zu mir schwerwiegende autistische Einschränkungen haben, sind viel erfahrener als ich, was das Thema Partnerschaft betrifft, haben teilweise sogar eine eigene Familie gegründet.

    Ich finde das gar nicht mal so verwunderlich, dass diejenigen mit schwerwiegenderen Einschränkungen schneller einen Partner finden. Ich habe oft das Gefühl, dass ich zwischen den Stühlen stehe und nirgend dazugehöre. Nicht schwerbehindert, aber auch nicht "normal".

  • Bei mir ist es sehr seltsam. Ich kann Trauer bei anderen ganz gut verstehen, aber ich empfinde sie selbst ganz komisch. Bei den bisherigen Todesfällen (auch in der Verwandtschaft), bei denen ich involviert war, habe ich eigentlich keine Trauer empfunden. Das Leben ist endlich, meist ist der Tod schon vorher absehbar, usw. Als meine Ratten gestorben sind, habe ich aber jedes Mal geheult wie ein Schloßhund. Und wenn mir nicht direkt bekannte Menschen gestorben sind (Künstler, Autoren, etc.) war ich teilweise traurig, dass sie nichts mehr erschaffen werden. Wenn meine Eltern, Brüder, Frau oder Kinder sterben würden wäre ich aber glaube ich untröstlich.

    Ich fürchte die Antwort ist relativ einfach und unangenehm bei mir: es ist egozentrisch. Wenn die Menschen oder was sie für mich bedeuten ein wichtiger Baustein meines Lebens und Alltags ist trauere ich darum. Meine Omas haben zum Zeitpunkt ihres Todes keine große Rolle mehr in meinem Leben gespielt. Dazu waren sie sehr alt. Meine Trauer war sehr limitiert und bezog sich vor allem auf Erinnerungen an meine Kindheit, wo sie ein wichtiger Rückzugsraum für mich waren.

  • Hendrik: wieso unangenehm? Ich denke, dass es bei allen Menschen so ist und es auch völlig natürlich und gesund ist, dass wir egozentrisch sind (bzw. wir gar nicht anders können). Uns fehlen Menschen, die unser/e Bedürfnis/se gestillt haben und mit denen wir viel Kontakt hatten...erst dann fällt es uns doch auf, dass 'etwas' fehlt was sonst immer da war. Ich empfinde Deine Antwort als sehr ehrlich.

    Natürlich kann ich auch für den anderen trauern...also um das Leben das er verloren hat (um die nicht mehr zu machenden Erfahrungen, schöne Erlebnisse, Lebensziele usw.). Aber das tue ich doch auch nur, wenn ich das selbst als Verlust empfinden würde bzw. weiß, dass es dem anderen wichtig gewesen wäre. Dann kann ich mich in ihn hinein versetzen, wenn das meinem Wesen entspricht. Diese Art der Trauer hat aber keine Komponente der Verzweiflung/Ohnmacht, was Trauer ja oftmals so unaushaltbar macht.

    „Jenseits von richtig und falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“
    Rumi

  • Ich kann irgendwie auch nicht so richtig Trauer empfinden. Dies ist mir aufgefallen bei Todesfällen in der Familie, selbst bei ganz nahe stehenden Personen.

    Dito. Letztes Jahr ist meine Schwester an Krebs gestorben, und natürlich ist das schrecklich, keine Frage. Aber abgesehen davon, dass wir politisch sehr weit auseinanderlagen, gehe ich an solche Dinge immer sehr analytisch heran; ich finde das auch traurig, ja, aber meine Art Trauer zu empfinden, wahrscheinlich auch eher vom Verstand gesteuert, wirkt auf andere - ich bekam das von einer anderen Person gespiegelt - sehr emotionslos.

  • Dito. Letztes Jahr ist meine Schwester an Krebs gestorben, und natürlich ist das schrecklich, keine Frage. Aber abgesehen davon, dass wir politisch sehr weit auseinanderlagen, gehe ich an solche Dinge immer sehr analytisch heran; ich finde das auch traurig, ja, aber meine Art Trauer zu empfinden, wahrscheinlich auch eher vom Verstand gesteuert, wirkt auf andere - ich bekam das von einer anderen Person gespiegelt - sehr emotionslos.

    stimmt schon, aber vor drei Wochen konnte ich derart losflennen - weil meine Freundin (AS) mich umarmt hat wgen dem Tod unserer gem. Freundin - seit dort ist halt alles gut , so wie es ist

    :cryforjoy: trifft es wohl am besten

    Tomi B , AS, ADS

  • Ich bin zwar nur VA aber vielleicht hilft es doch.

    Als mein Opi Anfang diesen Monats starb war ich zuerst sehe rational, als ich es mündlich erfuhr. Erst als ich ihn da so liegen sah fing ich an loszuflennen, was aber sofort wieder aufhörte als ich ihn nicht mehr sah. Bei der Trauerrede müsste ich ich auch mehrmals weinen, aber eher weil ich da merkte wie wenig ich ihn eigentlich kannte.

    Wenn man auf eine Party geht, gibt es immer ein Risiko.

    Unsere Identität entnehmen Sie bitte dem beigefügten Auszug aus dem Melderegister. Gegen die Assimilierung in unser Kollektiv ist gemäß Assimilierungsdurchführungsgesetz (§666, Abs. 3/IV) kein Rechtsmittel zulässig. Wir bitten um Ihr Verständnis.

  • Ich bin zwar nur VA aber vielleicht hilft es doch.

    Als mein Opi Anfang diesen Monats starb war ich zuerst sehe rational, als ich es mündlich erfuhr. Erst als ich ihn da so liegen sah fing ich an loszuflennen, was aber sofort wieder aufhörte als ich ihn nicht mehr sah. Bei der Trauerrede müsste ich ich auch mehrmals weinen, aber eher weil ich da merkte wie wenig ich ihn eigentlich kannte.

    Das kann ich so auch für mich bestätigen. Wenn ich konkret mit etwas emotionalem konfrontiert bin, kann ich durchaus mitfühlen und manchmal auch mitweinen. Aber sobald die Situation vorüber ist, ist es auch wieder gut. Da schwingt nichts nach.

  • mein Verhalten und ihre Erwartung nicht kongruent sind.

    Puh, da bist Du jetzt in einer schwierigen Situation. Sie hat offensichtlich ein Bedürfnis, in dem sie sich von Dir nicht gesehen fühlt.

    Meist geht bei diesen Bedürfnissen um etwas tiefer liegendes, um mehr, als um eine Umarmung o.ä.

    Vielleicht kommt ihr weiter, wenn ihr mal vom vordergründigen Thema weggeht (dem vergessenen Todestag) und Euch in aller Ruhe darüber austauscht, was Dein und ihr Grundbedürfnis in Eurer Beziehung ist.

    Diese Seite hier finde ich sehr gut als Anregung und Info über dieses Thema:

    https://www.liebewohl.de/inhalt/herausf…eduerfnisse.htm

    Es ist oft so, dass es an einer Diskrepanz der Bedrüfnisse hakt, man das aber nicht weiß und nicht merkt. Dann wird ein Bedürfnis

    dass Sie sich da irgend eine Form der Unterstützung erwartet hätte.

    als Erwartung formuliert und hängt sich an einem Thema auf. (Unterstützung an dem vergessenen Todestag).

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