Artikel aus der Welt zur Modediagnose

  • Guter Artikel, aber sau alt.
    Ich weiß nicht, aber 8 Jahre... Muss man ja nicht wieder hier zitieren.

    D'accord. Ditto.

    Dass meine Beiträge so oft editiert werden hat meistens aber nicht immer damit zu tun dass ich sowohl grammatikalische oder syntaktische wie auch stilistische oder einfache Schreibfehler nicht immer sofort sehe und sie deswegen nachträglich korrigieren muss.

  • ich weiß gar nicht, wo ich bei diesem Artikel anfangen soll...
    Ich rege mich jetzt erstmal nicht zu viel auf und teile ihn nur.

    Der Anstieg ist doch zu erklären.
    Es werden
    - mehr Mädchen diagnostiziert ; noch Asperger hat ja abgesprochen, dass es betroffene weibliche Kinder gibt.
    - mehr Leute spätdiagnostiziert.

    Ein ähnliches Problem wie mit den Linkshändern. Auch hier ist die Anzahl plötzlich gestiegen. Kommt daher , weil man sie nicht mehr dislkriminiert und umerzieht.

    "Autismusdiagnose - Potius sero quam numquam.
    ( Lieber spät als nie.) "
    :irony:

  • Der Anstieg ist um ein vielfaches höher als dass es nur Mädchen und Spätdiagnostizierte sein können. Hier ist ein Artikel, zwar von 2011, aber was aktuelleres kenne ich nicht https://www.spektrum.de/news/tendenz-steigend/1130221

    1985: 1 in 2500
    1995: 1 in 500 (Beginn/Mitte 90er: Einführung von AS in die Diagnosehandbücher)
    2001: 1 in 250
    2009: 1 in 110

    Die Kurve wird dann nach 2011 (Zeitpunkt des Artikels) nochmal steiler, die krasseste Schätzung aus Korea oder so, sind 1 in 38!

    Das können jedenfalls nicht alles Mädchen oder Erwachsene sein.

    In dem verlinkten Artikel teilen sie die Zunahme folgendermaßen auf:
    25% veränderte Diagnosekriterien
    15% stärkeres Bewusstsein für ASS
    10% Alter der Eltern
    4% Lokale Häufungen
    46% Unbekannt

    Es gibt auch eine Um-Ettikettierung zb von geistige Behinderung zu Autismus, oder sicherlich auch im hochfunktionalen Bereich (was früher als PS diagnostiziert war, ist heute dann AS).
    Außerdem gingen die Leute früher oftmals nicht zum Psychiater (bzw psychiatrische Behandlung beschränkte sich auf geistig Behinderte oder Menschen mit Psychosen). Das Angebot an psychiatrischer Betreuung stieg, die Hemmschwelle sank.

  • Die Argumente von @Neoni habe ich auch schon mal gehört. Von Vogeley? Ich weiß es leider nicht mehr. Aber sie scheinen (mir jedenfalls) doch schlüssiger zu sein als diese jammervolle Behauptung einer Mode bei der Diagnosevergabe.


    ich weiß gar nicht, wo ich bei diesem Artikel anfangen soll...
    Ich rege mich jetzt erstmal nicht zu viel auf und teile ihn nur.

    Ein Journalist namens Stefan Niggemeier sagte ungefähr folgendes, was m.E. gut passt:

    "Das ist so vielschichtig falsch, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.
    Andererseits ist es so offensichtlich falsch, dass ich nicht weiß, ob ich überhaupt anfangen soll." (es zu zerpflücken(RW!)

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

  • In dem verlinkten Artikel teilen sie die Zunahme folgendermaßen auf:

    Das ist aber unvollständig wiedergegeben.
    Es ist nur eine Sichtweise, andere Sichtweisen, die ebenfalls in dem Artikel erwähnt sind, sagen, dass Autismus schon immer gleich häufig war, es also keinen echten Anstieg gibt.

    Zitat von Spektrum

    Einiges deutet darauf hin, dass die Prävalenz von Autismus schon immer hoch war. In einer aktuellen Studie erfasste der Psychiater Terry Brugha von der University of Leicester in Großbritannien Autisten im Erwachsenenalter: 7000 Familien im ganzen Land wurden befragt. Entgegen seiner Erwartung einer sehr niedrigen Prävalenz errechnete er 9,8 Fälle pro 1000 Personen, was der Frequenz bei amerikanischen Kindern sehr nahe kommt


    Oder Gillberg:

    Zitat von Spektrum

    Der Kinder- und Erwachsenenpsychologe Christopher Gillberg von der Universität Göteborg in Schweden arbeitet schon seit den 1970er Jahre an Autismus und findet ganz ähnliche Hinweise. Bei siebenjährigen Schweden beschrieb er im Jahr 1983 eine Prävalenz von 0,7 Prozent [9] und im Jahr 1999 eine Prävalenz von 1 Prozent [10]: "Ich war schon immer der Meinung, dass eine Epidemie eher unwahrscheinlich ist."

    Das spricht dann auch gleichzeitig gegen Umweltfaktoren als Ursache, zumindest wenn es sich um Umweltfaktoren handelt, die erst in neuerer Zeit vorhanden sind.

    Der Artikel stammt aus den USA, die Zahlen in Deutschland können ganz anders sein.
    Darüber hinaus scheint es mir unmöglich zu sein, genau zu quantifizieren, wieviele Diagnosen dazukamen, weil die Eltern älter sind oder weil anders diagnostiziert wird.

    Zitat von Spektrum

    Für manche Wissenschaftler zeigen die bisherigen Daten nicht eindeutig genug, dass ein Anstieg der Diagnosen tatsächlich ein Anstieg der Prävalenz ist. "Die Zahlen scheinen wirklich zu steigen", meint der Anthropologe Richard Grinker von der George Washington University in Washington DC. "Aber die Berechnungen sind nicht überzeugend. Man kann nicht einfach Prävalenzschätzungen als eindeutige wissenschaftliche Beweise ansehen, wie man sie beispielsweise beim Nachweis eines Virus erhält."


    Ich hatte mal gehört oder gelesen, dass in den USA der Begriff "Epidemie" von Organisationen in die Welt gesetzt worden sei, die mehr Forschungsgelder erlangen wollten. Es gab aber wohl nie eine Epidemie.

    Hier gibt es auch noch einen Artikel dazu:
    https://autismus-kultur.de/autismus/autip…s-epidemie.html

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Die Argumente von @Neoni habe ich auch schon mal gehört. Von Vogeley? Ich weiß es leider nicht mehr. Aber sie scheinen (mir jedenfalls) doch schlüssiger zu sein als diese jammervolle Behauptung einer Mode bei der Diagnosevergabe.

    Was meinst du? Wenn eine Um-Ettikettierung stattfindet, dann ist die ASS-Diagnose doch tatsächlich "modern" (Sowohl unter Psychiatern als auch unter den Patienten/deren Eltern selbst, denn sie suchen ja die entsprechende ASS-Diagnostik auf).
    Was verstehst du denn unter Modediagnose?
    Und wer da "jammerte" war immerhin Allen Frances, der hatte den Vorsitz der Arbeitsgruppe die das DSM-4 (1994) herausbrachte, er ist somit mitverantwortlich dass es das AS da überhaupt rein schaffte.
    Und ohne diese Modewelle hätte wohl keiner hier eine ASS-Diagnose bzw in Erwägung gezogen, das haben zu können.

  • @Shenya ich habe das Wort Epidemie überhaupt nicht verwendet. Und wenn es jmd verwendet, dann doch nicht wörtlich zu verstehen. Keine Virus-Infektion oder so, sondern ein drastischer Anstieg der Diagnosen aus verschiedenen Gründen. Insofern sagt der Artikel auf Autismus-Kultur doch nichts Neues.

  • Okay, aus meiner Sicht ist der Ausdruck "Modediagnose" ziemlich daneben.
    Egal, welche Koryphäe ihn gerade benutzt.

    Es gibt richtige und falsche Diagnosen, es gibt dimensionale und kategorische, es gibt akute und chronische Diagnosen. Aber eine Mode - auch in der Medizin - kann man nie ganz ausschließen, die spielt immer mit rein. Schon allein deshalb, weil so viele Männer in der Medizin und in der Psychiatrie etwas zu sagen haben, und diese Art von Männern ist immer ein klein wenig eitel (schönstes Beispiel: Dr. med. S. Freud).

    Es gibt vielleicht tatsächlich ehrgeizige Eltern, die ihr Erziehungsdebakel hinter einer Diagnose unklarer Nosologie verstecken möchten.
    Und auch Kinder, die tief unglücklich sind und nicht wissen, wie sie echte Anteilnahme bei ihren direkten Bezugspersonen erwecken können.....aber im Grunde lechzt keine "normale" Familie nach einer Diagnose wie Kannerautismus, Aspergersyndrom, ADHS, HFA, atypischer Autismus.
    In der Regel steht erst nach einer langen Odyssee von Eltern und Kindern (und auch Erwachsenen) die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung fest.

    Wenn irgendein Arzt diese Diagnose als Verlegenheits- oder Gefälligkeitsdiagnose vergibt, dann ist er / sie ein schlechter Diagnostiker und auch ein nicht so guter Arzt. Wie heißt es so schön: "Barmherzige Ärzte machen schlechte Wunden", was bedeutet, dass sie aus Angst, jemanden zu verletzen, fauliges Fleisch einer Wunde stehen lassen, anstatt es mutig herauszuschneiden.

    Im Beispielsfall wäre das mutige Herausschneiden die Wahrheit: "Ihr Kind ist intelligent, kreativ, manipulativ und unterfordert....Im Bemühen, der Umwelt eine Reaktion abzutrotzen, inszeniert es immer wieder grenzwertige Situationen. Der Umgang mit ihrem Kind ist sicherlich anstrengend, aber ich sehe bei Ihnen auch keine konsequente Haltung. Wie soll Ihr Kind da Orientierung finden? Eine Autismusdiagnose kommt aus meiner Sicht jedenfalls nicht in Betracht."


    @Neoni
    Ich meinte deine Aufzählung von verschiedenen Gründen in deinem Beitrag Nr. 7; das habe ich schon mal irgendwo gehört, und es leuchtete mir sofort ein.

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

  • Es gibt vielleicht tatsächlich ehrgeizige Eltern, die ihr Erziehungsdebakel hinter einer Diagnose unklarer Nosologie verstecken möchten.

    Daran dachte ich gar nicht. Sowas mag es auch geben, wobei ich denke dass es den Eltern wohl nicht bewusst ist, sondern unbewusst abläuft.

    aber im Grunde lechzt keine "normale" Familie nach einer Diagnose wie Kannerautismus, Aspergersyndrom, ADHS, HFA, atypischer Autismus.

    Besser das als Geistige Behinderung, Lernstörung, ADHS, FAS, Bindungsstörung, sozial-emotionale Entwicklungsverzögerung, emotionale Störung (was es da alles so gibt)... (also nicht ich finde Autismus besser als das genannte, aber Eltern können so denken)
    die Förderung scheint auch ein Faktor zu sein. Wir hatten das hier im Forum auch schon, dass eine Mutter an der AS-Diagnose zweifelte, eher ADHS sah, das Kind aber einen Schulbegleiter brauchte. Also hat der Arzt die Kriterien eben anscheinend gebogen, um den Kind zu helfen. In dem Artikel stand ja auch, dass der Diagnoseboom in USA zu großen Teilen an der erhältlichen Unterstützung liegt (die ist bei Diagnose Autismus höher). Da geht es auch nicht um priviligierte Kinder sondern welche, die zusätzliche Förderung gut gebrauchen können, die sie anders nicht erhalten. Es liegen also keine schlechten Motive dahinter.


    In der Regel steht erst nach einer langen Odyssee von Eltern und Kindern (und auch Erwachsenen) die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung fest.

    Das bekam ich auch mit. Es bedeutet aber auch dass die Eltern sich bewusst anstrengen, damit das Kind eine Autismus-Diagnose bekommt, statt diejenige zu behalten, die es zuerst bekam.
    Mal als Beispiel was ich meine der Erwachsenenbereich: Nahezu keiner unternimmt doch besondere Anstrengungen, um eine Narzissmus-Diagnose zu bekommen. Im Gegenteil, die Leute wollen die lieber nicht haben. Es gibt keine Narzissmus-Ambulanzen mit jahrelangen Wartelisten. AS hat also eine gewisse Atraktivität, die andere Diagnosen nicht haben (derzeit, in 20 Jahren mag das wieder anders sein). Ich glaube in den wenigsten Fällen geht es um die Frage: "AS oder gesund?" sondern "AS oder PS/Borderline/Schizophrenie/was auch immer?"

    Im Beispielsfall wäre das mutige Herausschneiden die Wahrheit: "Ihr Kind ist intelligent, kreativ, manipulativ und unterfordert....Im Bemühen, der Umwelt eine Reaktion abzutrotzen, inszeniert es immer wieder grenzwertige Situationen. Der Umgang mit ihrem Kind ist sicherlich anstrengend, aber ich sehe bei Ihnen auch keine konsequente Haltung. Wie soll Ihr Kind da Orientierung finden? Eine Autismusdiagnose kommt aus meiner Sicht jedenfalls nicht in Betracht."

    Ja, Überforderung mit der Erziehung/Förderung könnte auch ein Grund sein für das Verhalten des Kindes, aber der ist auch sehr unbeliebt zu besprechen...

    Einmal editiert, zuletzt von Neoni (14. Oktober 2019 um 22:55)

  • Da wir als Eltern auch vermuten unser Sohn könnte eine ASS haben kann ich vielleicht etwas aus dieser Perspektive beitragen. Wobei die Vermutung es könnte bei ihm in die Richtung gehen, auch von externen Personen geteilt wird, ergo stehen wir mit unserem Verdacht nicht ganz alleine da.

    Er hat als Diagnose bisher eine kombiniert umschriebene Entwicklungsstörung. Mit dieser Diagnose auch eine I-Kraft für den Kindergarten, auch das mit der Schwerbehinderung hat geklappt. Sollte man meinen alles bestens wozu braucht es eine ASS Diagnose.

    Mein Problem als Mutter ist, dass bisher keinerlei Testung in Richtung ASS durchgeführt wurde trotz längerem Aufenthalt in der Psychiatrischen Tagesklinik. Begründung er ist ja erst vier, wir Eltern mittlerweile massiv belastet was sich negativ auf ihn auswirken würde usw. Letzteres möchte ich nicht ausschließen, erklärt für mich aber nicht die von Anfang an bestehenden massiven Probleme im Kindergarten. Ja er ist schwierig und wir wissen nicht wie wir mit ihm umgehen sollen, ihn fördern können etc. die gestellte Diagnose gibt uns wenig Anhalt, hilft mir kaum mein Kind besser zu verstehen. Es ist nicht Fisch und nicht Fleisch, für mich nicht greifbar.

    Eine Ass Diagnose hingegen wäre greifbarer, da es entsprechende Literatur gibt. Man könnte sich belesen würde vielleicht eher Hinweise finden warum er so ist wie er ist. Nur wenn ich es wenigstens ansatzweise Verstehe wie was warum weshalb kann ich ihn beim Erwachsenwerden begleiten. Wenn ich immer denke aber er muss doch weil es die Norm ist dann werde ich ihn nur schaden. Aber dennoch muss ich ihn eben erziehen und ihn lernen was geht und was nicht geht. Ohne ein gewisses Grundwissen über die Andersartigkeit herauszufinden, wo verhält er sich "falsch" weil er wie jedes Kind seine Grenzen testen will, bzw. weil er gerade nicht will, bockig oder sonst was ist und wo verhält er sich eben "falsch" weil seine Denkmuster seine Handlung eigentlich als richtig einstufen es aber eben nicht der gesellschaftlichen Norm/Erwartungshaltung entspricht, ist verdammt schwer. So kommt es halt auch dazu, dass man vielleicht dem Kind gegenüber falsch reagiert.
    Ich sehe halt in der Diagnose eine Art Werkzeug mit den Eigenheiten des Kindes besser umgehen zu können und vielleicht Wege zu finden dem Kind dennoch das Rüstzeug zu Geben sich in der Gesellschaft so gut wie möglich zurechtzufinden.

    Oh man sorry mir fällt es schwer meine Sichtweise schriftlich darzulegen. Ich hoffe ihr versteht ungefähr was ich meine.

  • Der Anstieg ist doch zu erklären

    So sehe ich das auch.

    1985: 1 in 2500

    Und um in den 1930ern war Hans Asperger der Meinung 1 bis 2 in 100. Ich empfehle zum Beispiel das Buch "Geniale Störung" da wird viel über die Entwicklung und die Ansichten von Kanner und die Leugnung von Aspergers Forschung durch Kanner geschrieben.

  • @FruchtigBunt Ich lese schon länger mit und außerdem kann man die Suche bemühen. Der Artikel wurde natürlich nicht vor 8 Jahren zitiert (da gab es das Forum in dieser Form nicht), aber dennoch konnte er ja danach jederzeit zitiert werden.
    Und ich habe nunmal ein sehr gutes Gedächtnis.

  • @Linnea Genau, das meinte ich. Und wenn man das schon macht, dann sollte man es dazusagen und auch die Gründe nennen, warum man es dennoch verlinkt. Denn bei 8 Jahren auf einem so jungen Forschungsgebiet darf man mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Thesen und Zahlen aus dem Artikel längst überholt sind.

    Ich nehme aber einfach Mal an, dass das alte Datum @MangoMambo nicht aufgefallen war und sie sich nicht daran erinnerte dass es schon eine Diskussion darüber gibt.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!