Liebe Leute hier aus dem Forum,
ich wollte euch einfach mal sagen, wie froh ich bin, dass es euch gibt. Und dass ihr hier seid. Dass ihr mein Geschreibsel lest und antwortet, auch wenn ich manchmal ziemlich frustiert bin und enttäuscht von der Welt. Dass ihr mir Mut macht, obwohl oder gerade weil es bei euch auch nicht immer leicht ist. Dass ich hier im Forum einfach so sein kann, wie ich bin. Mit Mathe und Asperger und allem, was zu mir gehört. Ihr seid mein soziales Erfolgserlebnis und meine kommunikative Trainingsgruppe. Ihr seid meine Eisscholle in der Wüste des Alltags - und dafür DANKE!!!
Hier im Forum hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl irgendwie verstanden zu werden und auch, wenn ich erst seit ein paar Monaten hier bin, habe ich das Gefühl, dass ihr mir eine größere Unterstützung seid als meine Therapeutin...
Nach diversen Diskussionen hier zum Thema Nachteilsausgleich und co. hatte ich letzte Woche den Mut, meinen Dozenten anzuschreiben und ihm mitzuteilen, dass ich in seinem Seminar nicht klar komme, weil Anwesenheitspflicht und Gruppenarbeit einfach eine grauenhafte Kombination sind. Er hat gemeint, dass wir für die Anwesenheitspflicht so schnell keine Lösung finden werden, aber dass er mich trotzdem dabei unterstützen wird, mir das Seminar einigermaßen erträglich zu machen.
Vorgestern war dann das Seminar. Ich war total k.o. von der Woche, hatte den Overload des Monats und war völlig durch. Und dann kam er zu mir und meinte: "Sie machen die Gruppenarbeiten mit, die Sie können und alles andere lassen Sie bleiben. Das ist okay. Aber ich fände es gut, wenn Sie den anderen sagen könnten, warum. Damit die eine Chance haben, das zu verstehen." Und ich hab gezittert und gedacht, der Typ spinnt. Mein Kommunikationsguthaben für die Woche war so gut wie aufgebraucht. Erinnerung an die sozialen Negativ-Erfahrungen meiner Schulzeit sind in meinem Kopf durcheinander gerast. Ich war erschöpft, angespannt und hatte Panik. Aber dann habe ich an all eure Ermutigung gedacht. Und daran, wie gut es tut, sich nicht verstellen zu müssen. Sich nicht zusammen zureißen. Sondern einfach der Mensch zu sein, der man ist. Ich habe genickt. Und dann habe ich geredet.
Ich habe währenddessen gezittert und an allen vorbei aus dem Fenster gestarrt. Ich habe den Stoffpinguin in meiner Hand völlig durchgeknetet. Ich habe total viel Zeug vergessen, weil ich so kurzfristig nicht filtern konnte, was wichtig ist und was nicht. Und ich habe gesagt: "Ich habe Asperger. Und ich bin trotzdem ganz okay." Und es hat keiner gelacht. Keiner hat dumme Sprüche gemacht. Sie haben alle zugehört. Und Fragen gestellt: "Wann ich das gemerkt hätte?", "Was ich mir von der Schule damals gewünscht hätte?", "Ob man da irgendwie was machen kann? Therapie? Medikamente oder so?", "Wie ich so im Studium klar komme?" Ich kann das mit so sozialen Sachen ja immer noch nicht gut beurteilen, aber ich glaube, das war ernsthaftes Interesse.
Hinterher war ich ziemlich verkrampft und nass geschwitzt. Völlig erschöpft. Und gleichzeitig total erleichtert. Denn es war das erste Mal in meinem Leben, dass ich eine Gruppenarbeit dann einfach so verweigert habe, ohne dass es Strafarbeiten gab oder dumme Sprüche. Das erste Mal, dass ich mich in einem Seminar getraut habe, meine Schallschutzkopfhörer aus dem Baumarkt aufzusetzen. Und eins der ersten Male, dass ich im real life ein soziales Erfolgserlebnis hatte. Und ohne eure Ermutigung und euer Dasein in den letzten Wochen und Monaten hätte ich mich das sicherlich nicht getraut. Deswegen: Danke.
Natürlich wird das in der Zukunft nicht leicht. Das Praktikum macht mir ziemlich zu schaffen, die Suche nach einem neuen Therapeuten und die Antragstellung wegen dem GdB und so. Aber ich hab jetzt nicht mehr so viel Angst vor der Zukunft. Weil ich weiß, dass ich nicht alleine bin. Weil ich weiß, dass es Leute gibt, die mich verstehen. Und auch wenn sie mir nicht immer helfen können, die trotzdem zuhören und wissen, wie es sich anfühlt ein Pinguin zu sein in einer Welt voller Störche.
Ich wünsche euch jedenfalls ganz viel Kraft und Mut und Zuversicht. Dass auch ihr immer wieder Erfolgserlebnisse habt in dieser merkwürdigen und teilweise sehr anstrengenden Welt. Dass ihr auch im real life Menschen findet, die euch verstehen, die euch zuhören und die euch helfen. Und dass ihr das Element findet, in dem ihr euch wohlfühlt. In dem ihr schwimmen könnt oder fliegen. In dem ihr glücklich sein könnt und eure Stärken entfalten könnt.
Pinguine aller Länder, vereinigt euch! Denn es ist schön, dass es euch gibt!!!
Danke für alles.
Euer MathePinguin