Dauer der Klage auf Schwerbehinderung vor dem SG

  • Hallo allerseits,
    mein Anwalt hat Anfang Juni Klage vor dem Sozialgericht erhoben, um für mich die Schwerbehinderteneigenschaft durchzusetzen. Er meinte letzte Woche, als die Klagebegründung eingereicht wurde (die ich tatsächlich sehr gut fand), es sei mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten zu rechnen. Da ich als Prozesskostenhilfeempfängerin wohl nur wenig Geld einbringe, möchte ich nicht jede Frage gleich meinem Anwalt schicken... aber die Frage nach der Klagedauer macht mich wahnsinnig :d Sechs Monate von nun an? Oder von Klageerhebung an? Wie stehen die Chancen, dass ein Gutachten eingefordert wird? Wie läuft die Erstellung dessen ab? Wie lange dauert eine solche Klage allgemein? Hat da vielleicht jemand Erfahrungswerte? Danke

  • Ich habe keine Erfahrung mit Sozialgerichten, habe aber früher beruflich häufig mit Verwaltungsgerichten zu tun gehabt. Unter einem Jahr lag die Dauer so gut wie nie.

    Nobody expects the spanish inquisition!

  • Das kannst du dir errechnen:

    Jeder Verwaltungsakt (zum Beispiel Brief schreiben, Antwort lesen) dauert 2 Monate.

    Beispielrechnung (nach Adam Riese):

    Du hast Klage eingereicht -> 2 Monate
    Die Gegenpartei wird zur Stellungnahme gebeten -> 2 Monate
    Die Gegenpartei sendet Stellungnahme über das Sozialgericht an dich -> 2 Monate
    Du antwortest (Widerspruch) -> 2 Monate
    Das Sozialgericht legt einen Termin für die mündliche Verhandlung fest -> 2 Monate

    Die Verhandlung dauert 5 Minuten.

    Dazu kommen noch Verzögerungen / Fristversäumnisse.

    Das hat nichts mit der Wichtigkeit deines Falles zu tun - es ist wirklich der wiehernde Amtsschimmel! :shake:

  • Hallo allerseits,
    mein Anwalt hat Anfang Juni Klage vor dem Sozialgericht erhoben, um für mich die Schwerbehinderteneigenschaft durchzusetzen. Er meinte letzte Woche, als die Klagebegründung eingereicht wurde (die ich tatsächlich sehr gut fand), es sei mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten zu rechnen. Da ich als Prozesskostenhilfeempfängerin wohl nur wenig Geld einbringe, möchte ich nicht jede Frage gleich meinem Anwalt schicken... aber die Frage nach der Klagedauer macht mich wahnsinnig :d Sechs Monate von nun an? Oder von Klageerhebung an? Wie stehen die Chancen, dass ein Gutachten eingefordert wird? Wie läuft die Erstellung dessen ab? Wie lange dauert eine solche Klage allgemein? Hat da vielleicht jemand Erfahrungswerte? Danke

    Es wird sehr wahrscheinlich ein Gutachten beauftragt. Bis das da ist wird es wohl 1 Jahr dauern. Je nach Ergebnis geht dann der Vergleichstanz los, insbesondere wenn das Gutachten einen höheren GdB als die Behörde erkennt wird dieseeine "Verschlechterung" herbeireden. Das kann gut und gerne ein Jahr gehen. Dann macht der Richter ein Urteil. Danach geht das dann weiter zum LSG.

    Also bei mir sinds:
    3 Monate Antrag, 7 Monate Widerspruch, 2,5 Jahre Klage, 2,5 Jahre Berufung. Und die Berufung ist noch nicht fertig.

  • Hm, ich weiß, dass es bei dir sehr ungünstig gelaufen ist/läuft. Bei mir ist das Versorgungsamt Warendorf zuständig. Ich hoffe mal, dass es schneller geht - bin aber guter Dinge, weil mein Anwalt mit nicht viel mehr als sechs Monaten rechnet. Und anhand dessen, was mein Psychiater noch schrieb, dass mir ein GdB von deutlich über 50 zustünde, vermute ich selbst in meinem Pessimismus und meiner Paranoia, dass es durchgehen wird.

    Vermutlich bleiben dem Kläger keine Möglichkeiten zur Beschleunigung des Verfahrens?

    Besteht wirklich gar keine Option, ein Eilverfahren zu erwirken? Mein Vater kann keinen Unterhalt zahlen, ohne Kindergeld muss ich in Teilzeit arbeiten. Ich kann diesen Job gesundheitlich nicht ausüben. Meine Selbstverletzung, Schlafstörungen und Suizidgedanken wurden schlimmer. Mein Studium ist akut gefährdet - bräche ich es ab, wäre auch objektiv die Gefahr recht groß, dass ich Ungelernte bleibe und dem Staat dauerhaft auf der Tasche liege (so ich mir nichts antue). Wenn das nicht für eine Eilabhandlung ausreicht, was reicht dann?

  • Also SG Münster. Wie gesagt, 2,5 Jahre und weiter zum LSG. Aber immerhin keine Dr. der kreisfreien Nachbarstadt :roll:

    Also Beschleunigungen sind schwierig. Man könnte vllt. einen Beweisantrag für einen Gutachter stellen. Bei mir dauerte das mehr als nen halbes Jahr bis der Gutachter beauftragt wurde.
    Und du solltest dich auf die Begutachtung vorbereiten, ruhig eine schriftliche Liste anfertigen.

    Bezüglich des Lebensunterhaltes:
    Option 1: Darlehnsweise Alg-2 als Härtefall. (eher aussichtslos)
    Option 2: Hilfe zum Lebensunterhalt als Härtefall. https://www.studentenwerke.de/de/content/hil…rte-studierende

  • Danke für deine Antwort. Ist meine Sorge, an einen "arschigen" Gutachter zu geraten, wohl berechtigt? Ich habe große Angst davor, dass er mir gezielt Fallen stellt, um Dinge zu meinen Ungunsten auslegen zu können. Oder mich böse anfährt.

    Ja, Härtefall käme auch für mich nicht in Frage, da ich in Insolvenz auf gar keinen Fall in dieser Höhe Schulden machen wollte. Die Schulden haben mich damals fast zum Äußersten getrieben, ich könne neue sehr wahrscheinlich nicht zurückzahlen. Grundsicherung ist so ein Ding... die Behinderung bestand ja bereits bei Studienbeginn - außerdem vermute ich, dass niemand mir so schnell attestieren würde, dass ich nicht 15 Stunden pro Woche arbeiten/studieren könne.

    Redeten wir nicht von der Uni Münster, wäre auch eine Umstellung auf ein Teilzeitstudium und damit ALG II-Bezug möglich, aber die zicken ja rum und wollen ein Teilzeitstudium nicht einmal (Schwer-)Behinderten gewähren. :nerved: Dass ich auf diese Weise ohnehin nur einem Teilzeitstudium entsprechende CP pro Monat erhalte und wegen einer Formalie illegitimerweise auf mir zustehende Unterstützung verzichten muss, ist wohl egal.

    Noch eine andere Frage: mein Anwalt scheint wohl guter Dinge zu sein, dass ich die Schwerbehinderung "erhalte". Anders kann ich mir nicht erklären, weshalb er implizit davon abriet, auch gegen die Familienkasse zu klagen. Macht es nicht doch Sinn, FK und Versorgungsamt gleichzeitig zu verklagen, auf dass ich durch eine der Klagen dann Kindergeld erhalte? Ich habe keine fünf Jahre, um auf das Kindergeld zu erwarten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich in nicht zu ferner Zukunft, so weh mir der Gedanke tut, Vollwaise werde und den Anspruch (da ich das Erbe ausschlagen müsste, vermutlich sogar rückwirkend) gleich wieder verliere, ist recht groß, befürchte ich, mein Vater ist bereits 71 und hat sehr wahrscheinlich Hautkrebs, mit dem er seit Jahren nicht zum Arzt geht. Es ärgert mich massiv, dass ich überhaupt derart monetär denken muss, aber ein Studienabbruch würde die Situation auch nicht verbessern, im Gegenteil.

  • Das scheinen meine Ärzte anders zu sehen, chronische latente Suizidalität wurde bei Antragstellung angegeben. Ist eben auch niemandem damit geholfen, mir in der Psychiatrie einzureden, meine Gedanken seien illegitim und es sei gerechtfertigt, wenn ich hinterher kaputtgehe, weil ich doch in irgendeinem "Dummenjob" (bitte nicht offensiv auffassen, aber davor habe ich Panik seit meiner Jugend) ende, weil man sich partout weigert, intelligente behinderte Studenten ihrer Behinderung entsprechend zu unterstützen. Bevor ich meine Lebenszeit nach diesem Werdegang in einer Ausbildung "verschwende" oder dauerhaft im Callcenter arbeite und vor Unterforderung eingehe, wie es auf der Hauptschule passierte, bevorzuge ich es, nicht mehr zu leben. Darauf hat man sogar ein Recht - ein rational erwogener Suizid ist nicht nur legitim, sondern legal, es stand ja gar zur Debatte, ob eine Zwangseinweisung Grundrechte verletzt. Den meisten Menschen erscheint das nicht intuitiv, so dass die verantwortlichen pragmatisch Arbeitenden (Polizei etc.) es erst einmal anders handhaben und Gefährdete dennoch einweisen.

    Edit: bevor es zu Missverständnissen kommt, mir ist klar, dass ein Suizid nicht illegal sein kann, mit legal meine ich hier gesetzeskonform, und zwar derart, dass mich niemand daran hindern darf. Aber wir wollen nicht vom Thema abkommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Lissy (16. August 2019 um 15:52)

  • Ob es einen rationalen Selbstmord gibt ist ein anderes Thema.

    Ich halte ihn für mich aber aus zweierlei Gründen für nicht rational:
    1.) Wären die Leute dann fein raus, es wäre ja nur ein tragisches Ende, bei dem sich die selben Leute die einen dahin gebracht haben beteuern werden dass man sowas ja immer zu verhindern versuche und jetzt ganz traurig sei. Und da über Selbstmord und die Hintergründe eh nur öffentlich geredet würde, wenn man entweder prominent ist oder halt andere mitnimmt (Stichwort Amoklauf), wird diese Story stehen bleiben. Denn prominent bin ich nicht und würde man andere mitnehmen, dann wäre man der böse Täter und die anderen die armen Opfer. Egal was diese Opfer vorher taten.
    2.) Schliesse ich nicht aus, dass mein Tod einigen Leuten ganz recht wäre und sie den zumindest billigend in Kauf nehmen. Nichtmal von mir als persönlich sondern grundsätzlich, dass es halt einen Kostenmacher weniger gibt.

  • Zitat von infla

    Jeder Verwaltungsakt (zum Beispiel Brief schreiben, Antwort lesen) dauert 2 Monate.

    :o Machst du Scherze? Das kann man doch so pauschal nicht sagen, oder? Eine Antwort zu lesen dauert doch höchstens eine Stunde, wenn der Brief mehrere Seiten umfasst. :roll:

    Einmal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (16. August 2019 um 23:23)

  • mein Anwalt hat Anfang Juni Klage vor dem Sozialgericht erhoben, um für mich die Schwerbehinderteneigenschaft durchzusetzen. Er meinte letzte Woche, als die Klagebegründung eingereicht wurde (die ich tatsächlich sehr gut fand), es sei mit einer Dauer von mindestens sechs Monaten zu rechnen.

    Da ich als Prozesskostenhilfeempfängerin wohl nur wenig Geld einbringe, möchte ich nicht jede Frage gleich meinem Anwalt schicken... aber die Frage nach der Klagedauer macht mich wahnsinnig Sechs Monate von nun an?

    Vermutlich bleiben dem Kläger keine Möglichkeiten zur Beschleunigung des Verfahrens?

    Das Verfahren an sich wird wahrscheinlich Jahre dauern. Es hat - soviel kann ich sicher sagen! - nichts damit zu tun, wieviel das Verfahren einbringen könnte. Diese Sichtweise ist sehr angelsächsisch.

    Aber soweit ich das verstehe, geht es in Deinem Verfahren erst einmal um einstweiligen Rechtsschutz. Und den wird Dein Anwalt wohl in sechs Monaten erreichen können. ... Und das ist eben genau die Beschleunigung: der einstweilige Rechtsschutz.

    Of course I talk to myself! :nod: Sometimes I need expert advice. :prof:

  • Danke für eure Antworten.
    Ließe sich einstweiliger Rechtsschutz nun wohl erwirken? Vielleicht bin ich in all meiner Paranoia doch noch naiv, aber die Schreiben meines Psychiaters und Anwalts suggerieren stark schwere Anpassungsschwierigkeiten. Wenn das nicht für einen GdB von 50 reicht, bin selbst ich überrascht...

  • @Lissy: Alleine schon die Tatsache, dass Dir über Prozesskostenhilfe ein Anwalt zur Seite gestellt wurde bedeutet: Du hast eher Chancen, Deinen Fall zu gewinnen.
    Und bis das nicht entschieden ist bekommst Du erst einmal mindestens alle entsprechenden Sozialleistungen des ALG II.

    Of course I talk to myself! :nod: Sometimes I need expert advice. :prof:

  • Das mit den Verwaltungsakt-Dauer ist kein Witz!

    So ist's.

    Obwohl den Sozialgerichten in NRW vor ein paar Jahren etliche Stellen neu besetzt wurden, reicht es hinten und vorne nicht, um alles zügig zu erledigen.

    Außerdem sind meiner Erfahrung nach nicht alle Sozialrichterinnen und -Richter mit den Feinheiten des SGB IX vertraut.


    Eine Antwort zu lesen dauert doch höchstens eine Stunde, wenn der Brief mehrere Seiten umfasst.

    Dieser Brief kommt aber nicht am Tag nach dem Eingang beim Gericht auf einen freien, leeren Schreibtisch zu einem geneigten erfahrenen Sozialrichter.

    Die Schreibtische sind über-übervoll und es gibt noch viele andere dringende Fälle.
    Eins nach dem Anderen!

    Ist halt so.
    Und das erlebt man ja nicht nur bei den Sozialgerichten, sondern auch an anderen Stellen der öffentlichen Verwaltung...
    oder bei Handwerkern.....oder ...oder....

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

  • Das klingt ja erst mal gut. Die große Angst ist eben die (und Schuldgefühle kommen bei dem Gedanken schon wieder auf), dass ich zwischenzeitlich Vollwaise werde und den Anspruch verliere. Selbst wenn das jemanden interessieren würde, da mein Vater nicht zum Arzt geht, lässt sich nicht nachweisen, dass er (sehr wahrscheinlich...) krank und mein Anspruch gefährdet ist.

    Wirklich, ALG II? Ich bin ja Studentin und lebe bereits seit drei Jahren (mitunter weit) unterhalb des "menschenwürdigen Existenzminimums", zeitweise war ich absolut arm und hatte 1€ pro Monat, um Miete, NK, Semesterbeitrag und Essen (und alles andere Anfallende) zu zahlen. Von allen Sozialleistungsträgern wurde ich abgewiesen. Und ALG II über Verschuldung wäre fatal, ich könnte die Insolvenz verlieren... Und das Studium zu unterbrechen - mit 30 Jahren wird die Krankenversicherung horrend teuer...

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