Die Reaktion meiner Eltern auf einen Stim...

  • Ich brauch mal die Meinung von anderen, ob ich überreagiert habe.

    Zur meinem Verhältnis mit meinen Eltern: Ich bin letztes Jahr erst diagnostiziert worden. Zuvor meinte meine Mutter in meiner Kindheit immer, dass ich seltsam sei und hat mich dazu gedrängt mich anzupassen. Gleichzeitig hat sie auch öfters gesagt, meine Andersartigkeit sei nur eine temporäre Phase.
    Nachdem die Diagnose kam, hat sie sich entschuldigt, weil sie so streng war. Sie hat sich dann ein Buch über Asperger gekauft und immer wiederholt, ich könne mich ihr und meinem Vater nun komplett anvertrauen. Wie sich vielleicht erahnen ließ, war unser Verhältnis zuvor sehr distanziert.

    Zur konkreten Situation: Ich bin zur Zeit bei meinen Eltern und gestresst, weil ich ein eher emotionales Gespräch mit meiner Mutter heute mittag über meine Zukunftsängste geführt habe. Ich saß in meinem Zimmer und habe eher unterbewusst einen Stim ausgeführt. Normalerweise unterdrücke ich den in der Öffentlichkeit, weil es eine monotone und unnatürliche Bewegung ist und dadurch sehr auffällig ist. Mein Vater hat an meiner Tür geklopft und ich habe mich heute ausnahmsweise dazu entschieden nicht mit dem Stim aufzuhören, bevor ich ihn in das Zimmer gerufen hab.
    Er wollte nur gute Nacht sagen, aber ihm ist der Stim sofort aufgefallen und hat gefragt, ob es mir gut geht oder wieso ich das mache. Ich erwiderte nur, Ich finde es beruhigend.
    Dann fing er an etwas zu kichern und hat gesagt, "das musst du deiner Mutter zeigen!" und hat laut meine Mutter gerufen, sie solle sich ansehen was ich mache.

    Ich habe sofort aufgehört mich zu bewegen und gefragt was das soll. Mein Vater sagte nur, ich soll mich nicht so anstellen, er mache ja nur Spaß. Da kam jedoch meine Mutter angerannt und fragte was los sei...
    Vater:"Sie hat sich nur so seltsam bewegt."
    Anscheinend bin ich währenddessen sichtlich verärgert.
    Vater: "Du musst wirklich lernen damit besser umzugehen. Du kannst dich nicht immer so anstellen, wenn jemand etwas im Scherz sagt."
    Ich: "Ich finde das nicht lustig."
    Vater: "Wir sind Familie, da ist alles immer erlaubt und nur ein Spaß. Es ist ok, wenn du dich so bewegst."
    Ich: "Ich finde das aber nicht lustig. Wieso hast du sie [meine Mutter] dann extra gerufen, wenn alles ok ist?"
    Vater: *Seufzt* Ok, ok. Ich wusste ja nicht, dass es dir nach so'ner Kleinigkeit gleich so schlecht gehen würde...ok? Gute Nacht"
    Ich:"...gute Nacht"

    Das Gespräch verlief nicht wortwörtlich so, aber schon in dem Wortlaut. Aus den letzten Sätzen meines Vaters kann ich deswegen lesen, dass er denkt ich habe sehr überreagiert. Weil er geseufzt hat, denke ich auch, dass er etwas genervt war. Da bin ich mir aber nicht ganz sicher, ich bin nicht gut darin Emotionen zu lesen.

    Ich muss zugeben, dass ich sehr verletzt bin. Ich fühle mich zur Schau gestellt (RW) wie als ob mein Stim und Verhalten eine Freakshow wäre. Ich verstehe nicht wieso er sonst lacht und dann jemanden ruft, nur damit sie mich auch anglotzen kann. Aber das ist nicht der Hauptgrund. Ich bin es schon gewöhnt, dass meine Eltern über mich herziehen (RW) und dann sagen es sei alles nur Spaß.
    Ich bin verletzt, weil sie mir vorher explizit gesagt haben, dass ich ihnen vertrauen kann. Ich habe ihnen heute mein Stim sozusagen anvertraut. Bei jeder anderen Person hätte ich den Stim einfach sofort unterdrückt, sobald sich die Person ankündigt. Das ist Teil, wieso ich so erschöpft und unglücklich bin. Ich muss jeden Tag über solche Dinge nachdenken, wie ich mein Verhalten anzupassen habe, bevor ich mit anderen Personen interargieren kann.
    Ich fühle mich emotional verwundbar und schutzlos, weil ich ihnen vertraut habe und dadurch verletzt wurde. Ich hatte die Hoffnung, dass ich meine Eltern vielleicht doch nicht wie Fremde behandeln muss. Aber das war wohl zu gutgläubig, am Ende werden wir uns wahrscheinlich nie verstehen.

    Allerdings habe ich öfters Probleme den Humor von NTs zu verstehen und alle sagen mir andauernd, ich nehme Dinge zu ernst. Dieser Meinung bin ich übrigens auch, denn für mich ist es kein Witz, wenn nicht alle beteiligten Parteien es lustig finden.

    Mein Vater hat nun auch schlechte Laune und denkt ich sei überempfindlich. Um das Verhältnis zu kitten (RW) wäre wohl die schnellste und einfachste Option, dass ich mich für meine Reaktion entschuldige. Ich denke aber, dass mein Vater zumindest eine Teilschuld trägt und möchte mich ehrlich gesagt nicht entschuldigen. Denkt ihr, ich habe überreagiert und soll ich mich vielleicht doch entschuldigen?

  • Hi trew,

    ich kann dir natürlich nur meinen ganz persönlichen Eindruck vermitteln und es ist möglich, dass ich die Situation falsch einschätze.

    Erst einmal möchte ich dir mitteilen, dass ich deine Reaktion nachvollziehen kann. Meiner Ansicht nach hat dein Vater unüberlegt gehandelt. Ich würde da keine Boshaftigkeit unterstellen und auch nicht, dass er dich intendiert vorführen will - jedoch kenne ich deinen Vater ja auch nicht. Es klingt für mich, als wäre er nicht besonders feinfühlig und hätte die Konsequenzen seines Handelns nicht bedacht.

    ICH sehe keinen Grund, weswegen du dich entschuldigen müsstest oder solltest. Vielleicht ist es aber sinnvoll dein Empfinden zu erklären. Es ist ja für niemanden schön, so ein Wechsel aus Verletzung, beleidigt sein, sich unverstanden fühlen. Aktuell fühlt ihr euch beide unverstanden, sowohl du als auch dein Vater. Du scheinst in deinem Verletztsein in dich zu gehen, während dein Vater die Ablehnung, die er vermutlich fühlt, nach außen (gegen dich?) kehrt.

    Vielleicht bist du überempfindlich. Dann ist es aber so. Das ist kein Grund dich abzuwerten oder dir deshalb zu sagen, dass es nicht ok ist, dass du so bist, wie du bist. Vielleicht ist dein Vater auch so unsensibel und kann selbst nicht anders. Das Mindeste, was man jedoch erreichen sollte, ist dem anderen ehrlich zuhören, mitteilen wenn es zu viel wird, auch wenn die andere Partei es nicht persönlich nachempfinden kann. Das ist, meines Erachtens, Empathie. Dein Vater kann es übertrieben finden, aber er sollte einsehen, wenn es dich traurig macht und aus diesem Grund sein Verhalten überdenken. Auf der anderen Seite ist es vermutlich auch nicht förderlich, wenn du "katastrophierst" und annimmst, dass ihr euch nie verstehen werdet. [Vielleicht ist es wirklich so, aber vielleicht habt ihr auch eine Chance. Ihr scheint euch gerade erst ne anzunähern.] Ich kann deine Angst verstehen, denn ich gerate in emotional aufwühlenden Situationen auch leider oft in Schwarz-Weiß-Denken, obwohl ich eigentlich weiß, dass die Welt aus vielen Grautönen besteht.

    Du tust dir selbst einen Gefallen, wenn du bessere Coping-Skills erlernst (Ich weiß, leichter geschrieben als getan), damit du mit Frustration besser umgehen kannst. Menschen tun anderen Menschen immer wieder weh, oft gar nicht mit Absicht. Das ist doof. Finde deshalb einen Weg, dass es dir nach Möglichkeit weniger weh tut.

    Wie alt bist du denn? Bist du bei deinen Eltern zu Besuch oder wohnst du dort noch?

    "Auf der Metaebene lässt sich Abstand gewinnen zum Geschehen. [...] Und dabei zeigt sich, dass es andere Perspektiven, andere Erlebensweisen und viel mehr Möglichkeiten für Lösungen gibt, als sich der Mensch in seiner alten kleinen Welt hatte träumen lassen." (Brit Wilczek)

  • @Kayt
    Ich bin zur Zeit auf Wunsch meiner Eltern zu Besuch und Anfang 20er.
    Mir ist bewusst, dass ich sehr pessimistisch bin und mir oft zu viele Gedanken mache. Ich würde gerne sagen, dass ich daran arbeite, aber ich weiß ehrlich gesagt einfach nicht wie. Sobald ich über etwas nachdenke, überlege ich immer wie es schiefgehen kann (RW) und was ich in so einem Fall dann tun könnte.
    Und ich würde gerne bessere Coping-Skills haben. Mein neuer Ansatz war, meine Stims nicht mehr zu unterdrücken, aber dann kam halt diese Situation auf... (Ich habe zuvor fast alle Stims underdrückt, weil ich mir vor der Diagnose nicht bewusst war, dass es etwas normales für Asperger und daher auch für mich ist).

    Meine ursprüngliche Methode nicht frustriert zu sein war einfach emotional distanzierter zu sein. Da hat es mich auch nicht so gestört wenn sich jemand über mich lustig macht.
    Ich besitze ehrlich gesagt sehr wenig Empathie. Habe lange als Kind so getan als ob ich mehr hätte, weil es so unnormal ist. Ich habe allerdings gelernt, dass man Gefühle nicht erzwingen kann und mich damit abgefunden. Ich kann durchaus etwas intellektuell nachvollziehen, aber emotional fühle ich für die Person dann trotzdem sehr wenig. So wie ich weiß, dass mein Vater mir nichts böses will wegen seines Eltern Instinkts.

    Mit "Verhältnis kitten" in meinem ursprünglichen Post wollte ich auch nur Passiv Aggressivität meines Vaters verhindern, für den Fall, dass ich mich der sozialen Norm nicht entsprechend verhalte.
    Ich habe schon ein paar mal versucht ihm zu erklären, dass mich sein Verhalten verängstigt (als Kind) oder traurig macht. Das hat immer sehr viel Kraft und Nerven gekostet und ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass es sich lohnt. Solange sich meine Eltern nicht zu sehr bei mir beschweren, ist es ok für mich, wenn sich unsere Beziehung nicht ändert. Sie sollen mir nur nichts versprechen, was sie es nicht einhalten können.

  • Sobald ich über etwas nachdenke, überlege ich immer wie es schiefgehen kann (RW) und was ich in so einem Fall dann tun könnte.

    Das kommt mir sehr bekannt vor. Manchmal "zwinge" ich mich dann anhand meiner eigenen Logik anders zu verfahren. Möglich ist vieles, aber wahrscheinlich eben nicht. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass X passiert? Ist es wirklich sinnvoll zu viel Zeit darauf zu verwenden über X nachzudenken? Manchmal ist es ja sogar so, dass man sich eh nicht drauf vorbereiten kann. In den meisten Fällen hat man aber Gedankenzeit verschwendet an etwas Negatives :/ Das schlägt sich allgemein dann aufs Gemüt nieder. Ist ein doofer Teufelskreis, ich weiß. Manchmal mache ich Fortschritte und manchmal falle ich wieder zurück. Ich versuche aber meine Tool-Box besser auszustatten. In angespannten Situationen nur einen Hammer zu haben, ist nicht immer zielführend.

    Ob du dich der "sozialen Norm" nicht entsprechend verhältst, weiß ich nicht. Ich finde es aber auch wichtiger, dass du dich so verhältst, wie du dich verhalten kannst, solange du grundsätzlich respektvoll bist und das schienst du gewesen zu sein. Soziale Normen sind weder immer einheitlich noch statisch. Sie unterliegen gesellschaftlichem Wandel und Wandel könnte auch manchen Familien ganz gut tun - finde ich jedenfalls.

    Was du über das Verhältnis zu deinen Eltern schreibst, klingt echt nicht so cool. Kenne ich leider auch von meinem Vater, dass es gern irgendwelche angeblichen "Witze" reißt. Wenn er mal zum Spielen gelaunt war, gab's am Ende meistens Tränen, weil ich seine Art gar nicht so lustig fand oder er mir beim Toben richtig körperlich weh tat.

    Es tut mir leid für dich, dass du in so einer Situation steckst. Deine Eltern laden dich ein und sagen, dass sie auf deiner Seite stehen, aber bei dir kommt leider das Gegenteil an. Vielleicht wäre es besser, die Besuche kürzer zu halten? Wohnt ihr so weit auseinander?

    "Auf der Metaebene lässt sich Abstand gewinnen zum Geschehen. [...] Und dabei zeigt sich, dass es andere Perspektiven, andere Erlebensweisen und viel mehr Möglichkeiten für Lösungen gibt, als sich der Mensch in seiner alten kleinen Welt hatte träumen lassen." (Brit Wilczek)

  • Ich versuche auch oft eine Kosten-Nutzen-Rechnung zu erstellen.

    So wie in dem Fall meiner persönlichen Beziehungen.
    Es kostet viel Kraft mich mit meinen Eltern zu verständigen, ich seh allerdings eher geringen Nutzen für eine tiefen Beziehung.
    Im anderen Fall, die Beziehung so zu lassen wie sie ist, kostet mich viel weniger Kraft und ich verliere nichts anderes, weil ich es so gewohnt bin.

    Wir wohnen gar nicht so weit voneinander weg. Allerdings bin ich erst vorgestern hergekommen. Wenn ich frühzeitig abreise, kann ich mir gut vorstellen, dass meine Mutter nicht erfreut darüber ist. Sie versucht teilweise krampfhaft die Beziehung zu 'verbessern'. Dann fängt sie an davon zu reden wie sehr sie unsere Vergangenheit doch bereue und es sei alles ihre Schuld. Und der sozialen Norm entsprechend müsste ich ja jemanden widersprechen, der sich selbst fertig macht, und versuchen sie aufzumuntern. Noch größer wird der Druck weil ich mit ihr verwandt bin.
    Allerdings überlege ich mir tatsächlich, ob ich nicht doch früher abreisen sollte.

  • Meine Einschätzung: Deine Mutter erpresst dich emotional. Damit will ich nicht sagen, dass sie das bewusst tut, möglicherweise ist es ein Muster, welches sie so erlernt hat. Vermutlich gibt es Aspekte, die "ihre Schuld" sind, ebenso wie welche, die es nicht sind. [Es stellt sich mir generell oft die Frage, wann und ob es überhaupt immer sinnvoll ist von "Schuld" zu sprechen, die man loswerden will] Manchmal sind wirklich schlechte Dinge passiert. Diese sollte man einsehen, reflektieren, nicht wiederholen und dem anderen mitteilen, dass nicht er dieses Verhalten nicht zu verantworten hat. Es klingt für mich so, als würde deine Mutter wollen, dass du sie entschuldigst, sie "frei sprichst". Sofern sie sich wirklich (dauerhaft) schlecht dir gegenüber verhalten hat, ist das ziemlich mies, dich nun so emotional unter Druck zu setzen.

    Warum hast du überhaupt geplant länger zu bleiben? Ging das schon mal gut?

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  • Schlecht ist relativ. Ich hab mit ihr wenig interagiert als Kind. Das war für mich ok. Ich denke ein großer Anteil unserer Interaktinoen war, wenn sie meine Tests unterschreiben musste für die Schule. Falls ich 'schlecht' (3 ist ja eigentlich 'befriedigend') abgeschnitten habe, dann hat sie mich objektiv (emotional) schlecht behandelt.

    Sie wiederholt sich auch dauernt, was ich für überflüssig halte. Für einige Sache versuche ich auch sie "freizusprechen". Sie denkt, es sei ihre Schuld ich hätte Asperger. Manchmal fragt sie sich, ob es wegen ihrer schlechten Erziehung war oder weil sie mich mal auf den Kopf hat fallen lassen...Das ist kein Scherz. Ich hab ihr schon mehrmals erklärt Asperger ist angeboren, aber sie wiederholt sich trotzdem andauernd und scheint sich nicht überzeugen zu lassen.
    Mir vergeht auch langsam die Lust sie zu korrigieren, wenn sie eh nicht zuhört. Ist auch ein Grund warum ich nicht andauernd meine Gefühle ihr gegenüber wieder rechtfertigen will.

    Es sind grad Semesterferien und dann bin ich normalerweise bei ihnen. Zum einen gibt es dann weniger Nebenkosten für meine Wohnung in der Unistadt und zum anderen einfach weil sie sich sonst Sorgen macht. Einige gerechtfertigte Sorgen, wie dass ich nicht genug esse oder andere eher abstruse, wie dass ich Kriminalität zum Opfer fallen könnte.

    Es war vor der Diagnose tatsächlich ganz ok. Ich hab sie dann auch nur ein paar mal die Woche gesehen und da hat sich sie auch nur vergewissert, dass ich in meinem Zimmer anwesend bin. Geredet haben wir kaum.

    Danke für deine Ansicht und dein Versuch zu helfen. Ich geh jetzt erstmal schlafen.

  • Ich kann verstehen dass so etwas erniedrigend für einen ist. Vielleicht war deinen Eltern gar nicht bewusst dass dich so was sehr verletzt. Vielleicht könnt ihr ja darüber reden und du sagst ihnen wie du dich gefühlt hast?

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