Autistisches Burnout (Zusammenstellung und Übersetzung der englischen Internetseiten zum Thema)

  • Hallo zusammen,

    ein Telefonat mit der Vorsitzenden von Autismus Bodensee e.V. hat mich auf das Thema "Autistisches Burnout" gebracht, indem ich mich total wieder finde. Leider gibt es dazu nichts in der Fachliteratur und auch nicht wirklich was im Internet, zumindest nicht auf deutsch. Ich habe jetzt angefangen die englischen Artikel zum Thema zusammenzutragen und zu übersetzen, in der Hoffnung, dass mein Umfeld mich dadurch etwas besser verstehen kann. Von dem sehr oft die Frage kommt: "Wie kannst du denn jetzt schon erschöpft sein, du hast doch gar nichts gemacht!"

    Ich bin noch nicht durch mit den Texten, aber ich werde das einfach mal phasenweise hier schreiben und ergänzen. Vielleicht hilft euch das ja auch.
    Mich zumindest hat es getröstet, weil mir jetzt klar ist, warum der Pinguin täglich aufs neue vom Himmel stürzt und sich wundert, warum alle Störche unbeeindruckt weiter fliegen...

    Viele Grüße und euch alles Gute,
    MathePinguin

    P.s.: Rein wissenschaftlich betrachtet ist das keine "gute" Arbeit, da ich die genauen Quellen bzw. Internetseiten nicht angegeben habe, weil ich mir die englischen Texte einfach nur rauskopiert und ausgedruckt habe und mir für ein genaues Zitieren der Quellen heute mittag die Energie gefehlt hat. Viele Texte zitieren sich auch gegenseitig. Mein Suchbegriff bei Google war "autistic burnout" und so viele Texte zum Thema sind das auch gar nicht. Ich hoffe, die (Literatur)wissenschaftler von euch haben Nachsicht mit meiner eher unprofessionellen Arbeitsweise.

  • Was ist ein 'autistisches Burnout'?
    Wenn autistische Personen für längere Zeit Stress ausgesetzt sind (der z.B. dadurch entstehen kann, dass sie ihren Autismus verstecken wollen oder mehr Aktivitäten annehmen, als sie bewältigen könenn), reichen ihre Bewältigungsstrategien nicht länger aus, um den Alltagsstress bewältigen zu können. Wenn das passiert, schaltet sich das Gehirn quasi aus und läuft nur noch im 'Survival-Modus'.
    Autistisches Burnout kann wie eine depressive Episode aussehen und kann – muss aber nicht – von einer Depression begleitet werden.

    Im Prinzip ist das autistische Burnout mit dem autistischen Meltdown/Shutdown zu vergleichen und unterscheidet sich lediglich durch die wesentlich längere Dauer. Meltdown bezeichnet dabei ein neurologisches Ereignis, das Autisten erleben, wenn sie von einer Situation und den damit verbundenen Reizen völlig überflutet und überfordert werden und zeitweise die Kontrolle über ihr Verhalten verlieren.

    Autistisches Burnout ist die Folge eines jahrelangen Versuches, normal und neurotypisch zu wirken. Diese Anstrengung wird über die Zeit zu groß und die autistische Person brennt aus. Dabei können sich die autistischen Symptome verstärken. Außerdem geht das autistische Burnout mit einem Verlust der Funktionalität einher.
    Das autistische Burnout trifft viele junge Erwachsene mit ASS aber auch ältere.

    Neurotypische Menschen können ein Burnout bekommen, wenn sie sich überarbeiten. Asperger-Autisten überarbeiten sich täglich, nur um den sozialen Anforderungen des Normalseins gerecht werden zu können.
    Autistisches Burnout ist als ob das Gehirn sagen würde: „Nein, das ist scheiße, das ist nicht das, wofür ich gemacht bin!“

    Im autistischen Burnout verfügen die Betroffenen zwar noch über Sprache oder Selbstfürsorge und andere Skills, sind aber körperlich und psychisch so erschöpft, dass sie keine Energie mehr haben, diese Skills auch anzuwenden. Das heißt allerdings nicht, dass diese Skills für immer verloren sind, sie sind nur zeitweise nicht mehr verfügbar. Das Gehirn hat sie quasi 'offline' genommen, damit die Restenergie fürs Überleben reicht.

    Ins autistische Burnout geraten Autisten, die am Ende ihrer Ressourcen sind, die ihnen normalerweise dabei helfen, nicht so autistisch zu wirken und mit ihrer neurotypischen Umwelt klarzukommen.
    Autistische Personen brauchen viel mehr Energie um Dinge zu bewältigen, die für neurotypische Menschen selbstverständlich sind. Autistische Menschen leben damit quasi dauerhaft in einem Energielevel, das bei neurotypischen Menschen nur für Notfälle reserviert ist. Daher haben Autisten ein größeres Risiko für Burnout.

  • Anzeichen für ein autistisches Burnout:

    • fehlende Motivation (es ist schwierig, sich um seine Ziele zu kümmern, wenn man schon mit dem Alltag an sich überfordert ist)
    • Einschränkung der exekutiven Fähigkeiten (Entscheidungen treffen, Organisation etc.)
    • Schwierigkeiten mit Selbstfürsorge
    • häufigere Overloads und Meltdowns
    • Verlust von Sprache, selektiver Mutismus
    • Lethargie, Erschöpfung
    • Krankheiten
    • Konzentrationsschwierigkeiten
    • Unfähigkeit Masken aufrecht zu erhalten oder soziale Skills anzuwenden
    • scheinbar noch 'autistischeres' Verhalten
    • möglich ist auch eine Phase erhöhter Energie vor dem Kollaps
  • Ursachen für ein autistisches Burnout:

    • Der Versuch neurotypisch zu wirken. Autisten können nicht vor dem fliehen, was sie sind, aber sie können auch nicht vor der Welt fliehen, in der sie leben. Dieser ständige Widerspruch kann ein Burnout verursachen.
    • zu viel Aktivitäten, zu viel Stress
    • Angst und Angststörungen
    • Veränderungen, gute und schlechte (Freundschaften, Arbeit, Lebensumstände, Umwelt, Routinen...)
    • Schlafmangel, Nahrungsmangel, Dehydrierung
    • Krankheit
    • Sensorischer oder emotionaler Overload
  • Das hilft bei einem autistischen Burnout bzw. als Prävention:

    • Zeit
    • Pausen im Stundenplan
    • Aufgaben rausstreichen oder delegieren
    • Kommunikation mit Angehörigen und professionellen Unterstützern (die es zwar gut meinen, aber autistisches Burnout falsch verstehen): Erkläre Ihnen, was los ist.
    • Auszeiten
    • Stimming
    • Sensorische Diät
    • Arbeit
    • Massage
    • Erinnerungen und Unterstützung
    • Routinen
    • bessere Umweltbedingungen
    • Grenzen, Nein sagen
    • Die Fassade fallen lassen
    • absolute Stille
    • kreative Projekte, Leidenschaften, Spezialinteressen
    • Bedürfnisse und Signale des eigenen Körpers wahrnehmen, sich zu regelmäßigen Zeiten daran erinnern, kurz den Körper zu checken (Hab ich Hunger? Durst? Tut mir etwas weh?)
    • Akzeptanz
    • Sicherheit/Schutz
    • Freunde, die sie annehmen, wie sie sind
    • Mentoren/Unterstützer
    • sich auf etwas fokussieren
    • Soziales und Arbeit (zeitweise) online 'erledigen' statt persönlich
    • Minimalismus: Weniger ist mehr.


    -> Um ein autistisches Burnout zu verhindern, sollten autistische Personen sich darauf fokussieren, wie autistische Personen zu leben und weniger darauf, möglichst normal und neurotypisch zu erscheinen. Sie sollten Möglichkeiten finden den Stress in ihrem Leben zu reduzieren, Stimming in ihren Alltag zu integrieren und stressverursachende Aktivitäten streichen, vor allem, wenn sie gar nicht notwendig sind.

    Fast alles, was ich bisher gelesen habe, scheint darauf hinauszulaufen, dass man als Autist seinen Autismus akzeptieren und offen leben sollte, anstatt ständig zu versuchen, jemand zu sein, der man nicht ist. Nur, dass das kaum etwas daran ändert, dass wir in einer Welt leben (müssen) für die unsere Gehirne so nicht gemacht sind. Hm. :roll:

  • @MathePinguin

    Vielen Dank fürs Übersetzen. Insbesondere die stichpunktartigen Aufzählungen finde ich hilfreich. Dass dort vorgeschlagen wird Dinge zeitweise online zu erledigen, statt persönlich, hilft mir ein kleines bisschen dabei, die Einschränkungen anzunehmen, die ich aktuell habe und statt diesem "100 oder 0-Denken" gangbare Mittelwege zu finden. Es bleibt für mich dennoch ein Kampf.

    Der Hinweis, dass Arbeit stabilisierend wirke, trifft mich ziemlich, weil ich offenbar total den Glauben daran verloren zu haben scheine, nochmal wieder arbeiten zu können. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, in welchem Rahmen und in welchem Arbeitsfeld das sein könnte. Dennoch habe ich eine leise Ahnung, dass ich mutig sein muss und etwas Neues ausprobieren sollte und dass mir eine sinnvolle Arbeit sehr gut tun könnte.

    Zitat von MathePinguin

    Autistisches Burnout ist als ob das Gehirn sagen würde: „Nein, das ist scheiße, das ist nicht das, wofür ich gemacht bin!“

    :cry: Dieser Satz trifft es für mich sehr gut. Er drückt für mich ganz gut die Diskrepanz zwischen den Anforderungen aus, die ich oft nicht erfüllen kann und meinen Fähigkeiten, die in dieser Welt nicht gefragt sind. Beides erzeugt bei mir Leid. Der zweite Punkt wahrscheinlich sogar noch viel mehr als der erste.

  • Asperger und hochfunktionale Autisten als besondere Risikogruppe für Burnout



    Oft sind es die Personen, die am besten dazu in der Lage sind, als 'normal' durchzugehen, die offensichtlichen 'Erfolgsgeschichten' aus der Perspektive Nicht-Autistischer Personen, die am heftigsten ausbrennen und sich entweder plötzlich ziemlich autistisch verhalten müssen – oder sterben.
    Hinzu kommt, dass diese Personengruppe den schlechtesten Zugang zu autismusspezifischen Hilfsangeboten hat, was auch insofern tragisch ist, weil diese Personengruppe eine hohe Wahrscheinlichkeit hat, arbeitslos, obdachlos, fehldiagnostiziert und falsch behandelt zu werden.

    Eine weitere Schwierigkeit bzw. ein weiterer Grund für das erhöhte Burnout-Risiko hochfunktionaler Autisten ist, dass ihre Umwelt, wann immer sie eine neue Technik oder Kompetenz mühevoll erwerben, die Anforderungen an sie erhöht. Die Umwelt erwartet dann, dass sie diesen Skill dauerhaft verfügbar haben und auch benutzen, selbst wenn dieser Skill mit enormen persönlichen Anstrengungen verbunden ist. Wenn zum Beispiel eine autistische Person zum ersten Mal eine Party besucht (und das für sie mit sehr großer Anstrengung und anschließender Erschöpfung verbunden ist), kann das Umfeld zu dem Ergebnis kommen: „XY kann also doch auf Partys gehen. Das ist super. Dann gehen wir nächste Woche gleich wieder!“ Dabei wird übersehen, dass es für die Person zwar möglich ist auf Partys zu gehen, es sie aber außerordentlich anstrengt und daher nicht beliebig reproduzierbar ist.

    Während das Überleben in einer neurotypischen Welt für alle Autisten schwierig ist, ist es für die hochfunktionalen Autisten insofern schwieriger, weil sie sich ihrer Schwierigkeiten noch stärker bewusst sind. Weil sowohl sie selbst als auch ihr Umfeld sehr viel höhere Erwartungen an sie haben („Du bist doch nicht behindert!“). Menschen mit Asperger kämpfen daher nicht nur mit den autistischen Schwierigkeiten und teilweise großen Ängsten, sondern müssen auch extrem hart daran arbeiten, die Fassade von 'Normalität' aufrecht zu erhalten.

  • Autist sein als Hilfe gegen Autistisches Burnout?


    Autismus ist nicht heilbar. Man sollte daher jungen Autisten beibringen, ihre Grenzen zu kennen und zu akzeptieren. Es sollte nicht gefeiert werden, wenn autistische Menschen sich 'normal' verhalten können, vor allem auch, weil man nicht weiß, wie lange der anschließende Erholungsprozess dauert und ob die Gesellschaft für diese Erholung immer genug Zeit lässt.

    Autistisches Burnout ist das Ende der Ressourcen, die es einem ermöglichen, sich so zu verhalten, als wäre man nicht autistisch, um den Anforderungen seiner Umwelt gerecht werden zu können. Dabei hat das Burnout eine Schutzfunktion, genau wie der Meltdown, denn es zwingt den Betroffenen die Situation zu verlassen, die ihn akut oder chronisch überfordert hat.

    Für viele Autisten und ihre Angehörigen/Therapeuten ist es das Ziel, möglichst normal und neurotypisch zu werden bzw. wenigstens so zu erscheinen. Doch das ist für Autisten längerfristig keine gute Sache: Sobald sie einmal als 'normal' in Erscheinung getreten sind, erwartet die Umgebung, dass sie sich jederzeit normal verhalten. Das allerdings ist mit enormen Anstrengungen verbunden, die längerfristig ungesund sind und zu Burnout führen können.

    Wenn Autisten nach einem Burnout ihr Verhalten ändern, kann es sein, dass sie autistischer und 'behinderter' wirken, als zuvor. Was für die Umwelt ein Rückschritt ist, ist für die Betroffenen ein Schritt zu mehr Gesundheit, da sie nun nicht mehr versuchen, ihre Grenzen um jeden Preis zu übertreten. Die autistische Person ist nicht behinderter als zuvor. Sie versucht nur nicht mehr, Ziele zu erreichen, die sie aufgrund ihrer Beeinträchtigung gar nicht erreichen kann. Sie hört nicht auf, sich Mühe zu geben. Sie hört nur auf, sich jeden Tag heillos zu überfordern.

    Wichtig ist, sich immer wieder bewusst zu machen, dass etwas, nur weil es mühelos scheint, nicht zwingend mühelos ist. Wenn autistische Personen 'normal' wirken heißt das nicht, dass sie auch normal sind. Oft heißt es nur, dass sie jahrelang trainiert und geübt haben, wie sie normal wirken können.
    Autist in einer neurotypischen Welt zu sein ist schwierig und überfordernd genug. Wenn man aber zusätzlich versucht, auch noch neurotypisch zu wirken, erfordert das nochmal mehr Energie. Mehr Energie, als überhaupt möglich ist.

  • Autistisches Burnout ernst nehmen!


    Dass es wichtig ist, das autistische Burnout ernst zu nehmen (auch wenn es bisher nur in Berichten Betroffener erwähnt wird und in der Forschung bisher keine Rolle spielt), erkennt man auch daran, dass Autisten eine deutlich geringere Lebenserwartung haben als neurotypische Menschen. Und das nicht wegen genetischer Dysfunktionen sondern einfach deshalb, weil das alltägliche Leben so viel anstrengender ist als bei anderen Menschen. Gefordert wird daher, sich weniger auf die Suche nach genetischen Heilungsmöglichkeiten zu fokussieren, sondern den Autisten einfach mehr zuzuhören und ihre Sorgen und Probleme ernst zu nehmen.

    Das Autistische Burnout ist mit der Erschöpfung eines Läufers nach einem Marathon vergleichbar. Allerdings mit dem Unterschied, dass der Autist täglich zu diesem Marathon gezwungen wird, während Laufpausen für den Marathonläufer gesellschaftlich auf mehr Verständnis stoßen. Außerdem ist der Marathonläufer nur körperlich erschöpft, nach dem Marathon ist also lediglich seine Fähigkeit zur Fortbewegung geschwächt. Autistisches Burnout kann Körper und Psyche gleichermaßen betreffen und sich negativ auf alle Bereiche des täglichen Lebens auswirken. So hat z.B. der Marathonläufer höchstwahrscheinlich noch genug Energie, um sich mit Freunden oder Nachbarn zu unterhalten bzw. sich etwas zu kochen.

    Wenn es in Folge des autistischen Burnout zu Einschränkungen der Handlungsfähigkeit kommt, heißt es nicht, dass die Betroffenen plötzlich nicht mehr wissen, wie die Dinge des täglichen Lebens zu tun sind. Im Gegenteil. Nur ist ihr Gehirn zu müde, um diese Fähigkeiten tatsächlich auch in die Praxis umzusetzen. Eine Person mit autistischem Burnout kann also sehr wohl um die Wichtigkeit regelmäßiger Mahlzeiten wissen und trotzdem zu erschöpft sein, um in die Küche zu gehen und sich Nudeln zu kochen.

    Es ist wichtig, über autistisches Burnout zu sprechen/schreiben, damit die Betroffenen 1.) merken, dass sie damit nicht alleine sind, 2.) eine Chance haben, die Anzeichen für ein autistisches Burnout zu erkennen und 3.) Nicht-Autistische Personen haben, Autisten besser verstehen zu können. Dies ist deshalb wichtig, weil auch Nicht-Autisten erhebliche Schwierigkeiten damit haben können, Verständnis und Empathie aufzubringen, wenn es darum geht, Autisten zu verstehen...

  • Anzeichen für Regression:

    • Nach und nach Verlust der Fähigkeit zu Sprechen
    • Rückgang der exekutiven Funktionen
    • reduziertes Erinnerungs- und Konzentrationsvermögen
    • Verlust der Selbstfürsorge
    • Verlust sozialer Skills und Kompetenzen
    • reduzierte Fähigkeit, sensorischen und sozialen Overload auszuhalten
    • es ist auch möglich, dass die Person grundsätzlich nicht mehr in der Lage ist, ihren Alltag zu bewältigen (Einkaufen, Essen, Trinken, Hygiene...)

    -> Regression bezeichnet die scheinbare Rückenwicklung auf eine Entwicklungsstufe, die bereits absolviert wurde. Also wenn jemand plörtzlich an Dingen scheitert, die er früher gekonnt hat. Oft wirkt die Person dadurch "autistischer" also sowieso schon.
    -> Oft beginnt eine Phase autistischer Regression während oder nach der Pubertät oder beim Übergang zum Erwachsenwerden (Ende Teens, Anfang Zwanzig). Trotzdem kann autistische Regression in jedem Alter passieren und meistens nach großen Veränderungen im Leben oder nach einer Phase erhöhtem Stress.

  • Akzeptanz hilft.


    Um ein autistisches Burnout zu verhindern, sollten autistische Personen sich darauf fokussieren, wie autistische Personen zu leben und weniger darauf, möglichst normal und neurotypisch zu erscheinen. Sie sollten Möglichkeiten finden den Stress in ihrem Leben zu reduzieren, Stimming in ihren Alltag zu integrieren und stressverursachende Aktivitäten streichen, vor allem, wenn sie gar nicht notwendig sind.

    Akzeptanz bedeutet, im gesamten Gesundheitsbereich Autismus und andere Behinderungen als einen Teil der Persönlichkeit anzusehen und weniger als Problem, das gelöst und beseitigt werden sollte. Akzeptanz bedeutet, eine Welt zu schaffen, in der autistische Personen sich nicht wie neurotypische Personen verhalten müssen. Wenn die Welt mehr über die autistische Lebensweise erfährt können viele psychische Probleme autistischer Personen abnehmen. Dazu gehört auch die Akzeptanz, dass Autisten sehr viel Rückzugszeit brauchen um sich von Dingen zu erholen, die für die meisten Menschen ganz normal sind und zu respektieren, dass schon die reine Existenz in dieser Welt für die meisten Menschen mit ASS eine große Herausforderung ist.

    -> Im Prinzip geht es darum, dass sowohl das Umfeld als auch die Betroffenen selbst akzeptieren lernen, dass sie sind, wie sie sind.

  • Tipps für Angehörige/professionelle Unterstützer:

    • Zwingen Sie die Persn nicht zu unnötiger Kommunikation, warten Sie, bis die Person soweit ist.
    • Haben Sie Verständnis dafür, wenn sich die Person zurückzieht.
    • Lassen Sie die Person wissen, dass Sie da sind, wenn sie reden will, aber zwingen Sie sie zu nichts.
    • Geben Sie Rückzugsmöglichkeiten falls nötig.
    • Sorgen Sie dafür, dass die Person Grundaktivitäten wie essen/trinken weiterhin ausführt.
    • Unterstützen Sie Erholungsmaßnahmen, auch wenn sie sich von den 'normaleren' etwas unterscheiden (für Menschen mit ASS ist es nicht zwangsläufig erholsam, Zeit mit anderen Menschen zu verbringen und zu reden)
    • Haben Sie Verständnis dafür, dass Regression (scheinbarer Rückfall in ein vorheriges Entwicklungsstadium) möglich ist und die Person u.U. manche Dinge und Verhaltensweisen (Skills, Soziales Verhalten...) erst wieder neu erlernen muss.
    • Das Beste, was Sie für jemanden mit autistischem Burnout machen können, ist ihm Zeit geben und Pausen erlauben. Je mehr Zeit sie haben, die sie alleine oder in druckfreien Situationen verbringen können, desto schneller wird auch das Burnout wieder verschwinden
    • Burnout ist unangenehm, anstrengen und kräftezehrend. Aber man kann es überwinden – mit viel Zeit, Geduld, Ruhe, Verständnis, Rückzug und Unterstützung.
  • Der Hinweis, dass Arbeit stabilisierend wirke, trifft mich ziemlich, weil ich offenbar total den Glauben daran verloren zu haben scheine, nochmal wieder arbeiten zu können. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, in welchem Rahmen und in welchem Arbeitsfeld das sein könnte. Dennoch habe ich eine leise Ahnung, dass ich mutig sein muss und etwas Neues ausprobieren sollte und dass mir eine sinnvolle Arbeit sehr gut tun könnte.

    Du hast recht. Möglicherweise hätte man das auch anders übersetzen können. Ich glaube, im Original stand "Exercises", also eher "Arbeit" im Sinne von was zu tun haben. Beschäftigung. Strukturierten Tagesablauf. Das Gefühl, seinen Teil beitragen zu können.

    Bei mir ist das auch so, dass mich das Studium gerade ziemlich überfordert und dass es Tage gibt wo ich denke, dass ich überhaupt nie für den Arbeitsmarkt geeignet sein werde. Aber dann übersetze ich zum Beispiel diesen Text und habe für einige Stunden das Gefühl, dass es sinnvoll ist, was ich tue. Das es etwas gibt, womit ich mir und anderen helfen kann. Dass es auch etwas gibt, was ich gut kann und was auch andere gut finden. Und das ist schon irgendwie tröstlich. :) Gerade, wenn man sonst überall scheitert...

    Dieser Satz trifft es für mich sehr gut. Er drückt für mich ganz gut die Diskrepanz zwischen den Anforderungen aus, die ich oft nicht erfüllen kann und meinen Fähigkeiten, die in dieser Welt nicht gefragt sind. Beides erzeugt bei mir Leid. Der zweite Punkt wahrscheinlich sogar noch viel mehr als der erste.

    Verstehe ich sofort! Vielleicht ist es das, was mich an der Recherche am meisten deprimiert hat. Also natürlich war es toll, sich endlich mal verstanden zu fühlen. Aber in der Forschung (und das ist das, wo unsere Therapeuten ihre Infos herkriegen) spielt das Thema derzeit noch gar keine Rolle. Irgendwie scheint das ein Thema zu sein, was total viele Autisten kennen, aber was es offiziell nicht zu geben scheint.

    Mich deprimiert es auch sehr, dass die durchschnittliche Lebenserwartung bei Autisten deutlich geringer ist als bei NTs, bei einem deutlich höheren Risiko für Depressionen und Angststörungen sowie Suizidalität. Ebenfalls erhöht ist das Riskio für Arbeitslosigkeit und co. Und das nicht, weil Autisten dümmer sind oder genetisch/körperlich irgendwie kaputt, sondern einfach, weil wir wie Pinguine sind, die in der Wüste leben müssen. An sich sind wir voll okay und haben haufenweise wertvolle Talente. Wir leben nur in einer Welt, für die wir nicht gemacht sind. :( Schade eigentlich.

  • @Mathe Pinguin vielen Dank fürs übersetzen!
    Finde mich grad total wieder und das macht mich einerseits total traurig fühle mich aber auch ein bisschen verstanden.

    @FruchtigBunt tut mir leid, dass ich in dem andren Thread nicht mehr geschrieben habe.
    Ist grad alles zuviel und manches geht grad nicht obwohl ich gern würde aber wohl wirklich nicht sollte und einfach mal zur Ruhe kommen

  • @Nalia
    Ist angekommen und lieb von dir, aber ich erwarte nie eine Antwort, weil ich weiß, wie sehr Erwartungen Druck erzeugen. Erlege dir da keine Pflichten auf. Du schreibst einfach, wenn es sich passend anfühlt und wenn nicht, schreibst du nichts :nod: Ich finde es nicht schlimm.

  • @MathePinguin
    Ich habe gerade wieder Probleme mit der Zitierfunktion :? . Ich kann die positiven Gefühle gut nachvollziehen, die z. B. die Übersetzungsarbeit in dir auslöst. Ich habe das auch immer wieder zwischendurch bei Tätigkeiten, dass mir meine Kompetenzen wieder bewusst werden. Diese Artikel zu übersetzen, ist auch eine Leistung, die viele nicht so gut hinbekämen, vor allem weil du ausdauernd dabei bist (es ist sehr viel Text).

    Ich wünschte, es gäbe mehr Chancen, solche Talente gewinnbringend einzusetzen oder anzubringen. Die Gesellschaft könnte ja sogar stark profitieren davon. Bei mir war es aber leider immer so, dass diese Kompetenzen im Beruf als störend angesehen wurden.

  • Tipps für Angehörige/professionelle Unterstützer:

    • Zwingen Sie die Persn nicht zu unnötiger Kommunikation, warten Sie, bis die Person soweit ist.
    • Haben Sie Verständnis dafür, wenn sich die Person zurückzieht.

    Das finde ich z. B. immens wichtig, wird aber meiner Erfahrung nach von therapeutischem Personal öfters missachtet. Da wird man in Gruppenrunden aufgefordert "sich nicht so zu verschließen" oder "auch mal etwas zu sagen" (harmlose Formulierungen, die bei mir aber schon zu Anspannung oder Wut führen) oder es fallen sogar Sätze wie "Sie müssen auch mitarbeiten, wenn Sie wollen, dass sich was ändert. Wenn Sie hier nur stumm dasitzen..." Bei solchen Formulierungen lege ich mich dann auch mit Behandlern an, weil ich mich in einer Therapie zu nichts zwingen lasse und ich diesen Druck total unfair und auch überhaupt nicht zielführend finde. Ich fühle mich dann oft missverstanden damit und denk mir dann "gut, wenn du unbedingt willst, dass ich was sage, werde ich nun mal aufzählen, wie viele Fehler dieses Behandlungskonzept enthält etc. Das hast du dann davon, meine ruhige Art nicht geschätzt zu haben." :evil:
    Ich meine, was soll man noch tun, wenn die eigenen Probleme selbst von Behandlern missgedeutet werden. Das war aber, als von Asperger noch nichts bekannt war.

    Die gleichen Dinge (Rückzug zur Erholung) bekam ich auf der Arbeit vorgeworfen. Wahrscheinlich hätte ich da meine Bedürfnisse besser vertreten müssen. Aber immer ist deswegen auf mir herumgehackt worden, so dass ich mich irgendwann geschämt hatte, so viel Zeit ohne andere Menschen zu brauchen und die Ansichten der anderen, was normal sei und ich deshalb zu befolgen hätte, doch irgendwo als Maßstab herangezogen hatte, um mich dann deswegen abzuwerten.

    Von daher finde ich die Artikel gut, weil darin nicht für Anpassung plädiert wird, sondern dafür, das Leben als Autist so zu leben, dass es erträglicher für einen wird. Ich verstehe nicht wirklich, warum das nicht eigentlich selbstverständlich in den Therapien ist. Gerade in der Autismustherapie scheint es dagegen mehr darum u gehen, Dinge zu erlernen, um möglichst ähnlich zu wirken, wie NT, also z. B soziale Lügen, sich in andere reinversetzen, Kontakte aufbauen etc. Ich frage mich, ob das sinnvoll ist oder nicht eher die Gefahr eines solchen autistischen Burnouts erhöht.

  • Danke für den Thread, mir hilft das gerade sehr. :)

    Leider habe ich auch schon länger mit einer Überforderung zu kämpfen und ich muss schauen, wie ich mein Leben ändern kann, damit ich da wieder raus komme. Alleine schon meine berufliche Situation (Selbständigkeit mit ziemlich viel sozialem Kontakt) ist alles andere als ideal. Zumal es nicht mal wirtschaftlich so richtig hinkommt. :thumbdown:

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