andere Personen und deren Verhalten/Charakter richtig einschätzen, ein "Gesamtbild" der anderen Person haben

  • Ich wüsste gern, ob es anderen auch so geht, dass sie sich nur schlecht ein Gesamtbild von anderen, sogar nahestehenden, Personen machen können.

    Bei mir ist es so, dass ich den Menschen meist so wahrnehme, wie er in der aktuellen Situation ist und dass ich in dieser Situation all die anderen Seiten, die ich an der Person schon wahrgenommen habe, nicht zu einem Ganzen zusammenfügen kann. Daraus resultiert, dass ich immer wieder überrascht (positiv oder negativ) bin, wenn jemand mal eine Seite zeigt, die nicht so oft zum Vorschein kommt.

    Ich kann dadurch andere Menschen nur sehr schlecht einschätzen. Ich hab zwar manchmal eine Art Grundgefühl für den Charakter eines Menschen, aber sobald in einer Situation eine bestimmte Seite auftaucht, ist diese für mich in dem Moment präsent und ich habe nicht vor Augen, dass die Person ja auch ganz andere Seiten hat. Beispiel: eine Kollegin, der gegenüber ich eher misstrauisch bin, weil ich sie für "verstellt freundlich" halte und für missgünstig - ergibt sich einmal eine Situation, wo sie ganz offen und freundlich mit mir redet, dann habe ich in dieser Situation nicht im Hinterkopf, dass sie im Gesamten einen anderen Charakter zeigt. Ich bin also auch nicht so vorsichtig und erzähle ihr dann vielleicht etwas, was ich ihr nicht erzählen sollte.

    Es gibt durchaus Menschen, bei denen habe ich ein ziemlich klares Gefühl für ihren Charakter. Da kann ich sagen: das ist eine freundliche Person. Ich glaube, ich erkenne eher einen guten Charakter. Wenn ich für mich festgestellt habe, dass eine Person sehr auf eigenen Vorteil und Anerkennung aus ist, dann habe ich mir das eher durch Nachdenken erschlossen oder weil andere es mir gesagt haben. Das Handeln solcher Personen ist für mich unergründlich, deshalb muss ich Verhalten analysieren oder den Aussagen anderer vertrauen.
    Ist so eine Person wie die letztgenannte nämlich freundlich zu mir, dann habe ich in dem Moment überhaupt keinen Argwohn, ich glaube dann, dass die Person so ist. Verhält die Person sich am nächsten Tag dann ganz anders, kann ich das nicht begreifen. Dabei müsste ich doch wissen, dass jeder Mensch viele Facetten hat.

    Ich scheine nicht in der Lage zu sein, die vielen Facetten eines Charakters zu einem Ganzen zusammen fügen zu können.

    Ein großes Problem ist auch, dass ich dadurch große Verlustangst habe, schon seit der Kindheit. Ist eine mir nahestehende Person wütend auf mich, dann habe ich Angst, dass ich sie verlieren könnte. Ich müsste eigentlich wissen, dass die aktuelle Situation nur ein dunkler Fleck auf einer großen reinen Fläche ist, aber ich hab dann in dem Moment dazu, wie sich die Person die meiste Zeit mir gegenüber verhält und wie sie zu mir steht, keinen Zugriff. Ich kriege es nicht hin, zu sagen: die Person mag mich sehr gern und ist meistens freundlich zu mir, aber im Moment ist sie wütend auf mich. Das wird auch wieder vergehen und ändert nichts daran, dass die Person mich mag.

  • Ja, das ergeht mir leider sehr ähnlich. Gerade was du im letzten Abschnitt schreibst, belastet auch mich seit jeher. Ich muss aber sagen, dass sich diese Problematik merklich verbessert hat, seit mir klar ist, was mein Problem ist bzw. wie es zustande kommt. Jetzt muss ich mich im fraglichen Moment nur möglichst schnell daran erinnern, was mit mir los ist, um dann auf dem rational-analytischen Weg bewusst das "Gesamtbild" zu rekonstruieren. Geholfen hat mir bereits vorher ansonsten die Entscheidung für unbedingtes Vertrauen in meinen Partner. Da hatten wir aber auch schon viele gemeinsame und auch nicht nur einfache Jahre gehabt...

  • Bei mir ist es so, dass ich den Menschen meist so wahrnehme, wie er in der aktuellen Situation ist und dass ich in dieser Situation all die anderen Seiten, die ich an der Person schon wahrgenommen habe, nicht zu einem Ganzen zusammenfügen kann. Daraus resultiert, dass ich immer wieder überrascht (positiv oder negativ) bin, wenn jemand mal eine Seite zeigt, die nicht so oft zum Vorschein kommt.

    Das kann ich für mich bestätigen.

    Nobody expects the spanish inquisition!

  • Ist eine mir nahestehende Person wütend auf mich, dann habe ich Angst, dass ich sie verlieren könnte. Ich müsste eigentlich wissen, dass die aktuelle Situation nur ein dunkler Fleck auf einer großen reinen Fläche ist, aber ich hab dann in dem Moment dazu, wie sich die Person die meiste Zeit mir gegenüber verhält und wie sie zu mir steht, keinen Zugriff. Ich kriege es nicht hin, zu sagen: die Person mag mich sehr gern und ist meistens freundlich zu mir, aber im Moment ist sie wütend auf mich. Das wird auch wieder vergehen und ändert nichts daran, dass die Person mich mag.

    Das geht mir genauso! Allerdings könnte ich nicht sagen, was der Grund dafür ist, vielleicht so wie bei dir.
    Ich muss halt generell sagen, dass mir das Verhalten anderer - und das sind keine Autisten bis auf meine Mutter vielleicht - oft
    als merkwürdig und nicht vorhersagbar erscheint. Tendenziell male ich mir die Reaktionen oft negativer aus, als sie dann sind
    (wobei selten auch mal der umgekehrte Fall eintreten kann).

  • Bei mir ist es so, dass ich den Menschen meist so wahrnehme, wie er in der aktuellen Situation ist und dass ich in dieser Situation all die anderen Seiten, die ich an der Person schon wahrgenommen habe, nicht zu einem Ganzen zusammenfügen kann. Daraus resultiert, dass ich immer wieder überrascht (positiv oder negativ) bin, wenn jemand mal eine Seite zeigt, die nicht so oft zum Vorschein kommt.

    Könnte gefühlt eins zu eins von mir kommen. :d

    Grüße aus der Pegasus Galaxie. :)

  • Geht mir genauso - NUR: ich habe irgendwann gelernt, alle Facetten eines Menschen zusammengefügt zu sehen. Aber es ist immer ein Kraftakt, gerade bei Stress mit jemandem.

    Ich habe irgendwie die Gabe, in jeder Person das Positive deutlich zu sehen (im meinem Job ist das sehr nützlich). Manchmal passiert es mir aber, dass mich das Negative an jemanden dann wie aus dem Nichts voll erwischt, und dann kommt das mit dem Kraftakt. Manchmal klappt es dann nicht, dann passiert das wie mit dem Schulleiter letztens: ich fühle mich aus dem Nichts herabgesetzt und mache zu.

  • Ja das ist bei mir genauso. Und ich kenne das auch dass ich denke die Person zu verlieren wegen einer kleineren Auseinandersetzung oder auch nur wenn die Person wegen etwas ganz anderem gereizt ist habe ich Angst dass ich sie verliere. Ich nehme die Leute so wahr wie sie gerade sind und das war damals sehr fatal. Ich hatte mal eine „Freundin“ die wenn sie mit mir alleine war immer sehr nett und verständnisvoll war aber in der Gruppe hat sie mich so gesehen beleidigt und auch Dinge die ich ihr im Vertrauen erzählt habe gegen mich verwendet. Und ich dachte dann warum sie das nur tut weil sie ja nett zu mir war, aber das war dann eben ihr Charakter und hat alles überspielt um einen bloßzustellen. Also es kann schon fatal sein denn man hätte wissen müssen was für einen Charakter jemand eigentlich hat und ob man bestimmten Personen wirklich etwas erzählen soll.

  • Mir wurde dazu von der Diagnostikerin erklärt, es handele sich um eine Kontextschwäche.
    Was bedeutet, entweder die Situation von außen zu betrachten, dann auch ganz viel erkennen können, wenn gelernt, worauf zu achten ist, aber eben nicht "drin und dabei" zu sein, oder "drin" zu sein, gedanklich und emotional, und dann den Kontext nicht mehr sehen.
    Und im Dingen und agieren dann sogar manchmal ganz vergessen.
    Und schon hat man wieder was "Unpassendes" gesagt oder gemacht.

    Ein Aspie erklärte mir mal, dass er sich antrainiert hat, "getaktet" immer wieder in den Außenblick zu gehen, was aber dann nicht mehr gelingt, wenn dir Situation selbst sehr starke Gefühle in ihm erzeugr.

    Deshalb arbeitet er daran, schneller das Ansteigen der Gefühlsintensität zu erkennen und sich dann zu beruhigen, um dieses "umswitchen" weiter machen zu können.

    Da tauschen wir uns aus, das mit dem Erkennen und Beruhigen kriege ich mittlerweile ganz gut hin, mich ans "switchen" überhaupt zu erinnern, wenn ich "drin" bin, fällt mir noch schwer.

    Am schönsten ist es aber mit Aspie-Freunden . Einmal Kontext geklärt, und dann "rein und ganz entspannt im Hier und Jetzt"..
    DAS fällt vielen NTs schwer, dazu gibt's sogar Seminare :d

  • Bei mir ist es so, dass ich den Menschen meist so wahrnehme, wie er in der aktuellen Situation ist und dass ich in dieser Situation all die anderen Seiten, die ich an der Person schon wahrgenommen habe, nicht zu einem Ganzen zusammenfügen kann. Daraus resultiert, dass ich immer wieder überrascht (positiv oder negativ) bin, wenn jemand mal eine Seite zeigt, die nicht so oft zum Vorschein kommt.

    Das geht mir tatsächlich ebenfalls so, auch wenn ich es bis jetzt nie so ganz analysiert hatte.

    Besonders in der Schulzeit habe ich das stark gemerkt, denn da hatte ich viele "falsche Freunde": War ich mit ihnen (jeweils) alleine, kam ich super aus mit ihnen. In einer Gruppe haben sie mich ignoriert oder schlimmeres. Ich habe dann glaube ich einfach immer mehrere Bilder angefertigt, situationsabhängig: "Die XY mit der ich alleine bin, ist nett und lustig. Die XY in der Schule/Klasse/ mit anderen mag mich nicht und ist nicht nett."
    So ging es dann etwas besser damit umzugehen (wenngleich ich oft darüber gegrübelt habe).

    Selbst heute bei meinem festen Freund wundere ich mich aber oft über ihn, weil er "normalerweise" (nur mit mir) anders ist. Wenn er sich zB in einer Gruppe präsentiert, kommt er mir mitunter völlig fremd vor, was ein echt ungutes Gefühl bei mir erzeugt (Schock, Unverständnis, Angst, Fremdheit). Das ist dann eben nicht vereinbar mit meinem Bild von ihm, obwohl es ja offenbar genauso zu ihm gehört. Ich möchte ihn dann manchmal korrigieren: "So bist du doch gar nicht! Das ist falsch!" - nicht wörtlich natürlich. Das ging aber nie gut, weil er ja das Recht hat sich situationsabhängig anders zu verhalten, und ich ihn da in keiner Form korrigieren darf oder sollte. Auch wenn es mir unverständlich ist, wie anders eine Person kontextabhängig sein kann. Das scheint normales menschliches Verhalten zu sein, und vielleicht mache ich das sogar selbst ohne es zu merken. Es kann aber auch sein, dass ich das nicht mache - obwohl es besser wäre. Eigentlich ist das vielleicht ganz normale Anpassung, und wenn man immer die gleiche Person ist, sich also keine verschiedenen Persönlichkeiten bzw Verhaltensweisen situationsabhängig zugelegt hat, ist man dadurch weniger flexibel und kann daher mit bestimmten Situationen/ in Umgebungen schlechter mit Anderen interagieren, weil man dann zu unangepasst ist.

  • Was ich oft festgestellt habe, dass viele Menschen oft "schwanken" also mal haben sie, mal die Meinung.
    Oder oft wirken sie von außen anders als wenn sie sich dann mit mir unterhalten.

    Ich weiß nicht ob das in Spektrum deines Themas war, aber sowas verwirrt mich immer sehr. :nerved:

    ADHS & Autismus.
    and I'm an eurasian Crossbreed

    Dummheit ist nicht "Nicht Wissen" oder "Nicht Wissen Wollen", Dummheit ist "Glauben genug zu Wissen"

  • Ich wüsste gern, ob es anderen auch so geht, dass sie sich nur schlecht ein Gesamtbild von anderen, sogar nahestehenden, Personen machen können.

    Bei mir ist es so, dass ich den Menschen meist so wahrnehme, wie er in der aktuellen Situation ist und dass ich in dieser Situation all die anderen Seiten, die ich an der Person schon wahrgenommen habe, nicht zu einem Ganzen zusammenfügen kann.

    mir geht es ähnlich. das ist mit ein grund weshalb ich ziemlich unsicher im kontakt mit anderen bin.

  • @Lefty
    Ich kenne das in einer ähnlichen Form von mir. Ich neige auch stark dazu, den Charakter einer Person (bzw bei mir ist das dann oft so, dass ich die Person entweder als Gefahr einstufe oder als Freund) aus der aktuellen Situation abzuleiten. Schreit mich jemand an, vergesse ich sozusagen, dass die Person jahrelang vorher angemessen mit mir gesprochen hat. Negative Verhaltensweisen anderer Personen vergesse ich aber eher weniger. Dennoch kann es mir passieren, dass ich das Fehlverhalten einer anderen Person in einer guten Phase komplett ausblende.

    Ich vermute, dass es damit zu tun hat, dass ich beides nicht integrieren kann. Entweder jemand ist gut oder böse für mich. Dass das je nach Situation variieren kann und jemand nicht grundschlecht ist, weil er/sie einmal böse zu mir war, kapiert mein Kopf irgendwie nicht. Das ist dieses blöde schwarz-weiß-Denken.

    Ich denke, bei mir kommt das daher, weil ich mich sicherer fühle, wenn ich die Menschen so einsortiere. Wäre das nicht klar, müsste ich ja immerzu auf der Hut sein.

    Mir ist bewusst, dass diese Denkweise anderen gegenüber auch unfair sein kann, aber es ist wohl ein Schutzmechanismus von mir, der aber auch viel Ärger und Leid mit sich bringt.

    Wenn jemand weiß, wie man das hinbekommt, mehrere Wesensarten bzw widerstrebende Verhaltensweisen in anderen Menschen parallel annehmen zu können ohne innerlich Panik zu schieben, würde mich das interessieren.

    Vielleicht hat es etwas mit Vertrauen zu tun? Mir scheint manchmal so, als würde mir eine Art Vertrauen ins Leben und in Menschen generell fehlen, so dass ich mich gezwungen fühle, jede einzelne Beobachtung einzeln (!) auszuwerten und teils drastische Schlüsse zu ziehen.

    Einmal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (24. Juni 2019 um 18:47)

  • Bei mir ist es so, dass ich den Menschen meist so wahrnehme, wie er in der aktuellen Situation ist und dass ich in dieser Situation all die anderen Seiten, die ich an der Person schon wahrgenommen habe, nicht zu einem Ganzen zusammenfügen kann. Daraus resultiert, dass ich immer wieder überrascht (positiv oder negativ) bin, wenn jemand mal eine Seite zeigt, die nicht so oft zum Vorschein kommt.

    Ja, so ists bei mir auch. Wenn ich merke, dass jemand netter ist als ich dachte, freut mich das.

    Andersrum ist es aber wie ein Schlag in die Magengrube - ich bin dann ganz fassungslos, weil ich das Gefühl habe, denjenigen völlig falsch eingeschätzt zu haben.
    Leider war ich dann oft vorher auch sehr vertrauensselig und habe mehr von mir erzählt, als gut ist - naiv, sagen die anderen. Passiert mir immer wieder, ich
    lerne da irgendwie nichts dazu, obwohl ich echt schon alt genug bin .
    Dann weiß ich erstmal gar nicht mehr, wie ich mich gegenüber demjenigen jetzt verhalten soll. Es ist so, als hätte ich ein Bild im Kopf gehabt, in das derjenige mit Schwarz reinkritzelt. Mein Bild ist kaputt und ich trau mich dann nicht, mir ein neues zu "malen", weil ich Angst habe, dass es wieder falsch ist.


    Ich habe irgendwie die Gabe, in jeder Person das Positive deutlich zu sehen (im meinem Job ist das sehr nützlich). Manchmal passiert es mir aber, dass mich das Negative an jemanden dann wie aus dem Nichts voll erwischt, und dann kommt das mit dem Kraftakt.

    Das ist bei mir auch so - siehe oben. Von jedem, den ich kennenlerne, denke ich erstmal grundsätzlich positiv und ich sehe auch die positiven Seiten. Klar gibts Leute, die mir total unsympathisch sind, aber normalerweise kriegt jeder zuerst einen großen Vertrauensbonus. Daher bin ich grade im Job oft die Vermittlerin, wenn es Probleme gibt. Das hat aber auch zur Folge, dass ich mich noch weniger irgendwo zugehörig fühle als sonst schon, weil ich immer irgendwie "zwischendrin" bin. Außerdem werde ich auch ganz oft enttäuscht, wenn ich merke, dass die Freundlichkeit von manchen Leuten nur gespielt ist.

    Inzwischen mag ich gar niemanden mehr kennenlernen. Ich hab mich so oft in Menschen getäuscht, dachte, sie würden mich mögen und hab sie ganz nah an mich rangelassen ... ich trau mich nicht mehr. Das letzte Mal war ganz schlimm, ich hab Monate gebraucht, mich davon zu erholen. Und wenn man immer wieder so daneben liegt mit seiner Einschätzung, wird man einfach immer unsicherer. Daher bin ich jetzt lieber für mich. Nach außen hin zu allen freundlich und verträglich, aber ich kann niemanden mehr an mich ranlassen.

  • Mir ist noch aufgefallen, dass ich nicht nur bei Menschen aus der jeweils aktuellen Situation ableite, wie sie insgesamt sind (und mir nicht vorstellen kann, dass sie jemals anders waren oder nochmal anders sein werden bzw. sich verhalten werden), sondern dass ich das z. B. auch bei Wetterphänomenen mache. Wenn es beispielsweise diesiges Nieselwetter ist und der ganze Himmel einen oder zwei Tage lang zugezogen ist, verliere ich komplett die Verbindung dazu, wie es ist, wenn die Sonne scheint. Ich glaube dann, dass es sich nie wieder ändern wird und bekomme womöglich auch deswegen so starke Depressionen bei schlechtem Wetter. Ich scheine dann überhaupt nicht damit zu rechnen oder darauf vertrauen zu können, dass sich das Wetter jemals wieder ändert, sondern leite aus dem aktuellen Zustand dann eine Art Gesamtgültigkeit ab. Also weder den Gesamtzusammenhang sehen, noch im Moment leben, sondern den Moment auf den Gesamtzusammenhang ausdehnen. Irgendwie ist das krank. :shake:

    Wieso mache ich das? Ist das auch wieder wegen der Sicherheit, die einem das gibt? Wobei ich ja trotzdem daran festhalte, obwohl ich am eigenen Leib erlebe, dass mir das nur Nachteile bringt. :roll: :(

  • sich nur schlecht ein Gesamtbild von anderen, sogar nahestehenden, Personen machen können.

    a) Ja, ich tue mir mit solchen Gesamtbildern von anderen Menschen sehr schwer. Und das gilt sogar für Leute, die ich seit langer Zeit kenne und die mir sehr nahe stehen.
    b) Ich bin mir aber auch gar nicht sicher, ob ich so ein Gesamtbild überhaupt haben will. Denn bei bestimmten Menschen, die mir sympathisch sind, sehe ich natürlich schon die eine oder andere Schwäche, will sie aber im täglichen Umgang nicht andauernd bewusst wahrnehmen. Mir reicht es dann zu wissen, die / der ist ein netter Typ, mit dem ich gern mal Zeit verbringe. Dieses Gefühl von Sympathie, vor allem, wenn ich glaube wahrzunehmen, dass es gegenseitig ist, durch ein Gesamtbild sozusagen zu objektivieren, kommt mir fast ein bisschen so wie ein Verrat vor.

    "Ich kämpfe nicht, ich behaupte mich." - "Ich will nicht siegen, ich will sein." (Georg Kaiser)

  • Ich hatte im Studium mal gelesen, das Säuglinge in den ersten Wochen noch keine Zeitstruktur im Gehirn haben, also alles, jeden Gefühlszustand als "War immer so, ist so, wird immer so sein empfimden.
    Dass viele als unangenehm und dem hilflos ausgeliefert sein erlebte Zustände sich "einbrennen". Woraus dann später von " bei ähnlich" dieser Gefühöszustand wieder aktiviert wird bis hin zu einer depressiven Grundstruktur zu allem..
    Also, Baby braucht etwas, essen, Nähe, Wärme oder Kühlendes, usw, .an Grundbedürfnissen, niemand reagiert, bzw. das Kind soll nicht "verwöhnt" werden, also nach Plan füttern, nicht nach Bedarf, allein schreien lassen bis zur Erschöpfung, weil es "schlafen lernen soll", und es brennt sich "ich kann nichts machen, bin dem ausgeliefert, keiner interessiert sich, das Schlimme hier ist immer und ewig ein.
    Später bildet sich zwar die Zeitstruktur, es entsteht ein Bewusstsein für "davor" und "danach", aber welche Gefühle dann wieder ins "immer und ewig" zurückfallen und drin hängen bleiben, hängt von dem am, was damals überwiegend als "immer und ewig" gefühlt wurde .
    Viele Bedürfnisse zuverlässig nicht beachtet, ergibt depressiv zurückhaltend aufgeliefert. Die Welt ist schlecht.
    Ambivalent, oft nicht beachtet, dann plötzlich
    wieder doch, dann wieder nicht , dann doch wieder, ergibt hilflos der Willkür anderer ausgesetzt.
    Mal positiv mal negativ. Ergibt Die Welt ist schlecht und unberechenbar, manchmal hat man einfach Glück.
    Ist zwar jemand da, gibt aber nicht das, was gebraucht wird, sondern Ersatz, Z.B. Fläschchen statt Nähe kann das spätere Süchte anlegen.
    usw.
    Da es in dieser Zeit auch noch kein Getrennt von der Welt-Erleben vorhanden ist, wird das auch die Grundeinstellung zum späteren Ich.
    Auf dieses Grundgefühlen zu sich unser Welt baut sich alles weitere auf und wird danach gefiltert und jetzt fatal- unbewusst nach Bestätigung gesucht.
    Um wenigstens den "recht gehabt"-Kick im Hirn zu bekommen. Was sie Grundeinstellung verfestigt.
    Effekt: Auch schönes, das der Grundeinstellung eindeutig widerspricht löst parallel negative Gefühle aus. Die dann übernehmen .
    Oder Angst, " dem nicht gerecht werden zu können" oder enorme Verlustängste .
    Lange war Lehre, wenn nicht innerhalb der ersten 6 Lebensjahre intensiv umgelernt, könne man nichts mehr daran ändern. Im letzten Jahrzehnt wurde die Neuroplastizität entdeckt, und festgestellt, daß geht doch, lebenslang.
    Nur dass hier nicht mehr von außen bzw anderen das gegeben werden kann an Grundbedürfnisserfüllung, das erreicht nur an der Oberfläche, kann maximal Vorbildmuster sein, Sonden das es darum geht, sich aktiv aus der ja so jetzt lähmende und absolut gefühlten hochkommenden damaligen Hilflosigkeit und dem diesen Gefühlen Ausgeliefertsein herauszuholen.
    Hier setzt z.B. auch die Arbeit mit dem Inneren Kind" an.

  • Da geht es mir haargenau so, das wurde in der Vergangenheit allerdings für eine Persönlichkeitsstörung oder Teil meiner psychischen Probleme angesehen. Auf der anderen Seite analysiere ich das Verhalten anderer zwanghaft, wenn ich ihr Verhalten nicht verstehe. Insbesondere, wenn es negativ ist. Aber ich kann nie herausfinden, ob meine Analysen stimmen, deswegen fangen sie immer wieder von Neuem an.

    Es ist auch so, dass ich manchmal schlechtes über Personen denke, dann aber starke Schamgefühle habe, wenn sie nett zu mir sind. Weil meine schlechten Gedanken wohl unfair waren..

    Ich habe irgendwie die Gabe, in jeder Person das Positive deutlich zu sehen (im meinem Job ist das sehr nützlich). Manchmal passiert es mir aber, dass mich das Negative an jemanden dann wie aus dem Nichts voll erwischt, und dann kommt das mit dem Kraftakt.

    Ganz genau. Das kann unter Umständen sehr verletzend sein.

  • Auf der anderen Seite analysiere ich das Verhalten anderer zwanghaft, wenn ich ihr Verhalten nicht verstehe. Insbesondere, wenn es negativ ist. Aber ich kann nie herausfinden, ob meine Analysen stimmen, deswegen fangen sie immer wieder von Neuem an.

    Das mache ich auch, und auch zwanghaft.

  • Auf der anderen Seite

    WENN man was nicht versteht, was soll man den anderes machen als die "eingegangenen Daten" zu analysieren?

    Was mir fehlte war, welche Daten zu was NOCH für die Analyse hätten erhoben werden müssen, daher das "kalt erwischt".
    Daher das zwanghafte "immer wieder ohne Ergebnis".

    Dazu kam, dass ich immer gleich verstehen wollte, anstatt hinzunehmen, dass ich NOCH nicht verstehe, was verhinderte, in den Beobachtungs/Datensammel-Modus zu wechseln um weitere für die Analyse zu erhalten.

    Ebenfalls kam dazu, dass ich dann die Ergebnisse mit den zusätzlichen Daten nicht wahrhaben wollte.
    Oder die Konsequenzen für mein Handeln nicht ziehen wollte. Wegen Gefühle und so.... :d

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