Ich kenne ähnliche Abwägungsvorgänge von mir. Manchmal überfordern mich solche Vorgänge (die können total banal sein, wie die Frage, wo ich zu Mittag essen gehen könnte; oder sehr komplex weil sie meine weitere Lebensplanung betreffen) so extrem, dass ich mich vor Entscheidungen drücke oder diese verdränge. Z. B. gehe ich dann manchmal überhaupt nicht essen oder in gar kein Geschäft oder gar nicht raus, weil ich mich nicht entscheiden kann, in welches Restaurant, in welchem Supermarkt etwas einkaufen, was genau tun.
Ich erlebe das aber weniger als "Hin- und Herspringen" zwischen den Alternativen, sondern komme mir vor, wie jemand der zwischen den Alternativen steht und vollkommen orientierungslos dabei ist. Mir fehlt dann irgenwie so etwas wie eine Info oder Anleitung, aus der hervorgeht, auf welcher Grundlage ich eine Entscheidung treffen soll.
Und ich glaube, das könnte tatsächlich eine Auswirkung der ASS sein. Andere Menschen haben da eher ein "Bauchgefühl" glaube ich. Manchmal funktioniert das bei mir ja auch, aber es gibt viele Situationen, in denen ich das Gefühl habe, ich komme an dieses Bauchgefühl überhaupt nicht ran bzw. es passt nicht zu dem, was der Verstand sagt und dann blockiere ich auch komplett (mir ist aber oft überhaupt nicht bewusst, dass Kopf und Bauchgefühl etwas widersprüchliches sagen und ich deshalb so konfus bin. Denn meistens nehme ich nur bewusst das wahr, was der Kopf sagt und das Bauchgefühl gar nicht. Aber irgendwie ist es dann wohl doch verdeckt da.
Ich wusste z. B. vor ein paar Tagen nicht, ob ich eine Veranstaltung besuchen soll, die ich mir vorher in meinen Kalender eingetragen hatte. Ich hatte irgendwie so einen Antrieb (als würde mich jemand dazu drängen), dort hinzugehen. Dann kamen Gedanken wie "jetzt findet mal was Interessantes statt, dann geh doch auch hin" oder sowas wie "wenn du nur zu Hause rumsitzt, brauchst du dich nicht wundern, wenn es dir nicht besser geht". Mir ist dann aber klar geworden, dass das total abwertende Glaubenssätze sind. Es bringt mir nicht, wenn ich einer Stimme in mir nachgebe, die mich antreibt, etwas zu unternehmen, nur damit ich etwas unternommen habe.
Es ist auch wichtig, ob ich mich dazu in der Lage fühle, also genügend Energie habe (oder es z. B. besser wäre, sich zu entspannen) oder ob ich in dem Moment gerade eher Anregendes brauche oder für mich alleine sein will.
Mir wird immer häufiger bewusst, dass ich solche Bedürfnisse überhaupt nicht beachte und vollkommen übergehe.
Ich hatte in der Situation auch permanent überlegt, was ich nun machen soll - weggehen oder nicht. Ich wusste nicht, wonach ich das entscheiden soll, weil im Kopf ja nur die Sprüche waren, aber irgendwas fühlte sich trotzdem seltsam an.
Als es mir dann gelungen ist, mich zu fragen, was ich machen würde, wenn ich Gelegenheit hätte, jeden Abend diese Veranstaltung zu besuchen, kam ich drauf, dass ich gerade überhaupt keine Lust habe, dort hinzugehen. (das muss man sich mal überlegen, ich "wusste" das vorher überhaupt nicht, dass ich keine Lust auf die Veranstaltung habe, und hatte überhaupt keinen Zugang dazu, das zu erspüren).
Dann konnte ich abwägen, ob ich damit leben kann, wenn nun ein halbes Jahr keine ähnliche Veranstaltung mehr stattfindet. Als ich mir diese Gedanken gemacht hatte, war mir klargeworden, dass ich die Veranstaltung sehr gerne besucht hätte, aber ich mich in dem Moment nicht dazu in der Lage fühlte und es besser für mich war, zu Hause zu bleiben. Ich habe dann zwar bedauert, dass ich nicht hin konnte, aber es war besser, als sich zu zwingen, obwohl man gar nicht will.
Vielleicht ist das ja bei dir, @Lefty, ähnlich, dass diese Entscheidungsunfähigkeit daher kommt, dass sich auch Gedanken und Bauchgefühl widersprechen. Gerade bei Fragen wie "was will ich essen?" kann man die Frage vielleicht auch rein mit dem Verstand gar nicht beantworten. Ich verzweifle manchmal daran, wenn ich einkaufen gehen muss und mich entscheiden muss, was ich an Essen einkaufen soll. Ich weiß manchmal nicht, wonach ich das entscheiden soll und bin komplett überfordert damit und gehe dann gar nichts einkaufen.
Wenn ich aber entspannt bin, spüre ich manchmal, auf was ich Appetit hätte und dann macht es mir Spaß, zu planen, was ich kochen könnte.
Bei der Frage, ob man arbeitsfähig ist oder nicht, stelle ich mir das ähnlich schwierig vor. Der Verstand kann sowas alleine wohl nicht beantworten. Da könnte ich mir auch gut vorstellen, dass der Verstand sprichwörtlich "A" sagt, aber ein anderer Teil von einem (der Körper oder das Bauchgefühl), der sich übergangen fühlt, sagt "B".
Wenn es aber nichts mit dem Bauchgefühl zu tun hat : Was könnte noch zu Entscheidungsschwierigkeiten führen? Vielleicht, dass man sich die Folgen nicht vorstellen kann und sich deshalb nicht entscheiden kann? Wäre das typisch für ASS, dass man sich die Folgen einer Sache nicht realistisch visualisieren kann bzw. sich diesen Zielzustand dann nicht richtig vorstellen kann, jedenfalls nciht so, dass man das dann spürt, wie man sich bei der Entscheidung fühlen würde?
Ich stelle mir z. B. x-mal vor, wie es wäre, wenn ich in Stadt XY ziehe. Ich fühle dabei aber oft nicht und weiß somit nicht, ob die Entscheidung richtig wäre. Und nur von meinem Verstand her, will ich nicht umziehen. Somit treffe ich auch keine Entscheidung, weil ich mir die Folgen nicht vorstellen kann und Angst habe, dass die Entscheidung zu schlimmen Folgen führen wird.
Ist das bei dir auch so schwankend und abhängig von Stress oder anderen Dingen oder immer gleich schlimm mit den Entscheidungschwierigkeiten?