dass ein autistisches Gehirn einfach unfähig wäre, bestimmte Dinge zu tun, halte ich für sehr bequem.
Dito. Ein Gehirn ist per se sehr lernfähig, allerdings auch sehr hartnäckig. Es hält gerne an alten Mustern fest.
Das Gehirn ist das Organ, das die meiste Energie verbraucht und es ist deshalb immer darauf bedacht, möglichst viel Energie einzusparen. Das autistische Gehirn ist im Default Mode, also im Verarbeitungsmodus/Ruhemodus, um ca. 50% aktiver als das eines nicht autistischen Menschen.
Plus: Ein autistisches Hirn braucht länger, um zu verarbeiten, es geht dabei andere Wege, weil es anders vernetzt ist, und es hält hartnäckiger an alten Mustern fest, weil Veränderung eben Energie kostet. (Rituale helfen, Energie zu sparen etc.).
Kommen Komorbiditäten wie Depressionen hinzu, wird es richtig schwer, etwas Neues zu erlernen oder etwas Belastendes zu verarbeiten oder etwas Störendes umzulernen.
Aber: Leute, guckt mal bei Euch genauer hin. Findet ihr nicht, dass ihr regelrechte Lernweltmeister seid? Was ist denn Hochfunktionalität? Das ist größtmögliche Anpassung und größtmögliches Klarkommen. Und was ist das alles zusammen: Ständiges Lernen, neu lernen, neu bewerten.....Ein autistisches Gehirn kann eine Menge tun!
Aber eben diese Leistungen, die es vollbringen muss, machen das autistische Hirn und auch unseren Körper so müde. Der Alltag stresst. Das Leben stresst. Es verlangt viel ab und je mehr das ist und je weniger Ruhe wir haben, umso mehr Gelegenheit hat die Amygdala ( =Angstzentrum), wie blöd Angstsignale zu feuern. Die Amygdala ist nachweislich hyperaktiv bei Autisten, daher ist das Grundgefühl der meisten Aspies eben Angst.
Dazu kommen die Verarbeitungsschwierigkeiten. Angst setzt sich länger fest, wenn die Verarbeitungsdauer lange ist, und was sich festsetzt im Gehirn, hat viel Gelegenheit, neurologische Bahnen zu bilden, die schwer zu überschreiben sind.
Überschreiben kann man sie, indem man das Gegenteil dessen tut, was einem das Hirn befielt. Sprich: Rein gehen in die Angstsituation und lernen, dass das, wovor man Angst hat, nicht passiert. Oder einen anderen Weg suchen, das, wovor man Angst hat, trotzdem zu tun, eben auf eine andere Art und Weise. Ist verdammt schwer für jeden, egal ob im Spektrum oder nicht.
Ich habe für mich erkannt:
Ich muss besser auf mich achten.
Ich darf meine Hochfunktionalität nicht immer bis zur absoluten Grenze beanspruchen, sprich: nur weil ich etwas theoretisch hinbekomme, heißt das noch lange nicht, dass ich es auch tun muss.
Ich muss meine Umgebung an meine Bedürfnisse anpassen, nicht andersrum.
Leichter gesagt als getan, aber wenn ich das schaffe, geht es mir auch mit der Angst besser.