Schreibende bzw schriftstellerisch tätige Aspies - was ist mit eurer Phantasie?

  • Diese Sache macht mir zu schaffen: Ich hielt mich immer für recht phantasiebegabt , habe seit Kindheit geschrieben und ab Teenageralter ab und an etwas veröffentlicht. Nun lese ich ständig, Asperger hätten kein Vorstellungsvermögen und keine Phantasie .
    Das lässt mich irgendwie ratlos zurück: Habe ich vielleicht auch keine? Habe ich ,so wie ich soziale Modelle - andere Frauen - nachgeahmt habe , auch Schriftsteller nachgeahmt? Bin ich vielleicht gar nicht originell, authentisch oder mit eigenen Ideen??? :?
    Wenn ich Geschichten aufgeschrieben habe, sehe ich die Story wie bewegte Bilder oder einen Film vor meinem inneren Auge und muss dann nur aufschreiben, was ich sehe - fand ich einfach.

    ist das denn ein Widersprch - creative writing und eine Asperger- Diagnose?

    Gruß Rhianonn

    "Autismusdiagnose - Potius sero quam numquam.
    ( Lieber spät als nie.) "
    :irony:

    Einmal editiert, zuletzt von Rhianonn (10. März 2019 um 16:39)


  • ist das denn ein Widersprch - creative writing und eine Asperger- Diagnose?

    Auf keinen Fall. Allerdings denke ich, dass der Weg zur Kreativität oft etwas anders verläuft als bei nichtautistischen Autoren. Attwood schreibt davon, dass viele autistische Mädchen teilweise bis zum Wortlaut genau Geschichten kopieren, die sie gelesen oder im Fernsehen gesehen haben. Ich kenne das von mir selbst aus der Kindheit auch. Daraus kann dann in manchen Fällen eine eigene Sorte der Kreativität werden, etwa, indem man viel liest und neu kombiniert, oder auch variiert, etwa das Ende umschreibt, und von da aus (mit immer mehr Veränderung) zu eigenen Geschichten kommt. Das ist dann nicht unbedingt weniger kreativ als die Geschichten von anderen, aber meiner Vermutung nach ist den Autoren oft der Weg dahin stärker bewusst und verläuft oft vielleicht weniger intuitiv als bei anderen. Allerdings ist jedoch Autist (so wie jeder Nichtautist) natürlich anders - es gibt sicher auch ganz andere Wege zu typisch autistischer Kreativität. Und leider ist bei manchen auch schon früh der "innere Kritiker" sehr stark, der "gnadenlos" analysiert, was und wieviel von anderen Texten übernommen ist. Das kann auch sehr lähmend sein. So richtig habe ich selbst mich davon nie erholen können.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • Pauschal gilt bei Asperger schonmal gar nichts. Was ich mir gut vorstellen kann ist, dass soziale Erfahrung fehlt, was sich auf die Geschichten auswirkt. Andererseits ist man mit Asperger vielleicht dran gewöhnt die anderen präzise in ihrem Tun zu beobachten. Diese Erkenntnisse kann man nutzen, um die anderen zu Kopieren, oder aber man verarbeitet es in einer Geschichte. Das führt vermutlich zu einem ganz eigenen Stil.

    Ich habe eine zeitlang Geschichten geschrieben. Eine ist sogar richtig gut geworden. Ein "Fan" hat gesagt, er würde gerne lesen, was ich schreibe, weil ich die Details so schön verknüpfen würde.

  • Bei mir ist es so, dass ich Kreativität und Phantasie als einen Prozess sehr deutlich wahrnehme. Ideen fliegen mir nicht einfach zu. Sie sind das Ergebnis einer langen Gedankenkette. Kreativität ist erst einmal nur die Problemlösung. Das heißt, man muss sich erst einmal ein Problem schaffen, wenn keines von sich aus da ist. Von außen ist das oft nicht so ersichtlich, dass man nicht nur einfach kreativ oder phantasievoll ist. Ich denke auch, es ist etwas, dass man sich das antrainieren kann. Dazu kommt noch das Durchhaltevermögen. Bin ich mit der ersten Idee zufrieden oder suche ich weiter? Meine ersten Ideen verwerfe ich meistens, da diese oft nicht originell sind und von vielen anderen auch schnell gefunden werden.

    Beim Zeichnen wird mir oft gesagt, dass meine menschlichen Figuren zu wenig Ausdruck besitzen. Ähnliches Feedback kommt bei meinen Geschichten. Mein Schreibstil und die Idee dahinter werden oft gelobt, jedoch habe ich schon oft Kritik bekommen, dass meine Figuren zu leblos wirken. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich oft in passiver Form schreibe. Da mir das Problem bewusst ist, kann ich daran arbeiten und es ändern.

    Ich denke, Menschen nehmen bei anderen Dinge als besonders kreativ oder phantasievoll wahr, wenn sie selbst darauf nicht so schnell gekommen wären. Wenn man das weiß, kann man schauen, was sich von der Masse abheben wird. Außerdem wird man nichts "Neues" schaffen können. Man bedient sich immer an dem, was man kennt, und verändert / varriert es.

  • Habe ich ,so wie ich soziale Modelle - andere Frauen - nachgeahmt habe , auch Schriftsteller nachgeahmt? Bin ich vielleicht gar nicht originell, authentisch oder mit eigenen Ideen???

    :prof: Man sollte sich als künstlerisch Tätiger (das gilt nicht nur fürs Schreiben, sondern auch für alle anderen kreativen Tätigkeiten -
    malen, fotografieren, musizieren...) die Trauben bloß nicht zu hoch hängen (RW) :shake: :d !!
    Wirklich kreative / innovative Menschen gibt es in jeder Generation eh nur eine Handvoll, und die beeinflussen / inspirieren die nächste(n) Generation(en) zum Teil gehörig (Goethe, Picasso, die Beatles :lol: ).
    "Nachahmung" ist da ein viel zu negativer Begriff - sich inspirieren lassen, sich einem "Stil" zugehörig fühlen - das hat auch positive Seiten, mit denen man insbesondere wieder kreativ arbeiten kann! Man lebt als Künstler ja nicht "im luftleeren Raum", sondern immer in kunstgeschichtlichen Zusammenhängen, da ist nichts Falsches dran 8-) .

    Und leider ist bei manchen auch schon früh der "innere Kritiker" sehr stark, der "gnadenlos" analysiert, was und wieviel von anderen Texten übernommen ist. Das kann auch sehr lähmend sein.

    Ich glaube schon, daß das eine unangenehme Nebenwirkung der permanenten autistischen Kompensationsleistungen ist...

    Ich bin kein Klugscheißer! Ich weiß es wirklich besser! Ich weiß auch, wann ich
    besser nichts sagen sollte - und dann höre ich mich reden und reden und reden ...

  • "Nachahmung" ist da ein viel zu negativer Begriff -

    Genau! Ich wollte als Kind auch mal ein Buch schreiben und habe gedacht, ich schreibe einfach ab und ändere die Namen und Orte. :d Gut das ich noch nichts von Plagiatismus wusste, aber umgesetzt habe ich die Idee dann doch nicht. :lol:

  • Kreativität ist das verknüpfen von Gedanken. Dies sind Erfahrungen, Fakten, wünsche oder Bedürfnisse.
    Bedürfnisse und Wünsche sind über die Zeitalter recht konstant geblieben. Erfahrungen und Fakten sind aber ständig im wandel.
    Es gab immer Geschichten über Freiheit, Liebe, Familie und Rache/Gerechtigkeit.
    Sie spielen mal in Troja, in Walhalla, in Mittelerde, auf Endor oder Hogwarts.

    Darum kann Kreativität immer nur das Verbinden von Erinnerungen und Emotionen sein. Die Einzelteile sind deshalb nie etwas neues, aber das verbinden erzeugt etwas neues.

    Nach meiner Erfahrung habe ich eine ausgeprägte Fähigkeit zum Verbinden von Fakten. Da ich diverse Spezialinteressen habe, kann ich auch Verbindungen schaffen, die viele nicht können.

    Deshalb bin ich der Meinung, dass einige Autisten sogar viel bessere vorraussetzungen für kreative Gedanken haben. Doch dabei kommen oftmals so spezialisierte Ergebnisse raus, die für viele zu Fokussiert sind. Die meisten erwarten weniger Spezialisierung, und erwarten eine flache aber umfangreiche Geschichte.

    Es sollte um Liebe gehen, Trennung, Trauer, Träume, ein Abenteuer, neue Freunde, Freunde die zu feinden werden, feinde die zu freunden werden, einen Gegenspieler, eine Entwicklung des Hauptcharakters, ein Umgang mit der verdrängten Trauer (Eltern, Partner oder Kinder verloren), Rache, Moralische Entscheidungen, Ein Happy End mit einer Moralischen Aussage (glaube an dich, verfolge deine träume, kämpfe für deine Freiheit) und der Junge kriegt am Ende das Mädchen.

    Nach diesem Muster werden seit Jahrtausenden Geschichten geschrieben. Und es fasst sicher 90% der Filme zusammen. Ist das Kreativität?

    Sicherlich ist es das, aber eine vorraussehbare kreativität. Daher finden die meisten auch Filme oder Serien gut, die aus solchen Mustern ausbrechen.

    Meine Meinung ist, dass Kreativität abstirbt, sobald man sich mit anderen vergleicht, und die Kreativität versucht, nachzuahmen. Damit Meine ich nicht, Ideen oder Fakten zu übernehmen und neu zu verknüpfen. Sondern der Versuch, das "Verknüpfen" von anderen zu kopieren.

    Autisten geraten meiner meinung nach schnell in die Lage, dass sie das Verknüpfen der anderen zu imitieren versuchen. Und damit ihre kreativität sofort hinterfragen.

    Schauen wir uns Jules Verne mal an. Abenteuergeschochten mit ganz neu verknüpften wissenschaftlichen Fakten. Keine oder kaum liebesgeschichten, elternkonflikte oder schwere schicksalsschläge. Es geht nur um die Kreativität der wissenschaftlichen Abenteuern.

    Heute gibt es keinen Sci-Fi film mehr ohne Ex-Partner, Kinder, soziale Konflikte, persönliche Entwicklung usw. Jeder wissenschaftler hat eine Exfrau und Kinder, die von ihm enttäuscht sind, weil ihm die arbeit so wichtig war. Da weiß man schon nach 5 minuten, wie der Film ausgehen wird.

  • Wenn ich Geschichten aufgeschrieben habe, sehe ich die Story wie bewegte Bilder oder einen Film vor meinem inneren Auge und muss dann nur aufschreiben, was ich sehe - fand ich einfach.

    ist das denn ein Widersprch - creative writing und eine Asperger- Diagnose?

    Ich wüsste nicht, weshalb das ein Widerspruch sein sollte :roll: .
    Es gibt Asperger, die eher bildhaft denken, andere kennen das gar nicht.
    Ich gehöre wohl zu ersteren und die Inspiration zum Schreiben kommt wenn aus ähnlicher Quelle ist mein Eindruck.
    Manchmal schreibe ich Gedichte oder kurze Geschichten, das geht aber nur, wenn ich intrinsisch inspiriert bin.
    Dann ist es bei mir so ähnlich wie von Dir beschrieben,
    ich schreibe nur noch auf, was sich in mir zeigt.
    Mit Nachdenken hat das nicht mehr viel zu tun.
    Ich kann mir keine Geschichten selber ausdenken, das ist zäh und frustrierend dann.
    Die Aussage " von der Muse geküsst sein " trifft es ganz gut finde ich.
    Entweder sie küsst oder sie lässt es bleiben.

  • Ich bin nicht wirklich kreativ, aber werde von Außenstehenden ab und zu fälschlicherweise dafür gehalten. Außenstehende sehen das Resultat. Das Resultat kann durchaus kreativ erscheinen, sogar innovativ, aber wenn man den Prozess betrachtet wird klar, dass es vielmehr auf methodischer Planung basiert. Ich betrachte und analysiere eine enorme Bandbreite an bereits vorhanden und etablierten Personen/Werken/etc.. Dabei versuche ich mir die positiven Aspekte unzähliger Variationen von Stilen/Techniken/Fähigkeiten/etc. anzueignen, Makel zu finden und diese bei meiner eigenen Umsetzung zu beseitigen. Bei diesem strategischen Prozess versuche ich das Level der genutzten Vorlagen zu erreichen und schließlich zu übertreffen. Sobald ich das Level erreicht habe, kann ich mich immer mehr darauf konzentrieren Makel zu beseitigen, die besten Methoden verschiedenster Ansammlungen und Genres zu kombinieren, es an die Zielgruppe anzupassen und der Sache meinen eigenen Touch zu geben.
    Meine Stärke ist Perfektion und nicht Innovation. Das beschreibt es ziemlich passend.

    So oder so wird in jeder Sparte das meiste von irgendwoher kopiert oder recycelt. Sagen und Mythen gibt es schon ewig, außerdem gibt es so dermaßen viele Menschen und kaum einer ist wirklich außergewöhnlich. Die enorme Vielfalt an vorhandenen Informationen kann von einer Person nicht bewältigt werden. Oftmals haben Personen nicht einmal ein wirkliches Interesse sehr viele Informationen anzusammeln, selbst wenn es sich um ihr intensivstes Hobby handelt. Weil viele Leute nicht sehr bewandert sind, sind teilweise sogar allgemein stark recycelte Themen neu für sie. Ergo würden sie selbst so etwas als kreativ und innovativ ansehen.

    -So treibt das Bedürfnis der Gesellschaft, aus der Leere und Monotonie des eigenen Innern entsprungen, die Menschen zueinander; aber ihre vielen widerwärtigen Eigenschaften und unerträglichen Fehler stoßen sie wieder voneinander ab.

    -Fear and desire hold the power to disrupt one's rhythm. Desire clouds one's vision, while fear stills one's step.

    2 Mal editiert, zuletzt von shunned nolifer (10. März 2019 um 19:23)

  • Ich sehe mich als kreativen Menschen. Jedoch habe ich keine "blühende" Fantasie. Vielmehr konstruiere ich Schritt für Schritt, kläre eine Frage nach der anderen, bis sich mir ein Gesamtbild ergibt. Wenn ich zeichne, habe ich nie ein Bild im Kopf, da ich mir insgesamt nur sehr schlecht Dinge vorstellen kann. Ich habe auch immer wieder Phasen, in denen ich viel schreibe. Fertig bekomme ich nie etwas, da ich mich ständig in Details verliere. :) Jedoch habe ich auf diese Art mittlerweile eine eigene fiktive Landschaft erschaffen, mit Städten und Dörfen, samt deren Geschichte. Das macht Spaß. :d

  • Es gibt ja so etwas wie "Aphantasie", also die Abwesenheit von Fantasie und Kreativität bei Menschen. Ich habe das tatsächlich schon bei jemandem beobachtet, die Person klagt darüber, sich einfach nicht künstlerisch ausdrücken zu können. Das ist denke ich mit dem "rigiden, unflexiblen Denken" verwandt, das Autisten oft nachgesagt wird. Wenn ich mir aber anschaue, wie viele Autist*innen wunderschöne Texte und Gedichte schreiben, die unglaublich kreativ sind, kann ich das nicht so glauben. Wird wohl etwas sein, in dem Autist*innen unterschiedlich sind - oder ein Stereotyp.
    Ich glaube, wenn Autist*innen sich künstlerisch ausdrücken, ist es mehr als Nachahmung.

    @Rhianonn Vielleicht könnte es dir auch helfen, wenn du einen Eindruck von der Ausdruckskraft autistischer Schreiber*innen bekommst. Buchempfehlungen gibt es im Forum ja viele; ich fand z.B. Katja Rohdes "Igelkind" von der Sprache her einfach faszinierend (ich glaube nicht, dass sie sich das irgendwo abgeguckt hat, so einen Schreibstil gibt es nur einmal...).

    Ich persönlich bin extrem kreativ und habe manchmal schon zu viel Phantasie...

    "autistische traits" und seit der Diagnostikvorlesung glaube ich nicht mehr ans Klassifikationssystem :D

    ~all brains are beautiful~

  • ich bin richtig kreativ bzw mein Kopf ist es, wenn ich nicht denke. Also Tagträume oder richtige Träume sind so voll gepackt mit Phantastischem und Handlung, dass es schon Filmreif ist. Leider kann ich das nicht kontrollieren und um so mehr ich aktiv drüber nachdenke, verschwimmt es, so wie bei allem, was ich mir vorstelle. Vielleicht steh ich mir auch selbst im Weg.

    Der andere Punkt: ich hab seit längerer Zeit eine Idee für eine Fantasygeschichte, die ich auch schon etwas ausgearbeitet habe, ich Kopf. Jedoch fallen mir viele kleine, aber auch große Parallelen zu den von mir gelesen Bücher auf. Ich befürchte nur, dass das heißt, das es nicht gut genug ist und Leser das merken könnten. Das freie Ausdenken fällt da wohl schwer und man schreibt eher darüber was man kennt. (Wie mein erster Schreibversuch als Teenie wohl recht autobiographisch war )

    »Bist du denn verrückt geworden?« »Nein. Mich gab's schon so ab Werk.« 8-)
    "man muss nicht verrückt sein um mit mir befreundet zu sein... aber es hilft ungemein!" :d

  • Aspie sein und Schreiben ist meiner Meinung nach absolut kein Widerspruch. Ich schreib gern und hab 'ne gradezu überbordende Fantasie. Ich seh die Stories wie 'nen Film vor meinem inneren Auge und komm mit dem Schreiben manchmal gar nicht mehr hinterher. Wenn ich in 'ner Story drin bin und schreib, krieg ich nichts mehr von dem mit, was um mich rum passiert.

    Die paar Leute, die welche meiner Stories gelesen haben, fanden die auch gut und meinten, ich soll die veröffentlichen, aber von sowas hab ich keine Ahnung und auch nicht wirklich Bock dazu, weil ich die Sachen ja eigentlich nur für mich schreib.

    Ich denk, ich hab auch meinen eigenen Stil entwickelt und kopier niemanden. Um irgendwen kopieren zu können, les ich wohl auch eindeutig zu wenig. Wozu auch, wenn man 'ne schier unerschöpfliche Fantasie-Quelle im Kopf hat, die eine Story nach der nächsten ausspuckt? :d

  • Es gibt ja so etwas wie "Aphantasie", also die Abwesenheit von Fantasie und Kreativität bei Menschen. Ich habe das tatsächlich schon bei jemandem beobachtet, die Person klagt darüber, sich einfach nicht künstlerisch ausdrücken zu können. Das ist denke ich mit dem "rigiden, unflexiblen Denken" verwandt, das Autisten oft nachgesagt wird.

    Ich denke, das kann durchaus bei Menschen vorkommen, die sich andererseits auch für phantasievoll halten (oder mal hielten). Es kann (nicht nur, aber vielleicht oft gerade) für Autisten stark vom Kontext, den Rahmenbedingungen und bisherigen Erfahrungen abhängen, ob und wie Kreativität gelebt werden kann.

    Ich glaube schon, daß das eine unangenehme Nebenwirkung der permanenten autistischen Kompensationsleistungen ist...

    Ein interessanter Gedanke. Könntest Du das noch weiter ausführen? Ich halte für möglich, dass das eine wichtige Spur ist.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • Der andere Punkt: ich hab seit längerer Zeit eine Idee für eine Fantasygeschichte, die ich auch schon etwas ausgearbeitet habe, ich Kopf. Jedoch fallen mir viele kleine, aber auch große Parallelen zu den von mir gelesen Bücher auf. Ich befürchte nur, dass das heißt, das es nicht gut genug ist und Leser das merken könnten. Das freie Ausdenken fällt da wohl schwer und man schreibt eher darüber was man kennt. (Wie mein erster Schreibversuch als Teenie wohl recht autobiographisch war )

    ich habe vor 20 jahren damit angefangen, mir eigene Geschichten auszudenken. Oftmals einfach nur abwandlungen von geschichten, die mir gefielen, oder verbindungen zwischen geschichten. Ich hatte mir auch eine fantasy-Geschichte ausgedacht. Mit Drachen, Elfen, Menschen, magie und Dämonen.
    Wenn ich meine ideen nun lese, fast 20 jahre später, dann finde ich sie alle furchtbar flach, einfallslos und unkreativ. Einfach deshalb, weil ich unbedingt etwas schreiben wollte, das anderen gefällt.

    Die geschichten, die ich mir jetzt ausdenke, müssen nur mir gefallen, und dürfen so komplex und detailiert sein, wie ich will.

  • Ich schreibe auch gern und viel. Über mangelnde Fantasie kann ich mich nicht beklagen, im Gegenteil; oft entwickeln sich aus einer Geschichte mehrere "Ableger" und Fortsetzungen gibt es eigentlich auch dauernd. Die Charaktere meiner Geschichten sind für mich wie reale Personen, von denen ich alles weiß. Sie haben ihre Stärken und Schwächen, ihre Abneigungen und ihr Vorlieben. Manche sind schillernd bunte Persönlichkeiten, manche sind unscheinbare, graue Mäuse. Manche sind gut, manche sind böse. Die einen mag ich mehr, die anderen weniger. Auch die Städte/Örtlichkeiten sind für mich wie reale Städte/Örtlichkeiten. Ich weiß genau, was hinter der nächste Ecke ist. Das entsteht alles ganz von allein in meinem Kopf. Es sprudelt wie eine Quelle immer munter vor sich hin. :)

    Mir wurde zwar auch schon gesagt, ich solle doch mal was davon veröffentlichen, aber das fühlt sich irgendwie falsch an. Als würde ich etwas von mir selbst weggeben. Schwer zu beschreiben. :? Kennt dieses Gefühl noch jemand von euch?

  • Ich fand Folgendes:

    “Spielverhalten: Spielen braucht Fantasie. Und Fantasie setzt die Fähigkeit voraus, sich Vorstellungen über Dinge und Ereignisse zu machen, die vielleicht noch nie erlebt wurden. Gerade das aber ist bei autistischen Kindern ganz all- gemein schwach entwickelt.
    Deshalb können sie auch nicht „richtig spielen“, schon gar nicht eigene Spiele erfinden, wenn sie alleine sind. Das geht wahrscheinlich auf ihre Unfähigkeit zurück, Vorstellungen oder innere Bilder von etwas noch nicht Erlebtem zu entwerfen, die erwähnte Fantasielosigkeit im hirnorganischen Sinne. Deutlich besser ist das Vorstellungsvermögen autistischer Kinder, wenn es um früher erlebte Ereignisse, also um Gedächtnisbilder geht.”

    http://www.psychosoziale-gesundheit.net/pdf/faust_asperger.pdf

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

  • Ich fand Folgendes:

    “Spielverhalten: Spielen braucht Fantasie. Und Fantasie setzt die Fähigkeit voraus, sich Vorstellungen über Dinge und Ereignisse zu machen, die vielleicht noch nie erlebt wurden. Gerade das aber ist bei autistischen Kindern ganz all- gemein schwach entwickelt.
    Deshalb können sie auch nicht „richtig spielen“, schon gar nicht eigene Spiele erfinden, wenn sie alleine sind. Das geht wahrscheinlich auf ihre Unfähigkeit zurück, Vorstellungen oder innere Bilder von etwas noch nicht Erlebtem zu entwerfen, die erwähnte Fantasielosigkeit im hirnorganischen Sinne. Deutlich besser ist das Vorstellungsvermögen autistischer Kinder, wenn es um früher erlebte Ereignisse, also um Gedächtnisbilder geht.”

    http://www.psychosoziale-gesundheit.net/pdf/faust_asperger.pdf

    Das kann ich in keinster Weise bestätigen. Kinder Spielen alles nach, was sie aus ihrem umfeld kennen. Darum spielen Kinder auch gerne "Familie" oder spielen nach, was sie aus filmen und serien kennen (weltraum, polizei, fantasy). Ich habe noch nie erlebt, dass Kinder etwas spielen, mit dem sie garkeine erfahrung haben.

    Ich habe als Kind eine lebhafte Fantasie gehabt, gerade bei dingen, die ich noch nie erlebt habe. Ich habe als kind andauernd eigene Spiele erfunden. Mit 9 Jahren habe ich ein Spiel erfunden, bei dem man eine Farm aufbauen muss, saat in der Stadt kaufen, fertige produkte verkaufen, tiere züchten usw. Und das war fast 20 jahre vor Farmville usw. Und ich bin nie auf einem Bauernhof gewesen.

    Ich wäre für diese Aussage also das krasse Gegenteil.

    Ich habe liebendgerne alleine gespielt. Besonders mit meinem Lego. Ich hatte diverse lego sets, und habe daraus immer ganz neue sachen gebaut. Oftmal war der Held meines Abenteuers ein Zeitreisender, der mit seinem Raumschiff auf unterschiedlichen planeten abgestürzt war, und dann sein schiff und seine Ausrüstung mit den dortigen Mitteln reparieren musste, um erneut durch die Zeit zu springen. Er landete auf Eisplaneten, wasserwelten, im Mittelalter usw. Einmal hat er mit Merlin zusammen gearbeitet.

    Also wenn das keine fantasie ist bei selbst ausgedachten spielen alleine, dann weiß ich es nicht. Mich hat eher gestört, dass andere Kinder nicht so fantasievoll waren, und immer so simple ideen hatten, nur aus dingen die sie schon erlebt hatten.
    Ich wollte mit Lego einen Zeitreisenden Weltraumingeneur spielen, und sie wollten mit Lego ein Haus nachbauen mit vater, mutter und kind.

  • Attwood schreibt davon, dass viele autistische Mädchen teilweise bis zum Wortlaut genau Geschichten kopieren, die sie gelesen oder im Fernsehen gesehen haben. Ich kenne das von mir selbst aus der Kindheit auch. Daraus kann dann in manchen Fällen eine eigene Sorte der Kreativität werden, etwa, indem man viel liest und neu kombiniert, oder auch variiert, etwa das Ende umschreibt, und von da aus (mit immer mehr Veränderung) zu eigenen Geschichten kommt.

    Genau so war es bei mir.
    Ich habe aber jetzt schon lange nichts mehr geschrieben.

    Ansonsten, was ich von der Kindheit noch weiß, ist dass mir nie Geschichten eingefallen sind, die man mit Puppen o.ä. spielen könnte. Wenn ich doch was gespielt habe, dann war es immer die gleiche Geschichte.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

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