"Copy & Paste’ - Hidden Asperger’s-- Girls with Aspergers

  • Zu dieser Diskussion würde ich auch noch den Aspekt berücksichtigen, dass gut kompensierter Autismus kein geheilter oder "bedeutungslos schwacher" Autismus ist. Vielleicht ist es hilfreich, sich analog eine vernarbte Herzklappe anzuschauen. Das Herz-Kreislaufsystem kompensiert die kaputte Klappe unter Umständen, so dass sie sehr lange unentdeckt bleibt. Durch die kompensatorischen Mechanismen wird jedoch das Herz auf Dauer geschädigt, die Herzinsuffizienz wird dann klinisch sichtbar und führt zu irreversiblen Schäden. Besser wäre es gewesen, man hätte die defekte Klappe frühzeitig bemerkt und durch geeignete Therapie und Lebensweise die Herzinsuffizienz verhindert.
    Menschen, die ihren Autismus zum Zeitpunkt der Diagnostik gut kompensieren können, so gut, dass zu der Zeit kein Krankheitswert vorliegt, kommen vielleicht in späteren Jahren bei Familiengründung, Jobwechsel o.ä. an ihre Grenzen und darüber hinaus. Wenn diese nhn im Kopf haben, dass sie ja laut Diagnose keine Autisten sind, müssen die wahrscheinlich noch länger als andere uneffektive und kontraproduktive Therapiewege gehen, weil Autismus ja ausgeschlossen wurde.
    Wenn Autismus eine Entwicklungsstörung und keine Krankheit ist, dann ist nach meinem Verständnis das Kriterium des Krankheitswertes sehr fragwürdig.

    Wenn ich so an mein Leben zurückdenke, gab es eigentlich nie eine Zeit, in der ich keine größeren Schwierigkeiten hatte, wobei es natürlich "Hochs" und Tiefs gab. Aber wie ein Roter Faden ziehen sich meine Kontaktschwierigkeiten durch mein Leben. Komischerweise war es nur mal besser, als ich vor dem Studium ein halbes Jahr im Ausland gelebt habe.
    Und ich bin auch niemand, der Menschen, die sich nicht mit Autismus auskennen, auf den ersten Blick als Autist auffällt. Als kleines Kind war ich auffälliger, aber ich habe schon früh gemerkt, dass ich unpassend bin und was dagegen tun muss. Herr Dr. Schillbach hat zum Glück auch erkannt, dass bei mir die Intelligenz (und das Umfeld) eine Rolle spielten, zu kompensieren.

    Bei dem Mädchen im Video fällt mir aber gar nichts Autistisches auf. Ich kann im beruflichen Kontext auch schauspielern, da ich ja unterrichte (bzw. unterrichtet habe), aber ich denke, dass es bei mir trotzdem Auffälligkeiten gibt in den Bewegungen und vor allem auch in der Stimmmodulation.

    Ich finde nicht, dass man Autismus nur bei den ganz schweren Fällen diagnostizieren sollte, die auf jeden Fall einen Schwerbehindertenausweis erhalten, denn ein Grad von 20 oder 30 ist ja auch eine Behinderung. Es ist wie bei allen Erkrankungen und Behinderungen. Ich habe ja auch Depressionen mit teilweise sehr stark ausgesprägten Suizidgedanken, kann aber meinen Alltag relativ gut bewältigen, andere haben Depressionen und könne sich nicht mehr alleine anziehen. Es gibt einfach verschiedene Schweregrade.

    Mein Eindruck ist aber auch, dass manche die Diagnose unbedingt haben wollen. Ich kann es ja irgendwie verstehen, wenn man ausgeprägte Symptome hat. Man möchte eine Antwort. Ich war ja eine Zeit mal davon überzeugt, dass ich ADS hätte und sehr enttäuscht, dass ich keine Diagnose bekam. Und natürlich kann sich ein Diagnostiker irren. Aber zumindest meine Erfahrung im Max-Planck-Institut in München war jetzt nicht, dass sie nicht berücksichtigen, dass man - und vor allem Frau - häufig gewisse Kompensationsleistungen erbringt.

    Was mir in letzter Zeit aufgefallen ist, wenn ich an mich als Grundschulkind denke und mich mit Kindern vergleiche, die einfach schüchtern sind: Diese interessieren sich trotzdem sehr für Menschen, so wie es für Menschen normal ist. Sie beobachten und lachen mit anderen Menschen, sind aber in ihrem Verhalten zurückhaltend. Ich hatte gerade in der Grundschule ein wenig ausgeprägtes Interesse an anderen (wobei ich mit meinen engsten Verwandten schon interagiert habe). Und auch wenn sich das etwas gebessert hat und ich auch Kontakte suche, ist mein Interesse insgesamt an Mitmenschen deutlich weniger ausgeprägt als bei anderen.

  • Wenn ich so an mein Leben zurückdenke, gab es eigentlich nie eine Zeit, in der ich keine größeren Schwierigkeiten hatte, wobei es natürlich "Hochs" und Tiefs gab. Aber wie ein Roter Faden ziehen sich meine Kontaktschwierigkeiten durch mein Leben. Komischerweise war es nur mal besser, als ich vor dem Studium ein halbes Jahr im Ausland gelebt habe.

    Vor dem Studium war ich nicht im Ausland, aber dann im Studium zuerst als Erasmusstudentin und dann später noch einmal als "richtige" Studentin. "Hochs" und "Tiefs" gab es auch da (vor allem bei dem zweiten Aufenthalt, der ja - mit Unterbrechungen - ein paar Jahre dauerte). Insgesamt jedoch fand ich es in beiden Fällen wesentlich einfacher, Kontakte zu knüpfen, als in meinem Studium in Deutschland. Zudem merkte ich im Ausland in "gemischten" Gruppen mehrfach negative, teilweise sogar feindliche Reaktionen von anderen Deutschen. Ähnliches erlebte ich auch auf einer Studienfahrt mit Leuten von verschiedenen europäischen Unis aus einem Erasmus-Netzwerk. Da waren mehrere Deutsche von anderen Universitäten dabei, und auch dort kam es vor, dass manche mich gleich ablehnten und vermieden, ohne, dass ich den Grund benennen konnte. Ich schrieb anderswo hier auch schon mal von meinen Erfahrungen in der Richtung. Insgesamt ziehen sich Kontaktschwierigkeiten auch durch mein Leben wie ein "Roter Faden" - oder ein "Schwarzer Faden", wie Hyperakusis hier, glaube ich, irgendwo passend schrieb. Auch bei mir gab es dabei schlechtere und bessere Zeiten. Im Erwachsenenalter jenseits der Studien- und Ausbildungsphase ist es tendenziell auch immer schwieriger geworden. Und auch im Ausland gelang es letztlich nicht, mich langfristig zu etablieren.

    Und ich bin auch niemand, der Menschen, die sich nicht mit Autismus auskennen, auf den ersten Blick als Autist auffällt. Als kleines Kind war ich auffälliger, aber ich habe schon früh gemerkt, dass ich unpassend bin und was dagegen tun muss.

    Ich kann im beruflichen Kontext auch schauspielern, da ich ja unterrichte (bzw. unterrichtet habe), aber ich denke, dass es bei mir trotzdem Auffälligkeiten gibt in den Bewegungen und vor allem auch in der Stimmmodulation.

    Dito, zu beidem. Die Auffälligkeiten in den Bewegungen und der Stimme/ Intonation sind mir sogar bewusst, aber da kann ich nur sehr begrenzt gegensteuern. "Behindert" im klassischen Sinne wirke ich dadurch nicht, aber es reicht, um merkwürdig zu wirken.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

    Einmal editiert, zuletzt von Leonora (12. März 2019 um 12:40)

  • Zu dieser Diskussion würde ich auch noch den Aspekt berücksichtigen, dass gut kompensierter Autismus kein geheilter oder "bedeutungslos schwacher" Autismus ist. Menschen, die ihren Autismus zum Zeitpunkt der Diagnostik gut kompensieren können, so gut, dass zu der Zeit kein Krankheitswert vorliegt, kommen vielleicht in späteren Jahren bei Familiengründung, Jobwechsel o.ä. an ihre Grenzen und darüber hinaus.

    Das sehe ich auch so.

    http://as-tt.de

    Auszug aus dieser Seite:
    Ein Beispiel:Nehmen wir an, ein Automobil hat einen Defekt in der Achsgeometrie; es zieht also stark nach links Das Fahrzeug stellt zusammen mit dem Fahrer eine Funktionseinheit dar. Der Fahrer ist also gefordert, ständig nach rechts zu lenken, nur um das Fahrzeug geradeaus zu führen und eine Kollision mit dem Gegenverkehr zu vermeiden. Nun gibt es Fahrer, die höhere kognitive Ressourcen haben als andere, die mehr Konzentrationsfähigkeit haben, die sich mehr in die Technik des Fahrzeugs hineindenken können (also reflektieren). Diese Kombination Fahrzeug + Fahrer wird im Straßenverkehr kaum auffallen. Kann man daraus auf die Stärke des Defekts in der Achsgeometrie schließen? NEIN! Ganz im Gegenteil sind diese Fahrer in ihrem Engagement deutlich stärker gefordert, als ein Fahrer, der sein Fahrzeug fahren lässt, egal wohin.
    So sind viele dieser hochfunktionalen Autisten nur aufgrund deutlich vermehrter Anstrengungen in der Lage, ein einigermaßen kompatibles Außenbild zu zeigen. Sie deshalb als „leicht“ betroffen zu bezeichnen empfinden viele als einen Affront!
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    Es gibt Menschen, die laut Diagnose nicht mehr laufen können. Trotzdem lernen sie wieder laufen. Jeder Mensch hat viele Stärken und Schwächen. Und je nachdem, wie die "Mischung" dieser ausfällt, kann mit Problemen
    (Krankheiten, Störungen, äußeren Einflüssen usw.) entsprechend umgegangen werden. Und das äußere Umfeld spielt auch eine große Rolle.

    Zu erkennen, ob jemand tatsächlich nicht in der Lage ist, etwas zu tun, oder zu faul, finde ich extrem schwer. Und ein "zu faul" ist auch nicht grundsätzlich von dem jenigen selbst beeinflussbar.

    Manch einer schafft es, sich kurzfristig so zu verhalten, wie es angebracht ist und muss sich danach doppelt so lange erholen. Diese Erholungsphase sieht niemand. In dieser Zeit kann aber viel Anderes von demjenigen nicht bewältigt werden.

    Ich persönlich habe alles weggelassen, was für mich selbst
    wichtig war. Habe für das Andere recht gut funktioniert. Ich habe gar nicht gemerkt, dass ich mein Leben dadurch nicht für mich gestaltet habe, sondern für das Funktionieren nach außen. Ich war sogar sehr zufrieden damit, was ich alles schaffte.
    Bis mein Körper mir unsanft klar machte, dass ich diesen sehr vernachlässigt hatte. Meine persönlichen Grenzen, die ich nicht kannte, immer überschritten hatte.

    Ein Mittelweg wäre gut gewesen. Und den hätte ich mit einem früheren Wissen über meine Defizite, also mit einer Diagnose, bestimmt gut hin bekommen. Nicht nur ausruhen, auch mit machen, aber dosiert und zur richtigen Zeit.

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