Mögliche Träger für Kostenübernahme Autismustherapie

  • Hallo zusammen,

    ich stehe auf der Warteliste beim nächstgelegenen Autismus Therapie Zentrum und warte demnach auf einen Therapieplatz. Zur Unterstützung der Kosten wurde ich gebeten einen Antrag beim zuständigen Sozialamt zu stellen, was ich auch getan habe. Vermutlich werde ich aufgrund meines Einkommens (und es ist nicht soviel, dass ich mal eben so 400 Euro im Monat aus dem Ärmel schütteln kann (RW)) keine oder nur eine sehr geringe Unterstützung bekommen.
    Gibt es andere Träger die ich hier bemühen kann? Sollte es wirklich wahr sein, dass man mit so einer Einschränkung für die Behandlungskosten selber aufkommen muss, weil die Krankenkasse nicht zuständig ist? Da kompensiere ich mein ganzes Leben wie ein Weltmeister, bis es kaum noch geht, will mir helfen lassen, weil ich auch gerne weiterhin berufstätig sein möchte und dann werden einem solche Hindernisse in den Weg gelegt?
    Ich würde mich über Erfahrungsberichte freuen. So meine ich z.B. irgendwo gelesen zu haben, dass möglicherweise die Rentenversicherung oder das Arbeitsamt ebenfalls als Träger in Frage kommen.

    Liebe Grüße
    Chris

  • Sollte es wirklich wahr sein, dass man mit so einer Einschränkung für die Behandlungskosten selber aufkommen muss, weil die Krankenkasse nicht zuständig ist?

    Soweit ich weiß, ja. (Also Sozialamt = einziger Träger)
    Ich hatte mit dem Arbeitsamt oder der Rentenversicherung aber auch noch nichts zu tun, da ich noch studiere.

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

  • Zur Unterstützung der Kosten wurde ich gebeten einen Antrag beim zuständigen Sozialamt zu stellen, was ich auch getan habe. Vermutlich....

    Ja, es läuft über die Eingliederungshilfe.
    Das heisst aber nicht, dass Du nur ein Einkommen haben darfst, welches dem Sozialhilfesatz entspricht.
    Vermutlich...wenn du es wissen willst und nicht nur vermuten, dann schau hier:

    https://www.betanet.de/eingliederungs…-vermoegen.html

    Rentenversicherung oder das Arbeitsamt ebenfalls als Träger in Frage kommen.

    Nicht wenn Du ganz normal arbeitest.

  • @LeuChris

    Meines Wissens nach ist das leider wahr. Wenn du selbst Geld verdienst, kann es sein, dass du einen Anteil oder alle Kosten selbst tragen musst und wenn du Vermögen über der Vermögensgrenze hast, musst du alles selbst zahlen.

    Meiner Meinung nach ist das vollkommen ungerecht, weil Asperger für mich eine Erkrankung ist und kein "Privatvergnügen", das ich aus der eigenen Tasche bezahle. Ich habe ja nicht während meiner Berufstätigkeit Geld beiseite gelegt, damit ich jetzt jedes Jahr 5.000 EUR für die Therapie ausgeben kann (jedenfalls war das anders gedacht).
    Für Erkrankungen gibt es eine Krankenversicherung, in die ich genug einzahle. Aber leider sind die ATZ ja nicht so aufgestellt, dass sie von den Kassen als Therapie anerkannt werden können und darüber hinaus weigern sich die Krankenkassen, Asperger als eine behandlungsbedürftige Erkrankung anzusehen.

    Eigentlich müsste man deswegen nochmal auf die Straße gehen. Denn das Bundesteilhabegesetz hat nach wie vor meiner MEinung nach ganz gravierende Schwächen (aber immer noch tausendmal besser als vor der Gesetzesänderung).


    Zitat von Kraehe

    @Krahe
    Der Link ist sehr hilfreich, danke.
    Ich lese das erste Mal, dass der Freibetrag nur auf Erwerbseinkommen gilt, aber nicht für Renten. Darauf hat mich vorher auch noch niemand hingewiesen. Das müsste ja bedeuten, dass man bei Renten gar nichts einsetzen darf oder alles? :roll:

    Vor allem die im obigen Link enthaltene Verlinkung zu https://nitsa-ev.de finde ich extrem hilfreich. Das hätte ich mal vor einem halben Jahr gebraucht.

    2 Mal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (13. Februar 2019 um 20:17)

  • Soviel ich weiß, hat @Tuvok mal berichtet, dass er was über Rentenversicherung oder Agentur für Arbeit bezahlt bekommen hat.

    Über die Krankenkasse kann es laufen, wenn der Therapeut eine Approbation hat. Hat er eine Approbation, aber keinen Kassensitz, geht es nur im Kostenerstattungsverfahren.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Bei mir stand nach dem Antrag auch die Frage offen, ob die Autismus Therapie über das Sozialamt als Teilhabe an der Gesellschaft läuft, oder über das Jobcenter als Teilhabe am Arbeitsleben. Letztendlich wurde intern das Sozialamt als zuständig erklärt.

    @LeuChris an deiner Stelle würde ich mich nochmal direkt an dein Autismus Zentrum wenden. Ich kann mir nicht vorstellen, dass du die einzige Person bist, bei der es Probleme mit der Finanzierung gibt. Vielleicht gibt es ja in deiner Gegend noch andere vermittelbare Optionen, wie z. B. einen Psychiater oder Psychologen außerhalb des Zentrums mit Autismuserfahrung, der im besten Fall einen Kassensitz hat. Nichtsdestotrotz sollte jeder Autist Zugang zu einer Therapie bekommen und ich finde die aktuelle Regelung auch mehr als unfair.

    2020 soll es aber auch Veränderungen in der Eingliederungshilfe geben, inwieweit sich die Einkommensgrenzen ändern weiß ich aber nicht, da ich mich bisher nicht damit beschäftigen musste.

  • Soviel ich weiß, hat @Tuvok mal berichtet, dass er was über Rentenversicherung oder Agentur für Arbeit bezahlt bekommen hat.

    Stimmt leider nicht ganz. Ich habe eine Autismustherapie als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der Rentenversicherung beantragt, aber die Rentenversicherung (DRV Bund) stellt sich quer. Daher läuft zurzeit eine Klage beim Sozialgericht, die sich wahrscheinlich noch lange hinzieht.

    ich stehe auf der Warteliste beim nächstgelegenen Autismus Therapie Zentrum und warte demnach auf einen Therapieplatz. Zur Unterstützung der Kosten wurde ich gebeten einen Antrag beim zuständigen Sozialamt zu stellen, was ich auch getan habe. Vermutlich werde ich aufgrund meines Einkommens (und es ist nicht soviel, dass ich mal eben so 400 Euro im Monat aus dem Ärmel schütteln kann (RW)) keine oder nur eine sehr geringe Unterstützung bekommen.

    Wenn du die Autismustherapie als Leistung zur sozialen Teilhabe gem. §76 ff SGB 9 beantragst, wäre zuständiger Träger das Sozialamt. Dann müsstest du tatsächlich in Abhängigkeit von deinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen eine Zuzahlung leisten oder im ungünstigsten Fall die Therapie komplett selbst bezahlen.

    So meine ich z.B. irgendwo gelesen zu haben, dass möglicherweise die Rentenversicherung oder das Arbeitsamt ebenfalls als Träger in Frage kommen.

    Wenn du die Autismustherapie als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben gem §49 SGB 9 benötigst, kämen die Rentenversicherung oder die Bundesanstalt für Arbeit als mögliche Träger in Betracht.
    Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Rentenversicherung erfüllst du, wenn du 15 Jahre lang Rentenbeiträge bezahlt hast. Andernfalls wäre die Bundesanstalt für Arbeit zuständig.

    Die Rechtsprechung ist jedoch nicht einheitlich.
    Das LSG Saarbrücken hat 2015 in einem Fall dem Kläger Recht gegeben und festgestellt, dass eine Autismustherapie im dort verhandelten Fall als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu bewilligen war.
    Das LSG Niedersachsen-Bremen hat das 2018 in einem anderen Fall genau umgekehrt gesehen und festgestellt, dass die dort beantragte Autismustherapie in dem konkreten Einzelfall eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (jetzt: Leistung zur sozialen Teilhabe) war. Der Kläger hatte allerdings vorher bereits eine Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bekommen und sie dann auf eigene Kosten fortgesetzt und wollte die Kosten nun als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben von der Bundesanstalt für Arbeit zurückbekommen. Im konkreten Einzelfall war aber kein Schwerpunkt auf dem Ziel der Teilhabe am Arbeitsleben erkennbar und die Fortsetzung der Therapie unterschied sich nicht wesentlich von dem, was er vorher als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bekommen hatte.


    weil ich auch gerne weiterhin berufstätig sein möchte

    Wenn du versuchen möchtest, die Therapie als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben zu beantragen, müsstest du glaubhaft machen
    dass die Autismustherapie erforderlich ist, um"die Erwerbsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern" (§49 Abs. 1 SGB 9),
    dass das primäre Ziel der Autismustherapie in deinem Fall nicht die soziale Teilhabe, sondern die Teilhabe am Arbeitsleben (also die langfristige Sicherung deiner Berufstätigkeit, die andernfalls gefährdet wäre) ist, und

    dass auch die geplante Ausgestaltung der Therapie klar einen beruflichen Schwerpunkt erkennen lässt.


    Das wird sicherlich nicht leicht. Ob es in deinem konkreten Einzelfall Aussicht auf Erfolg hätte, kann ich nicht beurteilen. Du müsstest dich wohl auf jeden Fall darauf einstellen, dass sowohl die Rentenversicherung als auch die Bundesanstalt für Arbeit das ablehenen werden und du wahrscheinlich klagen musst.

    Aber ich wünsche auf jeden Fall viel Erfolg.

    Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll. (Georg Christoph Lichtenberg)
    Veränderungen führen deutlich öfter zu Einsichten, als dass Einsichten zu Veränderungen führen. (Milton H. Erickson)
    Morgen werde ich mich ändern, gestern wollte ich es heute schon. (Christine Busta)

  • leider sind die ATZ ja nicht so aufgestellt, dass sie von den Kassen als Therapie anerkannt werden können und darüber hinaus weigern sich die Krankenkassen, Asperger als eine behandlungsbedürftige Erkrankung anzusehen.

    Zwar gehören zum rehabilitativen Leistungskatalog aus der gesetzlichen Krankenversicherung auch medizinische, psychologische und pädagogische Hilfen zur allgemeinen Unterstützung bei der Krankheits- und Behinderungsverarbeitung (§ 26 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX a. F.), zur Aktivierung von Selbsthilfepotenzialen (§ 26 Abs. 3 Nr. 2 SGB IX a. F.), zur seelischen Stabilisierung und zur Förderung der sozialen Kompetenz unter anderem durch Training sozialer und kommunikativer Fähigkeiten und im Umgang mit Krisensituationen (§ 26 Abs. 3 Nr. 5 SGB IX a. F.) sowie Training lebenspraktischer Fähigkeiten (§ 26 Abs. 3 Nr. 6 SGB IX a. F.). Erforderlich ist es aber bei der von Heilpädagogen, Sozialarbeitern und Psychologen geleistete Autismus-Therapie, dass die Krankheitsbekämpfung im Vordergrund stehen muss.

    Ausweislich des Behandlungsberichtes des Autismus-Zentrum (...) ist ein unmittelbarer Krankheitsbezug, der an der Krankheit selbst bzw. an ihren Ursachen ansetzt, nicht ersichtlich.

    In dem Punkt ist der Argumentation des LSG Niedersachsen-Bremen leider zu folgen. Bei den in den ATZ angebotenen Therapien steht nicht die Krankheitsbekämpfung im Vordergrund, sie setzen auch nicht unmittelbar an der Krankheit oder ihren Ursachen an, und sie sind vor allem völlig ungeeignet, irgend etwas an der Krankheit oder den Ursachen zu ändern. Das ist nicht Schuld der Atz, dass es einfach nichts gibt, was geeignet wäre, etwas an den medizinischen feststellungen der Diagnose zu ändern. Somit ist die Krankenkasse eben als Träger nicht zuständig.

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  • Bei mir zahlt es aber die (private) Krankenkasse, und die Therapeutin sagte, dass die gesetzlichen es auch zahlen können, dann im Kostenerstattungsverfahren, weil sie keine Kassenzulassung hat.
    Die Therapie wird dann einfach als normale Verhaltenstherapie beantragt, auch wenn sie in einem Autismus-Kompetenzzentrum stattfindet.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • @Tuvok
    Weil also Autismus nicht heilbar ist und es daher keine Therapie geben kann, die eine Heilung bewirken könnte, ist die Krankenkasse nicht zuständig? Das kann ich doch wirklich nicht richtig verstanden haben...

  • Bei mir zahlt es aber die (private) Krankenkasse, und die Therapeutin sagte, dass die gesetzlichen es auch zahlen können, dann im Kostenerstattungsverfahren, weil sie keine Kassenzulassung hat.

    Welche Ausbildung hat denn die Therapeutin genau? Um es als kassenleistung im Kostenerstattungsverfahren abrechnen zu können, muss sie doch Psychotherapeutin sein, also Psychiaterin oder Psychologin mit Approbation als Psychotherapeutin. Und dann muss der Therapiebedarf wahrscheinlich auch noch mit einer Komorbidität begründet werden, die Autismusdiagnose allein reicht da wahrscheinlich nicht, oder?
    Die "Therapeuten" bei mir im ATZ sind überwiegend Pädagogen oder Sozialpädagogen, die "Autismustherapie" heißt im offiziellen Antrag "autismusspezifische Förderung" und arbeitet auch überwiegend mit (sozial)pädagogischen Methoden.
    Das primäre Ziel ist eben nicht, den Autismus zu beseitigen, sondern zu erlernen, besser damit umzugehen. Da ist mir egal, welche Ausbildung die Leute haben, Hauptsache ich habe Vertrauen zu den Leuten und empfinde ihre Angebote als hilfreich.

    Die Therapie wird dann einfach als normale Verhaltenstherapie beantragt, auch wenn sie in einem Autismus-Kompetenzzentrum stattfindet.

    "Verhaltenstherapie" und "Autismus" in einem Satz: da werden einige kritische Zeitgenossen aber sofort wieder an ABA denken und dich zum bösen, bösen Teufel in Menschengestalt erklären, der hier schamlos Werbung für ABA macht.

    Weil also Autismus nicht heilbar ist und es daher keine Therapie geben kann, die eine Heilung bewirken könnte, ist die Krankenkasse nicht zuständig? Das kann ich doch wirklich nicht richtig verstanden hab.

    Die Angebote verschiedener ATZ unterscheiden sich zum Teil beträchtlich. Bei mir im ATZ sind sie jedenfalls eher pädagogisch ausgerichtet und zielen nicht auf eine medizinische Heilung ab, so dass ich die Argumentation des LSG in diesem Punkt nachvollziehen kann.
    Aber möglicherweise ist das Angebot bei dir im ATZ ja auch eher psychotherapeutisch ausgerichtet (wie offenbar bei Shenya). Dann käme vielleicht auch die Krankenkasse als Träger in Betracht.
    Ich glaube, das hängt immer sehr stark vom jeweiloigen Einzelfall ab, da möchte ich auch nicht zu stark verallgemeinern.

    Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll. (Georg Christoph Lichtenberg)
    Veränderungen führen deutlich öfter zu Einsichten, als dass Einsichten zu Veränderungen führen. (Milton H. Erickson)
    Morgen werde ich mich ändern, gestern wollte ich es heute schon. (Christine Busta)

  • "Verhaltenstherapie" und "Autismus" in einem Satz: da werden einige kritische Zeitgenossen aber sofort wieder an ABA denken und dich zum bösen, bösen Teufel in Menschengestalt erklären, der hier schamlos Werbung für ABA macht.

    Aufgeklärte Zeitgenossen werden aber möglicherweise wissen, dass nicht jede Verhaltenstherapie ABA ist, und vielleicht sogar, dass die kognitive Verhaltenstherapie von Autismusexperten als meist für Autisten geeigneter empfohlen wird als die psychoanalytischen Verfahren (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse), und etwas anderes als eine der drei Methoden wird in D meines Wissens nach nicht von der Krankenkasse übernommen, höchstens können einzelne andere Elemente in diesem Rahmen mitangewandt werden.

    Die kognitive Verhaltenstherapie ist laut Wikipediaartikel sogar als Gegenbewegung zu behavioristischen Verfahren entstanden, zu denen man "Applied Behavior Analysis" (ABA) als Vertreter einordnen müsste. Ich denke auch nicht, dass man z.B. Tony Attwood unterstellen würde, ABA zu unterstützen, weil er Manuale für die kognitive Verhaltenstherapie von Autisten (mit-)entwickelt (siehe hier: http://www.tonyattwood.com.au/books-by-tony/english-books).

    “The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.”
    ― Alberto Brandolini

    Einmal editiert, zuletzt von Turtle (15. Februar 2019 um 10:06)

  • Welche Ausbildung hat denn die Therapeutin genau? Um es als kassenleistung im Kostenerstattungsverfahren abrechnen zu können, muss sie doch Psychotherapeutin sein, also Psychiaterin oder Psychologin mit Approbation als Psychotherapeutin. Und dann muss der Therapiebedarf wahrscheinlich auch noch mit einer Komorbidität begründet werden, die Autismusdiagnose allein reicht da wahrscheinlich nicht, oder?

    Ja, so ist es. Meine Therapeutin hat eine Approbation als psychologische Psychotherapeutin und macht eine autismusspezifische Verhaltenstherapie.

    "Verhaltenstherapie" und "Autismus" in einem Satz: da werden einige kritische Zeitgenossen aber sofort wieder an ABA denken und dich zum bösen, bösen Teufel in Menschengestalt erklären, der hier schamlos Werbung für ABA macht.

    :) Nö, ist eine ganz normale Verhaltenstherapie, wie man sie überall bei psychologischen oder ärztlichen Psychotherapeuten bekommen kann, nur halt auf Autismus bezogen, d.h. sie kennt sich halt mit Autismus aus und kann auf die Problematik gut eingehen. Ihre Methoden sind besser angepasst an autistische Symptomatik.

    Aufgeklärte Zeitgenossen werden aber möglicherweise wissen, dass nicht jede Verhaltenstherapie ABA ist, und vielleicht sogar, dass die kognitive Verhaltenstherapie von Autismusexperten als meist für Autisten geeigneter empfohlen wird

    Genau. :)


    Das mit dem oben erwähnten Urteil: ich finde das nach wie vor ein falsches und unsinniges Urteil. Blinde bekommen z.B. von der Krankenkasse ein Training mit dem Langstock bezahlt, und da ist ja wohl auch nichts auf Heilung ausgerichtet, sondern eben darauf, im Alltag besser zurecht zu kommen.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Das mit dem oben erwähnten Urteil: ich finde das nach wie vor ein falsches und unsinniges Urteil. Blinde bekommen z.B. von der Krankenkasse ein Training mit dem Langstock bezahlt, und da ist ja wohl auch nichts auf Heilung ausgerichtet, sondern eben darauf, im Alltag besser zurecht zu kommen.

    Ja.
    Die wollen Geld sparen, das ist alles. :evil:

    Aufgeklärte Zeitgenossen werden aber möglicherweise wissen, dass nicht jede Verhaltenstherapie ABA ist,...

    genau. Denn in der Verhaltenstherapie kann der Umgang mit Alltagssituationen und auch Kommmunikation geübt werden.

    dass auch die geplante Ausgestaltung der Therapie klar einen beruflichen Schwerpunkt erkennen lässt.

    Ich habe kurz nach der Diagnose ein Coaching vom A Amt bezahlt bekommen, Jobcoaching, es gab einen Gutschein für eine bestimmte Anzahl von Sitzungen (9 waren es glaube ich), bei einem vom Amt als Massnahme zugelasssenen Coach nach Wahl. Das war nicht autismusspezifisch, aber da der Coach auch Psychotherapeut war (HP Psych.) war es sehr hilfreich.

    Es war aber ziemlich aufwendig, das alles herauszufinden und zu organisieren, und ich denke dass ich auch Glück hatte mit der Sachbearbeiterin, dass sie es bewilligt hat.

    @LeuChris hast Du denn mal nachgeschaut wie das mit den Einkommengrenzen ist? Vielleicht ist es ja gar kein Problem bei Dir. Die Mietkosten (in angemessener Höhe) müssen auch berücksichtigt werden.

    Einmal editiert, zuletzt von Kraehe (15. Februar 2019 um 11:21)

  • Aufgeklärte Zeitgenossen werden aber möglicherweise wissen, dass nicht jede Verhaltenstherapie ABA ist

    Ja, aufgeklärte Zeitgenossen wissen so etwas. :d

    Das mit dem oben erwähnten Urteil: ich finde das nach wie vor ein falsches und unsinniges Urteil. Blinde bekommen z.B. von der Krankenkasse ein Training mit dem Langstock bezahlt, und da ist ja wohl auch nichts auf Heilung ausgerichtet, sondern eben darauf, im Alltag besser zurecht zu kommen.

    Ganz absurd finde ich deine Argumentation nicht. Die genaue Abgrenzung zwischen medizinischer, beruflicher und sozialer Rehabilitation ist schwierig. Aber

    Zitat von §42 Abs 1 SGB 9

    Zur medizinischen Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohter Menschen werden die erforderlichen Leistungen erbracht, um Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden, zu beseitigen, zu mindern, auszugleichen, eine Verschlimmerung zu verhüten

    Beim Blinden ist es klar erkennbar, dass es darum geht, mit dem Langstock unmittelbar die Behinderung auszugleichen.
    Bei der Autismustherapie ist es nicht im gleichen Maße klar, dass es um den Ausgleich der Behinderung geht.

    Ich würde es natürlich auch begrüßen, wenn Autismustherapie eine Kassenleistung wäre. Ich sehe aber nicht, dass die Bedingungen für eine medizinische Rehabilitation hier erfüllt sind.
    Daher streite ich mich lieber mit der Rentenversicherung als mit der Krankenversicherung. Da glaube ich, dass ich das Vorliegen der Bedingungen ausreichend belegt habe, und ich kann zumindest auf einen vergleichbaren Fall verweisen, wo ein solcher Anspruch durch ein LSG bestätigt wurde.

    Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll. (Georg Christoph Lichtenberg)
    Veränderungen führen deutlich öfter zu Einsichten, als dass Einsichten zu Veränderungen führen. (Milton H. Erickson)
    Morgen werde ich mich ändern, gestern wollte ich es heute schon. (Christine Busta)

  • In dem Punkt ist der Argumentation des LSG Niedersachsen-Bremen leider zu folgen. Bei den in den ATZ angebotenen Therapien steht nicht die Krankheitsbekämpfung im Vordergrund, sie setzen auch nicht unmittelbar an der Krankheit oder ihren Ursachen an, und sie sind vor allem völlig ungeeignet, irgend etwas an der Krankheit oder den Ursachen zu ändern. Das ist nicht Schuld der Atz, dass es einfach nichts gibt, was geeignet wäre, etwas an den medizinischen feststellungen der Diagnose zu ändern. Somit ist die Krankenkasse eben als Träger nicht zuständig.

    @Tuvok

    Ich verstehe die ARgumentationsweise der Justiz hier nicht. Über die Krankenkasse bekommt man doch z. B. auch das Hilfsmittel "Rollstuhl". Mittels des Rollsstuhls werden die Folgen z. B. von einer Amputation beider Beine abgemildert (mal angenommen, die Beine mussten wegen einer Durchblutungskrankheit beide abgenommen werden), aber die Beine bekommt die Person damit nicht wieder dran und die Krankheit wird durch das Rollstuhlfahren auch nicht bekämpft. Wieso bekommt die Person dann über die Krankenkasse einen Rollstuhl, ein Autist aber keine Autismustherapie? In beiden Fällen müssen die Folgen einer Krankheit behandelt werden, weil die Person sonst hilflos ist. Wo ist der Unterschied (außer dass es sich einmal um ein Hilfsmittel handelt und einmal um eine Psychotherapie), der zu dieser Ungleichbehandlung führt? :roll:

    Ich verstehe auch nicht, wieso das bei Autismus als "Rehabilitationsmaßnahme" betrachtet wird. Würde es als psychische Erkrankung wie alle anderen psychischen Erkrankungen auch gesehen werden, dann könnten sich die Krankenkassen vermutllich nicht so herauswinden. Und es gibt genug andere psychische Erkrankungen, die auch als "unheilbar" gelten, da zahlen allerdings die Krankenkassen.

    Ich denke eher, dass es daran liegen sollte, dass im ATZ keine Psychologischen Psychotherapeuten arbeiten, die zugelassen sind. (diesen Grund als Ablehnung der Krankenkasse bezüglich einer Kostenübernahme könnte ich zumindest anhand der Regularien nachvollziehen; gerechtfertigt finde ich ihn nicht vollständig. Aber eine Therapie von Autismus mit diesen abstrusen Begründungen abzulehnen, finde ich haltlos.

    Gibt es auch Gerichtsurteile, woraus man ableiten kann, wieso Autismus unter "Rehabilitationsmaßnahmen" fallen soll?

    Einmal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (15. Februar 2019 um 19:40)

  • Ja, aufgeklärte Zeitgenossen wissen so etwas. :d Ganz absurd finde ich deine Argumentation nicht. Die genaue Abgrenzung zwischen medizinischer, beruflicher und sozialer Rehabilitation ist schwierig. Aber

    Beim Blinden ist es klar erkennbar, dass es darum geht, mit dem Langstock unmittelbar die Behinderung auszugleichen.Bei der Autismustherapie ist es nicht im gleichen Maße klar, dass es um den Ausgleich der Behinderung geht.

    @Tuvok
    Also mal angenommen, man lässt die Autismustherapie im ATZ über "medizinische Reha" laufen, wieso soll denn nicht erkennbar sein, dass es bei der Autismustherapie um den Ausgleich einer Behinderung geht? Was soll den sonst ausgeglichen werden, wenn nicht eine Behinderung? Angeblich ist doch Autismus nach deren Logik eine Behinderung und keine Krankheit, aber im Fall der Therapie im ATZ ist es dann nun doch keine Behinderung mehr? :roll: Ich glaube wirklich so langsam, dass die einen an der Nase herumführen wollen.

    Es geht darum, die Erkrankung zu therapieren (neue Strategien im Umgang mit sich selbst und anderen zu erlernen; genau das ist Therapie) und meinetwegen auch um den Ausgleich einer Behinderung. Somit könnte es eine eine psychotherapeutische '(Verhaltenstherapie im ATZ) und eine rehabilitative Maßnahme (auch Verhaltenstherapie im ATZ) sein.
    Aber beidesmal stellen sich die Krankenkassen quer, weil es im ersten Fall keine Krankheit ist (sondern eine Behinderung) und im zweiten Fall keine Behinderung (sondern was dann? :nerved: )

    Das ist doch abstrus.

  • Ich verstehe die ARgumentationsweise der Justiz hier nicht. Über die Krankenkasse bekommt man doch z. B. auch das Hilfsmittel "Rollstuhl". Mittels des Rollsstuhls werden die Folgen z. B. von einer Amputation beider Beine abgemildert (mal angenommen, die Beine mussten wegen einer Durchblutungskrankheit beide abgenommen werden), aber die Beine bekommt die Person damit nicht wieder dran und die Krankheit wird durch das Rollstuhlfahren auch nicht bekämpft. Wieso bekommt die Person dann über die Krankenkasse einen Rollstuhl, ein Autist aber keine Autismustherapie? In beiden Fällen müssen die Folgen einer Krankheit behandelt werden, weil die Person sonst hilflos ist. Wo ist der Unterschied (außer dass es sich einmal um ein Hilfsmittel handelt und einmal um eine Psychotherapie), der zu dieser Ungleichbehandlung führt?

    Ich kann hier nur für mich sprechen, aber ich kann von mir selbst nicht behaupten, dass ich im gleichen Maße hilflos bin, wie ein Rollstuhlfahrer. (Mein Vater ist seit über 58 Jahren auf einen Rollstuhl angewiesen, da kann ich das schon gut vergleichen und beurteilen).
    Mobilität ist ein medizinisches Ziel. Beim Rollstuhlfahrer in deinem Beispiel ist auf jeden Fall ohne Rollstuhl seine Mobilität nahezu auf null reduziert, es besteht aber zugleich keinerlei Zweifel, dass er durch den Rollstuhl ein gewisses Mindestmaß an Mobilität zurückbekommen kann.
    Das alles ist beim Autisten anders. Da müsste man zunächst mal im konkreten Einzelfall ermitteln, ob und in welcher Hinsicht er eigentlich hilflos ist, und darüber hinaus noch nachweisen, dass die beantragte Therapie genau an dieser Hilflosigkeit ansetzt und mit hoher Wahrscheinlichkeit geeignet ist, diese Hilflosigkeit auch zu beseitigen.
    Du kannst natürlich gerne versuchen, eine Autismustherapie bei der Krankenkasse zu beantragen. Vielleicht hast du auch Glück, so wie Shenya.
    Ich sehe mich in sozialen Dingen zwar etwas unbeholfen, würde mich aber keinesfalls als hilflos betrachten. Und ich sehe bei einer Therapie zwar eine Chance auf eine Verbesserung, kann aber keine genügend gute Prognose vorweisen, dass die Ziele der Therapie auch tatsächlich erreicht werden.

    Ich weiß nicht, ob es besser wird, wenn es anders wird. Aber es muss anders werden, wenn es besser werden soll. (Georg Christoph Lichtenberg)
    Veränderungen führen deutlich öfter zu Einsichten, als dass Einsichten zu Veränderungen führen. (Milton H. Erickson)
    Morgen werde ich mich ändern, gestern wollte ich es heute schon. (Christine Busta)

  • ich mache einfach Ergotherapie, und damit ist auch alles abgedeckt, inklusive Förderung und Kompensierungen Strategien.

  • Danke für die vielen Beiträge. Scheint ja ein Interessantes Thema zu sein. Allerdings habe ich gar keine Lust irgendjemand zu verklagen. Das ATZ kann mir nicht helfen, weil Sie bisher noch keine Patienten hatten, die voll im Berufsleben stehen und auch über ein gutes Gehalt verfügen können. Da es mir nicht in erster Linie um den Erhalt der Arbeitskraft geht, fällt die Rentenversicherung als Träger ohnehin weg. Wenn das Gesundheitsamt nicht noch an der Notwendigkeit einer Therapie zweifelt, bekomme ich immerhin ca. 1/4 der Kosten erstattet. Das ist besser als nichts...

    @Xonesh
    Und wer hat Dir mit welcher Diagnose die Ergotherapie verordnet?

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