Eigene Bedürfnisse und Grenzen (er)kennen und akzeptieren

  • @tr909
    Das meinte ich mit "teilweise", nicht jede Eigenart kann ich zu jeder Zeit kommunizieren und sofort von jedem Verständnis dafür verlangen.
    Dinge welche mir große Probleme mit weiteren Folgen oder gar Schmerzen bereiten muss ich aber jederzeit klarstellen dürfen. Ich nehme mir das inzwischen als ein Menschenrecht heraus.
    Hat mein Gegenüber allerdings kein Verständnis dafür, muss nicht ich an seinem verkorksten Ego leiden. Dann ist das eben so und vielleicht gibt es ja so etwas wie Karma...

    Ist Händeschütteln für dich eine Sache welche dich sehr stark und mit Folgen belastet, oder ist sie "nur" unangenehm aber schnell wieder vorbei? Ich versuche hier abzuwägen was mir wichtiger ist.
    Dass ich niemals normal oder vollkommen ich sein darf wenn ich nicht andauernd Anecken will ist mir bewusst. Ich möchte dir hiermit aber nicht zu nahe treten, denn in einer fiktiven Welt in der "an den Schritt fassen" ein gängiges Begrüßungsritual ist macht es dies nicht angenehmer, nur weil es Norm ist.

    Andere für mich weniger belastende Sachen wie Blickkontakt und dessen Minimierung liegt in beiderseitigem Interesse, da ich mich so besser auf das Gespräch konzentrieren kann. Spätestens wenn ich mehrmals oder intensiver mit einer Person zusammenarbeiten muss, ist es Zeit zu Klären, dass und warum ich darauf lieber verzichte. So kommen weniger Missverständnisse auf.
    In Situationen in denen es auf den reinen Informationsaustausch ankommt kümmere ich mich von vorne herein immer weniger darum.

    Ich sehe das Leben als einen großen Lernprozess.
    Lernen bedeutet bei mir try and error, ich muss noch viele Fehler machen um nach und nach immer mehr der gemeinen "Fallen" kennenzulernen und Wege zu finden wie ich sie umgehe. Oftmals tut es richtig weh...

  • @Surprised Meine Idee dazu wäre, offen damit umzugehen und die neue Person direkt auf die Gerüchte anzusprechen und ihr deine Sichtweise dazu zu vermitteln. Vielleicht kannst du etwas tun, um den Gerüchten proaktiv entgegenzuwirken? Wenn du also z.B. weißt, dass über dich erzählt wird, du würdest dich zu wenig im Haushalt einbringen, könntest du eine größere Putzaktion planen und durchführen.

    Ich war schon in einer ähnlichen Situation und habe die Erfahrung gemacht, dass ein deutliches Versöhnungsangebot Früchte tragen (RW) kann, auch und gerade wenn es in der Situation schwer fällt. Dann wird der neuen Person klar, dass nicht du es bist, die die Lage eskalieren will.

  • Meine Idee dazu wäre, offen damit umzugehen und die neue Person direkt auf die Gerüchte anzusprechen und ihr deine Sichtweise dazu zu vermitteln. Vielleicht kannst du etwas tun, um den Gerüchten proaktiv entgegenzuwirken? Wenn du also z.B. weißt, dass über dich erzählt wird, du würdest dich zu wenig im Haushalt einbringen, könntest du eine größere Putzaktion planen und durchführen.

    Ich war schon in einer ähnlichen Situation und habe die Erfahrung gemacht, dass ein deutliches Versöhnungsangebot Früchte tragen (RW) kann, auch und gerade wenn es in der Situation schwer fällt. Dann wird der neuen Person klar, dass nicht du es bist, die die Lage eskalieren will.

    Danke! Ich habe schonmal mit der Person gesprochen, aber sie hat dann nicht gesagt, ob sie mir glaubt. Ich habe ihr auch gesagt, dass ich überlege aus der "WG" auszuziehen und sie meinte das hielte sie für keine schlechte Idee. Das war nicht gerade das, was ich hören wollte.
    Es wäre auch schon eine neue "WG" in Sicht, aber vor der habe ich echt Angst. Die alte "WG" war quasi eine "Hippie-WG", die neue wäre eine "Lacoste-WG", ich habe das Gefühl da passe ich nicht rein.
    Sowas ähnliches wie die Putzaktion habe ich auch geplant, nur dass es quasi inzwischen eine Putzfrau gibt und wenn ich nicht will, dass die gekränkt ist, kann ich da nicht so richtig viel machen.

    Surprised by the joy of life.

  • Kennt ihr eure eigene Bedürfnisse? Wie/woran erkennt ihr die?

    Ich bin ja nicht mehr ganz jung :d und habe da so meine Erfahrungswerte. Ich habe aber auch über die Jahre erst vieles lernen müssen. So, wie es die anderen auch z.T. beschreiben: Learning by doing.

    Könnt ihr im Voraus Situationen einschätzen? Wenn ja, musstet ihr das erst "lernen" oder könnt ihr das "intuitiv"?

    Im Voraus einschätzen ist mit der Zeit besser geworden, aber ich musste es auch mühsam lernen und kann es immer noch nicht perfekt. Das liegt aber auch daran, dass ich nicht immer gleich auf Situationen oder Ereignisse reagiere. Bei mir ist das sehr stark von der Tagesverfassung abhängig und von vielen weiteren Faktoren (z.B. Menge an Schlaf) und davon, wie viele potentiell anstrengende Ereignisse dicht hintereinander folgen. Es kann passieren, dass ich nach einem ruhigen 1,5 Stunden dauernden Kaffee trinken mit 6 Personen komplett im Overload bin und es mir mega schlecht geht. Dann wiederum schaffe ich einen dreistündigen Tanz Workshop mit 16 Personen und bin danach nur sehr müde.
    Mal war ich nach einem Forumstreffen mit vielen Personen nur sehr müde, ein anderes Mal trotz weniger Personen in sehr ruhiger Atmosphäre hat es im Overload geendet. Davor waren einfach schon zu viele andere "soziale" Ereignisse.

    Kennt ihr diese "irrationalen" Wünsche? Gebt ihr dem nach? (Beispiel Weihnachtsmarkt)

    Ja, wenn ich etwas wirklich gerne will. Manchmal habe ich den Wunsch mich nicht zu fühlen, als wenn ich schon gestorben wäre :nerved: und tatsächlich etwas am gesellschaftlichen Leben teilnehmen.

    Kennt ihr es, dass es euch schwer fällt, eigene Grenzen zu akzeptieren? Wie geht ihr damit um (Rücksicht nehmen / trotzdem machen)? (Beispiel Theaterbesuch)

    Siehe oben. Ich möchte zum Beispiel gerne an einem Tanz Workshop teilnehmen. Dann nehme ich in Kauf, dass es mir eventuell hinterher schlecht geht.

    Wie geht es euch damit, über eigene Grenzen hinaus zu gehen und dabei über sich selbst hinaus zu wachsen? Wie wägt ihr "Kosten" und "Nutzen" ab? (Beispiel Theateraufführung)

    Ich wachse dabei nicht so wirklich über mich hinaus, da meine Belastbarkeit sich dadurch nicht steigert. Ich weiß, dass es mir beim nächsten Mal wieder schwer fallen wird, und mit zunehmendem Alter fällte es mir dazu noch schwerer. Aber es kommt bei mir auf die Motivation an.
    Ich bin zum Beispiel extrem motiviert, es bis zur Verrentung zu schaffen weiter arbeiten zu gehen, obwohl ich dabei jeden Tag weit über meine Grenzen gehe. Aber das nehme ich bewusst in Kauf, weil mir das wichtig ist, meine Rente nicht so kurz vor dem Ziel auf´s Spiel (RW) zu setzen.

    Immer wenn mir jemand sagt ich wäre nicht gesellschaftsfähig, werfe ich einen Blick auf die Gesellschaft und bin sehr erleichtert...... :d

  • Meine Idee dazu wäre, offen damit umzugehen und die neue Person direkt auf die Gerüchte anzusprechen und ihr deine Sichtweise dazu zu vermitteln.

    Ich habe nochmal mit ihr gesprochen und es war viel besser und sie ist viel offener mir gegenüber gewesen. Deshalb bleibe ich nun doch in dieser "WG". Allerdings habe ich erfahren, dass eine andere "Mitbewohnerin", die immer noch da ist, viel Mist über mich erzählt hat. Seit die neue "Mitbewohnerin" da ist, benimmt sich auch die andere mir gegenüber okay, aber ich merke, dass ich echt keinen Bock mehr habe auf diese falsche Schlange (RW). - Was nun? Würde mich freuen, wenn jemandem was dazu einfällt.

    Surprised by the joy of life.

  • Habe nach einem Thread gesucht, der zu meinem aktuellen Problem passt und bin bei dem hier gelandet.
    ( Es geht jetzt also nicht mehr um mein WG Problem von 2020.)

    Ich habe aktuell ein anderes Problem. Und zwar bin ich gerade bei einem kirchlichen Großereignis, an dem insgesamt circa 100.000 Leute teilnehmen. Es werden zahlreiche Podien, Workshops, Konzerte usw angeboten. Letztes Jahr gab es ein vergleichbares kirchliches Großereignis, aber da waren nur circa 23.000 Leute. Das war total schön, ich konnte jede Veranstaltung besuchen, die ich besuchen wollte. So dachte ich wird es dieses Jahr wieder.

    Aber es ist nicht so. Es sind viel zu viele Menschen und ich bin eh schon fertig von anstrengenden Wochen in der Arbeit. Also so ziemlich alles ist überfüllt, die Leute halten keinen Abstand, ständig gerate ich in Panik und reagiere unangemessen gereizt.

    Nun ist es für einige hier im Forum Alltag, dass sie nicht alles tun können, was sie gerne wollen. Ich bin das nicht gewohnt und leide. Ich liebe Kirchen-Kabarett und das gibt es quasi nur bei solchen Veranstaltungen. Gestern war eine Aufführung auf dem Messegelände, aber da war es mir zu voll. Also allein schon auf dem Messegelände. Ich bin dann zu einem anderen Veranstaltungsort gefahren und dort kam ich in mehrere Kabarett nicht rein, unter anderem weil ich es wegen meiner Behinderung es nicht ertragen habe, zwischen Menschen eingequetscht in der Warteschlange zu warten und wenn die Menschentraube weg war war die Veranstaltung voll. Ich bin total traurig darüber. Und ich komme damit nicht gut klar. Letztes Jahr war das einfach so anders und so schön, aber jetzt sind eben auch viermal so viele Menschen da.

    Weil ich Enge nicht aushalte kommt auch kein Workshop in Frage, der ja auch mit Wartetraube verbunden ist.

    Vielleicht finde ich es auch besonders schwer, weil dieses kirchliche Großereignis damit wirbt, besonders inklusiv zu sein. Und dann sieht Inklusion so aus, dass z.B. die einzige für mich erträgliche Bibelarbeit am Vormittag die inklusive ist, wo auf dem Podium eine Moderation mit einer Frau mit Intelligenzminderung darüber spricht, ob sie auch schon mal so ein schönes Fest erlebt hat, wie Jesus es feiert bei der Hochzeit von Kanaa. Und sich alle melden dürfen, die auch schon mal ein tolles Fest gefeiert haben. Also inhaltlich Kinderkirchenniveau. Und da sitzen dann auch gehörgeschädigte Menschen im Publikum, deren durchschnittliches intellektuelles Niveau auch anders sein dürfte, weil es aber die inklusive Veranstaltung ist gibt es hier Gebärdendolmetscher und Untertitel, was sonst nicht Standard ist.
    Dass es das überhaupt gibt und auch Ruheräume und so ist im Prinzip toll. Nur finde ich es schlimm, wenn mit inklusiv geworben wird und der Ausschluss dann dadurch erfolgt, dass nicht nur ich, sondern auch gehbehinderte Menschen einfach nicht Ewigkeiten zusammengedrängt in einer Menschentraube auf Einlass zu irgendwas warten kann. Und tut man das nicht kommt man eben nicht mehr rein, da überfüllt.

    Übrigens zu der oben beschriebenen Bibelarbeit: Es war zwar irgendwie Kindergartenniveau, dennoch frage ich mich, ob benannte Punkte, z.B. das Jesus einfach schaute was zu tun ist und dann handelte, nicht schlussendlich viel tiefere und ehrliche Aussagen darstellen, als was dabei rauskommt, wenn ein hochrangiger Politiker so einer Bibelarbeit vorsteht, wie das bei den nicht inklusiven Bibelarbeiten der Fall ist.

    Surprised by the joy of life.

  • Nun ist es für einige hier im Forum Alltag, dass sie nicht alles tun können, was sie gerne wollen.

    Das hilft dir jetzt nicht weiter, aber ich kann mir auch gar nicht vorstellen, dass man als Autist alles machen kann, was man möchte. (Da frage ich mich dann ja immer, wo bitteschön die Behinderung sein soll und wie gerechtfertigt ein GdB ist). Deshalb finde ich es auch schwer, etwas Tröstliches dazu zu sagen.
    Wenn bei mir die Wochen anstrengend waren, halte ich mich möglichst viel in der Wohnung auf, weil es hier einfach wenig Reize gibt.

    Ich denke jedoch, ich kann Menschen, auch wenn es mich total nervt, für eine Weile übersehen, wenn mir etwas wirklich wichtig ist. Aber das geht nur dosiert.
    Zum Beispiel als ich letztens alleine im Senkenbergmuseum in der Tiefseeausstellung war. Das Thema finde ich so spannend, deshalb ging ich trotz der kreischenden Kleinkinder an einem Samstag rein.

    Ich habe aktuell ein anderes Problem. Und zwar bin ich gerade bei einem kirchlichen Großereignis, an dem insgesamt circa 100.000 Leute teilnehmen. Es werden zahlreiche Podien, Workshops, Konzerte usw angeboten. Letztes Jahr gab es ein vergleichbares kirchliches Großereignis, aber da waren nur circa 23.000 Leute. Das war total schön, ich konnte jede Veranstaltung besuchen, die ich besuchen wollte. So dachte ich wird es dieses Jahr wieder.

    Das dürfte an Covid liegen bzw. gelegen haben. Jetzt ist es quasi vorbei und alle strömen zu Ereignissen, weil sie alleine mit sich selbst nichts anfangen können.

    Vielleicht hat ja eine andere Person einen Ratschlag, der dir weiterhilft...

    Mir ist aber doch noch etwas eingefallen, wobei ich nicht weiß, ob es dir weiterhilft: Ear plugs (manche tragen auch Kopfhörer). Damit verschwinden zwar die Menschen nicht, aber man ist gefühlt stärker abgekapselt.
    Ich bin jedenfalls begeistert davon, sie mal zu Weihnachten bekommen zu haben - nicht nur wegen des Musikhörens.

    Einmal editiert, zuletzt von Fidoline (9. Juni 2023 um 08:28)

  • Danke, @Fidoline. Kopfhörer oder so würden hier nicht mehr helfen. Also in den Menschentrauben. Also das ist dann so eng, dass man die nicht nur hört, sondern auch spürt durch das Gedränge, riecht und manchmal sogar den Atem spürt oder riecht.

    Ich wollte noch ergänzen, dass ich festgestellt habe, dass es mehrere Parallelveranstaltungen mit Gebärdendolmetscher zu geben scheint. Also gestern musste nicht jeder gehörlose Person zu dem Ding in Leichter Sprache.

    Surprised by the joy of life.

  • Meine Strategie bei so was ist mir genau eine Veranstaltung am Tag heraus zu suchen, die mir am wichtigsten ist. Dann vorher nicht viel machen, sondern direkt von der Unterkunft gezielt dahin gehen und so früh wie möglich da sein, um ganz vorne zu sein. Und dann durchaus abschirmen, mit Ohropax, Sonnebrille, Hut etc.
    Alternativ: gibt es die Möglichkeit sich direkt an den Veranstalter zu wenden? Mutmaßlich bringt es bei 100000 Besuchern wenig, aber um es zumindest probiert zu haben?

  • Danke für das Ausgraben dieses Threats.
    Eigene Grenzen nicht spüren können, eigene Bedürfnisse meist nur schlecht, wenn überhaupt und das Ganze dann auch noch in das aktuelle Geschehen übersetzen können.
    Ich bin momentan, 3 Monate nach Diagnose, gerade richtiggehend platt.... es fallen mir Schuppen von den Augen (RW)

    Auch weiss ich seit Dienstag, dass mir mein Arbeitgeber kündigen wird..
    Als was und wie ich meine Brötchen verdienen werde, steht momentan völlig in den Sternen, ist irgendwo hoffentlich am Firmament hinterlegt für mich ;) .
    Als Ergotherapeutin sehe ich mich nimmer mehr, so aus meinem momentanen Zustand berichtet..
    Entschuldigung, wenn ich nicht auf die obigen User eingehen kann, momentan...

  • Danke, @Marnie für deinen Beitrag. Das was du im ersten Absatz schreibst war in Vorjahren und vorgestern und gestern meine Strategie. Die diesmal nicht aufgeht. Vorgestern ging es um den Eröffnungsgottesdienst, da stand sogar, dass die, die Platzkarten für den Behindertenbereich haben, bis spätestens eine dreiviertel Stunde vor Beginn da sein sollen. Als ich 1,5h früher da war durfte ich noch nicht rein, die öffneten erst 45min vor Gottesdienstbeginn (also dann als man theoretisch schon längstens hätte drin sein sollen) und dann war das ein krasses Gequetsche. Und vorne sein ist für mich Horror pur weil dann die Menschenmasse von hinten drückt und man keine Chance hat bei Panik rauszukommen.
    Letztes Jahr (als die Katholiken das organisierten, jetzt sind es die Evangelischen) konnte man rein sobald man da war, das war viel besser für mich.

    Und eine Veranstaltung raussuchen: Das wäre dann das Kabarett gewesen. Wo ich nicht reinkam trotz 1h früher da.

    Mein Plan ist, jetzt eher zu Sachen zu gehen, die potentiell nicht so viele Leute anziehen. Das waren z.B. gestern Sachen zu Behinderung oder der Auftritt von so einem kleinen Dorfchor. Was übrigens recht schön war. Nur ging ich dann früher, um irgendwo ins Kabarett zu kommen. Rest siehe oben.

    Mit Veranstalter reden... also hier vor Ort sind die so an der Basis, dass die nichts tun können. Und ja, ich plane dem Veranstalter nach der Veranstaltung zu schreiben. Jetzt würde es vermutlich eh nichts bringen und ich täte mir auch schwer die richtigen Worte zu finden. Doch ich vermute es wird so sein wie oft in der Kirche: Die oben interessiert null wie es dir geht. Hauptsache sie stehen in der Öffentlichkeit gut dar. Aber vielleicht rekurriere ich hier auch zu sehr auf meine Erfahrungen mit der katholischen Kirche in München während der Corona Pandemie.

    Surprised by the joy of life.

    Einmal editiert, zuletzt von Surprised (9. Juni 2023 um 10:53)

  • Zum Thema "Veranstaltung zu Behinderung" hier. Gestern gab es eine Veranstaltung zu "Da ist dein Platz. Menschenbilder in unserer Gesellschaft - Ideale und Mythen". Mitwirkende waren unter anderem zwei Autisten und ich fand es super, dass endlich mal auch die Situation hochfunktioneller Autisten thematisiert wurde.

    Jedenfalls fragte während der Diskussion ein Typ aus dem Publikum, wer es denn verdient wegen Behinderung eine Sonderbehandlung zu erhalten. Er hätte auch so manche Probleme aber eben kein "Zertifikat", das eine Sonderbehandlung ermöglicht. Ich finde diese Frage total berechtigt. Denn ich wüsste auch nicht unbedingt wie man z.B. den Zugang zu Veranstaltungen fair regeln könnte. Auch Menschen ohne offizielle Behinderung dürften gute Gründe haben warum ausgerechnet sie z.B. ohne Anstellen ins Kabarett gehen können sollten.

    Jedoch erkenne ich hier zum ziemlich ersten Mal die Fairness der Preisermaessigung wegen Behinderung. Denn ich habe den Eindruck es sind vielleicht ein Fünftel aller Veranstaltungen, die ich realistischerweise besuchen könnte ohne Overload.

    Surprised by the joy of life.

  • Hallo @Maroni. Das dir gekündigt wird tut mir leid. Ist es in der Schweiz schwer einen Job als Ergotherapeutin zu finden? Hier in Deutschland sind Ergotherapeuten eher gefragt.
    Oder kannst du dir nicht vorstellen weiter als Ergotherapeutin zu arbeiten? Auch nicht nach einer Phase der Erholung und vielleicht wie früher in einer kleinen Praxis?

    Surprised by the joy of life.

  • Hallo @Surprised

    Danke für deine Antwort und Frage.

    Bei uns ist es wie bei euch, ET's sind sehr gefragt.

    Deine Überlegung trifft schon ins Schwarze. Zuerst müsste ich mich erholen, dann eröffnen sich erst Wege.

    Ich habe Bedenken, ganz unabhängig davon, dass die Ansprüche punkto Akademisierung, Aufgaben-Bereiche, immer mehr Arbeitsvolumen allgemein, im ganzen Gesundheitssektor zunehmen werden.

    Dies hat mir das HR in meinem Betrieb vor der vollständigen Krankschreibung auch kundgetan, als ich ihnen meine Ideen unterbreitete, was mir helfen würde: "Frau Maroni, es wird in Zukunft noch anspruchsvoller, noch mehr fordernder bei uns. Melden Sie Sich bitte bei der IV an, vielleicht könnten Sie auf 40% reduzieren, wir müssten dann schauen, ob es für Sie bei uns eine passende Stelle finden lässt.
    Notabene bin ich vor 3 Jahren dort eingestiegen, als bereits schon eine grosse Kürzung der Stellenprozente für Ergotherapie stattgefunden hatte mit gleichbleibendem Patienten-Volumen. Bevor ich einstieg waren es 7 Ergos, wenn ich mich recht erinnere. Bei meinem Eintritt waren wir (mit mir) 5 Ergos auf diesen geriatrischen Akutstationen. Dies hat sich innert den drei Jahren mehrmals gewandelt, wir waren zeitweise nur noch zu zweit, haben den Laden geschmissen, nun waren wir zu dritt, bis ich jetzt halt auch draussen bin.
    Mir tun meine beiden Kolleginnen leid, die melden sich auch ganz liebevoll zurück, der Stress, dem sie nun ausgesetzt sind, tut auch NT's nicht gut. Natürlich ist diese Stelle nun ausgeschrieben
    (Ich versteh's nicht, sie haben Mühe Leute zu finden und gehen dennoch so mit ihnen um.)

    Mir tun auch die Patienten leid, die kriegen oft nicht die Therapie, auf die sie Anspruch hätten durch die Ausfälle.

    Kurzes Intermezzo genehm? :)

    Bevor ich krankgeschrieben wurde, kam es auch zu einem für mich aufwühlenden Erlebnis.

    Ich war nach einem wöchentlichen interdisziplinärem Rapport schockiert, wie von Seiten der Chefärztin, einzelnen Pflegenden mit einem Patienten, der sich selber freiwillig wegen Suizidabsichten gemeldet hatte, lange bei uns war (3 Monate), umgegangen wurde. Ich gehe nicht ins Detail, nur soweit, er hat sich das, Leben genommen, und ich bin sicher, der Aufenthalt bei uns hat dazu beigetragen.
    Da ich ja selber vor 36 Jahren wegen (autismus bedingter, wie ich nun weiss) anorexia nervosa für ein halbes Jahr in just dieser Klinik mit 16 Jahren in der Erwachsenenpsychiatrie behandelt wurde, weiss ich, wie wichtig für mich damals v. a. das vorbehaltlose Angenommensein, das mir von einigen Angestellten entgegengebracht wurde, essentiell wichtig war, in meinem Fall sogar das einzig Positive während dieser Zeit. Ich wurfe leider, vollkommen falsch induziert, mit zu Beginn Höchstdosen Larcactil behandelt. Meine Nachfolgerin ist ab dieser Behandlung gestorben, ohne jetzt dramatisieren zu wollen. Dies hat mir, nach vielen Jahren der damalige Assistenzpsychiater, der für mich zuständig war und den ich, zwecks Aufarbeitung während meiner Ergotherapie-Ausbildung, aufgesucht hatte, erzählt.)

    Intermezzo beendet. :)


    In einer kleinen Praxis wäre ich sicherlich besser aufgehoben, das siehst du richtig. Die 13 vorherigen Jahre in der kleinen Handtherapiepraxis waren recht anstrengend (auf Stundenlohnbasis, was mir eigentlich nicht viel ausmachte, habe ich ca. 90% gearbeitet auf 4 Tage verteilt). Ich hatte da sicher noch mehr Energie als jetzt mit 52. Meine Hände schmerzten immer mehr, gleichzeitig hatte ich inhaltlich genug von Handtherapie. Der Wechsel zur Psychiatrie schien mir eine Lösung zu sein, um evt auch bis über's Rentenalter arbeiten zu können (habe ja grössere Lücken in der Alters-Vorsorge wegen meiner Biografie).

    Seit heute Morgen habe ich übrigens meinen ersten Ritalin-Versuch am Laufen. Eine weitere kleine "Schuppen von den Augen-Situation". Es scheint, die Vermutung meines Psychologen, das mich auch ein ADHS begleitet, könnte wahr sein, ich fühle mich gerade doch einiges konzentrierter, ruhiger...

  • @Surprised Gibt es eine Möglichkeit, dass du dich vorab an bestimmte Organisatoren einzelner Veranstaltungen wendest, den Schwerbehindertenausweis zückst und das Problem mit dem Anstehen in den Menschentrauben und dem Gedränge erklärst? Vielleicht gibt es da Plätze und Möglichkeiten, die für dich dann funktionieren. Ich denke, dass ist etwas so Spezielles, dass keiner dran gedacht hat.

    Gibt es Ansprechpartner in Sachen Inklusion vor Ort? Oder generell Helfer mit "Wegweiserfunktion"? Vielleicht können die auch Tipps gebrn zu bedtimmten Veranstaltungen, wo weniger los ist oder sich etwas arrangieren lässt.

    (Und der Ausweis ist ja für die Nutzung da! Nicht nur wegen Preisminderung, sondern auch um den Bedarf zu belegen. Du darfst das! ;) )

    Moderatorenbeiträge sind an der grünen und fetten Schrift erkennbar! Alles andere stellt meine persönliche Meinung als Forennutzerin dar.

  • Jedenfalls fragte während der Diskussion ein Typ aus dem Publikum, wer es denn verdient wegen Behinderung eine Sonderbehandlung zu erhalten. Er hätte auch so manche Probleme aber eben kein "Zertifikat", das eine Sonderbehandlung ermöglicht. Ich finde diese Frage total berechtigt. Denn ich wüsste auch nicht unbedingt wie man z.B. den Zugang zu Veranstaltungen fair regeln könnte. Auch Menschen ohne offizielle Behinderung dürften gute Gründe haben warum ausgerechnet sie z.B. ohne Anstellen ins Kabarett gehen können sollten.

    Teilhabe und Nachteilsausgleich ist nunmal kein Bonus, sondern erstmal der Ausgleich eines Malus. Rechte sind kein Nullsummenspiel, ihm nimmt da keiner etwas weg. Wenn dann wird eben jenem die Teilhabe an einer Veranstaltung ermöglicht, der das sonst nicht kann.

    Zum Thema direkt: Offener damit umgehen? Als Beispiel: Madame und ich waren letztes Jahr zu Weihnachten bei einer für uns etwas zu groß geratenen Sing- und Menschenveranstaltung. Da haben wir im Vorhinein per E-Mail angefragt, kurz die Problematik geschildert, nach den genaueren Örtlichkeiten gefragt, wo wir uns ruhiger aufhalten können und wie wir im Fall der Fälle schnell wieder wegkommen.
    Man muss nur fragen. :)

    Und bei aller Liebe, ja, auch solche Leute gibt es bestimmt auch, die eben nur an der Schlange vorbei wollen, aber deswegen Behinderten nicht wenn möglich das Leben erleichtern? GdB? Diagnose? Es gibt da schon Möglichkeiten zu sortieren. Aber trotz SelfDX und Co, da müsste ich erstmal ein Problem entdecken: Wer möchte denn zum Beispiel so wie wir zwar auf eine Veranstaltung, aber eben nicht im Getümmel stehen, sondern außen vor? Zudem es dort doch eh schon kontrolliert wird, ob man den Grund für den geminderten Eintrittspreis erfüllt.

    Ich lese da oben nur raus: Aber dann bekommen andere, was, was ich nicht bekommen und ich mag auch nicht in der Schlange stehen!11!

    Leben und Leben lassen! Nimmt es denn wirklich überhand, dass sich vermeintliche Behinderte an Warteschlangen vorbeischleichen? Das ist doch zudem mit einem Offenbaren der Behinderung verbunden. Ich halte das Problem so für nicht real und nur für eine egoistische Ausrede um gegen Inklusion zu sein.

  • Jedenfalls fragte während der Diskussion ein Typ aus dem Publikum, wer es denn verdient wegen Behinderung eine Sonderbehandlung zu erhalten. Er hätte auch so manche Probleme aber eben kein "Zertifikat", das eine Sonderbehandlung ermöglicht.

    Konter: "Kein Grund neidisch zu werden und gegenfragen, was er den für Probleme hat."

  • @Schwarze Katze: Danke für deinen Beitrag! Dadurch ermutigt bin ich zu den Inklusionsansprechpartnern und habe denen mein Menschentrauben-Problem vorgetragen. Die Dame war ganz nett, notierte sich das als Thema für zukünftige Veranstaltungen und fragte mich wie ich mir eine Lösung vorstellen würde. Dass sie jetzt nichts machen kann war aber auch klar.

    Und heute Abend bin ich zu einer dieser Kabarett Aufführungsorte und 1h davor war da schon eine kleine Schlange. Ich schilderte dem Organisationsfritzen, dass ich Autismus habe, in Menschentrauben warten nicht aushalte etc und ich konnte woanders warten und als erste Person in den Saal, als Einlass war. Im Endeffekt hätte ich mir die Aktion sparen können, denn als es losging waren immer noch Plätze frei. Ich glaube das war das erste Mal, dass ich bei einer Kulturstätte bekannte, Autismus zu haben und irgendwie fühlt sich das nicht so toll an. Ich weiß nicht genau warum.

    Vielleicht weil ich keine bevorzugte Behandlung haben möchte. Was ich tatsächlich gebraucht habe war der gesonderte Wartebereich und auch einen Außenplatz. Doch dass ich als erstes rein durfte in den Saal empfand ich eigentlich als Übervorteilung.

    @Incommunicado und @Tux: Ich denke dem Typen, der die Frage nach einer Sonderbehandlung einwarf, geht es nicht um eine egoistische Ausrede gegen Inklusion oder um Neid. Ich fand die Frage echt berechtigt. Und mich z.B. in Bezug auf den Eintritt in den Saal als erste Person übervorteilt. Genau so geht es mir damit, wenn ich im Schwimmbad nur den ermäßigten Eintritt zahlen muss wegen meinem Schwerbehindertenausweis. Ich finde die Frage nach der Legitimität pauschaler Ausgleiche und, ja, auch nach pauschaler Bevorteilung total berechtigt. Es gibt einfach nicht nur schwarz oder weiß. Und ginge der Typ z.B. zum PBZ Iserlohn hätte er vermutlich danach auch eine Autismusdiagnose und gemäß den Versprechungen auf der Homepage des PBZ auch einen Schwerbehindertenausweis.

    Bei dem Podium gestern votierte jemand für die Abschaffung der Inklusion zugunsten einer Berücksichtigung der individuellen Bedarfe einer jeden Person. Vermutlich praktisch kaum umsetzbar. Aber als Wunsch m.E. sehr berechtigt.

    Surprised by the joy of life.

    Einmal editiert, zuletzt von Surprised (9. Juni 2023 um 22:52)

  • Bei dem Podium gestern votierte jemand für die Abschaffung der Inklusion zugunsten einer Berücksichtigung der individuellen Bedarfe einer jeden Person. Vermutlich praktisch kaum umsetzbar.

    Inklusion beinhaltet die individuellen Bedarfe, z.B. Arbeitsplatzausstattung

  • Inklusion beinhaltet die individuellen Bedarfe, z.B. Arbeitsplatzausstattung

    Nur für Leute, die die entsprechenden Hürden wie (Schwer-)Behindertenausweis genommen haben. Wer das (noch) nicht hat oder z. B. nur vorübergehend eingeschränkt ist, hat Pech gehabt. Die Idee, so wie ich es verstanden habe, ist es, zu entbürokratisieren.

    @Surprised Schön, dass es dir geholfen hat. Zur Thematik mit der bevorzugten Behandlung: Es wird einfacher für den Veranstalter sein, jemand mit Sonderbedarf zuerst reinzulassen. Dass isg dann deren Sache und nicht deine. Du hast dann zwar den Bonus vom garantierten (Sitz-)platz, andererseits musst du aber noch viel länger auf den Veranstaltungsbeginn warten und kannst möglicherweise deswegen nicht an anderen Angeboten oder spontan teilnehmen. Das gleicht sich dann wieder aus.
    Andere Idee: Du musst den Ausweis nicht immer nutzen, wenn es eine Möglichkeit gibt. Du könntest z. B. sagen: Ich nutze ihn nur für organisatorische Sachen wie Preboarding, wenn das nötig ist, aber nicht für verminderten Eintritt, wo das nicht der Fall ist.

    Moderatorenbeiträge sind an der grünen und fetten Schrift erkennbar! Alles andere stellt meine persönliche Meinung als Forennutzerin dar.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!