Lügner, die es nicht zugeben

  • Und die pflegen dann im Akkord. Sollen dann noch alles machen und Kacke wegputzen und mit renitenten Demenzkranken umgehen können, wo sie nur 3 Minuten zum Einkleiden haben und der Bewohner will und will nicht. Absoluter Horror für alle. Da ist keiner Mensch oder so was. alle sind total am Ende.

    Genau das ist der Grund, warum ich es in der Heimpflege nicht mehr ausgehalten habe. Weil da die Menschen unwürdig behandelt werden... müssen. In der Hauspflege sieht es dagegen etwas besser aus - das wäre auch meine Option für mich.

    ~ Es ist kein Zeichen von Gesundheit, an eine von Grund auf kranke Gesellschaft gut angepasst zu sein. ~

  • @Necroghoul7
    @Nowhere Mat
    @Leseratte

    Da ich bereits mindestens 17 Jahre in der ambulanten Pflege gearbeitet habe, kenne ich die teilweise gravierenden Unterschiede der verschiedenen Pflegedienste. Daher kann ich eure Einstellung absolut nachvollziehen und teile sie. So lange ich bei Bewusstsein bin, kann ich mich immer äußern und würde eine Heimunterbringung oder Vollversorgung bei Bettlägerigkeit strikt ablehnen/verweigern. Für den Fall, dass ich mich mal nicht mehr äußern kann, habe ich bereits seit vielen Jahren eine Patientenverfügung, in der ich jegliche lebensverlängernden Maßnahmen kategorisch ablehne.
    Ich habe trotz meiner eingeschränkten Wahrnehmung in zu viele tiefe Abgründe geblickt. Daher war immer mein Motto: Ich pflege die mir anvertrauten Menschen so, wie ich selbst gepflegt werden wollte.
    Ich kann nicht behaupten, dass mir mein Beruf jemals Spaß gemacht hätte oder ich mit Lust und Freude zur Arbeit gegangen wäre.
    Aber die mir übertragenen Aufgaben habe ich stets mit vollem/r Einsatz/Hingabe erledigt.
    Ich war immer bemüht, die Wünsche der Patienten zu erfragen und berücksichtigen. Da mir das intuitive Gespür für die Bedürfnisse meines Gegenübers schon immer fehlte, habe ich die Patienten mit Fragen schier durchlöchert (RW) und sie immer gebeten, mir sofort ehrlich zu sagen, wenn etwas nicht passte und versucht, Abhilfe zu schaffen.
    Bis auf sehr wenige Ausnahmen, war ich mit dieser Vorgehensweise bei all meinen Patienten stets die beliebteste Pflegerin. In all den Jahren gab es vielleicht eine Handvoll Menschen, die sich nicht von mir versorgen lassen wollten. Die meisten waren traurig, wenn sie nicht mehr von mir versorgt wurden (Urlaub, Änderung der Touren/Personaleinteilung...).
    Einzig im Heim (weil da zu viele Bewohner gleichzeitig zu betreuen sind und damit zu viele Reize gleichzeitig auf mich einströmen) und mit dementen Menschen (weil die ihre Wünsche oft in einer für mich nur schwer oder nicht verständlichen Form ausdrücken) komme ich extrem schlecht klar.

    Nun gibt es für die "Geheimhaltung meines Familienstandes" zwei besondere Gründe:

    1. Für die Generation 70+ ist es meistens moralisch undenkbar, dass eine Lebensgemeinschaft eine andere Konstellation als Mann plus Frau hat. Die sind so erzogen worden, die können gar nicht anders reagieren, die kommen mit modernen Vorstellungen nicht klar (sogar meine Oma, die mich über alles geliebt hat, hatte große Schwierigkeiten damit, meine Beziehung zu meiner Frau zu akzeptieren).

    2. Einige meiner Patientinnen stammen noch aus der (Nach)Kriegszeit, in der sie als junge Frauen sexuellen Übergriffen ausgesetzt waren. Oder sie wurden zu sehr strengen Schamgefühlen erzogen. Sie durften sich nur ihrem eigenen Ehemann nach der Hochzeit überhaupt nackt zeigen. Ich betreue viele Patientinnen, die Grundpflege niemals von einem Pfleger durchführen lassen würden. Einigen ist es schon (extrem) unangenehm, sich von einer Pflegerin so intim berühren zu lassen.

    Unsere aufgeklärte und moderne Generation kann sich die Reaktion solcher Patientinnen kaum vorstellen und verstehen, wenn sie plötzlich erfahren, dass sie von einer Pflegerin betreut (und intim berührt!) werden, die mit einer Frau zusammen lebt und liebt. Es ist für viele ältere Menschen schon schwierig, dass es das Bild der Krankenschwester in ihrer "adretten und züchtigen Schwesterntracht mit Häubchen" ;) nicht mehr gibt. Statt dessen stehen Menschen in z.T. "offenherzigen" (engen/knappen, weit ausgeschnittenen) Oberteilen mit Piercings und Tattoos vor ihnen. Ohne jetzt Vorurteile zu haben, diese Looks sind auch nicht so wirklich meins. Ich kann sie aber, entgegen vieler älterer Menschen, akzeptieren, tolerieren und respektieren.
    Meine Einstellung ist dementsprechend, dass ich niemanden verschrecken muss, indem ich meinen Familienstand preis gebe.
    Es ist wie mit der Spinne, die in einer Raumecke sitzt. Solange sie dort unbemerkt bleibt ist alles gut. Aber (auch wenn sie niemandem etwas tut!) sobald sie entdeckt wird, ist das Geschrei groß. Sie wird mindestens kritisch beäugt und meistens sogar ihre Entfernung gefordert. Darauf habe ich keine Lust. Mein Job ist auch so schon schwer genug.

  • Daher war immer mein Motto: Ich pflege die mir anvertrauten Menschen so, wie ich selbst gepflegt werden wollte.

    Dann müßte ich meine Mutter und Schwiegermutter ja umbringen, da ich selbst mit ihren jetzigen Zustand absolut nicht weiterleben wollte! 8o Ich behandele sie lieber so, wie sie es sich wünschen, wobei ich immer wieder darauf achten muß, mich abzugrenzen. In dem Zusammenhang muß ich natürlich auch oft lügen, gerade bei meiner dementen Schwiegermutter, anders ginge es aufgrund ihrer kompletten Krankheitsverleugnung gar nicht.

    Meine Einstellung ist dementsprechend, dass ich niemanden verschrecken muss, indem ich meinen Familienstand preis gebe.

    Ja stimmt, das ist ein anderer Aspekt, also das Motiv des Verschweigens aus Rücksichtnahme auf das Gemüt der alten Leutchen unabhängig vom Selbstschutz. Deswegen sehe ich Verschweigen auch oft nicht als Lügen an, denn Ehrlichkeit/Wahrheit braucht auch immer ein Gegenüber, das angemessen damit umgehen kann, also die Wahrheit "verdient" (nicht im Sinne von Verdienst, sondern im Sinne von, daß die Wahrheit keiner Seite Schaden zufügt). Oftmals ist das "Lügen" durch Verschweigen oder Anders-darstellen also nicht nur (Selbst-)schutz, sondern umsichtiges Mitdenken für das Gegenüber, also daß der Preis für die Ehrlichkeit einfach höher ist als für das "Anlügen".

    Es gibt kaum jemanden, der von sich sagt, daß er gern belogen wird oder daß man ihm gegenüber nicht ganz ehrlich sein soll, aber dennoch hat so ziemlich jeder seine Punkte, an denen es für alle Beteiligten einfach besser ist, wenn eben nicht zu offen und ehrlich mit ihm umgegangen wird. Das mußte ich auch schmerzvoll lernen, weshalb ich auch nicht so ganz verstehen kann, wieso die meisten Leute Vertrauen damit verbinden, daß man ihnen stets die Wahrheit sagen soll. Wahrheit kann auch Vertrauen zerstören und/oder bitter enttäuschen, und das oft völlig unnötig (also wenn die Wahrheit in einem Punkt für eine bestimmte Beziehung gar nichts zur Sache täte), auch das ist meine Erfahrung.

  • Ich kenne das so, dass – wenn eine richtige glaubhafte Antipathie vorliegt durchaus geprüft wird, ob man da etwas tun kann

    Ja, den Fall meinte ich, die Antipathie läßt sich oft gar nicht auf bestimmte Eigenschaften bewußt zurückführen. Bei sympathischen Menschen toleriert man hingegen viel, was man abstrakt ablehnt. Meiner Schwiegermutter wurden auch Leute zugeteilt, mit dem Ergebnis, daß sie sie nicht mehr reinläßt, teilweise rauswirft, wenn sie den Nachschlüssel benutzen, den sie bekommen haben, und somit Arbeitszeit und Geld für gar nichts rausgeworfen wurde. Solche "Extremfälle" sind ein gutes Beispiel dafür, daß die "alltagstaugliche Moral", was gerade gut und richtig und angemessen wäre, da an ihre Grenzen stößt (alles erscheint falsch und man sucht das geringste Übel).

    Das alles wird sehr, sehr knapp berechnet

    Ja, ich finde es kraß, wie wenig von dem Geld, das tatsächlich von Pflegekasse und Patienten bezahlt wird, in Stundenlohn für Pfleger umgesetzt wird. Deshalb ist es auch schade, warum die viel billigere und effektivere Pflege und Betreuung durch Angehörige nicht mehr gefördert wird (z.B. daß man darüber krankenversichert ist), da sie viel billiger für die Pflegekassen ist. Das ist auch ein gutes Beispiel, wann es nicht lohnt, ehrlich zu sein, das führt nur zu Diskussionen und Gängeleien, wenn die Argumente ausgehen (in Ruhe lassen kommt komischerweise für die meisten nicht in Frage, dabei ist das immer meine erste Wahl, wenn ich mit jemandem Meinungsverschiedenheiten hatte), also schreibe ich das nur hier und sage in der realen Welt nichts. Auch eine Art von "Lügen"...ständig, unterschwellig, auch das zehrt an der geistigen Gesundheit.

  • Heute bin ich zufällig über einen mir neuen Begriff gestolpert:

    Mythomanie (auch Lügensucht, Pseudologia phantastica) ist die systematische Tendenz eines Menschen zu lügen und zu fabulieren, ohne dass es ihm tatsächlich bewusst wird. Die Mythomanie gilt als Zeichen für kognitive und psychoaffektive Unreife. Den Betroffenen fällt es mesit schwer, reale Erlebnisse von imaginären Vorstellungen zu unterscheiden. Der Begriff geht auf das Wort Mythos zurück.Bei Kindern und Jugendlichen sind solche Phasen durchaus normal und vergehen nach einiger Zeit. Bei Erwachsenen spricht die Mythomanie für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, für einen mangelndes Selbstwertgefühl oder für blühende Phantasie und Geltungsdrang. (Stangl, 2019).

    Verwendete Literatur
    Stangl, W. (2019). Stichwort: 'Mythomanie'. Online Lexikon für Psychologie und Pädagogik.
    WWW: http://lexikon.stangl.eu/940/mythomanie/ (2019-02-02)


    der genau beschreibt,
    was ich mit einer nahen Verwandten lange erleben musste.

    Bei ihr aus massivem Geltungsdrang,
    die Einzige zu sein, die alles (besser) weiss,
    die alles kennt,
    die die Beste ist in allem usw.

    Ein früherer Thera sagte auch einst einen Begriff, als ich das beschrieb,
    ...aber der war mir entfallen.
    Vielleicht es der obige, zusammen mit dem Begriff der narzisstischen Persönlichkeitsstörung.


    . Die Geschichten, die sie erzählen, sind weder komplette Wahnvorstellungen, noch sind sie komplett wahr. Sie neigen dazu, ein Körnchen Wahrheit zu besitzen.

    • Die Neigung, zu lügen, ist konstant da, denn sie ist ein Persönlichkeitsmerkmal, das nicht von äußeren Situationen oder deren sozialem Umfeld abhängt.
    • Ihre Geschichten und Lügen dienen meist dazu, den Lügner in einem positiven und vorteilhaften Licht dastehen zu lassen.
    • Der zwanghafte Lügner glaubt wirklich (meist), dass die ausgedachten Ereignisse genau so statt gefunden haben. Sie verneinen durchgehend, dass diese Ereignisse Fantasien sind, die aus ihrem Geist entsprungen sind.


    Es blendet viele Menschen, beeindruckt sie, vor allem, wenn sie sich auf den jeweiligen Erzählgebieten nicht hundert Pro auskennen.
    Wenn man mit so Jemandem nahe zusammen ist über viel Jahre,
    kommt das schon einer Gehirnwäsche gleich.
    Wie bei Jekyll-Hyde-Typen auch.

    Schwierig schon für Normalos, grenzwertig für sehr sensible oder/ und gutmütige Menschen.

    Einmal editiert, zuletzt von Linnea (2. Februar 2019 um 21:01)

  • Bei ihr aus massivem Geltungsdrang,
    die Einzige zu sein, die alles (besser) weiss,
    die alles kennt,
    die die Beste ist in allem usw.

    Genau das denken Menschen immer von mir. Dabei bin ich gar nicht so und habe erst recht nicht solche Gedanken. :(

    Schwierig schon für Normalos, grenzwertig für sehr sensible oder/ und gutmütige Menschen.

    Schwierig für Menschen im Umgang mit zwanghaft misstrauischen Menschen, da dreht sich der Spieß quasi um (RW).

    Habt ihr Tipps, wie man auf solche Vorwürfe reagieren kann? Ich habe sie immer so gut es geht ignoriert, aber das ist etwas was mich als Menschen dem Ehrlichkeit super wichtig ist wirklich trifft. Ich sehe wohl oft so aus als würde ich dann lügen, weil ich das mit dem Blickkontakt nicht hinbekomme. :nerved:

  • Bei ihr aus massivem Geltungsdrang,
    die Einzige zu sein, die alles (besser) weiss,
    die alles kennt,
    die die Beste ist in allem usw.

    Ich kenne auch solche Personen. Bei ihnen vermute ich ein geringes Selbstwertgefühl, welches sie durch solche Verhaltensweisen versuchen zu "überspielen", also eine Art Kompensationsstrategie.

  • Denke ich auch. Aber es ist sehr anstrengend und führt oft ins Ungerechte, wenn jemand anderes ja nun zu einem Theam etwas anderes weiss und auch ausspricht.
    Dann wird es richtig unangenehm mit ihr. Pfuh.

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!