Begrifflichkeiten: Overload, Meltdown, Shutdown

  • Man kann Definitionen ergoogeln, aber subjektive Erfahrungen/Beschreibungen wären schon mal interessant.
    Für mich selbst habe ich rückblickend festgestellt, dass es wohl ein "Shutdown" war, wenn ich früher, als ich in "Clubs" (Disco) gegangen bin, irgendwann immer in der Ecke hockte und nicht mehr redete. Ich hatte dann auch immer ordentlich Alkohol getrunken, die Lautstärke war immer ohrenbetäubend, aber ich versuchte trotzdem, mich mit meiner Freundin oder anderen Leuten, die mich ansprachen, zu unterhalten. Ich tanzte auch und war eigentlich "guter Dinge". Und irgendwann war plötzlich AUS.

    Meine eine Freundin sagte damals mal recht verzweifelt zu mir: ich weiß gar nicht, was ich machen soll, wenn du immer plötzlich so bist. - Ich saß wirklich irgendwo rum, hatte die Beine angezogen und die Arme darüber verschränkt und konnte nichts mehr machen. Sie sprach mich an und ich antwortete ihr einfach nicht. Obwohl ich sie ja ganz normal wahrnahm. Ich war wie gefangen in mir.

    Ja, und nun kann ich mir das im Nachhinein erklären. Es war einfach alles viel zuviel und ich hab dicht gemacht.

    Bis vor zwei Jahren kannte ich derartiges gar nicht.

    2015 hab ich einen neuen Job angetreten und bin dafür umgezogen.

    Mitte 2016 wurde dann von einem Psychiater der AS-Verdacht geäußert. 3 Monate später starb dann der letzte mir bekannte Verwandte mütterlicherseits. Er lebte hier ganz in der Nähe, aber ich hatte es in anderthalb Jahre nicht geschafft, ihn zu besuchen. Immerhin hab ich es geschafft, ihn noch auf der Intensivstation im Krankenhaus zu besuchen und ihn noch mal zu sehen. Da hatte man ihn bereits in ein künstliches Koma versetzt, ich hätte allerdings auch nicht gewusst, was ich mit ihm hätte bereden können, wenn er bei Bewusstsein gewesen wäre. Die Trauerfeier habe ich "dank" meines VAters versäumt. Das war der Punkt, bei dem mir klar wurde, dass der AS-Verdacht nicht nur mich selbst betrifft, sondern auch meinen VAter und meine Schwester. Ferner wurde mir klar, dass ich nach dem Krebstod meiner Mutter viel verdrängt hatte (auch das könnte zur Depression beigetragen haben). Ein (damaliger) Freund (der Kontakt riss leider später ab) schrieb mir damals eine wunderbare einfühlsame E-Mail, in der er seiner Hoffnung Ausdruck verlieh, unsere Familie würde sich gegenseitig trösten und niemand würde in seiner Trauer allein bleiben. Tatsächlich hörte ich einige Wochen nach ihrem Tod von meinem VAter "Brauchst mir gar nichts erzählen, ich kann dir sowieso nicht helfen." Tja, bei praktischen Problemen konnte er sehr gut helfen, emotional kam ein Drama zu anderen Problemen obendrauf.

    Im November 2016 kam es dann im Betrieb zu einer völlig unsinnigen organisatorischen Änderung, die vor allem zu meinen Lasten ging, als ich praktisch keinen Ansprechpartner mehr hatte. Aufgrund meiner Intervention beim Betriebsrat wurde dies in diesem Frühjahr wieder rückgängig gemacht.

    Meinem VAter und seiner neuen Frau hatte ich mal ein Buch von Frau Preißmann über AS mitgebracht. Gelesen haben sie es auch. Wenn man mal davon absieht, dass mein VAter kurz geäußert hat, dass er sich vorstellen könne, dass bei mir in der Tat AS vorliegt, hat es kein Gespräch gegeben.

    Und vor einem Jahr kam dann noch eine traumatische Erinnerung aus der Zeit, als ich 5 oder 6 Jahre alt war, und die von meinen Eltern verursacht wurde,wieder hoch, nachdem mein Gehirn dies jahrzehntelang gesperrt hatte.

    Seitdem kenne ich das Gefühl, dass das Gehirn "herunterfährt". :(

    Nobody expects the spanish inquisition!

  • Für mich selbst habe ich rückblickend festgestellt, dass es wohl ein "Shutdown" war, wenn ich früher, als ich in "Clubs" (Disco) gegangen bin, irgendwann immer in der Ecke hockte und nicht mehr redete. Ich hatte dann auch immer ordentlich Alkohol getrunken, die Lautstärke war immer ohrenbetäubend, aber ich versuchte trotzdem, mich mit meiner Freundin oder anderen Leuten, die mich ansprachen, zu unterhalten. Ich tanzte auch und war eigentlich "guter Dinge". Und irgendwann war plötzlich AUS.

    Wie war denn dasselbe mal ohne Alkohol?
    Ich meine, der verzerrt ja auch so einiges, vor allen Dingen in Mengen.
    Auch NTs werden dann seltsam oder manche haben sogar einen "Filmriss".

  • Wie war denn dasselbe mal ohne Alkohol?
    Ich meine, der verzerrt ja auch so einiges, vor allen Dingen in Mengen.
    Auch NTs werden dann seltsam oder manche haben sogar einen "Filmriss".

    Diese Erfahrung habe ich nicht gemacht ;) Ohne Alkohol wäre das gar nicht gegangen. "Verzerrt" war aber nichts, einen Filmriss hatte ich auch nicht oder sonstiges Seltsames. Ich hab einfach nur "zugemacht".

    Bei Müdigkeit/Erschöpfung ist es ähnlich. Dann spreche ich kaum noch, muss mich zu jeder Antwort überreden. Ist gerade im Moment so, also heute abend (mein Mann sagt immer wieder irgendwas und ich muss mich zusammen reißen, ihm etwas zu antworten, und ich meine jetzt nicht, während ich am Computer sitze, sondern vorher, beim Abendessen usw). Schreiben hingegen ist kein Problem.

    4 Mal editiert, zuletzt von Kleine (5. September 2018 um 19:37)

  • Bei Müdigkeit/Erschöpfung ist es ähnlich. Dann spreche ich kaum noch, muss mich zu jeder Antwort überreden. Ist gerade im Moment so, also heute abend (mein Mann sagt immer wieder irgendwas und ich muss mich zusammen reißen, ihm etwas zu entgegnen). Schreiben hingegen ist kein Problem.

    Hmhm, kenne ich.

  • Ich frage mich eher, woran man einen Meltdown oder Shutdown festmacht? Overload kenne ich, das endet bei mir, wenn ich ihm nicht entgehen kann, mit Tränen, eventuell mit Flucht, wenn möglich. In Extremfällen, wenn eine Person "Schuld ist", zu wüsten Beschimpfungen und Schreien. Auch unter Tränen.. kam zum Glück nicht oft vor.

    Sind Weinen/Flucht auch ein Meltdown/Shutdown, wenn es sich grauenhaft anfühlt?

    Also für mich klingt das, was du beschreibst, eher nach Meltdown. Overload ist zumindest bei mir, wenn mein ganzer Körper unter Spannung ist und meine Nerven extrem gereizt sind. Es ist alles nur noch schmerzhaft. Diesen Zustand kann ich dann beenden, indem ich mich zurückziehe. Kann ich mich nicht zurückziehen, nimmt der Druck auf Körper und Geist durch den Stressfaktor (Lärm, Licht, Berührungen etc.) zu, bis ich platze. Dann fange ich an, andere anzuschreien. Wenn die Situation dann endet, komme ich auch meistens nochmal runter. Endet sie auch dann nicht, fange ich unkontrolliert zu schreien und zu weinen an.

    Zitat von Necroghoul7

    Wie soll man sich dabei dann mit anderen vergleichen und einordnen?

    Qualität und Quantität werden ja an einem selbst gemessen. Wenn jemand schon "Au" schreit, wenn man ihn/sie über den Arm streichelt, hat die Person eben im Vergleich zu anderen eine niedrige Schmerzschwelle.

    Autisten haben meist eine niedrige Schwelle, ab der Reize unerträglich werden. Das sieht man denn eben auch daran, dass andere bei Lärm eben ein bisschen genervt sind und der Autist um sich schlägt, um es mal so zu formulieren.

    Klar kann man jetzt damit argumentieren, dass man übertreiben oder untertreiben kann. Aber dann kommen eben auch die sichtbaren Konsequenzen ins Spiel.

    Wenn ein NA Lärm als störend empfindet, wird er wohl hier und da ein bisschen Kopfweh haben und sich eher mal zurückziehen.

    Wenn ein Autist Lärm als störend empfindet, muss er dem Lärm so schnell wie möglich entgehen, oder es drohen massive Reaktionen. Ich bekomme dann z.B. Herzrasen, Schweißausbrüche, bekomme nichts anderes mehr mit. Als wäre ich starkem Schmerz ausgesetzt. Die nächsten möglichen Reaktionen wären dann Flucht oder Schreien.

    So reagieren die meisten NAs einfach nicht, was den Schluss zulässt, dass Qualität und Quantität der Störungen andere sind. Vermutlich werden für Autisten leichte Störquellen von NAs gar nicht wahrgenommen, während starke Störquellen für Autisten von NAs weit weniger stark erlebt werden.

    Das Leben ist unendlich viel seltsamer als irgendetwas, das der menschliche Geist erfinden könnte. Wir würden nicht wagen, die Dinge auszudenken, die in Wirklichkeit bloße Selbstverständlichkeiten unseres Lebens sind. - Sir Arthur Conan Doyle

  • @seinn
    Danke für die Erläuterung. Ich habe aber das Gefühl, daß zwischen "nicht mehr ertragen können" und "glauben, nicht mehr ertragen zu können" bei den meisten Leuten unterschiedlich viel Spielraum liegt. Das sieht man dann daran, daß sie etwas "plötzlich" können, wenn es ihnen extrem wichtig ist. Es ist eher die Frage, wieviel man sich antut. Den Punkt, daß es auch nicht mehr geht, selbst wenn man sich zusammenreißt und es wichtig ist, den kenne ich aber von mir ebenso. Allerdings ist der nicht an jedem Tag gleich, zumindest bei mir. Bei mir ist es so, daß ich leider manchmal sehr spontan (fast ohne Vorwarnung) übertrieben auf etwas reagiere, was logisch gesehen nicht der Rede wert wäre. Aber in einer anderen Situation oder an einem anderen Tag kann es sein, daß es mir kaum etwas ausmacht. Z.B. bei Lärm, und da gibt es auch kein festes Muster. Manchmal merke ich, wie sich etwas "aufbaut" und dann reicht eine Kleinigkeit, daß ich "ausraste", die an einem anderen Tag eben nicht so schlimm wäre. Ich glaube, das hat aber nichts mit "overload" zu tun, oder? Was mich besonders ärgert, ist, daß ich das durch Nachdenken nicht abschalten kann, im Gegenteil, und dann ärgere ich mich noch über mich selbst, daß ich mich nicht leichter abgrenzen kann. Es könnte mir rational gesehen ja egal sein. Manchmal bin ich dadurch auch blockiert, aber oft, bevor überhaupt etwas passiert ist (nur durch die Sorgen bei der Vorstellung).

  • Also für mich klingt das, was du beschreibst, eher nach Meltdown.

    Ja, es ist ein Meltdown.
    Das ist die Folge vom Overload, wenn man nicht weiss wie man sonst damit umgehen kann.

    Overload ist nur die Reizüberflutung an sich, Meltdown und Shutdown bezeichnen verschiedene Arten darauf zu reagieren.

    Ich glaube, das hat aber nichts mit "overload" zu tun, oder?

    Doch, ich denke schon. Die Schwelle an der eine Reizüberflutung eintritt ist nicht jeden Tag gleich hoch, denn wenn schon ein gereizter Grundzustand besteht, oder wenn der Mensch müde ist, wenig Kraft hat, dann kann er weniger vertragen. Das ist ganz normal finde ich.

  • Das ist ganz normal finde ich.

    Ja, finde ich auch, und deshalb weiß ich nicht, ob das, was dann in/mit mir geschieht, im Normalbereich ist, verglichen mit Nicht-Autisten. Ich bemerke keine Reizüberflutung, sondern nur, daß alles irgendwie immer anstrengender wird, bis ich am liebsten einfach abhauen würde. Und dann reicht oft eine Kleinigkeit, auf die ich dann hilflos oder unangemessen reagiere.

    Und diese "Anstrengung" wirkt irgendwie nach, d.h. wenn ich aus der Situation raus bin, dauert es, bis ich wieder "herunterfahre", selbst wenn ich emotional nicht mehr wütend oder gestreßt o.ä. bin. Selbst bei schönen Anlässen habe ich das, also daß ich sie als anstrengend empfinde, aber nicht wegen irgendwelcher Reize wie Lärm...eher, wenn ich nicht alles kontrollieren kann. Dafür reicht dann aber ein nerviger Lärm, damit ich schon innerlich koche, obwohl logisch an dem Lärm nicht ist, was mich stören sollte. Das "Angestrengtsein" hat aber trotzdem nichts mit Macht zu tun im Sinne von "über mich oder andere bestimmen". Je genauer ich meine Einschränkungen erklären will, desto mehr fällt mir auf, daß es mir viel schwerer fällt als anderen hier. Wie einen Pudding an die Wand zu nageln. :roll:

  • wenn ich nicht alles kontrollieren kann

    Ich würde darauf tippen, dass es um die fehlende Vorhersehbarkeit geht. Kontrolle über eine Situation schafft Vorhersehbarkeit, Vorhersehbarkeit schafft Struktur im Chaos und verringert Überforderung. Das Angestrengtsein würde ich insofern auch zumindest als Vorläufer vom "Overload" zählen, der ja nicht immer durch Überreizung eines bestimmten Sinnes ausgelöst werden muss.

    “The amount of energy needed to refute bullshit is an order of magnitude bigger than to produce it.”
    ― Alberto Brandolini

    Einmal editiert, zuletzt von Turtle (6. September 2018 um 21:05)

  • @seinn
    Danke für die Erläuterung. Ich habe aber das Gefühl, daß zwischen "nicht mehr ertragen können" und "glauben, nicht mehr ertragen zu können" bei den meisten Leuten unterschiedlich viel Spielraum liegt. Das sieht man dann daran, daß sie etwas "plötzlich" können, wenn es ihnen extrem wichtig ist. Es ist eher die Frage, wieviel man sich antut. Den Punkt, daß es auch nicht mehr geht, selbst wenn man sich zusammenreißt und es wichtig ist, den kenne ich aber von mir ebenso. Allerdings ist der nicht an jedem Tag gleich, zumindest bei mir. Bei mir ist es so, daß ich leider manchmal sehr spontan (fast ohne Vorwarnung) übertrieben auf etwas reagiere, was logisch gesehen nicht der Rede wert wäre. Aber in einer anderen Situation oder an einem anderen Tag kann es sein, daß es mir kaum etwas ausmacht. Z.B. bei Lärm, und da gibt es auch kein festes Muster. Manchmal merke ich, wie sich etwas "aufbaut" und dann reicht eine Kleinigkeit, daß ich "ausraste", die an einem anderen Tag eben nicht so schlimm wäre. Ich glaube, das hat aber nichts mit "overload" zu tun, oder? Was mich besonders ärgert, ist, daß ich das durch Nachdenken nicht abschalten kann, im Gegenteil, und dann ärgere ich mich noch über mich selbst, daß ich mich nicht leichter abgrenzen kann. Es könnte mir rational gesehen ja egal sein. Manchmal bin ich dadurch auch blockiert, aber oft, bevor überhaupt etwas passiert ist (nur durch die Sorgen bei der Vorstellung).

    Hm... das würde ich anders sehen. Man kann alles, wenn man nur will. Die Frage ist, welchen Preis man dafür zahlt (RW).

    Natürlich kann ich mich angepasst verhalten und versuchen, Anforderungen gerecht zu werden, von denen ich überfordert bin. Mache ich das aber langfristig, werde ich krank. Dann bekomme ich Migräne, einen autoimmunen Schub oder einen Meltdown. Und irgendwann breche ich zusammen und es geht gar nichts mehr.

    Man kann sich selbst aber durchaus punktuell überfordern, wenn man davor und/oder danach genug Gelegenheit hat, sich von der Überforderung zu erholen.

    Daher würde ich nicht vom "plötzlich doch können, wenn es wichtig ist", sprechen.

    Ja, ich kann mich punktuell selbst überfordern, wenn es wirklich wichtig ist. Das hat auch keine langfristigen Folgen für meine Gesundheit.

    Ich kann mich aber nicht permanent selbst überfordern, egal wie wichtig es wäre, weil ich dann zusammenbreche.

    Ansonsten hat z.B. @Krähe ja schon viel Wahres hier gesagt.

    Das Leben ist unendlich viel seltsamer als irgendetwas, das der menschliche Geist erfinden könnte. Wir würden nicht wagen, die Dinge auszudenken, die in Wirklichkeit bloße Selbstverständlichkeiten unseres Lebens sind. - Sir Arthur Conan Doyle

  • Natürlich kann ich mich angepasst verhalten und versuchen, Anforderungen gerecht zu werden, von denen ich überfordert bin. Mache ich das aber langfristig, werde ich krank. Dann bekomme ich Migräne, einen autoimmunen Schub oder einen Meltdown. Und irgendwann breche ich zusammen und es geht gar nichts mehr.

    Man kann sich selbst aber durchaus punktuell überfordern, wenn man davor und/oder danach genug Gelegenheit hat, sich von der Überforderung zu erholen.

    Daher würde ich nicht vom "plötzlich doch können, wenn es wichtig ist", sprechen.

    Ja, ich kann mich punktuell selbst überfordern, wenn es wirklich wichtig ist. Das hat auch keine langfristigen Folgen für meine Gesundheit.

    Ich kann mich aber nicht permanent selbst überfordern, egal wie wichtig es wäre, weil ich dann zusammenbreche.

    Ja, und es ist sehr wichtig die Grenze rechtzeitig zu erkennen.

    Wenn es sich punktuell eingrenzen lässt, dann ist es möglich Dinge zu erledigen/zuschaffen, die sehr anstrengend sind, wichtig finde ich, dass dann die nachfolgende Erholungsphase dieselbe Intensität hat wie die Anstrengung. Also sozusagen ein Reset-Effekt.
    Um wieder auf ein O Level zu kommen, einen neutralen Zustand.

    So mache ich das jedenfalls.

  • Und irgendwann breche ich zusammen und es geht gar nichts mehr.

    Ah, ich verstehe, was du meinst. Wenn etwas wichtig ist, kann sich auch jemand mit einer Störung für eine gewisse Zeit "zusammenreißen". Bei mir sieht es so aus, daß viel weniger Streß/Reiz/Überforderung notwendig ist als früher, damit ich mein inneres Gleichgewicht verliere oder einen Wutanfall bekomme (bzw. es immense Kraft kostet, den zu unterdrücken) oder einfach nur weg will.

    Ja, und es ist sehr wichtig die Grenze rechtzeitig zu erkennen.

    Das hilft, aber nur, wenn man die Grenzen einhalten kann, ohne sich zu schaden. Ich "spare" Energie, wenn ich mich ausgelaugt fühle, dann immer, indem ich etwas abbreche, hinschmeiße, verschiebe, um weiterhin ansonsten funktionieren zu können. Soll heißen, wenn mich ein Kinderausflug, eine Erledigung und ein JobCenter-Termin erledigt haben, kappe ich danach für einige Zeit alle Dinge für mich selbst (z.B. Gymnastik, Therapeutensuche, Jobperspektive, private Treffen o.ä.). Und meine letzte "SOS-Überforderungs-Lösung" war fristlose Kündigung meinerseits. Ich habe sowas wie einen meltdown im Sinne von völligem Kontrollverlust noch nie gehabt, aber ich weiß, wie es ist, wenn ich ausraste, das schadet und zerstört nur auf allen Seiten, und dann steigere ich mich richtig hinein (ich habe aber kein Borderline, das wurde ausgeschlossen). Wenn ich jetzt wüßte: "Dieses Geräusch nervt, ich muß rausgehen, dann wird alles besser", wäre das schön. Ich spüre aber nur, wie eine Situation oder ein Verlauf insgesamt immer mehr wird und ich das nicht angemessen verändern, sondern nur völlig "aussteigen" kann. Meine letzte Arbeit habe ich ohne Ausfälle ertragen, bis nichts mehr ging, und dann habe ich gleich fristlos gekündigt und den Bandscheibenvorfall obendrauf gekriegt. Das ist doch keine Lösung zur Abgrenzung, immer komplett einen Strich zu ziehen, auch bei Bekanntschaften.

    Heute hat mich wieder ein Postbote wegen etwas angemeckert, wofür ich nichts kann ("double bind" Situation), nach zwei Hinweisen, die zwecklos waren (das Gegenüber war ja nicht an einer Lösung oder meiner Bredouille interessiert, sondern wollte auch nur seinen Frust loswerden), drehten sich meine Gedanken den Tag danach darum, wie ich dem in Zukunft vorbeugen könnte. Immerhin konnte ich mich diesmal einfach umdrehen und weggehen und derjenige ist mir nicht gefolgt, sonst hätte ich vermutlich nur noch geschrien und ihm noch Grund gegeben, mir zu schaden. Das setzt mir immens zu. Aber nicht aus Angst vor Konsequenzen, sondern weil ich den Zustand der ständigen Erwartung einer Wiederholung der Situation ohne sinnvolle Verhaltensstrategie nicht ertragen kann - das geht soweit, daß ich überlegt habe zu kündigen, obwohl das rational völlig unsinnig ist und mir noch mehr Druck durch das JobCenter einbringen würde. Und dann, wenn ich sowas denke, ja DANN kann mich ein kleiner Reiz wie z.B. ein stressiges Geräusch oder ein optischer Eindruck von jetzt auf gleich aggressiv machen. Da ich das vor meinen Kindern und bei Terminen völlig und vor meiner Mutter weitgehend unterdrücken muß, fühle ich mich häufiger wie auf einem Pulverfaß, das dann wohl beim JobCenter hochgehen wird. Aber dann richtig. :oops:

  • Manchmal merke ich, wie sich etwas "aufbaut" und dann reicht eine Kleinigkeit, daß ich "ausraste", die an einem anderen Tag eben nicht so schlimm wäre. Ich glaube, das hat aber nichts mit "overload" zu tun, oder?

    Ich denke schon, dass das ein Overload ist. Wenn sich über eine gewisse Zeit einiges anstaut, man es überspielt, ignoriert, wegdrückt - dann reicht oftmals eine Kleinigkeit, die 'das Faß zum überlaufen bringt'. Bei mir passiert das oft in entspannten Situationen, in denen ich nicht mehr aufpasse und meine Konzentrations aufs korrekte Funktionieren nachlässt.

    ~ Es ist kein Zeichen von Gesundheit, an eine von Grund auf kranke Gesellschaft gut angepasst zu sein. ~

  • Ich stehe ja noch im Diagnose-Prozess und weiß noch nicht, was dabei herauskommt, aber fühlt sich ein Overload etwa so an:

    Ich habe Panik und muss ganz tief durchatmen. Ich bin an einem Ort, wo es nicht auffallen soll. Also ziehe ich mich zurück und atme mehrmals ganz tief durch, eigentlich ist mir zum Schreien, aber das würde ich, da ich eher weniger expressiv mit meinen Gefühlen herauskomme, wohl auch nur in Extremsituationen machen. Dafür seufze ich ein bisschen, mehrmals, wie jemand, der einen Schreck bekommen hat und sich davon erholen muss, und ich nehme dazu manchmal eine Atemhilfsstellung ein; meine Hände stütze ich auf die Knie.

    Heute passierte mir das, weil ich auf Arbeit einen ekligen Lappen angefasst habe. Ich habe damit einen Gegenstand geputzt. Im Anschluss stellte ich den Eimer mit dem Lappen und dem Putzwasser unter einen Stuhl, falls ich es vielleicht später noch mal brauchen könnte. Als ich es vor Feierabend ausgoss und den Lappen ausspülte, bemerkte ich an dem Lappen was ganz entsetzlich Ekliges, dass ich so in Panik geriet. Und es war nicht grundlos, sondern es war wirklich entsetzlich. Bitte haltet mich nicht für verrückt, aber da saßen mehrere Käfer fest. Sie sahen aus, wie die Brotkäfer, die ich gerade zu Hause in der Küche habe, nur z. T. noch ein bisschen dicker, und sie klebten im Lappen. Ich musste ganz schnell und ganz tief durchatmen, ich zeigte das noch der Chefin, sie sagte, och, das ist harmlos, manchmal kommen sie zum Fenster rein. Mein Verdacht ist, denn ich habe sie anfangs nicht bemerkt, dass im trockenen Lappen (ein gebrauchter, offenbar durchgewaschener vom auf dem Schrank in einem Eimer) Larven waren, die durch die Nässe geschlüpft waren! Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich damit vorher noch einen glatten, umkontaminierten Gegenstand (also keine Fensterbank) geputzt habe, ohne das zu bemerken. Danach stand der Eimer etwa eine halbe Stunde an einem ebenfalls käferfreien Ort. Von mir waren sie nicht eingeschleppt, ich ziehe mich ja komplett um und habe auch meine Haare immer durchgekämmt und kontrolliert.
    Wir schmissen den Lappen in eine Mülltonne, die inzwischen auch rausgebracht worden sein muss, also dürfte sich nichts ausgebreitet haben. Aber wenn ich daran denke, werde ich immer noch panisch und ich möchte was beruhigendes machen. Und ausgerechnet jetzt, wo ich zuhause so ein Problem hab, muss ich auch noch woanders damit konfrontiert werden. Irgendwie fühle ich mich auch noch nicht erholt von dem Schrecken, ich möchte mich am liebsten wirklich in Embryostellung irgendwo hinhocken, vielleicht auf mein Sofa. Aber ich weiß auch, dass es davon nicht besser wird, ich werde heute Abend immer noch mich ähnlich fühlen, ich bin schon die ganze Zeit mal am heulen, mal am tief ein und tief ausatmen, und zwischendurch mach ich mal eine Kleinigkeit, bekomm nur nicht so viel auf die Reihe.

    Könnte das so ein unterschwellig verlaufener Overload gewesen sein? Weil ich in der Öffentlichkeit versuche, kontrolliert zu sein, bin ich noch nicht zusammengebrochen oder so. Ich habe schon Heulkrämpfe in der Öffentlichkeit bekommen, aber hab das eher als leichten Nervenzusammenbruch gedeutet. Na, wahrscheinlich ist es das gleiche unter einem anderen Namen. Auch heute, bei der Sache mit dem Lappen, habe ich kurz geheult, aber ich konnte mich noch mal zusammenreißen, um mich noch normal verabschieden zu können, nicht ohne vorher die Sache mit dem Lappen zu klären. Wenn ich ihn einfach da liegengelassen hätte, gar nicht auszumalen :m(:

    Ein Freund ist jemand, bei dem du dich traust, du selbst zu sein.
    (Pam Brown)

  • Aber warum unverständlich? Ich habe ja einen Grund, jeweils.

    Jetzt bin ich übrigens gerade ein bisschen ruhiger geworden, während ich hier im Forum las und was schrieb/kommunizierte. Aber habe vorhin auch Nux Vomica (5 Globuli D4) genommen.

    Könnte das so ein unterschwellig verlaufener Overload gewesen sein?

    Oder besser gesagt, Meltdown. Die Overloadsituation ist das, was mir passiert (wie das mit dem Lappen als Auslöser, S. oben Beitrag 75), und der anschließende "halbe Nervenzusammenbruch", wo mir die Tränen kommen, dann der Meltdown.

    Ein Freund ist jemand, bei dem du dich traust, du selbst zu sein.
    (Pam Brown)

    4 Mal editiert, zuletzt von Iska (7. September 2018 um 16:56)

  • Wenn ich selbst sowas habe dann sind sie mir vom Verstand her unverständlich, da ich den Anlaß als nichtig empfinde. Ich kann mir diese tiefen Löcher im Befinden oft nicht erklären.

  • Oder besser gesagt, Meltdown. Die Overloadsituation ist das, was mir passiert (wie das mit dem Lappen als Auslöser, S. oben Beitrag 75), und der anschließende "halbe Nervenzusammenbruch", wo mir die Tränen kommen, dann der Meltdown.

    Andere werden dir wahrscheinlich zustimmen, aber ich persönlich mag Overload/Meltdown/Shutdown als Begriffe und Theorie nicht so. Aber das ist nur persönliches Empfinden.

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