Warum haben ASler überhaupt Spezialinteressen? - Diskussion über mögliche Ursachen

  • Ich überlege, was es mit diesen Spezialinteressen auf sich hat.

    Sie halten den Geist gewissermaßen gefangen. Man ist auf eine bestimmte Sache fokussiert, tut Alltagssachen (kochen, essen, putzen, sogar arbeiten) vielleicht nur so nebenbei, weil man im Kopf meistens bei dieser einen Sache ist...

    Könnte es sein, dass der Grund hierfür darin liegt, dass man sich dem Leben nicht stellen will, weil es einen überfordert z.B.? Könnte es eine Art Flucht sein? Die Welt da draußen ist unüberschaubar, die Menschen versteht man nicht etc., also konzentriert man sich auf einen ausgewählten Bereich, den man durchschauen kann. Das Verstehen und vollständige Erfassen können dieser einen Sache gibt einem dann ein befriedigendes Gefühl, was in krassem Gegensatz zu dem Unbehagen steht, welches man hat, wenn man sich "in der Welt" bewegt.

    Welche Gedanken (oder welches Wissen) habt ihr hierzu?

  • Ich weiß nicht viel darüber, aber Sachen komplett verstehen zu können/ Gesamtüberblick zu einem Thema zu haben, schon eine Motivation.
    Flucht vor der Realität mag eine Rolle spielen, aber man muss sich dem Leben ja trotzdem noch stellen.

    Ein Freund ist jemand, bei dem du dich traust, du selbst zu sein.
    (Pam Brown)

  • Fundiertes Wissen kann ich leider nicht beitragen, allerdings eigene Erfahrungen:

    Meinen Interessen gehe ich ja nicht nach, weil ich aufgrund von Überforderung oder Enttäuschung von der Welt so viel Zeit für mich selbst habe. Also gewissermaßen Enttäuschung in solche Interessen kanalisiere.

    Es ist eher so, dass mich bestimmte Dinge sehr begeistern und sie mir daher wichtiger sind als z.B. bestimmte soziale Events.

    Für mich gibt es also keine Flucht vor der Welt in (Spezial)interessen, sondern eher ein Freischaufeln von Alltagszeit für meine (Spezial)interessen.

  • Ich habe in einem bekannten Buch über das Asperger-Syndrom darüber gelesen, dass Spezialinteressen aus der Angst derselben hervorgehen.
    (Etwas macht Angst -> dieses Etwas wird zum Spezialinteresse)
    Die intensive Beschäftigung und Ergründung einer Sache dient zur Reduktion dieser Angst und wird umgekehrt.

    Edit: Glaube, das war das: https://www.amazon.de/Ein-Leben-mit-…ywords=asperger

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

    Einmal editiert, zuletzt von Cloudactive (22. Juli 2018 um 15:44)

  • Wenn ich danach gehe, würde das ja bedeuten, dass ich Angst vor Pflanzen hätte.

    Nein, da steht:

    Könnte es sein, dass der Grund hierfür darin liegt, dass man sich dem Leben nicht stellen will, weil es einen überfordert z.B.? Könnte es eine Art Flucht sein?

    Das heißt nicht dass man Angst vor dem Thema des Spezialinteresses hat.

  • Ich könnte es mir so vorstellen: Eine bestimmte Sache fasziniert einen oder man interessiert sich für ein Thema. Soweit normal. Dann gilt es, sich den alltäglichen Verpflichtungen zu stellen oder über Entscheidungen für die Zukunft nachzudenken und schon hängt sich der Geist ganz schnell wieder an das Thema ran, um sich nicht mit dem anderen "Kram" beschäftigen zu müssen, weil dieser überfordert.

    Das geht wohl allen Menschen mal so, aber da der Mensch mit AS viel schneller und von viel mehr Dingen/Entscheidungen überfordert ist (mich überfordert es schon, zu planen, was ich als nächstes kochen und also einkaufen werde), ist es bei ihm viel stärker ausgeprägt.

    Das als Überlegung, nicht als Feststellung.

    Einmal editiert, zuletzt von Kleine (22. Juli 2018 um 16:18)

  • Kann ich für mich so nicht bestätigen. Wenn ich mich z.B. mit einer schwierigen Entscheidung rumplage, hab ich den Kopf gar nicht frei für mein SI. Es mag aber durchaus sein, dass das auf andere Aspies zutrifft.

  • Wenn ich danach gehe, würde das ja bedeuten, dass ich Angst vor Pflanzen hätte. :roll: Nee, sorry, aber ich bezweifle, dass sich ein SI aus einer Angst heraus entwickelt. :shake:

    Nicht ganz, es würde bedeuten, dass du Angst vor Pflanzen gehabt hättest.

    Ganz überzeugt hat es mich auch nicht, aber es ist eine interessante Hypothese und scheint nicht völlig abwegig.

    Als Beispiele wurden auch technische Geräte wie Waschmaschine, Züge etc. genannt.

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

  • Ich könnte mir auch noch eine ganz andere Begründung für die SIs vorstellen. Es ist ja oft eine Faszination dafür, wie etwas funktioniert, oder Wissensdurst nach bestimmten Themen - man will etwas ergründen. Oft spielen Details eine Rolle.
    Das könnte sogar evolutionär bedingt sein - denn diese Menschen finden durch ihr starkes Interesse/ihren ausgeprägten Wissensdurst Dinge heraus, die sonst unentdeckt bleiben würden (man denke allein an Mathematik und Physik). Wären alle Menschen mit Kinder kriegen, Haushalt führen, profaner Arbeit für's Überleben und dem Pflegen von "Sozialkontakten" beschäftigt, dann würden viele Entdeckungen nicht gemacht werden.

  • @Cloudactive Vielleicht ist was da dran. Wenn ich an mich denke: ich habe seit "Ewigkeiten" ein ausgeprägtes Interesse an der Psyche und den Beweggründen meiner Mitmenschen. Auslöser war sicher u.a. das für mich als Kind nicht nachvollziehbare sehr wechselhafte Verhalten meines Vaters und aber auch, dass ich Übergriffe durch mir völlig fremde Kinder erlebt habe und nicht verstehen konnte, wie es dazu gekommen war. Dadurch entstand eine Angst vor den Menschen, die ich seit etlichen Jahren zu bannen versuche, indem ich versuche, die Menschen und ihr Verhalten zu verstehen.

  • Das könnte sogar evolutionär bedingt sein - denn diese Menschen finden durch ihr starkes Interesse/ihren ausgeprägten Wissensdurst Dinge heraus, die sonst unentdeckt bleiben würden (man denke allein an Mathematik und Physik). Wären alle Menschen mit Kinder kriegen, Haushalt führen, profaner Arbeit für's Überleben und dem Pflegen von "Sozialkontakten" beschäftigt, dann würden viele Entdeckungen nicht gemacht werden.

    Kein dummer Gedanke. Irgendeinen Grund muss es ja dafür geben, dass sich die genetische Disposition zu ASS in der Population hält - wäre sie NUR schädlich, wäre sie schon längst weitgehend "rausgemendelt". Irgendeinen Vorteil für die Art Homo sapiens muss das Ganze also haben - zumindest bei "artgerechter Haltung" als Jäger und Sammler in Gruppen von vielleicht 100-200 Leuten - und das könnte etwas in die Richtung sein, dass diese "gestörten" Individuen bezogen auf die Gemeinschaft nicht störend, sondern Ideengeber sind.

  • Kein dummer Gedanke.


    Leider ist das nicht so ganz auf meinem Mist gewachsen. Ich habe ähnliche Theorien schon in Büchern über AD(H)S und Hochsensibilität gelesen, daher kam jetzt wahrscheinlich die entsprechende Idee.

  • Das Leben macht mir Angst, deswegen ist wohl jede Beschäftigung so eine Art Flucht.

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    Glaub nicht alles, was du denkst.
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  • Es ist eher so, dass mich bestimmte Dinge sehr begeistern und sie mir daher wichtiger sind als z.B. bestimmte soziale Events.

    Für mich gibt es also keine Flucht vor der Welt in (Spezial)interessen, sondern eher ein Freischaufeln von Alltagszeit für meine (Spezial)interessen.

    :nod:

  • Wenn ich danach gehe, würde das ja bedeuten, dass ich Angst vor Pflanzen hätte. Nee, sorry, aber ich bezweifle, dass sich ein SI aus einer Angst heraus entwickelt.

    Ich auch.
    Wenn, dann finde ich etwas spannend, hochintressant, ich will mehr wissen und erfahren darüber..mich mehr damit befassen, weil es etwas Tolles ist.
    Der Motor ist Neugier, Wissensdrang, mich zu erfreuen, ..eben wie ein Kind, das wieder einen spannenden Teil der Welt entdeckt.

  • Es könnte auch eine Mischung aus beidem sein. Etwas Unvorhersehbares erzeugt zunächst Unsicherheit. Die versucht man zu überwinden, indem man sich dafür interessiert, wie das Unvorhersehbare funktioniert, um es vorhersehbarer zu machen.
    So könnte es bei mir mit dem Wetter gelaufen sein: Zunächst war das für mich unvorhersehbar und deshalb verunsichernd. Planungen wurden dadurch umgeworfen, wenn es plötzlich zu regnen anfing und dergleichen.
    Um solche Vorfälle zu vermeiden, habe ich versucht, herauszufinden wie das Wetter funktioniert, um es vorhersagen und damit meine Planungen an das zu erwartende Wetter anpassen zu können. Dadurch wurde Wetter auch zu einer faszinierenden Sache, und gleichzeitig zu einer Möglichkeit, anderen Unsicherheiten zu entfliehen, indem ich mich intensiv mit Wetter und Wettervorhersage beschäftigte. Wäre zumindest für mich eine Erklärung, wie das zum Spezialinteresse werden konnte.
    Bei anderen Dingen, wie beispielsweise Astronomie, war es reines Interesse. Astronomie ist ja auch gut berechenbar, Planetenstellungen, Mondphasen und Finsternisse lassen sich ja für Jahrtausende im Voraus berechnen.

    Diese Signatur wurde autistomatisch erstellt und ist ohne Unterschrift gültig :m(:

  • Bei mir sind die Spezialinteressen (die Interessensgebiete wechseln bei mir sehr schnell, aber mich interessiert fast jede Art von Wissen und ich will meistens die Dinge bis ins letzte Detail verstehen, aber sie interessieren mich auch, aber das hat mein Kopf vielleicht so konstruiert) ein Versuch, mit der Überforderung in meinem Leben klarzukommen. Möglicherweise spielt da bei mir auch nicht nur Asperger mit rein. Ich beschäftige mich zeitweise sehr zwanghaft mit diesen Interessensgebieten und bin nicht mehr fähig, Abstand davon zu nehmen. Würde ich Abstand nehmen, würde ich komplett in die Ohnmacht kippen, ins Nichts. Ich habe Angst davor, Entscheidungen zu treffen, ich habe Angst vor der Frage, wozu ich überhaupt da bin, was ich mit meinem Leben anfangen soll. Ich bin aber auch manchmal schon damit überfordert, mir zu überlegen, was ich an einem Tag unternehmen möchte. Die Beschäftigung mit speziellen Interessen ist für mich eine Möglichkeit, mir Stabilität und Struktur zu geben, auch wenn die Themen für die wirklich wichtigen Fragen des Lebens komplett überflüssig sind. Eigentlich lenke ich mich damit ab.
    Ich denke, dass es für alle Menschen mit Asperger ein Weg ist, um Stabilität zu erlangen.

    Die Spezialinteressen halten mich teilweise sogar davon ab, meinen Haushalt zu machen oder Einkaufen zu gehen oder zu essen. Wenn ich z. B. nicht fähig bin, auszuwählen, wo und was ich zu Essen einkaufen will. Dann kann es passieren, dass ich stundenlang im Internet nach Psychopharmaka recherchiere (nur mal als ein Beispiel). Und abends merke ich dann, dass ich noch nichts gegessen habe und breche dann nervlich total zusammen, weil ich irgendwann doch zu kaputt bin um mich weiter mit den Spezialinteressen zu beschäftigen und dann werde ich zwangsläufig mit den Problematiken konfrontiert, die ich offenbar zu verhindern versuche.

    Da ich aber verschiedene psychische Probleme habe, weiß ich nicht, ob das speziell mit dem Asperger zusammenhängt.

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