Therapeutenaussage: Autisten sind nicht zu wirklich tiefen Gefühlen fähig

  • Nach fast 30 gemeinsamen Therapiestunden hat meine Psychotherapeutin in einem Nebensatz gesagt, als Autistin sei ich nicht zu wirklich tiefen Gefühlen in der Lage.

    Ich bin sehr verletzt. Obwohl - oder auch gerade weil - ich das für falsch halte. Als ich meine Verletzteit (schriftlich) deutlich gemacht hatte, reagierte sie damit, dass es ihr leid täte, mich verletzt zu haben. Ich komme mir vor wie eine Schwarze, deren Therapeutin mal eben hat fallen lassen, dass sie eine Rassistin ist.

    Wie seht ihr das? Wie würdet ihr euch fühlen? Wie würdert ihr reagieren?

  • hat meine Psychotherapeutin in einem Nebensatz gesagt, als Autistin sei ich nicht zu wirklich tiefen Gefühlen in der Lage.

    Vielleicht meint sie das so, dass man eine andere/gestörte Gefühlswahrnehmung hat und das würde ja stimmen.

  • Nach fast 30 gemeinsamen Therapiestunden hat meine Psychotherapeutin in einem Nebensatz gesagt, als Autistin sei ich nicht zu wirklich tiefen Gefühlen in der Lage.

    Wie seht ihr das?

    Ich kann ebenfalls alle Gefühle sehr, sehr intensiv spüren. Teilweise muss aber viel passieren, damit es so weit kommt. Je nachdem, wie emotional aufgeladen die Situation für mich ist, aber sowas kann auch zu einem emotionalen Overload führen.

    Wie würdet ihr euch fühlen?

    Ich würde mir ziemlich verarscht vorkommen von der Therapeutin, vor allem, wenn sie sowas nach 30 Stunden raushaut, die sie mich kennenlernen konnte. Vermutlich würde ich ihr gehörig meine Meinung geigen.

    Wie würdert ihr reagieren?

    Wahrscheinlich würde ich mir eine andere Therapeutin suchen, die sich besser mit Autismus auskennt :roll:

    Ich bin, also denke ich.

  • Nach fast 30 gemeinsamen Therapiestunden hat meine Psychotherapeutin in einem Nebensatz gesagt, als Autistin sei ich nicht zu wirklich tiefen Gefühlen in der Lage.

    Da hättest du sagen können "Sie irren sich!". Ohne den Therapeuten zu kennen, aber die Aussage, dass tiefe Gefühle wegen AS nicht drin seien, das wirkt auf mich wie ein Wissensstand aus vergangenen Tagen. Umgangssprachlich könnte man sagen "Auweia! Die Person hat doch keine Ahnung!".


    Wie seht ihr das? Wie würdet ihr euch fühlen? Wie würdert ihr reagieren?

    Mir scheint da wurde ein wunder Punkt getroffen. Ich denke mir, dass ein Therapeut eine Person ist, wo Vertrauen und so eine große Rolle spielt. Mit der obigen Aussage stellt man dann vermutlich fest, dass die Chemie doch nicht stimmt, es erschüttert dann. Worauf ich persönlich lediglich verzichtet hätte wäre der Vergleich mit Schwarz und Rassismus. Ansonsten, wenn der Therapeut ansonsten super wäre, dann würde es für mich weitergehen. People make mistakes. Wenn durch die Aussage aber jetzt vieles zerstört ist, dann würde ich überlegen, ob eine weitere Psychotherapie überhaupt möglich ist. 30 Stunden... I-man not sure, aber das klingt so als wären gerade weitere Stunden erst genehmigt worden (Verlängerung). Wenn dem so sein sollte, dann wäre ein Wechsel vielleicht schwierig/kompliziert.

    In letters of gold on a snow white kite I will write "I love you"
    And send it soaring high above you for all to read

  • Mir scheint da wurde ein wunder Punkt getroffen. Ich denke mir, dass ein Therapeut eine Person ist, wo Vertrauen und so eine große Rolle spielt. Mit der obigen Aussage stellt man dann vermutlich fest, dass die Chemie doch nicht stimmt, es erschüttert dann.

    Ja, so würde es mir auch gehen.

  • Also ich würde Wert darauf legen, das zu einem eigenen Stundenthema zu machen und in Erfahrung zu bringen, was sie mit der Aussage genau gemeint hat. "Tiefe Gefühle" kann ja verschiedenes bedeuten- es kann etwa die fehlende Tiefenintensität von (Basis-)Emotionen gemeint sein, es kann aber auch um die An- oder Abwesenheit von komplexeren Gefühlen per se gehen. Oder auch noch was anderes. Das würde ich abklären.


    Schon allein dass dich die "Aussage in einem Nebensatz" so sehr beschäftigt und du sogar den Vergleich mit Rassismus bemühst demonstriert doch, dass da im Zweifel eher zu viel Gefühl als zu wenig da ist. Wer wenig Gefühle hat, den werden solche Bemerkungen "kalt lassen" (RW).


    Zusätzlich würde ich an deiner Stelle auch etwas Neugier einfließen lassen- es sagt ja etwas über die Fremdwahrnehmung aus, wenn einem Gefühle nicht zugestanden werden, die man innerlich aber hat. Das könnte für dich ein Ansatzpunkt sein noch mal mehr zu reflektieren, wie deine Handlungen auf andere wirken. Eine wie ich finde recht typisch autistische Angelegenheit.


    Was war überhaupt der Kontext ihrer Aussage? Kannst du es dort etwas einordnen?

  • Wie seht ihr das? Wie würdet ihr euch fühlen? Wie würdert ihr reagieren?

    1Es stimmt nicht, als generelle Aussage über Autisten.
    2 wütend. So ein dummer Mensch nennt sich Fachkraft und Therapeutin, diese Berechtigung müsste man ihr entziehen meiner Meinung nach.
    3 weggehen und nie wiederkommen

    Da hättest du sagen können "Sie irren sich!". Ohne den Therapeuten zu kennen, aber die Aussage, dass tiefe Gefühle wegen AS nicht drin seien, das wirkt auf mich wie ein Wissensstand aus vergangenen Tagen. Umgangssprachlich könnte man sagen "Auweia! Die Person hat doch keine Ahnung!".

    Ja.
    Eine Person die keine Ahnung hat sollte aber nicht diesen Beruf ausüben. Sie richtet Schaden an.

    Das könnte für dich ein Ansatzpunkt sein noch mal mehr zu reflektieren, wie deine Handlungen auf andere wirken. Eine wie ich finde recht typisch autistische Angelegenheit.

    Das sehe ich anders in dem Zusammenhang, die Therapeutin hat nicht von der Klientin gesprochen und ihren persönlichen Gefühle bzw. die Art des Ausdrucks. Hätte sie dies getan dann würde ich Dir zustimmen.

    Die Therapeutin hat eine generelle Ausssage über Autisten getroffen. Diese Aussage drückt ihr Unwissen aus. Ein Therapeut der mit Autisten arbeitet muss wissen dass diese ihre Gefühle häufig nicht in der Art und Weise äussern wie andere es tun, dass es also eine Diskrepanz gibt zwischen dem inneren Erleben und dem Ausdruck.

    Das ist Grundwissen, heutzutage.
    Die Therapeutin muss mal eine Schulung besuchen. Mittlerweile wird da einiges angeboten in Deutschland, im Bereich Weiterbildung für Autismusfachkräfte.

    Wenn Therapeuten ihre Klienten diskriminieren auf Grund der eigenen Unwissenheit dann ist das unverantwortlich, finde ich.
    Das hat nichts damit zu tun ob "es passt" oder "die Chemie stimmt" (RW) zwischen Therapeut und Klienten, es ist doch fatal wenn jemand einem anderen Mensch sagt er sei auf Grund seiner neurologischen Disposition nicht in der Lage tiefe Gefühle zu empfinden, wenn dieser das dann glaubt kann es negative Folgen für sein ganzes weiteres Leben haben.


    Ich bin sehr verletzt. Obwohl - oder auch gerade weil - ich das für falsch halte.

    Ja, es ist falsch.
    Es ist ein Vorurteil.
    Und selbst wenn die Therapeutin sich entschuldigt hat, dann meint sie damit vielleicht nur dass es ihr leid tut Dir die Wahrheit (jedenfalls das was sie dafür hält auf Grund ihres Nichtwissens) gesagt zu haben.

    Ihre Meinung über Autisten, dass nämlich diese nicht zu tiefen Gefühlen fähig sind, wird sie deshalb nicht ändern.
    Dies hat Auswirkungen auf den Erfolg der Therapie.
    Ein Therapeut muss in der Lage sein den Klienten als die Person zu sehen die er ist, und zwar unvoreingenommen. Sonst bringt das alles nichts.

    2 Mal editiert, zuletzt von Kraehe (21. Juli 2018 um 13:49)

  • Ich finde es auch wichtig, dass man genau differenziert zwischen Gefühle haben und Gefühle zeigen.

    Als Kind hatte ich oft sogar zu viele Gefühle, wo ich mich dann irgendwann zum Selbstschutz dazu entschieden habe, diese bewusst "auszuschalten".

    Im Erwachsenenalter war es dann so, dass ich z.B. bei Beerdigungen oder Todesnachrichten nicht weine.

    Irgendwann kommen die Gefühle aber raus, nur nicht in der Menschenmasse oder in Gegenwart von mehreren Menschen.
    Dafür können die Gefühlsausbrüche vereinzelt und selten auch umso heftiger sein.

    Wenn man die Gefühle aber nicht dann zeigt, wann NTs sie zeigen, dann kann es dazu führen, dass andere denken, man hätte keine oder zu wenig Gefühle.
    Habe ich selbst sogar schon mal von mir gedacht.

    Vielleicht haben NTs nur Empathie für NTs, nicht aber für Autisten und erkennen unsere Gefühle daher nicht.

  • Das sehe ich anders in dem Zusammenhang, die Therapeutin hat nicht von der Klientin gesprochen und ihren persönlichen Gefühle bzw. die Art des Ausdrucks. Hätte sie dies getan dann würde ich Dir zustimmen.

    Bei 30 Stunden Therapie müsste der Frau aber dann doch der Widerspruch zwischen "Patientin zeigt tiefe Gefühle" und "Autisten können keine tiefen Gefühle haben" schon aufgefallen sein. Insofern hab ich das so verstanden, dass die Therapeutin bei der Threaderstellerin eben keine tiefen Gefühle wahrgenommen hat und das auf den Autismus zurückführt. Es hat also eine persönliche Komponente und das kann man bearbeiten. Nichtsdestrotz bleibt die allgemeine Aussage über Autismus und Gefühle falsch.

  • Nach fast 30 gemeinsamen Therapiestunden hat meine Psychotherapeutin in einem Nebensatz gesagt, als Autistin sei ich nicht zu wirklich tiefen Gefühlen in der Lage.

    Das Problem ist meiner Ansicht nach, dass deine Psychotherapeutin "wirklich tiefe Gefühle" bei dir noch nie wahrgenommen hat. Nur weil man etwas nicht wahrnimmt, heißt das aber noch lange nicht, dass es das nicht gibt. Vor allem von Psychotherapeuten würde ich mehr Einfühlungsvermögen und einen höheren Wissensstand über Autismus erwarten. Ich würde mir an deiner Stelle daher einen anderen Therapeuten suchen, da mich so etwas sehr empören würde. Aber ich kann natürlich auch nicht beurteilen, wie genau das Verhältnis zwischen euch ist. Du wirst also wohl oder übel nach deinem Bauchgefühl entscheiden müssen. Hoffentlich lässt sich das entweder klären oder du findest einen besseren Therapeuten.

  • Naja, auf einige wird das wohl auch so im groben zutreffen, aber alle im Spektrum zu generalisieren finde ich, ausgerechnet von so einer Person, für falsch. Okay, auf mich trifft es eher zu da schon eine menge passieren muss damit ich überhaupt was fühle (bin im generellen abgeschnitten davon).

    Also ich hätte da auch was gesagt, weil ich das falsch finde und auch weil ich es falsch finde in eine Schublade gesteckt zu werden.

    Grüße aus der Pegasus Galaxie. :)

  • Der Eindruck, keine tiefen Gefühle zu haben, kann, wie hier schon erwähnt, dadurch entstehen, daß man keine Anzeichen tiefer Gefühlsregung nach außen hin zeigt.

    In meinen vergangenen (und insgesamt nutzlosen) Therapien habe ich wohl auch stets sachlich und nüchtern meine Probleme, Ängste, schlechte Stimmung usw. beschrieben, aber wohl einfach nur mit "trockenen", "nüchternen" Worten und nicht einem entsprechend ängstlichen, verzweifelten oder betrübten Gesichtsausdruck, wie das viele andere Menschen (in Gruppensitzungen z.B. erkennbar) tun.

    Ich habe in Therapien auch kein einziges Mal je geweint, egal wie schlecht es mir oft ging.


    Daraus könnte man dann als Außenstehender ggf. ableiten, daß es so schlimm ja wohl nicht sein kann. Überhaupt wurde ich von Therapeuten bestimmt total verzerrt wahrgenommen, man unterstellte mir die besten Chancen, wenn ich mich nur richtig "ins Zeug legen würde" usw. Die Schwere der Probleme und Beeinträchtigungen konnte so wohl keiner erkennen und nachvollziehen.

  • Die Therapeutin ist eben selbst keine Autistin und kann es nur von außen und theoretisch (Wissen aus Studium, Büchern? und Co) betrachten. Wenn man es nicht deutlich genug ausdrücken kann zu intensiven und tiefen Gefühlen fähig zu sein (Worte reichen irgendwie nicht meiner Erfahrung nach .... :roll: ) wie soll sie dann erkennen das es nicht so ist. :roll: :?

    Offensichtlich beschäftigt sie sich nur mäßig mit diesem Thema und hat somit keine Ahnung :cry: .
    Ich würde versuchen mit ihr dieses Thema zu diskutieren und ihr konkrete Belege (im Internet/ Buchtips etc.) mitzubringen in die sie sich (sofern bereit dazu) einlesen könnte. Nur eine Idee.

    *zu viele Menschen verwechseln Glück mit Spaß*

  • Ich kann meine Gefühle schlecht wahrnehmen und äußern. Da sind andere schon mal der Meinung, ich hätte kaum Gefühle. Dem Normalsterblichen gestehe ich so eine Annahme eher zu, eine Therapeutin sollte es besser wissen. Aber immerhin hat sie sich entschuldigt, vielleicht überdenkt sie ihre Fehleinschätzung sogar und lernt daraus.

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    Glaub nicht alles, was du denkst.
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  • als Autistin sei ich nicht zu wirklich tiefen Gefühlen in der Lage.

    :m(: Wie war das noch mit "jeder ist anders"?

    Ich bin sehr verletzt.

    Verständlich :(

    Wie seht ihr das? Wie würdet ihr euch fühlen? Wie würdert ihr reagieren?

    Ich wäre ziemlich sauer, grade nach 30 Therapiestunden sollte sie dich doch schon ein wenig kennen. Aber leider haben einige Psychologen immer noch ziemlich beschränkte Kenntnisse über Autismus... Ich würde ihr sagen dass sie sich bitte mal besser informieren soll... Mein Psychologe hatte damals auch nicht so viel Ahnung davon, er hat damals eine Aussage getroffen die ziemlich unsinnig war, daraufhin habe ich nur zu ihm gesagt "wie wäre es wenn du dich mal einliest und dann reden wir weiter?". Zwei Wochen später kam er mit einer Entschuldigung, und hat gesagt dass er sich wirklich geirrt hat. Allerdings kannten wir uns schon seit 5 Jahren oder so, da er mich schon seit dem Jugendalter behandelte, das war schon ein recht freundschaftliches Verhältnis, wahrscheinlich konnte ich deswegen so direkt darauf reagieren... Aber versuch trotzdem dich nicht aufzuregen :| Ich durfte mir von einer anderen Psychologin tatsächlich schon anhören dass ich meinen Autismus als Kind gehabt hätte und dann später ADHSler geworden bin weil beides zusammen geht ja nicht, und eigentlich haben Autismus doch eh nur Jungs :m(:

    Alice Cooper wohnt in meiner Steckdose

  • Meine Therapeutin sagte neulich das Gegenteil, nämlich dass Autisten besonders starke Gefühle haben. Dass man aber früher dachte, sie hätten wenig Gefühle. Also stimmt es wohl, dass deine Therapeutin einen veralteten Wissensstand hat.

    Ich sehe es so wie Hyperakusis: wenn ansonsten das Verhältnis gut ist, lässt sich diese Fehlleistung von ihr vielleicht korrigieren, man redet darüber, klärt sie auf, und es geht weiter mit der Therapie. Wie schon erwähnt wurde, ist es auch eine wichtige Erkenntnis, dass sie offenbar keine tiefen Gefühle bemerkt hat. Woran lag das? Wurden keine gezeigt, oder war die Therapeutin nicht aufmerksam genug?

    Wenn das Vertrauensverhältnis weg ist oder es ohnehin auch sonst nicht so gut lief, dann wäre ein Therapeutenwechsel gut. Soviel ich weiß, kann man das bei der Krankenkasse beantragen, dass man die restlichen bewilligten Stunden bei einem anderen Therapeuten machen kann. Es ist halt blöd, dass man da dann wieder ganz von vorne anfängt. Falls man jemand Gutes findet, lohnt sich das aber.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • @Moi

    Ich hätte mich durch die Aussage angegriffen gefühlt, weil sie pauschalisierend ist (alle Autisten seien so, also müsse man selbst auch so sein).
    Ich hätte wahrscheinlich direkt den Kontakt zur Therapeutin abgebrochen (würde ich aber niemandem raten, ich mache das oft als Schnellschussreaktion und mit mit Triggern zu tun), weil ich die Therapeutin für sehr unreflektiert und unerfahren sowie unbelesen halten würde.

    Ich denke, dass es nicht stimmt, dass Autisten nicht zu tiefen Gefühlen fähig sein sollen. Da habe ich ganz anderes in der Fachliteratur und in Erfahrungsberichten von Autisten bzw. Menschen mit Asperger gelesen. Insbesondere bei weiblichen Autisten, dass sie sehr wohl zu sogar sehr starken Gefühlsempfindungen fähig seien. Wenn ich es richtig verstanden habe, liegt eher eine Störung im Umgang mit diesen Gefühlen vor. Manche Menschen mit Autismus spüren so starke Wut, dass sie ausrasten und rumschreien oder sich auf den Boden werfen. Ich könnte mir vorstellen, dass für andere Menschen mit Autismus Gefühle so unerklärlich und bedrohlich sind, dass sie diese irgendwie "wegsperren". Aber generell denke ich, dass es eher ein "zu viel" als ein "zu wenig" an Gefühlen gibt, wobei das nach außen nicht immer so aussehen mag.

    Ich selbst habe jahrzehntelang kaum Gefühle wahrgenommen, außer als Kind Wutanfälle. Für alle anderen Gefühle kassierte ich von meinen Eltern Spott (für die Wut auch, aber die konnte ich nicht unterdrücken).
    Seit mehreren Jahren wage ich mich an die Gefühle ran und ich habe Phasen wo mich meine Gefühlsempfindungen mit einer enormen Wucht überfluten und andere (depressive) Phasen wo ich nichts mehr spüre und gefühlsmäßig wie tot bin. Ich kann Gefühle immer noch gut ausblenden, dann funktioniere ich nur noch. Aber wenn mein Energielevel niedrig ist, klappt das nicht mehr.

    4 Mal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (22. Juli 2018 um 00:05)

  • Nach fast 30 gemeinsamen Therapiestunden hat meine Psychotherapeutin in einem Nebensatz gesagt, als Autistin sei ich nicht zu wirklich tiefen Gefühlen in der Lage.

    Das ist Schwachsinn.
    Das Gegenteil ist der Fall.

    Edit:
    Ich merke das allein an Musik: Da habe ich ein Feuerwerk an Gefühlen. Bei anderen ist Tanzen das Höchste der Gefühle, aber ich fühle mehr als Tanzen.
    Ich fühle, wie meine Seele - so wahr sie denn existiere - berührt wird.

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

    Einmal editiert, zuletzt von Cloudactive (22. Juli 2018 um 01:20)

  • Ich kann einfach nicht verstehen, wie ein Mensch (Therapeutin oder nicht) einem anderen Menschen auf den Kopf zusagen kann, "Du bist nicht in der Lage, tiefe Gefühle zu empfinden". Woher will dieser Mensch das wissen? Man kann seinem Gegenüber immer nur VOR den Kopf schauen, niemand weiß, wie ich mich fühle außer ich selbst. Und selbst ich weiß nicht, ob meine Gefühle im Vergleich mit anderen Leuten nun stärker oder schwächer sind, denn wie soll man das denn messen? Reine Reaktionen auf Gefühle sind individuell verschieden, da muss es noch nicht mal um den Unterschied zwischen Autisten und NTs gehen: der eine fängt sofort an zu weinen, der andere eher nicht und ist eher gefasst, keine der beiden Reaktionen sagt irgendetwas über die Tiefe der Gefühle aus.

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