Zuverlässiger Bluttest auf Autismus?

  • In manchen Fällen könnte ein solcher Test vielleicht tatsächlich hilfreich sein, etwa, um beispielsweise den Ausschlag zu geben, dass ein frühkindlicher Autist auch als solcher erkannt und nicht als "geistig behindert" behandelt wird. Aber die Autismusdiagnostik insgesamt wird sich dadurch nicht grundsätzlich ändern, dafür ist Autismus viel zu komplex.

    Die getestete Gruppe waren ja Autisten mit der Diagnose frühkindlicher Autismus*. 97% dieser Gruppe erkannte der Test. Das sind nahezu alle. Also nahezu alle frühkindlichen Autisten werden mit diesem Test erkannt. Da könnte ich mir schon vorstellen, dass man die Definition was "Autismus" ist ändert, etwa so: Autismus hat, bei wem der Test positiv ist (+einige seltene Ausnahmen). Alles andere wäre dann eben nicht mehr definiert als Autismus, sondern bekäme andere Namen.
    Es wäre interessant zu wissen wie der Test ausfällt bei der Patientengruppe mit Diagnose Asperger Syndrom (ICD-10 F84.5).

    *ASD was assessed by a diagnosis of "Autistic Disorder"** as defined in the Diagnostic and Statistical Manual for Mental Disorders, Fourth Edition, the Autism Diagnostic Observation Schedule (ADOS), and/or the Childhood Autism Rating Scales (CARS; score > 30)

    ** "Autistic Disorder" gab es im DSM-4 neben Asperger's Disorder und PDD-NOS. "Autistic Disoder" enspricht von den Diagnosekriterien her dem frühkindlichen Autismus in unserem System also ICD-10

    Einmal editiert, zuletzt von Neoni (11. Juli 2018 um 13:54)

  • Ein simpler Bluttest dürfte schon deshalb unrealistisch sein, weil ASS ja eben nicht scharf abgegrenzt ist zum NA-Bereich, sondern mit dem "BAP" fließende Übergänge zeigt.

    Ja. Man hat sich im Forum früher teils gegen "Autismus ist fließend..." und "leichte Form von AS" gewehrt, aber jenseits von "Schwellenwerten" scheint es schon so zu sein, dass das Spektrum nicht plötzlich beginnt (oder von schwer nach leicht abrupt endet). Ich habe in den Sternstunden mal gelesen gehabt, dass man öfters dort, wo z. B. das Asperger-Syndrom auftaucht auch im Umfeld engen Umfeld (Verwandtschaft) dann öfters jemanden findet, der zumindest partiell die Kriterien erfüllt. BAP wäre vielleicht etwas dieser Art.

    Warum hast du BAP in Gänsefüsse gepackt? Weil es derzeit nur eine Bezeichnung ist bzw. kein offizieller Teil des ASS ist?

    Vielleicht könnte ein Bluttest hilfreich sein, ähnlich wie in der Allgemeinmedizin, wo bestimmte Werte ein Hinweis auf bestimmte Erkrankungen sein können.

    Im Allgemeinen bin ich auch skeptisch. Ich habe mal gelesen, dass gegen Ende der 60er Jahre die Psychiatrie an einem Punkt angekommen war, wo es vermehrt Forderungen gab feste Diagnosen abzuschaffen. Zumindest frage ich mich öfters, ob der Mensch sich in starre Schubladen packen lässt? Als damals diese Doppeldiagnosen AS + ADS sehr häufig waren, da fanden manche, dass das Unfug sei, sogar Fachleute äußerten "Ich halte in so Fällen eine der beiden Diagnosen für etwas dünn". Diese Diagnosetitel haben ihre Funktion, ihren Sinn und Zweck im psychiatrischen Alltag, im Alltag, in der Gesellschaft... aber auf dem Sektor der Forschung bin ich gespannt, ob sich das alles auch langfristig so trennen lässt. Bei all den Rezeptoren und endogenen Substanzen (es wurden ja manche erst sehr spät entdeckt, man denke an Anandamid) da sehe ich als Laie öfters ein "endogenes Mischpult" mit hunderten von kleinen Reglern.

    In letters of gold on a snow white kite I will write "I love you"
    And send it soaring high above you for all to read

  • Warum hast du BAP in Gänsefüsse gepackt? Weil es derzeit nur eine Bezeichnung ist bzw. kein offizieller Teil des ASS ist?

    Weil ich es für einen Hilfsbegriff halte - er suggeriert ja, dass es noch eine weitere, nicht pathologische aber definierbare Form von Autismus gibt, was aber der Idee des kontinuierlichen Spektrums widerspricht.

    Den Vergleich mit Körperhöhe und Intelligenz habe ich ganz bewusst gewählt, weil sich bei mir der Eindruck verdichtet, dass ASS eben so etwas ist wie extrem klein/groß, das Produkt eines ungünstigen Zusammentreffens nicht nur von defekten Genen, sondern auch von solchen, die in anderer Kombination eher nützlich sind. Ich bin z.B. sehr gut in Mustererkennung und kann tage- und wochenlang immer den selben Arbeitsgang wiederholen um Muster zu erfassen, in sehr stereotyper Weise, was die meisten Kollegen nicht durchhalten würden. Das ist aber in keiner Weise hinderlich, es ist meine Spezialqualifikation im Fach. Bei Leuten ohne die ausgeprägte Mustererkennung ist solch eine Neigung zu Stereotypien, vor allem wenn sie ausgeprägter ist als bei mir, dagegen womöglich problematisch. Leider habe ich halt auch nachteilige AS-typische Merkmale wie ausgeprägtes Flattern und Schwierigkeiten im Sozialkontakt, aber die Frage ist, ob das nicht der unvermeidliche Preis für die positiven Effekte ist. Nowitzki wäre mit 1,80 m ja einerseits auch kein Basketballer geworden, hat aber andererseits durch seine Länge sicherlich immer mal Probleme gehabt.

  • Es wäre interessant zu wissen wie der Test ausfällt bei der Patientengruppe mit Diagnose Asperger Syndrom (ICD-10 F84.5).

    Da es diese Diagnose im ICD-11 nicht mehr gibt und alles unter ASD fällt gibt es das Problem ja nicht mehr und bisher ist AS bzw. ASD durch die Symptome definiert, wenn man nun Ursachen erkennen kann wird man das eben nicht mehr tun müssen. Im vergangenen Jahrhundert sind ja einige Krankheiten die psychologisch verordnet waren nach erkennen ihrer Ursachen in andere Fachgebiete gewandert und einige sich Symptome teilenden in unterschiedliche Diagnosen getrennt worden. Was ich sehr interessant fand war das bei der zweiten Studie die Hauptindikatoren der ersten weggelassen wurden und somit ein Dritter identifiziert werden konnte, vielleicht schafft man im Laufe weiterer Studien die Indikatoren auf 6-12 einzuengen wodurch der Test dann auch praktikabler würde, denn der aktuelle Aufwand dahinter ist schon recht Zeit- und Kostenintensiv.

  • Children between the ages of 3 and 10 years were recruited locally and enrolled to assess levels of oxidative stress

    Sollte einem bei diesem Satz nicht ein Licht aufgehen? :roll:
    Ich denke diese Bluttest-Geschichte kann man als Budenzauber abhaken.

    Abgesehen davon kann es gar keinen Blut- oder Gentest für "Autismus" geben.Letzterer ist bekanntlich nur ein Sammelbegriff für eine Anzahl willkürlich zusammengestellter Eigenschaften und Verhaltensweisen.Wie soll man die in Blutwerten abbilden können?
    Labormäßig feststellen ließen sich nur die "physiologischen Grundlagen" auf denen sich die Menschen so entwickeln daß sie unter den Sammelbegriff "Autismus" fallen.Aber dafür müsste man die erstmal kennen.

  • Ich habe hier gelesen, dass Autisten eine Stoffwechselstörung hätten und die Peptide Gliadorphin und Kasomorphin dewegen in zu hoher Anzahl vorkämen. Kann man das eigentlich nicht im Blut testen?

    Einmal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (12. Juli 2018 um 15:08)

  • Glutenfreie Ernährung als Mittel zur Wunderheilung für alle Übel dieser Welt ist ja seit einiger Zeit Modethema. Ich halte das für Beutelschneiderei, da wird nur mit überteuertem Zeug Geld gemacht, und stets werden angebliche wissenschaftliche Grundlagen dafür angeführt. Jedoch spielt bei keiner der gängigen Theorien zu ASS glutenhaltige Ernährung eine Rolle. Das könnte allenfalls als Folge einer gelegentlichen Komorbidität in Frage kommen (habe ich auch noch nicht gelesen, wäre aber theoretisch denkbar).

  • Zitat von HCS

    und stets werden angebliche wissenschaftliche Grundlagen dafür angeführt

    Was, wenn die Forschung da einfach noch nicht so weit ist?
    Hier z. B. ein wissenschaftliches Dokument (von einem seriösen Labor. Die haben natürlich auch Gewinnerzielungsabsichten, aber was da an biologischen Vorgängen beschrieben ist, halte ich nicht alles für Humbug):

    https://www.ganzimmun.de/downloadcenter/?get_file=5848

    Wieso wird von den Wissenschaftlern nicht darauf aufgebaut, was diese "Vermutung" mit dem zu hohen Exorphingehalt bei verschiedenen psychischen Störungen betrifft? Das könnte doch weiter untersucht werden in klinischen Studien. So schwierig wird es ja nicht sein, eine ausreichend große Anzahl von Personen mit Autismus zu suchen und diesen zwei Blutwerte abzunehmen. :roll:

    Einmal editiert, zuletzt von FruchtigBunt (12. Juli 2018 um 15:32)

  • Sollte einem bei diesem Satz nicht ein Licht aufgehen? :roll: Ich denke diese Bluttest-Geschichte kann man als Budenzauber abhaken.

    Welches Licht meinst du?
    Verstehe deinen Lösungsweg nicht.

    Abgesehen davon kann es gar keinen Blut- oder Gentest für "Autismus" geben.
    Letzterer ist bekanntlich nur ein Sammelbegriff für eine Anzahl willkürlich zusammengestellter Eigenschaften und Verhaltensweisen.
    Wie soll man die in Blutwerten abbilden können?

    1. Diese willkürlich zusammengestellten Eigenschaften und Verhaltensweisen zu einem Syndrom sind nicht zufällig ausgewählt worden.
    Die Auswahl beruht auf einem wiederkehrenden Muster, das sich bei hinreichend vielen Menschen wieder finden ließ.
    Dieses Muster wird sich sehr wahrscheinlich auf ein grundlegenderes Muster zurückführen lassen, sprich: Es wird sehr wahrscheinlich ein biologisch erkennbar zugrunde liegendes Muster vorhanden sein.

    2. Eigenschaften und Verhaltensweisen von Menschen, von Tieren, lassen sich aus biologischen Ursachen herleiten.
    Diese biologischen Ursachen werden geprägt durch das Genom des Menschen.
    Das Genom eines Menschen ist die "Bauanleitung" für alles, woraus der Mensch besteht.
    Diese Bauanleitung allein, kann allerdings gar nichts.
    Sie muss erst "gelesen und übersetzt" werden in Proteine.
    Diesen Prozess nennt man "Genexpression" bzw. "Proteinbiosynthese". https://de.wikipedia.org/wiki/Genexpression

    Um also Stoffe, die der Körper benötigt, herstellen zu können, wird mit der "Bauanleitung" gearbeitet.
    Wenn diese "Bauanleitung" allerdings "Fehler" beinhaltet oder auch falsch abgelesen oder verarbeitet wird, kann es dazu kommen, dass bestimmte Prozesse auch fehlerhaft ablaufen.

    3. Wenn man jetzt davon ausgeht (was sehr sehr wahrscheinlich ist), dass das Verhalten und die Eigenschaften eines Menschen durch die Gene bestimmt werden, direkter noch: über die genauen Prozesse, die im Körper stattfinden und die Produkte, die gebildet werden, dann kann man sagen, dass Fehler in der "Bauanleitung", bzw. Fehler in den Prozessen, Fehler bei den Produkten, zu unterschiedlichen bzw. von der Norm pathologisch abweichenden Eigenschaften, Verhaltensweisen führen kann.

    4. "Metaboliten", die in der Studie eben getestet wurden, sind Zwischenprodukte von Stoffwechselprozessen.
    Also sind sie ein Teil der Ursache für unsere Eigenschaften und unser Verhalten.

    ""Instead of looking at individual metabolites, we investigated patterns of several metabolites and found significant differences between metabolites of children with ASD and those that are neurotypical. These differences allow us to categorize whether an individual is on the Autism spectrum," said Juergen Hahn, lead author, systems biologist, professor, and head of the Rensselaer Department of Biomedical Engineering. "By measuring 24 metabolites from a blood sample, this algorithm can tell whether or not an individual is on the Autism spectrum, and even to some degree where on the spectrum they land."
    https://medicalxpress.com/news/2017-03-a…tely-child.html

    "A lot of studies have looked at one biomarker, one metabolite, one gene, and have found some differences, but most of the time those differences weren't statistically significant or the results could not be reliably replicated," Hahn said. "Our contribution is using big data techniques that are able to look at a suite of metabolites that have been correlated with ASD and make statistically a much stronger case."

    "Hahn's interdisciplinary research at Rensselaer combines systems engineering, applied mathematics, and computer science to develop new ways of analyzing nonlinear systems found in biological or chemical processes. "

    ++++

    Ich wollte auch noch einmal erwähnen, dass diese Abweichungen bei den Metaboliten der untersuchten Prozesse von den Metaboliten der NTs nicht gleichzeitig die eine Ursache begründen.
    Es können nicht nur sondern sie sind wahrscheinlich ein Aspekt, eine Begleiterscheinung, so wie es z.B. Schnupfen bei einer Erkältung ist.
    (Mutmaßungen)

    Edit:

    Labormäßig feststellen ließen sich nur die "physiologischen Grundlagen" auf denen sich die Menschen so entwickeln daß sie unter den Sammelbegriff "Autismus" fallen.Aber dafür müsste man die erstmal kennen.

    Ja, die kennt man noch nicht wirklich, aber es gibt Indizien, wie eben besagte Metaboliten, wo andere Studien sich schon mit befasst haben, aber eben nicht so komplex und auch nur mit einem Metaboliten (siehe Zitate).
    Das Problem ist: Da man diese physiologischen Grundlagen nicht eindeutig kennt, sucht man Gemeinsamkeiten bei Autisten, gleichzeitig aber auch Unterschiede gegenüber NTs.-> Datensammeln
    Als Überprüfung dieser Unterschiede führt man eben sozusagen eine Kontrolle durch: Sind die Unterschiede, die man feststellen konnte auch tatsächlich autismustypisch, also auch bei anderen zu finden?
    Wenn ja, dann müssten die Unterschiede auch bei anderen Autisten nachweisbar sein und nicht bei NTs. -> Test

    Wie man sehen kann, ist die Forschung nach der Ursache eng verbunden mit der Forschung nach einer Testung.

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

    Einmal editiert, zuletzt von Cloudactive (12. Juli 2018 um 16:23)

  • sprich: Es wird sehr wahrscheinlich ein biologisch erkennbar zugrunde liegendes Muster vorhanden sein.

    Und das genau ist bislang höchst zweifelhaft - von "sehr wahrscheinlich" kann da leider keine Rede sein: Siehe dieser Artikel Was macht Dich als Laien so sicher, es besser zu wissen als all die Wissenschaftler, die da dran arbeiten und sich weitgehend einig sind, dass die Ursachen sehr komplex sind und erstens womöglich hunderte ganz unterschiedliche Gene beteiligt sein können (die sehr viele unterschiedliche Proteine und damit Stoffwechselprodukte beeinflussen) und zweitens zusätzlich noch Umwelteinflüsse? - was bedeutet, dass es auf jeden Fall Leute gibt, die die genetischen Grundlagen für ASS, aber keine Symptome haben, und möglicherweise zusätzlich Leute, die nicht genetisch, sondern nur durch Umwelteinflüsse ASS entwickelt haben. Für ein einheitliches biologisches (hier: stoffwechselphysiologisches) Muster fehlen bisher belastbare Grundlagen. Sehr viel wahrscheinlicher ist beim gegenwärtigen Forschungsstand, dass es wenn überhaupt dann mehrere unterschiedliche Muster innerhalb von ASS geben könnte.

    Was, wenn die Forschung da einfach noch nicht so weit ist?

    Geh mal davon aus, dass solch simple Zusammenhänge längst aufgedeckt worden wären, die sind nämlich sehr viel einfacher zu finden als das, was in dem Artikel oben dargestellt wird. Die Vermutung, "die Forschung" sei da "noch nicht so weit" wie irgendwelche halben oder ganzen Scharlatane, die Diäten anpreisen, ist nicht sehr plausibel, wird aber immer und immer wieder gläubige Abnehmer finden - nicht umsonst verkauft sich "glutenfrei" gerade wie blöd.

  • Abgesehen davon kann es gar keinen Blut- oder Gentest für "Autismus" geben.Letzterer ist bekanntlich nur ein Sammelbegriff für eine Anzahl willkürlich zusammengestellter Eigenschaften und Verhaltensweisen.Wie soll man die in Blutwerten abbilden können?

    Und das genau ist bislang höchst zweifelhaft - von "sehr wahrscheinlich" kann da leider keine Rede sein: Siehe dieser Artikel

    "Sammelbegriff für eine Anzahl willkürlich zusammengestellter Eigenschaften und Verhaltensweisen" oder mangelnde Konstruktvalidität (der von HCS verlinkte Artikel) treffen auf Autismus-Spektrum-Störung zu.
    Der Test aber erkennt Autismus im Sinne von Kanner-Syndrom (frühkindlicher Autismus im ICD-10, Autistic Disorder im DSM-4). (Ob der Test auch andere Formen des Autismus-Spektrums erkennt, ist wohl noch nicht erforscht).
    Zumindest beim Kanner-Autismus scheinen die Symptome nicht willkürlich zusammengestellt zu sein, denn die Betroffenen teilen zu 97% die selben Stoffwechsel-Auffälligkeiten im Blut.

    Den Vergleich mit Körperhöhe und Intelligenz habe ich ganz bewusst gewählt, weil sich bei mir der Eindruck verdichtet, dass ASS eben so etwas ist wie extrem klein/groß, das Produkt eines ungünstigen Zusammentreffens nicht nur von defekten Genen, sondern auch von solchen, die in anderer Kombination eher nützlich sind.

    Das entspräche dem, was van Elst (Ludger Tebartz van Elst, Autismus und ADHS. Zwischen Normvariante, Persönlichkeitsstörung und neuropsychiatrischer Krankheit) als Normvariante bezeichnet, bzw Persönlichkeitsstörung wenn es im Leben viele Probleme macht. Es gibt aber im Autismus-Spektrum eben auch Fälle, wo es klar als Erkrankung zu sehen ist. Darunter würden ja auch die Fälle fallen, die bisher mit dem Bluttest getestet wurden (Stoffwechselstörung).

    Mittlerweile lese ich Ludger Tebartz van Elst, Autismus und ADHS. Zwischen Normvariante, Persönlichkeitsstörung und neuropsychiatrischer Krankheit, erschienen Anfang des Jahres bei Kohlhammer.
    Sehr lesenswert, wirklich. Zu Beginn befasst er sich sehr kritisch mit dem psychiatrischen Diagnosesystem generell. Danach stellt er ein Modell von Persönlichkeitstypen bzw. -strukturen vor. Den einen Pol möglicher Persönlichkeitstypen nennt er, in Ermangelung eines besseren Ausdrucks, “holistisch“ - kurz gesagt: “NT“ in Reinform, so unautistisch, wie nur möglich. Der andere Pol möglichen Denkens, Fühlens, Wahrnehmens, sich Verhaltens ist dann entspr. der autistische. Das Ganze ist eine Skala, die fließend von einem Pol zum anderen übergeht, und die allermeisten Menschen befinden sich eben nicht an den Extrempolen, sondern auf irgendeinem Punkt dieser Skala. Und an beiden Polen finden sich sowohl Stärken wie auch Schwächen. Die Gesellschaft als Ganzes braucht die Stärken beider Pole.

    Analog zu den 3 ASS-Schweregraden im neuen DSM stuft er nun leichte Ausprägungen von Autismus, die zu keinen wesentlichen Problemen in der Lebensgestaltung führen, als “Normvarianten“ ohne Krankheitswert ein. Das sind halt einfach Menschen, die auf der o.g. Skala recht nah am autistischen Pol sind, ohne große Probleme damit zu haben.

    Etwas stärkere Autismus-Ausprägungen, die zu deutlichen Problemen im Leben führen, entsprechen aus seiner Sicht klinisch dem, was diagnostisch als “Persönlichkeitsstörung“ eingeordnet wird. Die schwersten Ausprägungen von Autismus, die klassischen Kanner-Fälle, müsse man wiederum als schwere neuropsychiatrische Erkrankungen betrachten und behandeln.

    Ab welchem Punkt ein autistisch geprägter Mensch nun überhaupt auf Probleme in der Lebensgestaltung stößt (damit schlage ich jetzt die Brücke zur vorangegangenen Debatte), hängt ganz stark von den äußeren Umständen ab, in denen er lebt - Gesellschaft, Kultur, Epoche usw. Unsere moderne Industriegesellschaft bevorzugt immer stärker den holistischen Pol, während sie dem autistischen Pol immer weniger Toleranz entgegenbringt. Dadurch rutschen dann aber zwangsläufig immer mehr Betroffene, die als “Normvarianten“ eigentlich ganz gut durchs Leben kämen, in den pathologischen Bereich.

  • Was macht Dich als Laien so sicher, es besser zu wissen als all die Wissenschaftler, die da dran arbeiten und sich weitgehend einig sind, dass die Ursachen sehr komplex sind und erstens womöglich hunderte ganz unterschiedliche Gene beteiligt sein können (die sehr viele unterschiedliche Proteine und damit Stoffwechselprodukte beeinflussen

    1. Habe ich kein Wort darüber gesagt, dass ich es "besser wüsste" als irgendjemand...
    Ist das für dich irgendein "Machtkampf"?
    Ich habe nur mein Wissen und meine Hypothesen geteilt und ja, ich habe sie deutlich als solche gekennzeichnet, also verstehe ich dein Problem nicht.

    2. Ich bin weniger Laie auf dem Themengebiet der Biologie als du, wenn du nicht Biologie studiert hast, und in der Lage, die grundlegenden Konzepte, Methoden und Ergebnisse zu verstehen, auch wenn solche speziellen Fälle einer Einarbeitung bedürfen.
    Das Lesen der Original-Studie habe ich mir noch nicht gegönnt, gerade ist bei uns Prüfungszeit.
    Aber ich lasse mir von dir nicht ein "Laienschild" vor die Nase halten.


    was bedeutet, dass es auf jeden Fall Leute gibt, die die genetischen Grundlagen für ASS, aber keine Symptome haben, und möglicherweise zusätzlich Leute, die nicht genetisch, sondern nur durch Umwelteinflüsse ASS entwickelt haben

    Es muss eine gemeinsame Ursache haben, wenn es sich um die gleiche Folge handelt, das ist logisch.
    Wenn es sich nicht um die gleiche Folge handelt, sind es unterschiedliche Ursachen, ja.
    -> Verschiedene Namen sind notwendig.

    Ich glaube aber, wenn man an den Symptomen ansetzt, und wirklich die selben Symptome auf ihre gemeinsame Ursache hin untersucht, dann wird man ein gemeinsam zugrunde liegendes Muster erkennen können. Vielleicht auch nur für einige Symptom-Cluster.
    Der Rest gehört dann halt nicht dazu, da muss man streng sein.
    Ein Tumor ist auch nicht gleich ein Tumor, er kann gutartig sein, bösartig, aus verschiedenen Substanzen bestehen, verschiedene Formen haben, gefüllt oder nicht gefüllt sein usw. aber an sich ist allen gemeinsam: Sie sind eine Raumforderung. Darum gilt erst mal zu klären: "Was für ein Tumor ist es?"

    Siehe meine Antwort zu @Hyperakusis, in der ich meine Meinung über die Einheitlichkeit von Autismus äußerte, eben in diesem Sinne.

    Beim Lesen deines letzten Satzes drängt sich mir übrigens die Frage auf:
    Wer hat ASS "nur" durch Umwelteinflüsse entwickelt? Woher weiß man das?

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

  • Welches Licht meinst du?
    Verstehe deinen Lösungsweg nicht.

    Für diese Studie wurden Kinder ausgewählt die erstens eine Autismus-Diagnose haben und bei denen zweitens bekannt ist daß sie ein gewisses Maß an oxidativem Stress haben.Dann haben sie -was für eine Überraschung!-bei 92% dieser Kinder Stoffwechselprodukte gefunden die mit diesem oxidativen Stress in Zusammenhang stehen.
    Das als sicheren "Autismus-Test" zu verkaufen finde ich schon ziemlich dreist.

  • Der Test aber erkennt Autismus im Sinne von Kanner-Syndrom (frühkindlicher Autismus im ICD-10, Autistic Disorder im DSM-4).

    Das erkennt der Test eben nicht.Der Test hat bei 92% der untersuchten Autisten mit bekanntem oxidativen Stress Stoffwechsel-Auffälligkeiten erkannt die mit oxidativem Stress in Zusammenhang stehen.Mehr nicht.

    denn die Betroffenen teilen zu 97% die selben Stoffwechsel-Auffälligkeiten im Blut.

    Das ist ja auch kein Wunder wenn 100% der Betroffenen die Diagnose "oxidativer Stress" teilen. :?

  • 1. Diese willkürlich zusammengestellten Eigenschaften und Verhaltensweisen zu einem Syndrom sind nicht zufällig ausgewählt worden.

    Zufällig nicht,aber eben willkürlich.Man könnte auch aus den Diagnose-Kriterien das eine oder andere herausnehmen und das eine oder andere hinzufügen.Das Problem ist doch die mangelnde Genauigkeit der Kriterien.

    2. Eigenschaften und Verhaltensweisen von Menschen, von Tieren, lassen sich aus biologischen Ursachen herleiten.

    Da stimme ich Dir bis zu einem gewissen Grad auch zu.Nur nehme ich beim "Autismus" eine indirekte Form an.Ich glaube nicht daß es ein Mangel-an-sozio-emotionaler-Gegenseitigkeit-Gen oder muss-immer-alles-auf-die-gleiche-Art-machen-Metaboliten (etc etc) gibt.

  • (...)


    Für diese Studie wurden Kinder ausgewählt die erstens eine Autismus-Diagnose haben und bei denen zweitens bekannt ist daß sie ein gewisses Maß an oxidativem Stress haben.Dann haben sie -was für eine Überraschung!-bei 92% dieser Kinder Stoffwechselprodukte gefunden die mit diesem oxidativen Stress in Zusammenhang stehen.Das als sicheren "Autismus-Test" zu verkaufen finde ich schon ziemlich dreist.

    Ah, jetzt verstehe ich.
    Das wäre in der Tat ein Problem, wenn alle getesteten erhöhten oxidativen Stress haben und andere mit ASD nicht. (Und das mit Absicht)
    Allerdings steht das da nicht genau, da steht nur:

    "Children between the ages of 3 and 10 years were recruited locally and enrolled to assess levels of oxidative stress. "
    -> Der Level wurde nur bewertet

    Scheint doch nicht zu sein, dass sie nur die involviert haben, die erhöhten oxidativen Stress vorweisen, es wurde nur im Rahmen der Studie vorher bewertet.
    Ja, man kann jetzt vermuten, dass da geschummelt wurde, wie man das bei Studien manchmal macht aber das ist jetzt schwierig nachzuweisen, xD

    ++++

    Hier steht übrigens, das Ziel, was ich vorhin mal ansprach, dass u.a. Unterschiede zwischen ASD und NTs gefunden werden sollen dadurch:


    Although the results of this study are promising, there are several limitations that should be considered in future studies.

    1. Including the same variables in the training and validation data. Previous analyses found that “% DNA methylation” and “8‐OHG” were two of the most important variables for separation,29, 44 but these data were not present in the validation set. Future studies should include these variables to allow for the highest possible classification accuracy as these classifiers are considered for clinical translation into a diagnostic test.
    2. (…) Future studies should collect additional data and evaluate both ASD and TD populations to confirm separation of these two Groups.
    3. Analyzing younger participants. The training and validation set comprise cohorts of 3–10 years and 2–17 years, respectively. However, a young cohort comprised mainly of participants younger than about 3 years would provide more compelling evidence toward using classifiers such as these to aid in the diagnosis of ASD.

    Successfully addressing these limitations would help to solidify the ability of multivariate statistical tools based on FOCM/TS measurements to accurately separate ASD and TD participants and ultimately allow these classifiers to be translated into the clinic.

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

    2 Mal editiert, zuletzt von Tuvok (13. Juli 2018 um 20:48) aus folgendem Grund: Unsachliche Antwort mit Zitaten von unsachlichen Beiträgen eines anderen Users, die inzwischen entfernt wurden

  • Es wurden Daten von 24 Metaboliten (Zwischenprodukten innerhalb eines Stoffwechselprozess') erhoben

    Wie ist das bei Menschen, die zusätzlich eine oder mehrere Stoffwechsel-Erkrankungen haben?

    Oder wenn jemand Medikamente nehmen muss, welche auch den Stoffwechsel beeinflussen?

    Der gestörte Stoffwechselweg dieser spezifischen Stoffe soll zu einem Defizit von wichtigen Vitaminen und Aminosäuren führen, B6, B12 und Glutathion

    Wie ist es bei Personen, die aus anderen Gründen ein Defizit von B6, B12, usw. im Blut haben?
    Bei einer gestörten Nährstoff-Aufnahme durch eine Darmerkrankung beispielsweise, oder durch Mangelernährung.

    Und wie ist es, wenn jemand zufällig durch andere Ursachen von den Metaboliten passt und zufällig durch andere Ursachen ein Defizit der Vitamine, usw. hat? Führt das zu einer falschen Autismus Diagnose?
    Oder auch anders herum, wenn jemand Autist ist aber aus irgendwelchen Gründen die relevanten Ergebnisse im Bluttest nicht hat?

    Was ist an der bisherigen Art eine mögliche Autismus Erkrankung festzustellen das Problem? Zumindest wenn es eine spezialisierte Ambulanz macht, scheint das Ergebnis zuverlässig zu sein.
    Wäre dieser Bluttest zukünftig als alleinige Diagnostik für Autismus gedacht, oder nur zusätzlich zur klinischen Diagnostik?

    Einmal editiert, zuletzt von Phreno (13. Juli 2018 um 11:34)

  • Wie ist es bei Personen, die aus anderen Gründen ein Defizit von B6, B12, usw. im Blut haben?
    Bei einer gestörten Nährstoff-Aufnahme durch eine Darmerkrankung beispielsweise, oder durch Mangelernährung.

    Es werden ja nicht die Mängel an Vitaminen getestet, sondern ein Algorithmus (den man aus mehreren Werten der Metaboliten mehrerer Partizipienten gewann) auf die Blutwerte einer Einzelperson angewandt.
    Der Mangel an diesen Vitaminen ist wohl eine Begleiterscheinung, die eben viele Ursachen haben kann.
    Das ist ja bei sehr vielen Symptomen der Fall, deshalb macht man Diagnostik.

    Würde gerne mehr dazu sagen, habe aber den Original-Artikel noch nicht ganz gelesen.
    Vielleicht findest du Antworten darin oder es mag jemand anders machen?

    Und wie ist es, wenn jemand zufällig durch andere Ursachen von den Metaboliten passt und zufällig durch andere Ursachen ein Defizit der Vitamine, usw. hat? Führt das zu einer falschen Autismus Diagnose?

    "zufällig" weiß nicht, wenn diese Art der Metaboliten wirklich die Ursache von Autismus sein sollten (was nicht fest steht, sie können genau so gut auch nur eine Begleiterscheinung sein), dann wird auch jeder die Art von Autismus haben, der diese Art aufweist. (Denke ich mir)

    Oder auch anders herum, wenn jemand Autist ist aber aus irgendwelchen Gründen die relevanten Ergebnisse im Bluttest nicht hat?

    Dann hat er nicht die Form von Autismus, die durch diesen Bluttest untersucht wird.

    „Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.“
    (Aristoteles, griechischer Philosoph, 384 - 322 v. Chr.)

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