Nachdem ich mich bisher auf eine Vorstellung beschränkt habe, mag ich mich einmal zu meinem Diagnostiktermin äußern. Der war zwar schon Anfang Mai, dennoch musste ich ihn erst einmal selbst verarbeiten.
Ganz im Gegensatz zu vielen Benutzern, die sich hier über eine "zu schnelle Abweisung" aufregen, ist es bei mir nämlich andersherum...
Ich möchte hier nichts Schlechtes über die Klinik sagen, weil ich dort die Patientin war und eben kein Profi. Deswegen lasse ich auch erst einmal offen, um welche Klinik es sich handelt, um nichts "falsch schlechtes" zu verbreiten- Vielleicht hatte es ja auch so seine Richtigkeit. Im Vorhinein habe ich dort einen AQ-Test und Zeugnisse aus meiner Grundschulzeit einreichen müssen.
Stimmungslage davor (Zum generellen Verständnis meiner Verwunderung nicht zwingend erforderlich, aber vielleicht hilfreich)
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Ich war im Vorhinein unglaublich aufgeregt und habe alles, wirklich alles infrage gestellt. Gebe ich die Hand, wie ich es hasse, wozu ich mich aber mittlerweile gerade bei wichtigen Terminen durchringe oder lehne ich es ab und wirke vielleicht schon direkt zu Beginn wie jemand, der Autismus gerade hip findet und die Diagnose cool? Sollte ich mir alles vorher aufschreiben, um nichts zu vergessen oder ist es dann am Ende, als würde ich eine Geschichte herunterbeten? Was, wenn sie mich nach 20 Minuten mit der Aussage "Also das ist doch nichts Besonderes!" abgefertigt würde, ohne die Gewissheit, was es denn nun ist, wenn nicht Autismus?
Mit dem Termin waren für mich knappe 2,5 Stunden Zugfahrt verbunden. Meine geplante Route konnte ich durch den kurzfristigen SEV nicht fahren und das überforderte mich ziemlich, auch, weil ich nun nur eine Viertelstunde Zeit haben würde, um vom Bahnhof zur Ambulanz zu kommen. Das schaffte ich zwar, es führte aber dazu, dass ich dort ziemlich gestresst ankam. Nach der üblichen Bürokratie saß ich eine Weile im Wartezimmer, ehe eine Frau (ich glaube, sie war Psychotherapeutin? Oder Ärztin...) in einer bunten Bluse mich aufrief und in ihr Sprechzimmer begleitete.
Sie hatte eine angenehme Stimme und einen leichten Akzent, den ich nicht richtig zuordnen konnte. Sie streckte mir die Hand hin, merkte aber auch direkt an, dass es nur ein Angebot sei und es kein Problem darstelle, wenn ich das nicht wolle. Vor Nervosität musste ich ehrlich gesagt erst einmal lachen und zugeben, dass das sehr gut tut, so etwas zu hören, und dass es ungewohnt ist.
Daraufhin wies sie mir einen Stuhl zu, setzte sich gegenüber und bat mich zu erzählen, woher mein Verdacht kam.
Nach der Schilderung herrschte erst einmal Stille, dann schrieb sie nahezu durchgängig und begann, durch gezielte Fragen zur Schwangerschaft meiner Mutter, meiner (Klein)Kind- und Schulzeit und Jugend eine Art Gespräch zu moderieren, fragte nach Problemen, ob Routinen in meinem Leben eine Rolle spielen etc. Die Fragen fand ich, ohne genau sagen zu können warum, auch echt anstrengend, irgendwann kam dann auch die Marotte durch, mir die Hände anzupusten. Durch ihren lockeren Umgang damit und den "Rahmen", den sie dem Gespräch mit den Fragen gab, merkte ich aber, wie ich mich gerade zum Ende hin doch noch entspannen konnte und, gerade weil sie mir genug Zeit gab, über ihre Fragen nachzudenken, immer gezieltere Antworten geben zu können. Das einzige Problem war irgendwann, dass ich vermutlich zu sehr ausgeschweift bin.
Am Schluss, knappe 2 Stunden später, fragte sie mich, ob ich noch Fragen oder Anliegen habe, was die Diagnostik betrifft. Ich war ein bisschen überrascht, denn obgleich sie gute sechs Seiten mitgeschrieben hatte, hatte ich nicht erwartet, dass sie bereits zu einem Urteil gekommen war. Ehrlich gesagt erwartete ich dadurch, dass das Resümee lauten würde, es sei wohl irgendwas anderes, also sagte ich ihr, dass es mir wirklich wichtig sei, meine Schwierigkeiten benennen zu können und gezielt daran zu arbeiten, und dass ich gerne eine Überweisung in einen anderen Fachbereich hätte, wenn sie Autismus als Ursache meiner Probleme ausschließen könne.
Ihre Antwort darauf war, dass sie sich ziemlich sicher sei, dass ich das Asperger-Syndrom habe und dass ich ihrer Meinung nach auch keine Überweisung in einen anderen Bereich bräuchte. Sie redete dann noch ein bisschen darüber, dass das sicherlich erst einmal hart sei, das zu hören, es aber durchaus auch sinnvoll sei, das stärkenorientiert zu betrachten etc., dass sie mir einen Aufenthalt in einer Tagesklinik rät, um sozialkompetenztechnisch einen Grundstein zu legen und im Anschluss eine ambulante Therapie zu besuchen. Ich bekam ein paar Adressen in meiner Nähe.
Und das war's schon... Sie gab mir ihre Durchwahl, sollte ich noch Rückfragen haben, und versprach mir, den Diagnosebrief in den nächsten Wochen zu schreiben und an meine Adresse zu senden.
Und ich?
Ich bin ehrlich gesagt ziemlich verunsichert. Kein Test (zumindest keiner, der mir aufgefallen wäre!) außer dem AQ, den ich dort vorher abgeben musste, kein Gespräch mit meiner Mutter oder einer anderen Bezugsperson (wäre beides zumindest telefonisch kein Problem gewesen, dass ich die Nummern hätte anbieten können, ist mir aber erst aufgefallen, als ich schon im Zug zurück saß...), innerhalb von einem Termin eine Diagnose. Die entsprechende Diagnostik ist auf der Website als speziell für Erwachsene beschrieben, jeder, der dort eine Diagnose stellt, hat wohl bereits mehrere Jahre Erfahrung mit Autismus und AS im Erwachsenenalter.
Und trotzdem... Wenn ich mir hier die Odysseen von fünf oder mehr Terminen mit zig Tests etc. durchlese, habe ich noch immer die Angst, dass meine Diagnostik so aussagekräftig nicht sein konnte, und das, obwohl ich mir eigentlich sehr sicher bin, ihr alles mitgeteilt zu haben, was mich in der Hinsicht bewegt hat, eigentlich tatsächlich über jegliche "Ungereimtheit" und jedes wirklich relevante Problem, das meine Lebensqualität beeinflusst.
Irgendwie würde ich mir gerade wünschen, von eurer Seite eine Einschätzung zum Folgenden lesen zu können:
Geht eine AS-Diagnose überhaupt in einem Termin?
Sollte ich vielleicht noch eine andere Diagnostikstelle besuchen oder bei der aktuellen auf "mehr Termine zur Diagnostik" bestehen?
Danke, dass ihr es gelesen habt und noch ein Danke, falls ihr dazu etwas sagt.
-Blaubeerchen