• Ich würde nicht sagen, dass es nicht möglich ist, aber vermutlich sehr unwahrscheinlich. Das Ersterkrankungsalter liegt in der Regel zwischen 18 und 35 Jahren. Wenn jemand im Alter von 70 erstmalig mit Symptomen auffällig wird, die auf eine Schizophrenie hinweisen, werden vermutlich erstmal sämtliche andere Ursachen überprüft und eine sehr genaue Differentialdiagnostik durchgeführt.

    Ich habe auch nicht behauptet, die alte Frau wäre erstmalig erkrankt, das geht auch nicht aus der Erzählung von Shenya hervor, wie lange die Symptome schon bestehen. Jemand kann allerdings lebenslang schizophren sein und immer wieder Schübe haben oder falls es eine Behandlung gab, vielleicht Restsymptomatik.

    Ich habe auch nicht behauptet die Frau sei schizophren, woher soll ich das auch wissen als Laie und ohne sie zu kennen. Aber Shenya war sich sicher, dass sie nicht schizophren sein könne. Nur das stellte ich in Frage.

    Schizophrenie Prognose

    Ich lasse das jetzt hier, es wird von einigen nur bruchstückhaft gelesen und dann darauf geantwortet, das ist mir zu blöd.

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    Glaub nicht alles, was du denkst.
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    Einmal editiert, zuletzt von kim (29. Mai 2022 um 11:19)

  • Ich habe das Gefühl, dass viele Errungenschaften, aus dem Konservativen auszubrechen, die mit der 68er "Revolution" kamen und in den 90ern ihren Höhepunkt hatten, in den letzten 20 Jahren wieder deutlich geringer geworden sind. Ich erlebe zunehmende Konservativierung, Prüderie, Stereotypie. Sicherlich haben es einzelne Themen, die man früher als Tabu ansah, in der Öffentlichkeit deutlich leichter. Aber wenn man dann mal hinter den Kulissen lauscht, wie manch einer im Privaten wirklich denkt, dann hat sich eigentlich nicht viel geändert.

    Den Eindruck habe ich auch, da es z.B. sogar in unserer Zeit Ärzte gibt, die Homosexualität für eine heilbare Krankheit halten und die Leute gerne zwangsbehandeln würden. Das ist nur ein Beispiel von vielen, wo Leute "rückständig" denken.

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    Glaub nicht alles, was du denkst.
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  • @kim Ich wollte dir gar nichts unterstellen bezüglich des gesundheitlichen Zustandes der Frau. Tut mir leid, wenn das so rüberkam.

    "Auf der Metaebene lässt sich Abstand gewinnen zum Geschehen. [...] Und dabei zeigt sich, dass es andere Perspektiven, andere Erlebensweisen und viel mehr Möglichkeiten für Lösungen gibt, als sich der Mensch in seiner alten kleinen Welt hatte träumen lassen." (Brit Wilczek)

  • Einiges von dem, was ich in der Folge schreibe, wurde schon von anderen Vorrednern angemerkt. Ich bin deswegen unsicher ob ich meine Analyse noch anfügen soll. Da sie mir allerdings geholfen hat, für mich persönlich Ordnung in das Thema zu bringen, veröffentliche ich das mal.

    Ich möchte zwei Fragen untersuchen:

    1. Gibt es einen genetischen Zusammenhang zwischen Autismus und Schizophrenie?
    2. Kann Autismus und Schizophrenie parallel vorliegen?

    Thema 1: genetischer Zusammenhang von Autismus und Schizophrenie

    Hierzu möchte ich aus dem Buch „Das Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter und andere hochfunktionale Autismus-Spektrum-Störungen“ von Ludger Tebartz van Elst zitieren: „molekular und neuronal veränderten Prozesse begleiten die gesamte Entwicklung und werden sowohl durch Umwelteinflüsse als auch durch stochastische Effekte und epigenetische Phänomene beeinflusst. Dabei können bestimmte genetische Varianten verschiedene Entwicklungsverläufe anstoßen und beeinflussen, die letztendlich mit einer Vielzahl unterschiedlicher klinischer Phänomene, wie Intelligenzminderung, Schizophrenie oder ASS, korrespondieren. (MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2012)

    In verschiedenen Online-Artikeln wurde eine genetische Gemeinsamkeit aufgearbeitet:

    Ausgehend von diesen Erkenntnissen findet sich in der Literatur der m.E. interessante Ansatz verschiedene sog. geistig-seelischen Krankheiten als eine Art Spektrum darzustellen. In diesen Kontext werden fünf Bereiche genannt: geistige Behinderung, Autismus, Schizophrenie, schizoaffektive und bipolare Störung. (http://www.tagesspiegel.de/wissen/diagnos…en/8684460.html)

    Thema 2: gemeinsames Vorliegen von Schizophrenie und Autismus

    Im ICD-10 findet sich unter F84.5 Asperger-Syndrom als diagnostisches Kriterium: „Die Störung ist nicht einer (…) Schizophrenia simplex (F20.6) (…) zuzuordnen“. Nach meinem Verständnis werden somit andere Formen der Schizophrene, wie z.B. die paranoide Schizophrenie (F20.0), nicht per se ausgeschlossen.
    Ferner steht dort zum Asperger-Syndrom: „gelegentlich treten psychotische Episoden im frühen Erwachsenenalter auf.“ (Horst Dilling, Harald J. Freyberger (Hrsg.): ICD-10, 8. überarbeitete Auflage 2017)

    Bei der Untersuchung von 122 ASS-Betroffenen wurde nach Hofvander et al. bei 12 Prozent der Probanden psychotische Syndrome festgestellt (entnommen aus „Das Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter und andere hochfunktionale Autismus-Spektrum-Störungen“ von Ludger Tebartz van Elst). Das ist erheblich mehr als ca. 1 Prozent bei der Gesamtbevölkerung (https://www.psychiatrie.de/psychische-erk…/psychosen.html).

    Thema 2. 1: der Unterschied zwischen autistisch geprägten psychotische Episoden und Schizophrenie

    Nach Ludger Tebartz van Elst lässt sich das autistische psychotische Erleben und das schizophren bedingte Erleben oft unterscheiden. Bei der sog. ASS geht das Wahnerleben zumeist zurück wenn sich der Betroffene und in ruhigen und sicheren Umgebungen befindet. Bei der Schizophrenie kann der Wahn auch situationsunabhängig präsent sein. Bei der sog. ASS ist das psychotische Erleben oft mit Reizüberflutung assoziiert, so könnte z.B. Wasserrauschen mit Stimmenhören verknüpft sein. Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Ausprägung von Denkstörungen. Diese sind bei der Schizophrenie oft eklatant und zerfahren. Beim Autismus finden sich weniger formale Denkstörungen; vielfach ist das Denken klar und strukturiert.

    Thema 2.2: Komorbidität von Schizophrenie und Autismus

    In den Buch „Das Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter und andere hochfunktionale Autismus-Spektrum-Störungen“ heißt es: „auch echte Komorbiditäten mit Schizophrenien im Sinne chronischer paranoid-halluzinatorischer Syndrome vor dem Hintergrund einer überzeugender ASS kommen vor.“ (Ludger Tebartz van Elst 2012)

    Thema 2.3: Diagnostische Probleme

    Thomas Girsberger problematisiert mögliche „falsche Diagnosen (Schizophrenie, Borderline-Störung, Manisch-Depressive Störung, Persönlichkeitsstörung)“ im autistischen Spektrum. (Die vielen Farben des Autismus: Spektrum, Ursachen, Diagnose, Therapie und Beratung: 3. erweiterte Auflage 2016). Das ist für mich eine beunruhigende Vorstellung, weil dies ja zu möglichen Fehlbehandlungen führen könnte. Tebartz van Elst macht z.B. darauf aufmerksam, dass aufgrund einer erhöhten Empfindlichkeit mancher autistischen Menschen gegenüber Neuroleptika im autistischen Spektrum äußerst vorsichtig medikamentiert werden sollten. Hypothetisch stelle ich mir vor, dass es auch kritisch sein könnte, wenn aus Ermangelung einer korrekten Diagnose versucht wird, besondere autistische Eigenschaften weg zu therapieren.

    It's not a bug, it's a feature

  • Hierzu möchte ich aus dem Buch „Das Asperger-Syndrom im Erwachsenenalter und andere hochfunktionale Autismus-Spektrum-Störungen“ von Ludger Tebartz van Elst zitieren: „molekular und neuronal veränderten Prozesse begleiten die gesamte Entwicklung und werden sowohl durch Umwelteinflüsse als auch durch stochastische Effekte und epigenetische Phänomene beeinflusst. Dabei können bestimmte genetische Varianten verschiedene Entwicklungsverläufe anstoßen und beeinflussen, die letztendlich mit einer Vielzahl unterschiedlicher klinischer Phänomene, wie Intelligenzminderung, Schizophrenie oder ASS, korrespondieren. (MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 2012)

    :thumbup:

    Im ICD-10 findet sich unter F84.5 Asperger-Syndrom als diagnostisches Kriterium: „Die Störung ist nicht einer (…) Schizophrenia simplex (F20.6) (…) zuzuordnen“. Nach meinem Verständnis werden somit andere Formen der Schizophrene, wie z.B. die paranoide Schizophrenie (F20.0), nicht per se ausgeschlossen.

    Interessant. Scheinbar nur nicht mehr aktuell in der aktuellen ICD-10-Version? Finde das da nicht.

    Ferner steht dort zum Asperger-Syndrom: „gelegentlich treten psychotische Episoden im frühen Erwachsenenalter auf.“ (Horst Dilling, Harald J. Freyberger (Hrsg.): ICD-10, 8. überarbeitete Auflage 2017)

    Das soll möglich sein, ja.

    Bei der Untersuchung von 122 ASS-Betroffenen wurde nach Hofvander et al. bei 12 Prozent der Probanden psychotische Syndrome festgestellt

    Auch sehr interessant, Danke.

    Bei der sog. ASS geht das Wahnerleben zumeist zurück wenn sich der Betroffene und in ruhigen und sicheren Umgebungen befindet. Bei der Schizophrenie kann der Wahn auch situationsunabhängig präsent sein.

    Hierzu würde ich sagen, kann aber bei Leuten, wo das auch im ruhigen Raum, wo sie länger drin sind, vielleicht dennoch auch an Stress liegen, der länger zurück liegt, wenn er immer noch nachwirkt. Aber vermutlich ist er dann einfach schon zu stark ausgeprägt, dass es nicht (mehr) für eine autistische Psychose reicht.

    „auch echte Komorbiditäten mit Schizophrenien im Sinne chronischer paranoid-halluzinatorischer Syndrome vor dem Hintergrund einer überzeugender ASS kommen vor.“

    Faszinierend. Darüber wüsste ich gern mehr. - Werd ggf., wenn ich dran denke mal demnächst weiter dazu recherchieren.

    Vielen Dank. Das war sehr informativ & interessant.

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