Trauma, PTBS und AS

  • Im Psychologiebereich ist es oft als nicht nur eine Verletzung benannt. Denn Verletzungen erfahren wir alle oft, das ist aber nicht jedesmal ein Trauma, bzw traumatisch.


    "Analog hierzu bezeichnet man in der Psychologie eine starke psychische Erschütterung, welche durch ein traumatisierendes Erlebnis hervorgerufen wurde, als Psychotrauma. Der Begriff wird nicht einheitlich verwendet und kann sowohl das auslösende Ereignis, aber auch die Symptome oder das hervorgerufene innere Leiden bezeichnen."


    "In besonderen Fällen jedoch, wenn diese erhöhte Stressspannung über längere Zeit bestehen bleibt und es keine Möglichkeit gibt, die Erlebnisse adäquat zu verarbeiten, kann es zur Ausbildung von teils intensiven psychischen Symptomen kommen. Bei etwa einem Drittel der Betroffenen kommt somit zu der schmerzlichen Erinnerung noch ein psychisches Krankheitsbild hinzu, welches zusätzliches Leid verursacht. Das bekannteste dieser Krankheitsbilder ist die sogenannte posttraumatische Belastungsstörung (PTBS). Aber auch andere Krankheitsbilder können nach Traumatisierungen auftreten."


    Okay..ich meine vermutlich eher die Folgestörungen, also PTBS, wenn es halt nicht adäquat verarbeitet werden konnte.
    Wenn es verarbeitet wurde, braucht man sich ja nicht mehr darum zu kümmern.
    Wenn es noch belastet, ist es eben eine Folgestörung.


    "In der medizinischen oder psychologischen Fachliteratur ist dieser Begriff jedoch wesentlich enger gefasst und bezieht sich ausschließlich auf Ereignisse, die psychische Folgestörungen auslösen könnten."


    https://de.wikipedia.org/wiki/Trauma_(Psychologie)

  • Ich wollte eigentlich nur darauf hinweisen, dass nicht jedes Trauma auch Folgeschäden nach sich zieht, und dass das den Wissenschaftlern auch schon aufgefallen ist: deswegen gibt es "Resilienzforschung", wo also gesucht wird, welche Faktoren eine Folgestörung trotz erfolgter Traumatisierung verhindern (helfen).
    Praktische Anwendung sind z.B. Programme "Kinder stark machen".
    Der Gegenbegriff ist glaube ich "Vulnerabilität".

  • Hi,

    Ich habe jetzt länger mit mir gerungen, ob ich in diesem offenen Bereich mitschreibe. Aber ich versuche es mal, vor allem nachdem die Namen Reddemann und Levine gefallen sind.

    Zunächst -wenn auch sehr spät - @Alys:
    Ich kenne das sehr gut, immer wieder zu versuchen, Traumareaktion von autistischer Reaktion zu unterscheiden, zumal bei mir letztlich die diagnostische Zuordnung davon abhängt. Also originär autistisch und traumatisiert oder durch die Traumata erworben autistisch. Manchmal denke ich, ist doch egal. Ich reagiere in vielem autistisch und finde hier im Forum immer wieder offenbar sicher diagnostizierte Aspies, die reagieren wie ich (soweit sich das an Hand der Posts beurteilen lässt). Ich habe auf der Basis der Autismusdiagnose endlich meine Reaktionen einordnen können und auch Möglichkeiten des besseren Umgangs mit mir gefunden. Allein das zählt.
    Andererseits ist es wichtig, um die Traumata zu wissen. Ich befinde mich nun auch seit längerer Zeit in einem begleiteten Prozess der Traumalösung, die mir schon viel Lebensqualität gegeben hat. Und dann kommen eben doch wieder die Fragen: was geht da wohl noch, was ist vielleicht doch "nur" den Traumata geschuldet und damit lösbar? Ich muss dazu sagen, das erste und vielleicht auch schwerste Trauma habe ich in früher Kindheit erlitten, so dass es für mich keinen wirklichen Vergleich gibt, wie ich vor dem Trauma war.

    Und zur Traumalösung: ich habe mich für eine Herangehensweise nach dem Ansatz von Levine entschieden. Es geht genau in dem Tempo vorwärts, den ich, den mein Körper zulässt. Und es wurde auch erst ganz langsam und geduldig (weniger bei mir als auf Seiten meines Begleiters) die Grundlage dafür gelegt, mich den Traumareaktionen und -erinnerungen meines Körpers anzunähern. Da ich alexithymisch bin und neben den basalen Gefühlen (Hunger, Durst, Frieren) eigentlich nur zwischen nervös und nicht nervös unterscheiden konnte, war erstmal das Gefühlsspektrum aufzubauen. Kein leichter Weg und noch lange nicht zu Ende. Na ja, ich will jetzt nicht übermäßig ins Detail gehen.
    Manchmal habe ich allerdings den Eindruck, dass sich manche autistische Reaktion verstärkt hat, gerade weil ich mich besser wahrnehme und nicht mehr völlig im Trauma erstarrt bin. Ich meine, jetzt bemerke ich die Reizüberflutung erst richtig, den Stress bei Kommunukation, selbst in kleinsten Gruppen, das fehlende Verständnis für die Art der NAs, die andere Art zu denken und zu sein.
    Ich bin gespannt, wie das weitergeht.

    Darf dat dat? Dat darf dat! Dat dat dat darf!

  • deswegen gibt es "Resilienzforschung", wo also gesucht wird, welche Faktoren eine Folgestörung trotz erfolgter Traumatisierung verhindern (helfen).

    Ja, oder heilen helfen.
    Ich habe viele Resilienzen , sonst sähe es noch ganz anders aus in meinem Leben.

    Die Visualisierungen von Reddemann wie Tresor oder Bildschirm etc finde ich auch gut.
    Oder sich die Vergangenheit als besser zu visualiseren ( .."es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben"...)


    Ich reagiere in vielem autistisch und finde hier im Forum immer wieder offenbar sicher diagnostizierte Aspies, die reagieren wie ich (soweit sich das an Hand der Posts beurteilen lässt). Ich habe auf der Basis der Autismusdiagnose endlich meine Reaktionen einordnen können und auch Möglichkeiten des besseren Umgangs mit mir gefunden. Allein das zählt.

    JA, so ergeht es mir da ähnlich.


    Ich muss dazu sagen, das erste und vielleicht auch schwerste Trauma habe ich in früher Kindheit erlitten, so dass es für mich keinen wirklichen Vergleich gibt, wie ich vor dem Trauma war.

    dito.

    Und..wenn man auf bestimmte Weise Traumata erfährt, neigt man ja lange zu unbewusster Wiederholung, bis es gesehen wird und heilt/heilen kann.


    für eine Herangehensweise nach dem Ansatz von Levine entschieden

    das gefällt mir gut; ich kenn nur keinen, der das auf Kasse anbietet.
    Ausser in einer bestimmten Klinik in der Aufenthaltszeit.

  • Und dann kommen eben doch wieder die Fragen: was geht da wohl noch, was ist vielleicht doch "nur" den Traumata geschuldet und damit lösbar?

    Genau das ist eben oft wieder meine Frage. Ist es einem Trauma geschuldet und triggert mich (dann wäre es theoretisch vielleicht therapeutisch lösbar), oder ist es eben wirklich autistisch (Reize, overload, oder wie auch immer), dann habe ich keine große Möglichkeit daran zu arbeiten. Dann kann ich nur Dinge umgehen oder ähnliches.
    Da kann ich wenig "lernen/lösen" ......so denke ich das zumindest im Moment. Ob diese Annahme so korrekt ist, oder nur eine Momentaufnahme meiner derzeitigen Lage, das weiß ich nicht.
    Alys

  • @Alys

    Wenn ich Dich richtig verstanden habe, hast Du schon Traumatherapien versucht und die sind nach Deiner Einschätzung gescheitert.
    Magst Du Dich nochmal auf eine einlassen?

    Ich hatte bisher nur selbst an mir "rumgedocktert" und gedacht, ich hätte alles überwunden. Jetzt stellt sich raus: nichts war überwunden und ich kannte auch gar nicht alles, was mich über das frühkindliche Trauma hinaus noch traumatisiert hat, und zwar durchaus auch heftig.
    Ich selbst hoffe vor allem, die Erstarrung aus den Traumata los zu werden und das, was ich inzwischen an Lebensfreude kennengelernt habe, nicht nur für kurze Zeitspannen wie bisher im Laufe des Pozesses zur Traumalösung (einige Stunden, dann waren es schon mal Tage und ich hatte sogar inzwischen schon einige Wochen) halten zu können. Dabei hatte ich immer noch deutlich autistische Reaktionen, weshalb ich ja bei mir die Kombi Autist und Trauma für wahrscheinlicher halte -und ich habe ja auch eine Autismusdiagnose- trotzdem war es ein ganz anderes Lebensgefühl. Und darum macht es vielleicht auch für Dich Sinn, nicht aufzugeben bei der Suche nach einer für Dich geeigneten Traumalösung.

    Und: meine autistischen Reaktionen stehen mir bei diesem Ansatz zur Traumalösung nicht im Weg, vermutlich, weil verbale Kommunikation nicht im Vordergrund steht und weil eben Traumata auch zu autistischem Verhalten führen können und ein guter, geschulter Begleiter das eigentlich wissen und händeln können müsste (sorry, die letzten Sätze sind irgendwie unhandlich geworden, ich kriege es gerade aber nicht anders hin)

    Die andere Frage, die Dich und eben auch mich immer wieder beschäftigt -welche Reaktion gehört wozu - klärt sich dann vielleicht in einigen Bereichen von alleine, nämlich dann, wenn sich das Verhalten mit der Traumalösung auch auflöst. Wenn für mich selbst aber irgendwann feststeht, dass eine Traumalösung/-therapie nichts mehr bringt, dann ist der Punkt, an dem ich mir jedenfalls sagen sollte, bei dem, was jetzt noch da ist, hinterfrage ich nicht, ob autistisch oder Trauma, ich lerne nur noch, wie damit umzugehen ist. Und wenn mir die Herangehensweise der Autisten hilft, dann mach ich das eben genau so, egal ob erworbener Autismus oder angeborener, bzw. egal, ob autistisch bedingt oder durch das Trauma.

    Und @Linnea: ja, leider keine Kassenleistung.....

    Darf dat dat? Dat darf dat! Dat dat dat darf!

  • @Limax
    Du beschreibst genau meine Situation - ich versuche zu unterscheiden zwischen Traumareaktion oder autistischer Reaktion, eine Autismus-Diagnostik steht halt noch aus. Erschwert wird das Ganze eben auch noch durch die Alexithymie. Ich habe keine Therapieerfahrung und jetzt nach fast einjähriger Suche überhaupt einen Traumatherapeuten gefunden, der sich aber nicht mit Autismus auskennt. Ich habe mich nach langer Überlegung gegen die üblichen Trauma-Lösungsverfahren entschieden, da manche gängige Methoden bei mir nicht funktionieren (kann mich nicht imaginieren, keine Gefühlearbeit, kann keine Rollenspiele etc.) Wir haben uns daher darauf verständigt, zunächst nur die Rollen aller an meiner "Entwicklung" beteiligten Personen tiefgreifend zu klären und meine Autismus-Diagnostik erst mal abzuwarten. Interessanterweise hat sich durch diese Art der therapeutischen Arbeit eine komorbierende mittelgradige Depression sehr deutlich verbessert.

    Charakteristisch für die KPTBS ist, dass eben nicht immer z.B. Flash-Backs oder Intrusionen bestehen. In diesem Fall können z. B. die Tesor-Übung u. Ä. , die bei aktiven Flash-Backs angewendet werden, problematisch werden, da sie ein Trauma reaktivieren und somit retraumatisierend wirken könnten.

    Als ich Anfang dieses Jahres beschlossen habe, nach vielen Jahrzehnten Leben unter einer Käseglocke mit der klaren Diagnose einer Uniklinik meine Traumata in der geschützten Umgebung einer renommierten Privatklinik aufzuarbeiten, bin ich an eine unerfahrenen jungen Therapeutin geraten, die mich 8 Wochen lang intensiv nach allen Regeln der Kunst methodisch und didaktisch bearbeitete , reklamierte, nicht an mich ranzukommen, Druck steigerte. Wöchentlich die Diagnosen wechselte: von Borderline bis ADHS, passiv-aggressive PS, schizoide PS war alles dabei - und dazwischen immer wieder missglückte traumatherapeutische Ansätze. Der Therapiedruck wurde immer weiter erhöht, je weniger sie mich erreichte, da ich immer stärker dissoziierte und depersonalisierte. Das Ergebnis war, dass ich in einem psychosenahen Zustand nach 8 Wochen entlassen wurde.

    Ich habe mich das Wochenende zu hause verkrochen und mich dann für eine Woche in die Akutklinik der Uniklinik einweisen lassen. Dort wurde ich stabilisiert und habe erfahren, dass unter Missachtung meiner Trauma-Diagnose wohl eine borderline-spezifische Behandlung durchgeführt worden ist, die mich schwer retraumatisiert hat (das konnte man an irgendwelchen Fragebogenwerten ablesen). Nach dieser Woche habe ich mich in meine straffen Routinen geflüchtet und bin einfach wieder arbeiten gegangen, meinen Haushalt zu erledigen etc. Meine offensichtlich autistischen Merkmale scheinen also irgendwie ein Schutz vor größerem Schaden gewesen zu sein.
    Nach dieser Erfahrung bin ich eher vorsichtig mit privaten Angeboten.

    Dass mein Therapeut seiner Aussage nach keine Ahnung von Autismus hat, spielt mom. keine Rolle für mich - die Arbeit mit ihm tut mir gut und ich bin bereiter, mich einer Besserung zu öffnen. Mittlerweile dissoziiere ich nicht mehr so stark - eher wie früher eben.

    Es stellt sich so dar für mich, als würden zwei Schablonen aufeinander liegen - die autistische und die traumatische - die langsam auseinanderdriften. Im Lauf der letzten 2 Monate offenbaren sich bei mir öfter mehr autistische Eigenschaften - und das verursacht mir mehr Klarheit. Es ist also auch ein Prozess der Klärung. Wenn ich jetzt zu der KPTBS die Diagnose AS bekomme, muss ich mich eh damit arrangieren und das Beste draus machen.

    @Limax wie funktioniert eine Traumatherapie mit einer Alexithymie? Hier komme ich oft an meine Grenzen.

    Jedes isolierte Bewusstsein macht sich auf den Weg - wie die Kraft des Wassers V_V

  • oh je - wenn Ihr Tippfehler findet, dürft Ihr sie behalten - ich habe ein Problem mit den Augen - bzw. mit dem Auge - bei mir geht nur eines - sorry :?

    Jedes isolierte Bewusstsein macht sich auf den Weg - wie die Kraft des Wassers V_V

  • Meine offensichtlich autistischen Merkmale scheinen also irgendwie ein Schutz vor größerem Schaden gewesen zu sein
    Nach dieser Erfahrung bin ich eher vorsichtig mit privaten Angeboten.

    Dass mein Therapeut seiner Aussage nach keine Ahnung von Autismus hat, spielt mom. keine Rolle für mich - die Arbeit mit ihm tut mir gut und ich bin bereiter, mich einer Besserung zu öffnen. Mittlerweile dissoziiere ich nicht mehr so stark - eher wie früher eben.

    Es stellt sich so dar für mich, als würden zwei Schablonen aufeinander liegen - die autistische und die traumatische - die langsam auseinanderdriften. Im Lauf der letzten 2 Monate offenbaren sich bei mir öfter mehr autistische Eigenschaften - und das verursacht mir mehr Klarheit. Es ist also auch ein Prozess der Klärung. Wenn ich jetzt zu der KPTBS die Diagnose AS bekomme, muss ich mich eh damit arrangieren und das Beste draus machen.

    Den ersten Satz habe ich auch schon formuiert, um das zweite zu beschreiben habe ich jetzt die Worte, vielen Dank dafür, ich sche seit Wochen danach.
    Ich war durch die Umstände gezwungen mr meine eigene Strategie aus den Traumata zu suchen. Hatte großes Glück, dass damals meine Therapeutin und Ärztin das unterstützten.
    Denn alles was auf dem "Trauma"-Markt(RW) an Therapieangeboten für mich erreichbar war, wäre - im Nachhinein betrachtet - eher dazu geeignet gewesen, entweder zu retraumatisieren oder an meiner "Art" "vorbei gegangen"(RW).
    Mein Umgang mit der Diagnose und "die Art" wie ich das anging, ließ den Verdacht Aspie das erste Mal aufkommen.

    Jetzt, wo noch einige Folgen der frühen Traumata da sind, drei miteinander verknüpfte frühkindlich angelegte Kognitive Dissonanzen, die sich gegenseitig verstärken, die erkannt, aber noch nicht aufgelöst sind, wird mir immer deutlicher, wo auch früher schon Asperger "eine Rolle gespielt" (RW) hat.
    Bei manchen Problemen dachte ich ja, sie kämen von der Traumatisierung, und jetzt stehen sie rein und klar als Asperger-Problemfeld da.
    Im Moment sind bei mir "gemischte Gefühle" (RW).
    Einerseits der Stolz, was ich eigentlich im Leben hingekriegt habe, obwohl Asperger die ganze Zeit dabei war.
    Vor ein paar Tagen ging mir auf, wenn man all die Beschimpfungen meines Vaters in Sachaussagen umformuliert, hat man die Diagnosekriterien :d
    Dann die Freude, zu erkennen, wo mir mein spezielles aspergisches Denken überall geholfen hat, schon früher und dann auch und gerade in der Traumabearbeitung.
    Aber jetzt, wo mir so richtig deutlich wird, wo mich auch die Subtext-Blindheit so oft Dinge nicht hat erkennen lassen, weshalb ich dann manches, auch (Re-)Traumatisierendes erlebte, war das ein ziemlicher Schock für mich.
    An dem ich noch etwas "knabbere" (RW) weil ich mal wieder keine Ahnung habe, wie es weitergeht.
    Hier sind jedoch die Traubearbeitungserfahrungen hilfreich. Es ist nicht das erste Mal, und mittlerweile hab ich mich daran gewöhnt, dass eine plötzliche Erkenntnis, die nicht nur im Kopf, sondern auch den Gefühlen ankommt, zu einer erweiterten bis neuen Einstellung (im doppelten Sinne des Wortes) zu mir und "der Welt" führt.
    Weiter ging es immer und wurde danach besser. Logischer Schluss - warum sollte das jetzt nicht so sein wie immer? :)

    Die Traumabearbeitung führte mich dazu, so gegenüber mir zu handeln, wie es auch für die Aspie nötig war. Kompletter Rückzug, dann mit den früheren Kompensationsmethoden und einem Desensibilisierungstraining in die "Welt" schrittweise zurückkehren.
    Damals musste ich vor allem lernen, Geduld mit mir zu haben. Schwierig, wenn man an "schnell und effektiv" gewohnt war.
    Schwierig war auch, das was ist, als "das ist jetzt eben die Ausgangslage" wirklich zu akzeptieren, nicht mehr danach zu schauen, was früher ging oder was andere können, sondern mich und meine Ausgangslage zum zu Maßstab machen und mich über jeden kleinen Erfolg zu freuen.

    Na ja, und dann dachte ich "jetzt hab ich die Lösung", der "Rest" ist eben Aspie - nur dass mir erst jetzt klar wird, WO das wirkliche Problemfeld ist (die ganzen Wahrnehmungssachen kann ich ja wieder berücksichtigen, mal nutzen, mich mal vor zu viel (besser als früher) schützen, und das Gefühlsleben ist auch "sortiert"(RW).
    Die noch vorhandenen Triggerpunkte sind spürbar, aber sie beeinträchtigen nicht mehr. Auch da merke ich, wie mich eine meiner Aspie-Eigenschaften (wieder) schützt, erkenne, wo sie das schon früher gemacht hat, bevor ich dann auch durch eine andere "in den Schlamassel herein geriet"(RW), weil ich nicht merkte, was da läuft und mit "was für einem" ich so viele Jahre zu tun hatte.

    Im Laufe der letzten Monate offenbaren sich immer mehr autistische Eigenschaften. Genau so ist es.
    Meine Therapeutin hatte sich ja schon lange gut auf meine "Art" eingestellt. Typischer Satzanfang: "Wir wechseln jetzt mal aus der Analyse in...." :d
    Letztens berichtete ich ihr von meinen "Offenbarungen", Danach "Vielen Dank für das Referat, ich lese mich da weiter ein, jetzt wäre aber noch yx dran, wegen der Zeit :d
    Dass sie sich eingelesen hat merkte ich bei der lezten Sitzung. Wir haben schon lange gut zusammengearbeitet aber alles war viel direkter, schneller, klarer in der Sprache zwischen uns, als ob ein letzter "Schleier gefallen"(RW) wäre, von dem mir selbst gar nicht bewusst gewesen war, dass er da war.

    Das mit den übereinander liegenden Schablonen ist ein hilfreiches Bild. Auch hierfür danke.
    Aber, wie lebt es sich als normale, nicht mehr durch Traumata beeinträchtigte Aspie, die manche Dinge einfach nicht kann? Das muss ich jetzt herausfinden. Irgendwann will ich ja wieder "ganz ins Leben"(RW) zurück.
    Nur eben "ganz" im Sinne von "heil". Als Aspie mit dem wie ich eben bin.

  • @Coocy
    Du fragst, wie Traumalösung bei/mit Alexithymie funktioniert.
    Ich kann natürlich nur für mich und meine Erfahrung mit dem Ansatz nach Levine sprechen. Aber es gibt bestimmt noch andere Methoden, die funktionieren.
    Vorab, damit wir nicht aneinander vorbeireden: ich meine damit die fehlende Fähigkeit, eigene Emotionen als solche wahrzunehmen und angemesssen auf Emotionen anderer zu reagieren.

    Ich habe das über die Übung zur Körperwahrnehmung gelernt. Nicht zu verwechseln mit dem Boddy-Scan. Es geht nicht darum, den Körper systematisch Zone für Zone durchzuchecken, sondern zu schauen, ob irgendwo eine Wahrnehmung ist. Also: ruhig und geschützt hinsetzen, zur Ruhe kommen (soweit möglich) und dann gucken, ob etwas zu spüren ist. Das war bei mir ganz am Anfag einfach nur der Druck des Stuhls im Rücken, oder die Fußsohle auf dem Boden. Keine Erwartung vom Begleiter, alles war OK, es gab und gibt kein richtig oder falsch. Und dann wurde damit behutsam gearbeitet. Immer wieder: wie fühlt sich das an? Folgt eine Beschreibung von mir. Und wieder: wie fühlt sich das an? Teilweise war ich ganz schön entnervt. Aber irgendwann konnte ich eine Emotion wahrnehmen. Nervosität kannte ich ja. Und da wieder und wieder das gleiche. Wo spüre ich das, wie fühlt sich das an. Keine Antwort ist falsch, auch nichts zu spüren ist OK. Über Monate. Dann Emotionen aushalten. Gute Gefühle etablieren, einen sicheren Ort im Körper finden, der zuverlässig anspricht, auf den ich zurückgreifen kann. Mehrere Gefühle gleichzeitig wahrnehmen und daseinlassen. Irgendwann gibt der Körper erste Grfühle aus der Traumatisierung frei. Und dann wird damit gearbeitet, vorsichtig und dosiert, so dass man das verkraftet. Und genau und allerspätestens dann braucht man einen gut geschulten Begleiter, dem man vertraut und der mit diesem Erleben umgehen und es umlenken kann. Levine beschreibt diese Körperwahrnehmung u.a. in dem Buch "vom Trauma befreien" ganz gut. Allerdings weiß ich nicht, für welche Traumata er dieses do it yourself Buch gedacht hat. Ich hätte das alleine nicht hingekriegt. Und nach meinen weiteren Erfahrungen mit der Traumalösung finde ich es mehr als gewagt, das alleine zu versuchen, jedenfalls bei tiefgreifenden Traumata. Aber das ist meine persönliche Meinung. In dem Buch werden auch Anlaufstellen im deutschsprachigen Raum für geschulte Traumalöser nach Levine benannt.
    Wie gesagt, ich habe mit dieser Methode für mich das richtige gefunden, stecke aber noch mitten im Prozess. Es geht also über Jahre und ist teilweise enorm anstrengend. Aber für mich hat es sich jetzt schon gelohnt.

    @Happy to be
    Ja, auf dieses als Aspie im Leben ankommen hoffe ich auch (oder bei mir vielleicht als atypischer Autist im Leben ankommen) und wenn das neulich bei mir über ein paar Wochen ein Vorgeschmack dafür war, dann lohnt es sich, durchzuhalten. Denn das, was ich in der Zeit als autistisch bei mir wahrgenommen habe, hat mich gar nicht so fundamental gestört. Es waren Einschränkungen, auf die ich Rücksicht nehmen muss und die auch behindern (einkaufen nur in möglichst leeren Geschäften, mit Gehörschutz und trotzdem abbrechen, nur wenig Kontakte mit anderen aushalten, Missverständnisse, weil ich irgendwie anders denke und reagiere, Rückzugsbedürfnis und und und) aber es hat sich einfach nach mir selbst angefühlt und nicht noch in mir selbst fremd. Ich habe mich für eine Zeitlang nicht in Frage gestellt und ich habe das Leben nicht hinterfragt. Etwas, was vorher getrennt und unscharf war, hat auf einmal gepasst. Und das macht einen enormen Unterschied aus. Mein Traumalöser macht mir Hoffnung, das sich das noch stabilisieren wird. Wäre ja klasse :d

    Darf dat dat? Dat darf dat! Dat dat dat darf!

  • In diesem Fall können z. B. die Tesor-Übung u. Ä. , die bei aktiven Flash-Backs angewendet werden, problematisch werden, da sie ein Trauma reaktivieren und somit retraumatisierend wirken könnten.

    Das verstehe ich nicht ganz..wenn man akut ein Flashback hat und es in den Tresor tut, statt daran herumzukauen, ist das doch eher hilfrecih?

  • dass eben nicht immer z.B. Flash-Backs oder Intrusionen bestehen.

    wenn sie nicht da sind, wende ich auch keine Übung an.
    Eine gute Traumathera holt ja eben nicht hervor,schiebt nichts an... sondern arbeitet nur mit aktuell Auftretendem.

    Wir hatten mal Traumaedukation mit Fallbeispielen..alleine das hatte mich getriggert. Da bin ich wieder ausgestiegen.
    Daher kann ich auch in Traumaselbsthilfegruppen meist nicht bestehen.

  • Als ich Anfang dieses Jahres beschlossen habe, nach vielen Jahrzehnten Leben unter einer Käseglocke mit der klaren Diagnose einer Uniklinik meine Traumata in der geschützten Umgebung einer renommierten Privatklinik aufzuarbeiten, bin ich an eine unerfahrenen jungen Therapeutin geraten, die mich 8 Wochen lang intensiv nach allen Regeln der Kunst methodisch und didaktisch bearbeitete , reklamierte, nicht an mich ranzukommen, Druck steigerte. Wöchentlich die Diagnosen wechselte: von Borderline bis ADHS, passiv-aggressive PS, schizoide PS war alles dabei - und dazwischen immer wieder missglückte traumatherapeutische Ansätze. Der Therapiedruck wurde immer weiter erhöht, je weniger sie mich erreichte, da ich immer stärker dissoziierte und depersonalisierte. Das Ergebnis war, dass ich in einem psychosenahen Zustand nach 8 Wochen entlassen wurde.

    grauenvoll..ich erlebte Ähnliches in einer Gruppenkörpertherapie. Schlimm.

    Dort wurde ich stabilisiert

    und das ist das Ah und Oh einer guten Traumaarbeite..finde ich.

    Als ich früher noch "erfahren" und tiefer forschen wollte, sagte meine Thera: stabilsieren stabilsieren stabilisieren......darum geht es zunächst. Ganz ganz lange und evenetuell auch für immer.
    Ich sehe nun, dass sie recht hat.

  • Nach dieser Woche habe ich mich in meine straffen Routinen geflüchtet und bin einfach wieder arbeiten gegangen, meinen Haushalt zu erledigen etc. Meine offensichtlich autistischen Merkmale scheinen also irgendwie ein Schutz vor größerem Schaden gewesen zu sein.

    Ja, finde ich auch. Struktur, Routinen sind gerade dann sehr hilfreich.


    Gute Gefühle etablieren, einen sicheren Ort im Körper finden, der zuverlässig anspricht, auf den ich zurückgreifen kann.

    Da hast du etwas zuverlässiges gefunden? wow.

    .... in dem Buch "vom Trauma befreien" ganz gut. Allerdings weiß ich nicht, für welche Traumata er dieses do it yourself Buch gedacht hat. Ich hätte das alleine nicht hingekriegt. Und nach meinen weiteren Erfahrungen mit der Traumalösung finde ich es mehr als gewagt, das alleine zu versuchen, jedenfalls bei tiefgreifenden Traumata.


    Finde ich auch. Ich hole das Buch immer wieder mal aus der Bücherei, bringe es dann aber bald wieder weg.

    Einmal editiert, zuletzt von Linnea (15. Juli 2017 um 12:32)

  • Verständnishalber nachgefragt: Redet ihr hier grad von (früh)kindlichen Traumata / Traumatisierungen? Oder von traumatischen Erlebnissen im erwachsene(re)n Alter?

    Und was genau meint ihr mit "Traumalösung"?

    jedenfalls bei tiefgreifenden Traumata.

    Was sind tiefgreifende Traumata? Und was sind nicht-tiefgreifende Traumata?

    [ -> falls Antwort mit Nennung von Beispielen, dann diese vielleicht sicherheitshalber verspoilert. (Oder auch per PN an mich, vielleicht bin ich auch grad die einzige, die's nicht versteht, und dann muss es nicht jeder lesen.)]

    Wir hatten mal Traumaedukation mit Fallbeispielen..alleine das hatte mich getriggert. Da bin ich wieder ausgestiegen.
    Daher kann ich auch in Traumaselbsthilfegruppen meist nicht bestehen.

    Genau das ist auch ein Nachteil in der "Trauma-Selbsthilfe" (oder überhaupt in Gruppen dazu! ...auch Gruppentherapie...), die nicht- oder schlecht-geleitet sind. Genau das soll nämlich nicht passieren.

    Damit ist niemandem geholfen, wenn alle möglichen von ihren traumatischen Erlebnissen erzählen, in einer Gruppe. Weder den erzählenden, die dadurch oft nur selber wieder tiefer reinrutschen (und dort ja nicht aufgefangen werden können), und erst recht nicht den zuhörenden (die dann ausser ihren eigenen, dann oft überflutenden, Erlebnissen&Erinnerungen evtl auch noch aufgelöste andere mit zu tragen haben).

    Ich persönlich finde schon die (wohl recht "beliebten") "Traumafragebögen" und Einschätzungsskalen (auch bei Verdacht / Überprüfung, ob denn nun jemand (wirklich?) "traumatisiert ist" / unter Traumafolgen leidet ...) .... ziemlich grenzwertig. Allein das kann schon viel hochholen. Und wenn dann noch unsensibles oder gar übergriffiges Personal dazukommt ... (und man keinerlei Hilfe bekommt, mit dem hochgewühlten umzugehen...)
    Grusel.

    (Also genaugenommen finde ich nicht unbedingt die Fragebögen grenzwertig, die sind schon tauglich, im Grunde - Aber WIE sie angewendet werden, und von wem, und wann, und in welchem Rahmen ... Das ist teils echt schädlich. (Aber Retraumatisierungen durch "Fachpersonal" ist wohl nochmal ein eigenes Thema.))

    Eine gute Traumathera holt ja eben nicht hervor,schiebt nichts an... sondern arbeitet nur mit aktuell Auftretendem.

    Eben. Genau.

    (Leider gibt es auch so manche un-gute. Und oder sich selbst überschätzende. Und unsensible, die ihr "Schema durchziehen".)

    WENN, dann irgendwann, genug "stabilisiert" ist, die Situation richtig ist, das "Hier-&-Jetzt" sicher und stabil, genug Unterstützung vorhanden ist, und ausreichend Techniken und "Werkzeug" zum Umgehen mit & zur Bewältigung vorhanden, dann kann eine gute Traumathera auch - in Absprache, und Vorsichtig, Umsichtig - beginnen, langsam und dosiert an's "hervorholen" heranzugehen.

    und das ist das Ah und Oh einer guten Traumaarbeite..finde ich.
    Als ich früher noch "erfahren" und tiefer forschen wollte, sagte meine Thera: stabilsieren stabilsieren stabilisieren......darum geht es zunächst. Ganz ganz lange und evenetuell auch für immer.
    Ich sehe nun, dass sie recht hat.

    Findest nicht nur du.
    Das steht übrigens auch genau so in vielen (auch Fach-)Büchern von diversen Fachleuten. Und wird auch so gelehrt, in guten/soliden traumatherapeutischen Ausbildungen.
    Wenn ich mich recht erinnere, steht es auch in einem Buch von L. Reddemann (vielleicht war's auch ein andere/r Autor/in), so ungefähr (nicht ganz genau zitiert):
    Die 7 Stufen/Schritte der Traumatherapie:
    Stabilisierung, Stabilisierung, Stabilisierung, Stabilisierung, Stabilisierung, Exposition, Integration.
    (Bei Bedarf kann ich's suchen gehen und richtig zitieren.)


    Eine der allerwichtigsten Dinge, die ich bei meiner Traumatherapeutin lernte, war, NICHT darüber zu reden. (Also nicht über die Ereignisse an sich. Nicht über was im Einzelnen passiert ist.)
    Das hat bei mir am Anfang sehr lange gedauert. (Ich hatte auf der langen Suche nach Hilfe auch schon viele (unhilfreiche) Begegnungen mit "Fachleuten" gehabt, die allesamt genau das Gegenteil, nachgebohrt hatten, was denn nun genau. (Und ich saß teils nur noch da wie ein Fisch auf dem trockenen nach Wasser (Luft) schnappend.) Ich musste mühsam lernen, NICHT zu antworten auf manche Fragen. Und ich musste mühsam lernen, NICHT ins Detail zu gehen. (Was mir ganz allgemein schon sehr schwer fällt. Und ein knapper Satz zum "Gesamtbild" ist etwas, was ich mir vielleicht mühsam über Tage/Wochen dran arbeiten, zurechtlegen/-arbeiten kann, aber definitiv nicht "spontan" oder in einem Gespräch.)
    So habe ich mir dann mühsam über Monate - mit ihrer Hilfe - meine "scripts" zurechtgebastelt. Die Sätze formuliert, aufgeschrieben, was sage ich wenn ...
    Und einen zentralen Satz, den sie mir schliesslich "aufgegeben" hatte, immer wieder geübt: "Darüber soll ich nur bei der Traumatherapeutin reden." (Die übrigens bis heute so einige Details der Ereignisse nicht kennt. - Sie sagte mir dazu auch immer nur wieder: Es sei nicht wichtig, dass sie die Details erfährt, das wichtige ist, dass ich damit umgehen lerne.)


    Ich vermute übrigens, dass sie zwar anfangs nicht wusste, wieso/woher ich so einige "Eigenheiten" hatte, aber sie sehr wohl bemerkt hat, und dann ihre Therapie so angepasst, dass es für mich passte.

    Dass jemand (und auch bei nicht-traumatischen Erlebnissen/Situationen) so viel "Nachhilfe" braucht in "was man sagen kann, wenn", und das dann nur mit aufschreiben und einüben hinkriegt, und völlig verzweifelt, wenn in einer leicht-veränderten Situation dieser genaue Satz so dann nicht mehr passte (und es nicht spontan dem anpassen kann), und dass jemand ausser jede-Menge-Details kaum (spontan) ein "Gesamtbild" benennen/beschreiben kann, und dass jemand mühsam lernen muss, nicht "das will ich nicht beantworten" zu sagen, sondern besser "irgendwas" (unverfängliches) sagt (aber nicht das Wort "irgendwas", sondern passende Sätze, die "unverfänglich" sind (und im Grunde an der Frage vorbeiantworten), so, dass man "formal" geantwortet hat, ohne richtig zu antworten und ohne dass man (verbal/unmissverständlich) klar ausdrückt, dass man nicht antworten möchte ... ) All das waren wohl auch für sie neue Situationen.

    3 Mal editiert, zuletzt von Mira (15. Juli 2017 um 15:53)

  • @Linnea
    Ja, ich habe was Zuverlässiges gefunden. Ein Stück weit Glück, weil bei mir offenbar nicht alles kaputt gemacht wurde, ein Stück weit Lohn für mehrere Jahre disziplinierte Übung mit dieser Körperwahrnehmerei. Aber das heißt nicht, dass ich jetzt ständig gechillt und glücklich durch die Gegend laufe. Du hast ja sicher teilweise meine Posts auf der Spielwiese gelesen...
    Und es heißt auch nicht, dass ich es immer alleine schaffe. Es kommt aus dem Alltag heraus immer wieder zu Abstürzen, in denen ich dann die Hilfe meines Traumalösers brauche. Und wenn wir hart an einem der Traumata arbeiten, verlier ich das auch. Aber dann ist ja jemand da, der mich lenkt und mir hilft. Es ist wie gesagt alles noch sehr anstrengend und muss noch gefestigt werden. Aber - es ist da :d und das ist sehr viel wert. Und das scheint fast schleichend das Lebensgefühl positiv zu verändern. Und schließlich weichen wir ja auch die Erstarrung aus den Traumata auf.

    Hinzu kommt natürlich, dass sich durch die Autismusdiagnose auch meine Einstellung zu dem, was ich meine können zu müssen, geändert hat. Dieses ständige "reiß dich zusammen, die anderen kriegen das doch auch hin" läßt langsam nach, ich kann zu meinen Bedürfnissen stehen, ich muss ja nicht funktionieren, wie ein NA, wenn ich schließlich keiner bin. Ich passe meinen Alltag besser an meine Bedürfnisse an. Ich denke, hier greift jetzt beides zunehmend ineinander. Und das fühlt sich immer öfter gut an :d . Nur leider tun die Abstürze dann doppelt weh. Und ich kann nicht allen Traumatriggern ausweichen und reagiere halt auch noch deutlich darauf. Ich bin eben noch mitten im Prozess. Aber gerade bin ich recht positiv drauf, daher: ich bekomme den Rest auch noch hin. Nur Geduld, es braucht noch seine Zeit. (Kann sein, dass ich in ein paar Tagen schon wieder trübere Stimmung habe :? , weil ich über einen Trigger gestolpert bin oder einfach fundamental erschöpft bin, trotzdem bleibt dies wahr: es gibt die Möglichkeit, Traumata zu lösen und auch als Aspie/atypischer Autist zu leben, statt nur zu überleben)

    Darf dat dat? Dat darf dat! Dat dat dat darf!

  • Entschuldigt bitte, dass ich hier einfach mal so dazwischen rede...

    Die Frage nach Trauma oder AS beschäftigt mich auch. Vor ein paar Jahren hatte ich zwei unschöne Situationen, an denen ich bis heute zu beißen habe. Damals durfte ich für einige Monate jeden Tag mit dem Zug 4 Stunden pendeln (2 hin, 2 zurück, mit Regionalexpress und S-Bahn). Am Anfang funktionierte das noch recht gut, aber nach einiger Zeit wurde das ganze immer anstrengender für mich. Ich kann heute noch nicht erklären, was daran das anstrengende war, aber ich glaube, es hängt mit dem AS zusammen. Kurz vor meinem Umzug, der mir das pendeln ersparte, standen wir in der Früh wegen eines Weichenschadens auf offener Strecke - 2 Stunden lang. Ich hatte wohl eine Panikattacke, aus der ich mich mit viel Selbstbeherrschung selbst heraus geholt habe. Jedenfalls war mir schlecht, ich musste dringend auf die Toilette, aber alle Klos waren schon abgesperrt. Dazu dachte ich nur noch an verschiedene Möglichkeiten der Flucht.

    Am Tag darauf bin ich die Strecke mit dem Auto gefahren - und im Berufsverkehr stecken geblieben. Stau kurz vor einer Ausfahrt, auf einem fünfspurigen Autobahn-Teilstück. Und ich stand ganz links. Kein Entkommen möglich. Die gleichen Symptome.

    Seit dem ist das für mich ein Horrorszenario und ich vermeide Situationen, aus denen ich möglicherweise nicht hinaus kann. Ich fahre nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln (außer mit Straßenbahnen, die eigene Spuren haben = keine Staugefahr) und wenn ich Auto fahre, achte ich vorher auf mögliche Verkehrshindernisse - und schaue vorher nach Rastplätzen.

    Mir ist klar, dass der Wunsch nach Kontrolle durch das AS ausgelöst wird. Meine Tage werden jeden Morgen strikt geplant, Störungen im Ablauf können zu einem großen Problem für mich werden. Sind es Störungen, über die ich keine Kontrolle erlangen kann, macht mich das fertig. Und das schränkt mich in meiner Lebensqualität stark ein.

    Ich habe z.B. den Wunsch, einmal in Island Urlaub zu machen. Dazu habe ich die Wahl, mich entweder 4 Stunden lang in einen Flieger zu setzen oder 72 Stunden auf einer Fähre zu verbringen. Letzteres gefällt mir um einiges besser.

    Die Frage ist nun, ob die beiden Schlüsselerlebnisse ein Trauma ausgelöst haben?
    (Ich will damit die wirklich traumatischen Erlebnisse anderer nicht herabsetzen - meine Situation war sicher weitaus weniger schlimm, mir fehlt nur leider ein besserer Begriff)

    Zwischendurch bin ich mutig genug, um mich solchen Situationen bewusst auszusetzen. So kann ich auf dem Heimweg vom Büro bewusst entscheiden, ob ich mich an einem hohen Verkehrsaufkommen mit Staurisiko beteilige. Sozusagen eine Art langsamer Desensibilisierung. Aber besonders weit bin ich damit leider noch nicht gekommen.

    AS, diagnostiziert am 14.06.2017

  • @Mira
    Ja, ich spreche jedenfalls teilweise von frühkindlichen Traumata (vor Kindergartenzeit) und im übrigen von Traumatisierung während der späteren Kindheit.

    Und mit tiefgreifend habe ich gemeint, mehr als einen Sturz von der Treppe oder so. Ich will das aber gar nicht gegeneinander abwägen, nach dem Motto, das eine ist schlimmer als das andere. Sondern ich habe mich beim Lesen von diesem einen Buch von Levine gewundert, dass man das in 3 bis 4 Wochen ohne geschulten Helfer hinkriegen soll. Und obwohl mit mir (auch) nach dem Ansatz von Levine gearbeitet wird und ich wirklich gute Erfahrungen habe, kann ich diesen Heile Dich Selbst Ansatz nicht nachvollziehen. Darum die Überlegung, ob es Traumata gibt, die nicht so tiefgreifend sind, dass man das ohne professionelle Hilfe mit nem Buch angehen kann.

    Und mit dem stabilisieren stabilisieren stabilisieren ist ja ganz richtig. Darum dauert das ja auch sehr lange. Und eben nicht nur 3-4 Wochen. Und über das Vorgefallene reden muss man nach diesem Ansatz auch nicht. Obwohl es sich mit unter ergibt. Aber dann kommt das von mir aus und nicht weil ich erzählen soll, was damals war. Es kommt, weil der Körper Bilder freigibt ....

    Und definitiv muss jeder die für ihn gute und passende Herangehensweise finden. Auch wenn das jetzt irgendwie platt klingt. Und ganz wichtig ist das Vertrauen zum Traumalöser/-therapeuten.

    Und mit Trauma lösen meine ich den Ansatz von Levine, den Körper nach und nach aus den physiologischen Erstarrungen zu lösen, in die er rein biologisch bei einer traumatischen Situation gerät und aus der er bei denen, die nach einem bestimmten Ereignis traumatisiert bleiben, eben nicht herausgekommen ist. Das steht aber nicht im Widerspruch zu Reddemann, dass zunächst die Stabilisierung erfolgen muss.

    Darf dat dat? Dat darf dat! Dat dat dat darf!

  • Wenn ich mich recht erinnere, steht es auch in einem Buch von L. Reddemann

    Ja, bestimmt schrieb sie in dem Tenor, auch wenn ich es länger nicht mehr in der Hand hatte.

    Damit ist niemandem geholfen, wenn alle möglichen von ihren traumatischen Erlebnissen erzählen, in einer Gruppe. Weder den erzählenden, die dadurch oft nur selber wieder tiefer reinrutschen (und dort ja nicht aufgefangen werden können), und erst recht nicht den zuhörenden (die dann ausser ihren eigenen, dann oft überflutenden, Erlebnissen&Erinnerungen evtl auch noch aufgelöste andere mit zu tragen haben).

    Genau! es war so furchtbar. Und nach der Stunde kam noch eine neben mich und wollte weiter erzählen...grauselig.
    Als ich alles noch nicht richtig einschätzen konnte, hielt ich mich für untauglich für so etwas.
    Inzwischen bin ich dankbar für diesen Selbstschutz.


    Und es heißt auch nicht, dass ich es immer alleine schaffe. Es kommt aus dem Alltag heraus immer wieder zu Abstürzen, in denen ich dann die Hilfe meines Traumalösers brauche. Und wenn wir hart an einem der Traumata arbeiten, verlier ich das auch. Aber dann ist ja jemand da, der mich lenkt und mir hilft. Es ist wie gesagt alles noch sehr anstrengend und muss noch gefestigt werden. Aber - es ist da und das ist sehr viel wert.

    Ja, das ist sehr viel wert und ich denke auch keineswegs, dass es dir jetzt nur super geht.


    Hinzu kommt natürlich, dass sich durch die Autismusdiagnose auch meine Einstellung zu dem, was ich meine können zu müssen, geändert hat. Dieses ständige "reiß dich zusammen, die anderen kriegen das doch auch hin" läßt langsam nach, ich kann zu meinen Bedürfnissen stehen, ich muss ja nicht funktionieren, wie ein NA, wenn ich schließlich keiner bin. Ich passe meinen Alltag besser an meine Bedürfnisse an. Ich denke, hier greift jetzt beides zunehmend ineinander.

    Ja ja jaa...ich finde das wirklich entlastend.
    Ich mag zwar achtgeben, dass ich nicht alles damit entschuldige und dass ich offen bleibe
    für verändernde Prozesse..aber dennoch ist ein Großteil auch eines..hm..Schuldgefühls..gewichen.


    , trotzdem bleibt dies wahr: es gibt die Möglichkeit, Traumata zu lösen und auch als Aspie/atypischer Autist zu leben, statt nur zu überleben)

    das ist echt wunderbar.
    Und Geduld ist allemale für so vieles wichtig.


    Auch da darf ich noch üben.

  • zu Levine...

    als ich vor Jahren diese nächtlichen Panikattacken hatte..bin ich automatisch herumgelaufen, habe zitternd mir eine Decke umgewickelt, Tee gekocht und bin weiter herumgelaufen.
    Und bin nicht, wie einige Esos oder psychisch Interessierte rieten, im Bett liegengeblieben, um die Angst auszuhalten.
    Vermutlich hätte ich mich so massiv in eine Dissoziation gebracht.

    Der Thera der Klinik sagte später dazu, das sei genau richtig gewesen, intuitiv..und erzählte mir dann von Peter Levine.
    Tiere zittern und schütteln das erlebte traumatische ab...und wenn es bei uns aber "steckenblieb".....kann man es, in Begleitung..u.U.
    auch wegzitterschütteln..diese Erfahrung hat Levine zumindest mit eigenen Klienten gemacht.

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