• Ich finde, du hast das sehr schön und bildlich “treffend“ beschrieben. Danke dafür.

    Ich erlebe es häufig, dass ich anderen mitteile, dass "die Ecke brennt" (= ich habe ein Problem), die anderen darauf überhaupt nicht reagieren, ich dann stärker ausdrücke, dass es ein Problem gibt und ich immer direkter, unhöflicher und lauter werde, aber egal, wie stark ich es ausdrücke, es wird nicht ernst genommen. Wenn ich dann aber richtig ausraste, sind alle erschrocken. :m(:
    Ich bin immer wieder erstaunt, wie sehr sich meine Wahrnehmung von der der anderen unterscheidet. Erlebt ihr es ähnlich, dass ihr nicht ernst genommen werdet, obwohl ihr euer Problem stark ausdrückt?

  • Erlebt ihr es ähnlich, dass ihr nicht ernst genommen werdet, obwohl ihr euer Problem stark ausdrückt?

    Ja, ich kenne das auch. In einigen Situationen kam dann später tatsächlich sogar raus, dass man vorher nicht mitgekriegt hat, dass ich mein Problem mitgeteilt habe, obwohl ich das mehrfach getan habe.

  • Das mit der brennenden Zimmerecke stammt übrigens wohl indirekt aus diesem Wartezimmer-Mülleimerexperiment. Da ham welche dafür gesorgt, dass ein Mülleimer in einem Ärztewartezimmer zu brennen beginnt und eine Person platziert, deren Instruktion war das komplett zu ignorieren. In Folge dessen haben die anderen Leute im Wartezimmer (die nicht eingeweiht waren) das ganze auch ignoriert. Das ist mal wieder typisch NTs! Diese Schafe!

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

  • Noch etwas zum Thema reinsteigern (Weiß grad nicht ob ich es schonmal gepostet habe?)

    "Hineinsteigern
    Im klinischen Alltag fällt diesbezüglich auf, dass sich Menschen mit ASS bei Erzählungen - auch aus der fernen Vergangenheit - manchmal geradezu in etwas hineinzusteigern scheinen, bis sie wieder voller Wut über längst vergangenes Unrecht oder traurig über einen länger vergangenen Verlust oder auch fröhlich sind ob eines besonders schönen Ereignisses vor zwanzig Jahren."
    (Quelle: Buch: Autismus Spektrum Störungen bei Erwachsenen, Riedel/Clausen, Seite 58)

  • @thomas74 Ist auch so bei mir. Wobei ich auch noch oft Bilder im Kopf dazu habe. Ich weiß/sehe dann vor dem geistigen Auge, also ich sehe nicht mehr das hier und jetzt, sondern gucke mir die Vorstellung regelrecht an, und weiß dann wo was gelegen hat oder wie ein Raum ausgesehen hat.

  • Erlebt ihr es ähnlich, dass ihr nicht ernst genommen werdet, obwohl ihr euer Problem stark ausdrückt?

    In meinem engeren Kreis weniger seitdem die Diagnose für Autismus steht.
    Vorher so gut wie immer.

    ich dann stärker ausdrücke, dass es ein Problem gibt und ich immer direkter, unhöflicher und lauter werde, aber egal, wie stark ich es ausdrücke, es wird nicht ernst genommen.

    Manchmal sorgt das dann umso mehr dafür, dass es nicht ernst genommen wird oder es wird als irgendwas anderes abgestempelt, das nichts mehr mit dem eigentlichen Problem zu tun hat; "Angststörungen", Sturheit usw.


    Das mit dem Reinsteigern kenne ich sehr gut. Ich kann dann aber auch nicht lockerlassen bis das Problem für mich gelöst ist. Erst dann kann ich wieder "runterkommen" oder mich beruhigen. Es kann auch vorkommen, dass mich bestimmte Dinge über einen langen Zeitraum hinweg beschäftigen und das nervt...

  • Das kommt mir sehr bekannt vor. Manchmal hatte ich schon Angst, vielleicht Borderline zu haben, weil meine Emotionen auch schon mal sehr hochkochen können (und ich dann teils auch Schwierigkeiten mit dem Umgang damit habe). Aber ich habe zB keine Angst Verlassen zu werden oder sowas, ganz viel aus der Borderline-Ecke passt absolut nicht auf mich. Ich habe schlicht Angst, nicht zu wissen oder zu verstehen, was vor sich geht. Ich kommuniziere sehr viel nach außen, also relativ ungefiltert, weil ich mir eben das auch von anderen wünsche. Wenn jemand aber nicht mit mir spricht, ist es völlig egal wie gut ich die Person kenne, dann ziehe ich daraus oft falsche Schlüsse. In beide Richtungen, also mal sehe ich "Drama" wo keins ist und mal geht das völlig an mir vorüber und wird mir erst später vorgeworfen.

    Reinsteigern tue ich mich dann, wenn ich weiß, dass ich gerade eben nicht weiß, was los ist.

    Diese Unwissenheit ist für mich ganz schlimm. Sobald ich weiß, was los ist, kann ich Lösungen suchen. Ohne genug Informationen bin ich aber wie gelähmt, weil es schlicht zu viele Möglichkeiten gibt, was sein könnte.

    Ratespiele/Quiz-Spiele habe ich auch noch nie leiden können. Entweder ich weiß etwas, oder nicht. Wozu so tun, als ob ich es wüsste, wenn ich es nicht weiß.
    Das hat mir auch schon manche Prüfung verhagelt.
    Ich schweife ab...

    (Lediglich VA, ich wollte dennoch gern meine Gedanken hier beitragen.)

  • Ja, wenn ich ignoriert werde, wenn ich ein Problem habe oder nicht weiß was los ist, ist das auch ganz schlimm für mich.

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

  • Meine Probleme werden oft relativiert, auch weil man mir meist nicht ansieht, wie sehr mich ein Problem belastet.

    Ja, das erlebe ich auch. Ich vermute zumindest, dass man mir nicht ansieht, wie sehr mich das Problem belastet. In mir drin ist es ja äußerst deutlich zu spüren, also wieso kommt das dann beim anderen nicht an? Gut, ein bisschen verstehe ich es, weil ich oft auch ironisch oder locker klinge, wenn ich es ernst meine. Aber ich weiß auch nicht, wie ich das Problem verdeutlichen soll, ohne direkt mega aggressiv zu klingen. Meine Stimme hört sich nämlich direkt aggressiv an, wenn ich ein bisschen gestresst bin und damit erreicht man beim Anderen gar nichts. Der blockt sofort.

  • Ich will dieses Thema nochmal aufgreifen. Ich las jetzt ungefähr: bei Angst ist die Amygdala aktiv und sendet an den präfrontalen Cortex (PFC), dieser bewertet dann die Situation und übernimmt dadurch die Kontrolle, schwächt die Aktivität in der Amygdala ab.
    Bei Angststörungen aber funktioniert das nicht sondern im Gegenteil wird durch die Aktivität des PFC die Angst noch bestärkt.
    Verstehe ich das richtig, dass das daran liegt, dass die Gedanken und Bewertung bei so jemandem nicht realitätsangemessen sind sondern dass man sich stattdessen das Allerschlimmste ausdenkt, was einem nur einfällt?

    Der PFC arbeitet zwar also sehr aktiv, jedoch mit den falschen Daten sozusagen?

    Meine Frage ist, was kann man dagegen tun? Meine Erfahrung ist, dass der Versuch, in einer akuten Angstsituation rationale Überlegungen anzustellen, mir nur oberflächlich gelingt (- immerhin! Vor der Verhaltenstherapie konnte ich das gar nicht). Ich überlege mir wahrscheinliche Ausgänge einer Situation oder Erklärungen für etwas etc., sage mir das auf, aber die völlig übertriebenen, unwahrscheinlichen Möglichkeiten lauern quasi direkt unter dieser dünnen Schicht rationaler Gedanken. So kriege ich dann die Angst nicht in den Griff.

    Hat jemand eine Idee oder sogar eigene Erfahrung, wie man diese Hirnaktivität, die einen in eine Angst hineinversetzt, aus der man am liebsten mittels k.o. geschlagen werden befreit werden möchte (da sprech ich jetzt nur von mir) stoppen kann? Kann man sich da kognitiv hintrainieren?

    2 Mal editiert, zuletzt von Lefty (10. Juni 2021 um 16:12)

  • @Lefty
    Ich habe da einen Tipp, einen "körperlichen":
    Wenn bei mir die Angst anflutet, atme ich sie "weg".
    Ich atme tief ein und dann langsam aus, ich achte darauf, deutlich länger (!) auszuatmen als einzuatmen.
    Das aktiviert den Vagus - Nerv, der ist Teil des Parasympaticus, der ist zuständig für das "Ruhesystem" im Körper, dadurch wird das Alarmsystem "runtergefahren", ab dann kann man wieder klarer denken.
    Bei mir funktioniert das sehr gut.
    Ich glaube, es gibt da noch andere Übungen, beim googeln findet man da einiges.
    Und es gibt ein Buch von Gee Vero, einer Autistin, in dem sie nicht nur Autismus sehr toll erklärt, sondern auch Übungen beschreibt, mit der man die Amygdala trainieren kann.
    Gee Vero (Autorin): Autismus-(m)eine andere Wahrnehmung, 2014, ISBN 978-1-78407-973-4

  • @crocodylia Danke für den Tipp! Eigentlich muss ich das wissen, ich hab das nur bisher ausschließlich in Verbindung mit Panikattacken gehört, dass man das da so macht, aber was ich beschrieb nenne ich selbst auch "eine Art Panikattacke", also hätte ich drauf kommen können...
    Das scheint mir ein sinnvoller Ansatz zu sein, es quasi rückwärts zu lösen das Problem - erst die Körperreaktion herstellen, als hätte man keine Angst und dann beruhigt sich auch der Geist.

    Danke auch für den Buchtipp!

    Zum Googlen - ich hatte zu speziell gegoogelt - Zusammenwirken Amygdala und PFC, nun hab ich "Amygdala trainieren" gegoogelt bzw. "beruhigen" wird gleich vorgeschlagen, da kommt einiges.

    Mich interessiert trotzdem, ob es auch möglich ist, die Arbeit des PFC zu verbessern, durch Übung im rationalen Bewerten, Einschätzen usw., wenn man mit kleinen Angstauslösern anfängt. Ob man die Gewohnheit des PFC, sich das Allerübelste auszudenken, modulieren kann.

    Wenn ich selbst Erfahrungen dazu gemacht habe, schreib ich es hier.


  • Mich interessiert trotzdem, ob es auch möglich ist, die Arbeit des PFC zu verbessern, durch Übung im rationalen Bewerten, Einschätzen usw., wenn man mit kleinen Angstauslösern anfängt. Ob man die Gewohnheit des PFC, sich das Allerübelste auszudenken, modulieren kann.

    Wenn ich selbst Erfahrungen dazu gemacht habe, schreib ich es hier.

    Oh ja, bitte, schreib´deine Erfahrungen hier!
    Ich habe auch Panikattacken und Angst - Grübelschleifen...
    Was "vom Kopf" her bei mir noch hilft:
    Ein Imaginationsspiel:
    Die Angst personifizieren und dann interviewen - als sie fragen, was das Allerübelste ihrer Meinung nach ist, usw.
    Durch diese Interviewtechnik (die auch immer eine gewisse Komik birgt, finde ich), distanziert man sich und stellt sich der Angst trotzdem.

  • Ich will dieses Thema nochmal aufgreifen. Ich las jetzt ungefähr: bei Angst ist die Amygdala aktiv und sendet an den präfrontalen Cortex (PFC), dieser bewertet dann die Situation und übernimmt dadurch die Kontrolle, schwächt die Aktivität in der Amygdala ab.
    Bei Angststörungen aber funktioniert das nicht sondern im Gegenteil wird durch die Aktivität des PFC die Angst noch bestärkt.
    Verstehe ich das richtig, dass das daran liegt, dass die Gedanken und Bewertung bei so jemandem nicht realitätsangemessen sind sondern dass man sich stattdessen das Allerschlimmste ausdenkt, was einem nur einfällt?

    Der PFC arbeitet zwar also sehr aktiv, jedoch mit den falschen Daten sozusagen?

    Meine Frage ist, was kann man dagegen tun? Meine Erfahrung ist, dass der Versuch, in einer akuten Angstsituation rationale Überlegungen anzustellen, mir nur oberflächlich gelingt (- immerhin! Vor der Verhaltenstherapie konnte ich das gar nicht). Ich überlege mir wahrscheinliche Ausgänge einer Situation oder Erklärungen für etwas etc., sage mir das auf, aber die völlig übertriebenen, unwahrscheinlichen Möglichkeiten lauern quasi direkt unter dieser dünnen Schicht rationaler Gedanken. So kriege ich dann die Angst nicht in den Griff.

    Hat jemand eine Idee oder sogar eigene Erfahrung, wie man diese Hirnaktivität, die einen in eine Angst hineinversetzt, aus der man am liebsten mittels k.o. geschlagen werden befreit werden möchte (da sprech ich jetzt nur von mir) stoppen kann? Kann man sich da kognitiv hintrainieren?


    Stell dir für den Anfang folgende Fragen:

    1. Wovor habe ich Angst?
    2. Was ist das schlimmste was passieren kann?
    3. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, auf einer Skala von 1-10, dass das schlimmste eintritt?

    Damit holst du dich auf den Boden und entziehst dem negativen Gedanken seine Wirkung.

    Angst ist ein Gefühl, also erscheint die Angst und geht auch wieder.

    Wenn du in einer Situation bist und du Angst verspürst, dann lehne sie nicht ab. Begrüße die Angst: "Hey Angst, schön das du da bist. Ich weiss du willst mich beschützen, aber hier gibt es nichts zu befürchten. Schön das du da warst, bis zum nächsten Besuch".

    Was du damit bewirkst ist folgendes:

    1. Du lehnst deine Angst nicht ab, weil du weisst das sie auch wieder geht. Du bist ihr also positiv gestimmt, statt negativ.
    2. Im nächsten Teil nimmst du ihr die Wucht. (hier gibt es nichts zu befürchten)
    3. Zum Schluss lässt du deine Angst freundlich wieder gehen und löst sie auf.

    Finde heraus, wo die Angst her kommt und welche Ursache sie hat und löse sie auf. Ggf. in der Therapie.
    Wenn du eher ein negativ denkender Mensch bist, dann arbeite an deinen Gedanken, so das du positiv denkst. Dann ändern sich auch deine Befürchtungen ins positive.

  • @crocodyliaund @Tux Ihr beiden sprecht etwas Wichtiges an: die Angst nicht ignorieren. Ich schrieb ja, dass sie unter den rationalen Überlegungen lauert. Und das darüber hinweg quatschen erzeugt ein Gefühl, als ob die tatsächliche Angst gleich mit einem schwarzen Sack kommt und mir den überstülpen und mich ersticken will (oder so).
    Man muss beides zusammen bekommen - zulassen und gleichzeitig sanfte Kontrolle ausüben.

    Danke für eure Tipps und Strategien :thumbup:

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