Sprüche, auf die man gerne verzichtet hätte

  • Von Leuten zu hören, Autismus sei eine "Modediagnose", ist zwar einerseits ärgerlich (weil die Diagnose nicht ernst genommen wird), aber andererseits kann ich durchaus nachvollziehen, warum es zu solchen Aussagen kommt. Das autistische Spektrum ist stark gewachsen, es hat sich bis zur Grenze der "Normalität" ausgedehnt. Menschen, die sich nicht tiefer mit Autismus beschäftigt haben, wissen das nicht. Sie kennen kein "Spektrum". Sie kennen lediglich das klassische Bild des Autismus (z.B. keinen Kontakt zu anderen Menschen aufbauen können, außergewöhnliche Inselbegabungen haben). Am anderen Ende des Spektrums gibt es die Menschen, die eine eigene Familie gegründet haben oder in einem Sozialberuf tätig sind. Für Laien ist das nun mal unverständlich, das lässt sich auch nicht ändern. Bevor ich mich tiefer mit Autismus beschäftigt hatte, kannte ich auch lediglich dieses klassische Bild. Sogar nach meiner AS-Diagnose, als mir eine Gruppentherapie für Autisten (GATE, Uniklinik Köln) empfohlen wurde, war ich davon überzeugt, dass es gravierende Kommunikationsschwierigkeiten mit den anderen Gruppenteilnehmern geben würde, da ich mich selbst nicht für einen "richtigen" Autisten hielt. Mit der Zeit jedoch, je mehr Autisten ich an der Uniklinik Köln und auch hier aus dem Forum kennengelernt habe, desto mehr wurden mir die Augen geöffnet. (RW)

  • Das stimmt wahrscheinlich auch. Es dürfte ähnlich wie bei ADHS sein, das war irgendwann in Mode und jetzt mittlerweile ist das gar nicht mehr so. Es können sich einfach sehr viele mit solchen unklaren/diffusen Erkrankungen identifizieren, bzw. ihre Kinder. Und da immer mehr Ärzte sich zutrauen, auch ohne grundlegende Erfahrung im Bereich Autismus zu diagnostizieren, wird das auch so weitergehen, dass die Zahlen steigen.Ich selbst habe den Spruch noch nicht abgekriegt, würde mich vielleicht auch ärgern, aber wie gesagt, es ist einfach etwas wahres dran. Und das braucht man auch nicht leugnen.

    "Autismus ist ja eine Modediagnose.. ja selbst wenn! der soll mal gefälligst seine Arbeit tun , besonders da er es mit Menschen zu tun hat und nicht wie ich als Automechaniker mit totem Material, :evil:

    und ADHS war ja Modediagnosemaessig nur bei Kindern , "chemisch" zu behandeln, wieviel Kolateralschaden da entstand ist den UnVerantwortlichen wohl entfallen (ich kann mich zwar nur an Epilepsie-Drogenerfahrung errinnern , aber nehme an das ehem Retalinkinder auch nicht vergesslich sind)

    Tomi B , AS, ADS

  • @Grübler_1988: Da stimme ich zu, was die spezifischen Probleme betrifft, Autismus Außenstehenden zu erklären. Aber ich denke, das Thema "Modediagnose" geht weit über Autismus hinaus. Eigentlich trifft es auf alle Diagnosen zu, die diffuse und vielfältige Beschwerden beschreiben, eine große Medienaufmerksamkeit bekommen und dadurch bekannt werden, die aber im medizinisch-therapeutischen System in Deutschland eigentlich nicht "vorgesehen" sind. Das Medienecho und eventuell auch die tatsächliche Häufigkeit in der Bevölkerung sind hoch, wenn man die Sache aber vor Ort abklären will, rennt man "gegen Wände". Gleichzeitig haben die Ärzte und Therapeuten vor Ort das Gefühl, das ist jetzt so ein neuer Trend, den "jeder" haben will. Beschäftigt sich dagegen ein Arzt ernsthaft damit, so wird er über Mundpropaganda schnell bekannt und überlaufen, bekommt aber auch den Ruf, "jedem" die Diagnose zu stellen. Kein Wunder, weil die Menschen mit Eigenverdacht sich mangels Alternativen dort konzentrieren. Aber es verstärkt das Bild von der "Modediagnose" noch.

    Ich finde das problematisch. Kein Arzt kann sich mit allem auskennen, bei allen Entwicklungen auf dem neuesten Stand sein. Aber auch wenn Ärzte sich nicht auskennen, sollten sie ihre Patienten ernst nehmen. Vielleicht erwähnen, das Thema sei ja gerade in den Medien sehr präsent, sie selbst könnten das noch nicht einordnen. Und dann nachfragen, warum man denn denkt, dass man das haben könnte. Dann gemeinsam entscheiden, ob der Arzt sich schlau macht oder überweist, oder ob das nicht nötig ist, weil es andere, auch überzeugende Erklärungen gibt. Aber für eine solche Vorgehensweise müssten Ärzte mehr Zeit haben. Dennoch sollte Verständnis dafür da sein, dass Menschen, die einen Eigenverdacht auf eine "Modediagnose" haben, das normalerweise nicht tun, um auf irgendeinen Trend aufzuspringen. Die meisten haben reale Probleme.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

    Einmal editiert, zuletzt von Leonora (20. November 2019 um 13:35)

  • Die Therapeutin hatte sich ihren eigenen Aussagen nach bereits mit Autismus beschäftigt (ich vermute, weil sie selbst zumindest autistische Züge hat). Ich hatte aber den Eindruck, dass sie generell Diagnosen gegenüber abgeneigt war und die Probleme nicht als Krankheit sehen wollte. Das hat mich geärgert, weil sie mir meiner Auffassung nach damit das Leiden und die schwerwiegenden Probleme aberkannt hat. Vermutlich meinte sie es sogar gut, aber mir wäre wirklich wichtig gewesen, dass im Mittelpunkt steht, wie es den Klienten geht und nicht darum, die politischen Ansichten der Therapeuten kennenzulernen. Vielleicht hätte ich es einfach ansprechen sollen. Möglicherweise hätte man dann auseinanderdividieren können, warum sie es gesagt hat, warum es mich verletzt hat und dann überlegen können, ob ich mit jemandem zusammenarbeiten will, dem meine Meinungen nicht so wichtig sind. Aber letztere Frage habe ich dieses Mal nach Bauchgefühl entschieden. Ich bin trotzdem enttäuscht.

  • Das wäre weder professionell noch fair. Wenn sie begründete Zweifel hat, sollte sie die beim Namen nennen. Wenn sie sich nicht wirklich auskennt, sollte sie auch da ehrlich sein.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • Aber dieser Spruch oben ist einfach nur der Abschuss... "Es ist ja nicht so, dass du krank bist". Ich möchte einmal, dass Menschen, die so etwas sagen, einen Monat in meinem Körper stecken.

    Das wundert mich nicht wirklich. Die ganzen Medienautisten behaupten das ja gebetsmühlenartig immer wieder.
    "Autismus ist nur eine andere Art des Seins, Autismus ist keine Krankheit, Autismus ist keine Störung, Autismus ist keine Behinderung" usw.
    Auch in Blogs, auf Twitter etc wird das immer wieder verbreitet.

    und ADHS war ja Modediagnosemaessig nur bei Kindern , "chemisch" zu behandeln, wieviel Kolateralschaden da entstand ist den UnVerantwortlichen wohl entfallen (ich kann mich zwar nur an Epilepsie-Drogenerfahrung errinnern , aber nehme an das ehem Retalinkinder auch nicht vergesslich sind)

    "war" stimmt leider nicht. "ist" ist leider realistischer. Meine Freundin kriegt da in entsprechenden Gruppen bei FB sehr viel mit.
    Allerdings wird den Kindern heutzutage Autismus noch dazu "angehangen", oft mit der Begründung, dass sie mit ADHS alleine keine Hilfen bekämen.

    Hohe Zahlen bei der Editierungsanzeige zeigen nicht, dass ich permanent meine Meinung ändern würde. Ich habe nur Probleme Rechtschreib- und Grammatikfehler zu tolerieren und korrigiere diese daher, wenn ich sie sehe.
    Dennoch kann auch ich Tippfehler übersehen. In diesem Fall bitte ich um Nachsicht.

  • Das Muster "Diie meisten ...... sind keine richtigen......" lässt sich ja wunderbar variieren

    Okay, ich versuchs mal:

    Männer -- Weicheier
    Blondinen -- Wasserstoffgebleichtes Haar
    Chefs -- Keine Autorität
    Ehefrauen -- Scheinehe, um einer Frau ein Visum zu ermöglichen, reine Zweckehe
    Hunde -- winzige kläffende Ratten / Meerschweinchen / Bettvorleger / Hoppelhäschen / stofftierplüschtierartig / nicht ernstzunehmen
    Lehrer -- Haben keine Ahnung von Pädagogik und / oder ihrem Unterrichtsstoff
    Selkretärinnen -- Sind mehr mit Nägel lackieren beschäftigt oder Privatgespräche mit ihren Freundinnen führen
    Handwerker -- Machen mehr kaputt als heil

    Gut so?

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

  • Sogar nach meiner AS-Diagnose, als mir eine Gruppentherapie für Autisten (GATE, Uniklinik Köln) empfohlen wurde, war ich davon überzeugt, dass es gravierende Kommunikationsschwierigkeiten mit den anderen Gruppenteilnehmern geben würde, da ich mich selbst nicht für einen "richtigen" Autisten hielt. Mit der Zeit jedoch, je mehr Autisten ich an der Uniklinik Köln und auch hier aus dem Forum kennengelernt habe, desto mehr wurden mir die Augen geöffnet. (RW)

    Wenn man eine längere Zeit in seinem Leben ohne Diagnose war und dann die AS-Diagnose bekommt, dann ist es wohl ziemlich verbreitet, sich nicht wie ein "vollwertiger" Autist zu fühlen, eben deshalb, weil man ja vor der Diagnose irgendwie (mehr oder weniger) normal war. Zudem wird einem dann auch immer noch gesagt, man hätte ja nur eine "leichte Form" sozusagen einen Hauch von Autismus. Dann fällt es schwer zu glauben, dass man wirklich dazugehört. Ich habe damit auch Schwierigkeiten. Vielleicht ist das auch mit ein Grund, warum man sich oft mit anderen Autisten vergleicht und versucht herauszufinden, was dieses AS eigentlich ist, und was an einem autistisch ist, und wie das bei den anderen ist.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Als Reaktion auf eine konkrete Frage:

    "Denk mal drüber nach." (Als ob ich das nicht hätte)
    "Vielleicht kommst du selbst drauf." (Ich möchte es definitiv wissen und mich nicht auf meine Vermutungen verlassen.)

    Neuste Varianten:

    "Jedem, der die gleiche Ausbildung wie du und ich genossen hat, sollte die Antwort darauf klar sein." (Ja dann sag sie mir doch einfach, statt mich durch solche Aussagen öffentlich zu erniedrigen. Und nein, die Antwort wurde in der Ausbildung nicht gegeben, die könnte man höchstens versuchen indirekt abzuleiten, aber unklar, ob man das Wissen aus der einen Situation korrekt auf die andere übertragen hat.)

    Und dann noch in diversen Varianten mir nahelegen, dass das zu wissen unnötig für mich sei und ich psychologisch ergründen lassen soll warum ich so darauf beharre.

    Und das alles noch begleitet vom Selbstlob, dass man sich so viel Mühe gäbe und so viel Zeit investieren würde, mir zu helfen.

    Manchmal möchte ich einfach nur klare nackte Fakten, die genau zur Fragestellung passen, und kein Drumherumgerede, ist das so schwer zu verstehen?

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

    5 Mal editiert, zuletzt von Lex (6. Februar 2021 um 12:35)

  • Das mit Sprüchen kenn ich auch.

    1. Du ruhst dich nur auf dem Autismus aus.
    2. Du interpretiert alles falsch, andere Autisten tun das nicht.
    3. Du bekommst alles in den Falschen Hals.
    4. Du brauchst diese Hilfen nicht. ( Die Person die das sagte wollte es aber für sich)
    5. Du brauchst kein SBA ,du bist ganz normal.

    Das Do ist der Weg. :prof:

  • Manchmal möchte ich einfach nur klare nackte Fakten, die genau zur Fragestellung passen, und kein Drumherumgerede, ist das so schwer zu verstehen?

    Ja, für die meisten Menschen schon. Und die glauben dann aber auch nicht, wenn man etwas einfach nur als Fakt gemeint hat und interpretieren da dann noch irgend etwas extra rein.

  • Und am Ende beschweren sie sich, dass man auf ihrer Antwort / ihren Mühen nicht mit Wertschätzung reagiert hat...

    Dabei ist das doch so ähnlich wie wenn du jemanden fragst, wie man einen Papierflieger faltet, und der dir stattdessen nen Vortrag über Maschinenbau hält...

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

  • Dabei ist das doch so ähnlich wie wenn du jemanden fragst, wie man einen Papierflieger faltet, und der dir stattdessen nen Vortrag über Maschinenbau hält...

    OK, das ist wirklich am Thema vorbei. Bisschen Materialtechnik kann man da schon machen, aber das meiste ist doch eher Physik, weil man zum Falten eines Papierfliegers wissen muss, wie er sich aerodynamisch verhält, sonst ist es kein Papierflieger sondern nur ein Papierabstürzer.

  • Das war nur ein fiktives Beispiel für etwas wo die Antwort nicht zum Thema passt. Aber real ist das Problem eher ein Ebenenwechsel, dass also z. B. in Frage gestellt wird, warum man das überhaupt wissen will, dass man meint die Frage sei überflüssig aus dem und dem Grund, dass man psychologische Beratung empfohlen bekommt (oder besser gesagt zum x-ten Mal empfohlen bekommt, sein Mindset nochmal überprüfen zu lassen oder Ähnliches) oder dass einem gesagt wird was man tun kann statt der Sache, nach der man gefragt hat, obwohl das nicht gefragt war. (Das wäre so ähnlich wie wenn du jemanden fragen würdest, wie man möglichst schnell an ein Visum für die USA kommt, und derjenige antwortet indem er dir Tips gibt wie du deine Zeit in Deutschland nutzen kannst bis zur Abreise, was halt offtopic für den Thread ist und nichts mit der Fragestellung zu tun hat und wofür es schon nen eigenen Thread gibt.)
    Und wenn dann doch mal jemand in Bezug auf eine Frage (Frage im Sinne von wie kann man sich in der und der Situation geschickt verhalten, um die Situation aufzulösen) nen themenbezogenen Vorschlag macht und man den durchdenkt und Dinge anbringt, die dagegensprechen könnten (und sei es nur, dass man erklärt, dass etwas an den Ausgangsbedingungen der Situation falsch verstanden hat und der eine Vorschlag somit nicht anwendbar ist), wird das auch gleich wieder persönlich genommen und als undankbar hingestellt und so getan als sei man unbelehrbar oder was auch immer. Und dabei hat sich doch nur gezeigt dass die Antwort wie man sich verhalten sollte eben doch nicht so selbsterklärend ist, dass die Frage überflüssig war, sondern man genauer draufschauen sollte. Aber dafür fehlt den Leuten die Geduld und Objektivität. Sie haben ein festes Strategienpaket als das Nonplusultra verkauft bekommen und alleine schon der Gedanke, dass das nicht für alle Lebenslagen ausreichen könnte und man auch Tips für schwierigere Situationen bräuchte, wird rigoros abgelehnt als wäre es übelste Ketzerei und entsprechend heftig reagiert. Boar ey, was müssen die Leute immer so emotional reagieren? Und nein, die Beispiele sind nicht so abstrakt und realitätsfern, sind nichts super Seltenes auf das man nicht vorbereitet sein müsste, auch wenn einige so tun!

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

    2 Mal editiert, zuletzt von Lex (7. Februar 2021 um 00:53)

  • Viele der bereits vorgestellen Sprüche sind mir sehr bekannt und gehen mir teilweise noch gleichermaßen ans Gemüt. Aber der Erich Fromm hat mir gezeigt, dass die Normalen die eigentlich "Verrückten" sind, daher sehe ich zu diese verbalen Ticks auch als solche zu betrachten. Und mich daran zu gewöhnen, auch wenn das alles andere als einfach ist. Aber es ist besser, denn es wird nicht enden. Niemals. Soziale Systeme sind immer selbstreferentiell. Gleichwohl die Genderdebatte potentiell mehr Verständnis für "Andersartigkeit" birgt, dauert es wohl noch Generationen, bis es auch in der äußersten Peripherie angekommen ist. Also ich erlebe es wohl nicht mehr, aber die Hoffnung stirbt zuletzt (RW).

  • Der Klassiker früher zu Hause: "Andere in deinem Alter...." :m(: :thumbdown: ...egal zu welchem Thema.

    "Das ist reine Willenssache" / "Du musst dich nur (mehr) anstrengen"Sitz doch nicht immer nur vor dem Computer" / "Unternimm doch mal was" (Um mich zu anderen Dingen zu zwingen, wurde mir dann auch gerne mal das Internet gesperrt).

Jetzt mitmachen!

Sie haben noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registrieren Sie sich kostenlos und nehmen Sie an unserer Community teil!