Autismus vs Soziale Phobie

  • Zitat

    Das Problem mit Alexithymie habe ich auch. Hast du das diagnostiziert bekommen?


    Das wurde mal mitdiagnostiziert, eine spezielle, eigene Diagnostik nur dafür nicht.

    Bei mir ist es fast immer so, dass wenn andere mir Emotionen "unterstellen", die ich selbst nicht wahrnehme, mir diese dann aber sehr unpassend vorkommen, jedenfalls nicht wie das, was ich empfinden könnte/sollte/müsste. So etwas ist ja zwangsläufig auch nur die Projektion des anderen.

    Nichts ist, wie es scheint...

    Einmal editiert, zuletzt von Aldaris-Adun (12. Mai 2016 um 11:51)

  • Interessantes Thema mit dem ich mich zur Zeit beschäftige.
    Bitte nicht steinigen (RW) aber manchmal zweifele ich an der Diagnose Asperger bei unserer 15 jahre alten Tochter.
    Sie wurde mit 10 diagnostiziert hat es ohne Hilfe bisher in die 9 Klasse einer Regelschule geschafft.
    Gut, Autismus will ich bei ihr nicht wegdenken, dafür hat sie ein paar Eigenheiten wo es gut zutrifft.
    Was mich stutzig macht sind ihre Aussagen wieso und weshalb sie vieles nicht macht. So ab dem 12. Lebensjahr hat sie schleichend Ängste entwickelt und vermeidet viele Sachen wie alleine mit dem Bus fahren, Einkaufen, Fremde ansprechen etc...

    Wenn ich sie frage was ihr Problem ist, weshalb sie fremde nicht ansprechen kann dann sagt sie auch das sie denkt das ihr Gegenüber sie für Dumm halten könnte, das sie meist nicht weiß wie sie jemanden ansprechen soll...Ich muss dazu sagen das sie in der Schule auch mobbing ausgesetzt war, nicht nur von Schülern auch von Lehrern. Sie wurde auch sehr oft missverstanden oder eben als Dumm abgestempelt.

    Sie hat definitiv kein Selbstwertgefühl, und viele viele Ängste.
    Sie denkt ja von sich sie sei Dumm weil sie eben vieles nicht so kann wie ihre Gleichaltrigen.
    Naja ich muss sagen das wir vielleicht unseren Teil mit beigetragen haben, wir wussten ja bis sie 10 jahre alt war nichts von Asperger, so haben wie sie immer Situationen ausgesetzt wo sie viel negative Erfahrungen gemacht hat und viel Kritik bekommen hat auch von uns (wir wussten ja nicht was dahinter steckt)

    Fazit ist, sie denkt wirklich von vornherein das die Menschen sie als Dumm ansehen und sie sieht sich in vielen Sachen auch so...
    Auf der anderen Seite findet sie viele andere Menschen Dumm weil sie Aussagen machen die Sachlich nicht korrekt sind oder die sie nicht belegen können.

    Was mir auffällt ist, wenn sie angesprochen wird von einer Person und einfach fragen kommen wie "wie gehts dir, wie läuft die Schule..." da wirkt sie total eingeschüchtert und antwortet nur zögerlich kurz und knapp, es werden auch keine Gegenfragen gestellt. Aber wenn sie in der nächsten Minute über ihre Interessen mit der selben Person spricht, dann blüht sie richtig auf und das kleine verschüchterte Mädchen ist weg.
    Andrerseits legt sie überhaupt keinen Wert darauf was sie anzieht etc...dann ist ihr das was andere über sie denken plötzlich total egal, Marken interessieren sie nicht oder ob etwas passt oder nicht.

    Ich dachte in der letzen Zeit ob sie evtl. eine Angststörung, Minderwertigkeitskomplexe hat anstatt ASS.
    Aber körperliche Symptome einer Panikattacke hat sie nicht ich meine so richtig wie schwitzen, Herzrasen solche Sachen.

    Das Thema ist echt interessant. Laut Dr.Schillbachs Aussage wäre sie ja kein Autist sonder hätte eine Phobie?!

  • Was du beschreibst ist doch ganz typisch für Autisten. "Wie geht's dir?" ist eine zu offene Frage. Da weiß sie nicht wie genau oder wie ausführlich sie sie beantworten soll, gerade auch wenn es ihr nicht so gut geht. Bei "wie läuft die Schule?" ist es ähnlich, gerade wenn sie dort gemobbt wird. Wenn Sie hingegen über ihr Spezialinteresse reden kann, blüht sie auf, weil die Frage nicht zu persönlich ist und weil es ein Thema ist, mit dem sie sich auskennt, da blüht sie auf und muss nicht über eventuelle Misserfolge im schulischen oder privaten Bereich reden etc. Ich habe auf die Frage: "Wie wars in der Schule" irgendwann auch immer nur noch "so wie immer" geantwortet..

    Und ja, Autisten werden wirklich oft für dumm gehalten, ausgelacht, missverstanden (u. a. wegen Unterschieden in der Körprsprache und Mimik und Denkweise und Ausdrucksweise), abgewimmelt oder geraten ungewollt in Streit. Da ist es doch klar, dass sie Gespräche mit anderen lieber meiden. Erstrecht bei sehr unterschiedlichen Interessen und / oder wenn sie mit der Person noch keine positiven Erfahrungen gemacht hat.

    Soziale Phobie kann zwar als Komorbidität durch Autismus entstehen aber man kann es auch als Vernunft ansehen, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, wenn es doch so gar nicht hinhaut im Kontakt mit anderen. Bei "normalen" Sozialphobikern könnte man einfach sagen trau dich und alles wird gut, aber bei Autisten wird eben meist nicht alles gut, denn sie sind nunmal anders und das lässt sich durch ein "sich trauen" nicht wegbekommen.

    Daher muss man die Frage nach einer möglichen Sozialphobie oder Ähnlichem immer vor dem Hintergrund des Autismus betrachten. Ähnlich wie beim Spruch: "Ist er paranoid oder sind sie wirklich hinter ihm her?" (Wer wirklich verfolgt wird, dem würde man wohl keine Paranoidität diagnostizieren), kann man z. B. die Frage stellen: "Hat er / sie übertriebene Angst vor Ablehnung oder reden die anderen wirklich meist über sie, wenn sie sie tuscheln hört? Das ist ein Beispiel da Leute mit geringem Selbstwertgefühl oder Sozialangst oft irrtümlich denken sobald sie andere reden hören es ginge um sie, bei Autisten ist das aber oft wirklich der Fall, zumindest wenn es sich um Bekannte wie z. B. Mitschüler handelt.

    Ich habe mich ja dagegen ausgesprochen "leiden" bei einer körperlichen(!) Behinderung wie Autismus als Diagnosekriterium anzusetzen. Bei der Frage nach psychischen Erkrankungen im Bereich Angst macht die Frage aber schon Sinn. Es macht ja wohl einen Unterschied ob eine Person kein Interesse daran hat mit anderen abzuhängen oder sich schlichtweg nicht traut. Und wenn sie sich nicht traut, macht es einen Unterschied, ob es simple Schüchternheit oder eine Angststörung ist oder ob sie einfach immer wieder die Erfahrung gemacht hat als Autistin auf Ablehnung zu stoßen und sich das nicht länger antun möchte bzw. sich nicht lächerlich machn möchte beim Versuch sich aufzudrängen oder anzubiedern. Wenn Sie dann mehr Freude am Videospielen oder Fernsehen oder "Internetten" findet ist dieser Mediengebrauch nicht das eigentliche Problem sondern die Folge.

    Sorgen solltest du dir machen, wenn es einen kompletten sozialen Rückzug gibt einschließlich Schulverweigerung und / oder wirklich nur noch auf dem Zimmer hocken außerhalb der Schule und keinen Interessen mehr nachgehen oder wenn sie Angstattacken mit körperlichen Symptomen hat (z. B. Herzrasen, Urinieren, Schweißausbrüche etc.) oder wenn sie ein so ausgeprägtes Vermeideverhalten zeigt, dass sie dadurch in Schwierigkeiten gerät. Wobei hier auch gut der Lehrer helfen kann, zum Beispiel durch das Auslosen von Gruppenzusammensetzung bei Gruppenarbeit statt von ihr zu erwarten, sich Partner zu suchen.

    Einkaufen ist für viele Autisten sehr laut / schwierig / chaotisch. Erinnert mich an die Story von einer gewissen autistischen Krankenschwester, die ihren Job machen konnte nur für Kollegen zum Geburtstag nen Blumenstrauß kaufen war für sie echt schwierig, daher wollte sie diese Aufgabe nicht mehr übernehmen müssen. Und da dachten sie dann plötzlich wenn sie das nichtmal kann, könne man ihr auch ihren eigentlichen Job nicht mehr zutrauen, was natürlich ein Trugschluss ist.

    Und Busfahren ist erstrecht schlimm für viele Autisten. Lärm (besonders wenn Schüler mitfahren und / oder der Bus sehr voll ist oder Kleinkinder / Babys / Tiere mitfahren aber auch die Fahrgeräusche / Motorgeräusche / Verkehrsgeräusche als solche), zu viel ungewollte Nähe zu anderen Menschen, eklige Gerüche (Kaugummi, Raucheratem, Schweiß und Schlimmeres), eklige Anblicke (Müll, widerliche, oft zu leicht bekleidete Menschen usw.), keinen Sitzplatz finden und im Bus hilflos herumschaukeln wenn dieser um die Kurve fährt (was wirklich angstauslösend sein kann), durch Unkonzentriertheit oder einen Fehler in der Stationsanzeige oder einen Fehler des Busfahrers die Haltestelle verpassen und dann sehen müssen wie man sein Ziel doch noch erreicht und das möglichst nicht mit zu viel Verspätung und dann noch das Problem zur Bushaltestelle hin und vor allem auch auf dem Rückweg zur Bushaltestelle zurück bzw. zu der in die Gegenrichtung finden etc. Und falls es ein Schulbus bzw. Bus mit ihren Mitschülern ist, wird sie wohlmöglich sogar während der Fahrt gemobbt.

    Was sie vor allem braucht ist Verständnis. Würde man bei ihr vorschnell eine Angststörung oder Sozialphobie diagnostizieren, könnte ein Therapeut, der psychologisch geschult ist aber ihre Probleme mit sensorischer Überempfindlichkeit und Reizfilterschwäche (die sich nicht bessert wenn man häufiger in die Situation kommt sondern eher im Gegenteil), angeborenen Orientierungsschwierigkeiten, angeborenen Schwierigkeiten iKommunikation so gestalteen zu können, dass Anerkennung findet (was sich auch nicht bzw. nur zu sehr geringen Teilen wegtrainieren bzw. kompensieren lässt) nicht versteht und sie daher in Situationen bringt, die ihr nicht gut tun, und das dann Verhaltenstherapie nennt.

    Ich weiß natürlich nicht, ob bei ihr wirklich all das vorliegt, was ich sagte, aber das ein oder andere bestimmt. Wenn sie sagt sie braucht bei bestimmten Dingen Begleitung, solltet ihr ihr das glauben, wird schon seinen Grund haben und ist nicht einfach nur Ängstlichkeit und auch kein kindliches Verhalten. Manche Autisten tun bestimmte Dinge selbst im Erwachsenenalter nur in Begleitung oder meiden sie sogar gänzlich, wofür man als Erwachsene noch mehr Möglichkeiten hat.

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

  • Bei mir ist es fast immer so, dass wenn andere mir Emotionen "unterstellen", die ich selbst nicht wahrnehme, mir diese dann aber sehr unpassend vorkommen, jedenfalls nicht wie das, was ich empfinden könnte/sollte/müsste. So etwas ist ja zwangsläufig auch nur die Projektion des anderen.

    Das Problem ist, dass Nichtautisten die Mimik von Autisten oftmals nicht bzw. nicht treffend interpretieren können. Folge ist, dass sie nicht oder falsch deuten, wie es dem Autisten geht, ebenso wie umgekehrt der Autist oft nicht erkennt wie es seinem Gegenüber geht.

    Wenn ich da an eines meiner alten Erlebnisse als Beispiel denke:
    Hatte Leuten erzählt, dass ich Autistin bin und was ich für Schwierigkeiten habe. Sie haben mich daraufhin mit Fragen bedrängt, mehr und mehr Fragen. Mir war das mit der Zeit schon richtig unangenehm, ich wollte nicht weiter so ausgefragt werden aber auf jede Antwort folgte eine neue Frage und ich habe weiter brav geantwortet, da ich nicht unhöflich sin wollte. Irgendwann wurden sie dann sauer und haben mich rausgeschmissen mit der Begründung ich sei zu selbstfixiert und es ginge die ganze Zeit nur um mich. Sie haben mir nicht angesehen wie unwohl ich mich fühle bei ihrer ganzen Fragerei und haben daher nicht aufgehört und ich habe ihnen nicht angesehen, dass sie eigentlich von mir erwarten, dass ich Fragen an sie stelle und das Gespräch so umlenke. Und das obwohl ein Gesprächsleiter dabei war und das somit eigentlich sein Job gewesen wäre... Unter NTs wäre da viel mehr an wortlosem Verständnis gewesen. Ich bin ja echt aus allen Wolken gefallen als ich irgendwann als Erwachsene das Eisbergmodell sah und hörte 80% der Kommunikation sei nonverbal, denn ist bei mir nicht so. Ich versuche alles über Wort zu vermitteln, um mich verständlich zu machen, und Leute, die nicht mit mir reden, machen mich agressiv, weil ich sie nicht verstehe und nicht weiß, was sie wollen und weil ich es unhöflich finde, wenn sie bei Anprache oder Fragen einfach schweigen und mich ignorieren. Dieser Satz "man kann nicht nicht kommunizieren" trifft für mein Empfinden nicht zu.

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

  • Soziale Phobie kann zwar als Komorbidität durch Autismus entstehen aber man kann es auch als Vernunft ansehen, Konfrontationen aus dem Weg zu gehen, wenn es doch so gar nicht hinhaut im Kontakt mit anderen. Bei "normalen" Sozialphobikern könnte man einfach sagen trau dich und alles wird gut, aber bei Autisten wird eben meist nicht alles gut, denn sie sind nunmal anders und das lässt sich durch ein "sich trauen" nicht wegbekommen.

    Das war früher immer sehr oft der Fall...Wir Eltern haben aber auch viele andere haben ihr sehr oft gesagt "Du musst dich nur trauen" nach einer Zeit hat sie sogar auf solche Sätze aggressiv reagiert und wollte nichts davon hören.

    Daher muss man die Frage nach einer möglichen Sozialphobie oder Ähnlichem immer vor dem Hintergrund des Autismus betrachten. Ähnlich wie beim Spruch: "Ist er paranoid oder sind sie wirklich hinter ihm her?" (Wer wirklich verfolgt wird, dem würde man wohl keine Paranoidität diagnostizieren), kann man z. B. die Frage stellen: "Hat er / sie übertriebene Angst vor Ablehnung oder reden die anderen wirklich meist über sie, wenn sie sie tuscheln hört? Das ist ein Beispiel da Leute mit geringem Selbstwertgefühl oder Sozialangst oft irrtümlich denken sobald sie andere reden hören es ginge um sie, bei Autisten ist das aber oft wirklich der Fall, zumindest wenn es sich um Bekannte wie z. B. Mitschüler handelt.

    Klingt schlüssig. Eine zeitlang dachte ich sie leidet unter Verfolgungswahn oder eben Paranoia.
    Ich meine ich weiß das sie heute noch teilweise gemobbt wird aber wieso sie jetzt überall denkt das man schlecht über sie denkt oder denken könnte konnte ich nicht so ganz nachvollziehen.

    Einkaufen ist für viele Autisten sehr laut / schwierig / chaotisch. Erinnert mich an die Story von einer gewissen autistischen Krankenschwester, die ihren Job machen konnte nur für Kollegen zum Geburtstag nen Blumenstrauß kaufen war für sie echt schwierig, daher wollte sie diese Aufgabe nicht mehr übernehmen müssen. Und da dachten sie dann plötzlich wenn sie das nichtmal kann, könne man ihr auch ihren eigentlichen Job nicht mehr zutrauen, was natürlich ein Trugschluss ist.

    Sie geht gerne Einkaufen bzw. geht gerne mit um sich ihre Produkte zu kaufen.
    Aber immer in Begleitung. Ich glaube es sind nicht die Geräusche, es ist mehr die Angst sich anzustellen und an der Kasse zu bezahlen. Sie kann nicht genau benennen was ihr konkretes Problem ist aber sie vermeidet das eben. Orientierungsprobleme hat sie auch, ein Laden das sie überhaupt nicht kennt würde ein Problem werden auch ohne das Problem an der Kasse bezahlen zu müssen.

    Und Busfahren ist erstrecht schlimm für viele Autisten. Lärm (besonders wenn Schüler mitfahren und / oder der Bus sehr voll ist oder Kleinkinder / Babys / Tiere mitfahren aber auch die Fahrgeräusche / Motorgeräusche / Verkehrsgeräusche als solche), zu viel ungewollte Nähe zu anderen Menschen, eklige Gerüche (Kaugummi, Raucheratem, Schweiß und Schlimmeres), eklige Anblicke (Müll, widerliche, oft zu leicht bekleidete Menschen usw.), keinen Sitzplatz finden und im Bus hilflos herumschaukeln wenn dieser um die Kurve fährt (was wirklich angstauslösend sein kann), durch Unkonzentriertheit oder einen Fehler in der Stationsanzeige oder einen Fehler des Busfahrers die Haltestelle verpassen und dann sehen müssen wie man sein Ziel doch noch erreicht und das möglichst nicht mit zu viel Verspätung und dann noch das Problem zur Bushaltestelle hin und vor allem auch auf dem Rückweg zur Bushaltestelle zurück bzw. zu der in die Gegenrichtung finden etc

    Genau viele viele der Punkte hat sie auch angesprochen als ich sie fragte wieso sie nicht mal mit dem Bus fährt anstatt den Berg raufzulaufen.
    Busfahrten sind die Hölle für sie. Es geht noch wenn ich dabei bin aber alleine kann sie sich einfach nicht überwinden. Geräusche sind nicht das Problem, sie hat draußen meist Kopfhörer mit ihrer Lieblingssongs aber bei Gerüchen und Berührungen durch Fremde ist sie sehr sensibel. Sie denkt auch das sie die Haltestelle verpassen könnte, das ist einer ihrer Horror vorstellungen.

    Ich habe mich ja dagegen ausgesprochen "leiden" bei einer körperlichen(!) Behinderung wie Autismus als Diagnosekriterium anzusetzen. Bei der Frage nach psychischen Erkrankungen im Bereich Angst macht die Frage aber schon Sinn. Es macht ja wohl einen Unterschied ob eine Person kein Interesse daran hat mit anderen abzuhängen oder sich schlichtweg nicht traut. Und wenn sie sich nicht traut, macht es einen Unterschied, ob es simple Schüchternheit oder eine Angststörung ist oder ob sie einfach immer wieder die Erfahrung gemacht hat als Autistin auf Ablehnung zu stoßen und sich das nicht länger antun möchte bzw. sich nicht lächerlich machn möchte beim Versuch sich aufzudrängen oder anzubiedern. Wenn Sie dann mehr Freude am Videospielen oder Fernsehen oder "Internetten" findet ist dieser Mediengebrauch nicht das eigentliche Problem sondern die Folge.

    Vor ca anderthalb zwei Jahren hat sie unter der Situation gelitten kein Anschluss in der Klasse bekommen zu haben oder unter all dem was sie nicht kann. sie hat auch versucht durch eine ihrer wenigen Freundinnen in Kontakt mit anderen zu kommen...Irgendwas hat nie geklappt. Mittlerweile hat sie ihrer Frieden damit gemacht und sagt von sich auch das sie keine Lust mehr auf andere Menschen hat, es wäre ihr zu anstrengend und alle würden sie sowieso für doof halten.
    Auch die Mädels die sie seit Kleinkind alter kennt wenden sich immer mehr von ihr ab, sie finden meine Tochter "langweilig" etc...Das einzige was sie noch gemeinsam machen ist ab und zu Serien schauen.

    Sorgen solltest du dir machen, wenn es einen kompletten sozialen Rückzug gibt einschließlich Schulverweigerung und / oder wirklich nur noch auf dem Zimmer hocken außerhalb der Schule und keinen Interessen mehr nachgehen oder wenn sie Angstattacken mit körperlichen Symptomen hat (z. B. Herzrasen, Urinieren, Schweißausbrüche etc.) oder wenn sie ein so ausgeprägtes Vermeideverhalten zeigt, dass sie dadurch in Schwierigkeiten gerät

    Sie hatte eine Phase nach Corona wo sie fast die Schule verweigert hätte, hat sich aber einigermaßen erledigt. bzw. habe ich ihr Hilfen angeboten und zum ersten mal machen wie Genrauch von Schulbegleiterin. Diese hat sie auch schon kennen gelernt und anscheinend passt das gut, sie fängt nach den Ferien an. Die Lehrer waren einfach der Meinung das sie jemanden braucht der speziell auf sie eingeht weil sie von sich aus nie Fragen stellt oder Bedürfnisse äußert. Ihren Interessen geht sie aber nach wie vor ausgiebig nach. Sie sagt das sie eigentlich glücklich wäre, wobei die eben bei alltäglichen Handlungen diese vermeidende Haltung hat.
    Wie sind jetzt im ATZ auf der Warteliste, mal sehen wie das wird, ob die ihr dort helfen können. Beim Erstgespräch sagte ich schon das sie viele Ängste und eine vermeidende Haltung hat, die meinten das sie das kennen und das nicht selten bei heranwachsenden introvertierten Autisten vorkommt. Unsere Tochter ist zwar glücklich aber auch sie möchte ihr Selbstwertgefühl wieder aufbauen, also der Wille etwas daran zu ändern ist da.

    Ich danke dir für deinen sehr sehr aufschlussreichen Text.
    Ich habe immer das Problem das ich als Auslöser ihrer Unselbstständigkeit die Ängste sehe und den Autismus in Frage stelle und denke wurde sie vielleicht fehldiagnostiziert.

  • Was mich stutzig macht sind ihre Aussagen wieso und weshalb sie vieles nicht macht. So ab dem 12. Lebensjahr hat sie schleichend Ängste entwickelt und vermeidet viele Sachen wie alleine mit dem Bus fahren, Einkaufen, Fremde ansprechen etc...

    Das macht mich auch stutzig. Bei Autismus treten solche Probleme nicht erst in der Pubertät auf. Du sagst auch sie schämt sich dass andere sie dumm halten. Auch dieses ist typisch für normale Teenager, die alles mögliche peinlich finden.

  • Ich habe immer das Problem das ich als Auslöser ihrer Unselbstständigkeit die Ängste sehe und den Autismus in Frage stelle und denke wurde sie vielleicht fehldiagnostiziert.

    Dazu gäbe es ja die Möglichkeit, sie jetzt nochmal bei einer spezialisierten Autismus-Ambulanz vorzustellen.
    Ich weiß ja nicht wer ihre Diagnose damals gestellt hat.

  • Wie sind jetzt im ATZ auf der Warteliste

    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die ATZ nicht wirklich in der Lage sind Diagnosen einzuschätzen. Die sind interessiert daran zu therapieren und erklären vieles mit Autismus damit das in ihr Bild passt. Dort sind auch keine Ärzte sondern Sozialpädagogen.

    Wo wohnt ihr denn?

  • Ich habe immer das Problem das ich als Auslöser ihrer Unselbstständigkeit die Ängste sehe und den Autismus in Frage stelle und denke wurde sie vielleicht fehldiagnostiziert.

    Naja, es ist halt umgekehrt. Als Autistin ist man "frühreif" auf manchen Gebieten und "unselbständig" in anderen. (So wie im Grunde jede Behinderung in besitmmtn Gbitn "unselbständig macht, sonst wäre es ja keine Behinderung. Ein Rollstuhlfahrer kann auch nicht "selbständig" eine Treppe hochgehen...)

    Normal würden Teenager ganz von selbst die Welt erobern und solche Ängste gar nicht erst entwickeln, wieso auch? Würden sie nur nach z. B. traumatischen Erlebnissen. Wer mal in nem Aufzug steckengeblieben ist würde von da an vielleicht nicht mehr fahrstuhl fahren.

    Übrigens, wäre es vielleicht möglich, dass sie elektiven Mutismus entwickelt hat? Das ist die Unfähigkeit in bestimmten Situationen und / oder gegenüber bestimmten Menschen sprechen zu können. Findet sich bei Autisten recht häufig. Und ja, da kann schon ein Stück weit Angst / Hemmungen mit einfließen aber kann recht persistent sein.

    Nach allem, was du gesagt hast, vermute ich auch, dass du selbst nicht Autistin bist. Daher ist dir vielleicht gar nicht klar, wie anstrengend eine "normale Konversation" für Autisten ist. Da läuft so vieles gleichzeitig. Was Nichtautisten automatisch leisten können (z. B. Steuerung der Mimik, der Körpersprache, des Blickkontakts und dessen Länge und Interpretation der Mimik des anderen und Modulierung des Tonfalls) ist für Autisten nur als bewusste Prozesse durchführbar und mit Anstrengung verbunden und zudem selbst dann noch "fehleranfällig". Z. B. kann die Mimik oft nicht vollends interpretiert werden trotz Bemühungen. Für Autisten ist es in der Tat leichter all das zu vernachlässigen und sich alleine auf die sprachliche Ebene zu fokussieren, also z. B. einen Monolog zu halten, und das möglichst ohne dabei noch auf die Reaktionen der Zuhörerschaft achten zu müssen, da diese wie gesagt eh schwer nonverbal zu deuten sind und weil sie durch eine solche Ablenkung des Fokusses ihren Text vergessen würde.

    Auch kann auf der verbalen Ebene viel schiefgehen, da Autisten meist in erster Linie reden zur Übertragung von Sachinformationen und zum Einholen selbiger und nicht als eine Art soziales Ritual bei dem es einem darum geht dafür zu sorgen, dass der andere sich gut oder schlecht fühlt. Zudem sind sie sehr auf Ehrlichkeit bedacht meist und darauf alles bis ins kleinste Detail darzulegen. Da fehlen dann oft so Floskeln wie "hallo" und "wie geht es dir" oder auch den anderen zu fragen was er darüber denkt oder sagen möchte oder was er so spannendes erlebt hat die letzten Tage (was den Autisten ja vielleicht gar nicht so wirklich interessiert). Hinzu kommt noch Desinteresse an oftmals langweiligen Themen der Gleichaltrigen. Nichtautisten neigen stärker dazu die Interessen ihrer Peergroop quasi automatisch zu übernehmen aber Autisten fällt das oft schwer und sie heucheln auch ungerne Interesse. Zudem kann es ja Gründe geben ein bestimmtes Thema nicht zu mögen / für sich abzulehnen, falls es um etwas geht, was für die Autistin aus bestimmten Gründen nicht "funktioniert" / nicht praktiziert wird (könnte z. B. schminken sein oder Rockkonzerte besuchen oder was auch immer).

    Autisten müssen bereits während(!) des Unterrichts oft sehr viel Lärm durch Störgeräusche ertragen und sind dann froh, wenn sie in der Pause die Chance haben sich davon zu erholen und nicht auch noch in sozialen Kontakt gehen zu müssen, der sehr anstrengend für sie ist. Ist nur nicht immer leicht einen ruhigen Ort zu finden auf dem Schulgelände.

    Dieser vergleichsweise geringe Austausch mit Mitschülern bzw. Mitschülerinnen und die "Blindheit" für situationserläuternde Körpersprache / Mimik der anderen sorgt allerdings auch dafür, dass bestimmtes Wissen und bestimmte Fähigkeiten tatsächlich später erlernt werden. Andererseits bewahrt es jedoch vor "Gruppendämlichkeit" und Gruppenzwang, es sei denn ein Autist möchte so verzweifelt dazugehören, dass er sich absichtlich dumm stellt und jeden Scheiß mitmacht. Dumm im Sinne von dumm genug um so hirnlos daherzulabern wie die Kumpels und / oder dumm genug um etwas mitzumachen, von dem sie eigentlich weiß, dass es sinnlos oder sogar gefährlich ist. Das ist dann aber eine bewusste Entscheidung, und welche, die sich dagegen entscheiden und sich lieber distanzieren von denen, die in der Gruppendynamik gefangen mitschwimmen, kann man eigentlich beglückwünschen. Aber: "Wer gegen den Strom schwimmen will, muss einiges schlucken". Das war mein Lieblingspoeesiealbumsspruch in der Grundschule.

    Nimm deine Tochter so, wie sie ist. Sie braucht keinen Therapeuten sondern jemanden, der sich mit Autisten und Nichtautisten auskennt und ihr Dinge erklärt, die sich anderswo nicht zu fragen trauen kann, ohne für dumm gehalten zu werden, weil sie es eigentlich schon wissen müsste.

    PS: Autisten werden oft sehr nervös und gestresst durch plötzliche Planabweichungen. Da ist die Sorge die Haltestelle zu verpassen verständlich. Und die Gefahr sie zu verpassen ist auch erhöht, wenn sie sich durch Kopfhörer und sonstige Ablenkung zum Selbstschutz von der Umwelt abschottet.

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

    2 Mal editiert, zuletzt von Lex (6. August 2022 um 11:36)

  • Ich habe immer das Problem das ich als Auslöser ihrer Unselbstständigkeit die Ängste sehe und den Autismus in Frage stelle und denke wurde sie vielleicht fehldiagnostiziert.

    Ängste sind ja nicht einfach so da, sondern haben immer einen Grund. Den würde ich jetzt eben im Autismus deiner Tochter sehen bzw. in den daraus resultierenden Problemen. Sei froh, dass ihr schon so früh eine Erklärung gefunden habt, oft wird jahrelang recht hilflos an den Symptomen herumgedoktert, weil man keine finden kann.

  • Letztlich muss man auch immer unterscheiden zwischen nicht mögen und Angst davor haben. Blödes Beispiel: Wer Gurken schon probiert hat und den Geschmack unerfreulich fand wird vielleicht sagen: "Ich mag keine Gurken". Ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit "Ich habe Angst vor Gurken", auch wenn man es eventuell umformulieren könnte in: "Ich habe Angst, dass die Gurke genau so unangenehm schmecken wird wie alle anderen Gurken, die ich bislang im Leben gekostet habe". Da nochmal zum Probieren drängen würde keinen Sinn machen außer vielleicht die Person kennt bisher nur Salatgurken und soll nun zum ersten Mal eine saure Gurke probieren, ohne zu wissen, dass die völlig anders schmecken.

    Das Beispiel kann man in gewisser Weise auch auf anderes wie z. B. Sozialkontakt übertragen.

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

  • Das macht mich auch stutzig. Bei Autismus treten solche Probleme nicht erst in der Pubertät auf. Du sagst auch sie schämt sich dass andere sie dumm halten. Auch dieses ist typisch für normale Teenager, die alles mögliche peinlich finden.

    Alles mögliche findet sie nicht peinlich, ich meine ich sehe schon einen Unterschied zwischen ihr und ihren Altersgenossen.
    Auf Marken, Kleidung oder Schminke, Jungs...vieles was für gleichaltrige jetzt sehr wichtig ist, ist für sie einfach sinnlos uninteressant.
    Sie hat lange Haare die sie auch absolut nicht Kurzschneiden möchte, ein Pferdeschwanz geht auch nicht sagt sie...Meist bürstet sie die Haare nur oberflächlich und hinten wird ganz vergessen, ich darf sie aber nicht anfassen. Ich sage ihr sehr oft "so kannst du nicht rausgehen, das sieht nicht gut aus, was sollen den die Leute denken" da ist es ihr plötzlich komplett egal was Leute denken könnten auch wenn sie mit einem Riesen Fleck auf einem Shirt rumläuft stört sie sowas nicht im geringsten, dann ist ihr herzlich egal was sie Leute denken könnten.

    Dazu gäbe es ja die Möglichkeit, sie jetzt nochmal bei einer spezialisierten Autismus-Ambulanz vorzustellen.
    Ich weiß ja nicht wer ihre Diagnose damals gestellt hat.

    Sie wurde mit 10 Jahren in einer KJP spezialisiert für Autismus getestet.
    Ich hatte zwischenzeitlich auch mal überlegt sie erneut testen zu lassen wovon mir aber abgeraten wurde. Sie bekommt jetzt Hilfen an der Schule die sie auch braucht egal ob Autist oder nur Phobien. Hatte von einer Mutter gelesen die da einen großen Leidensweg hinter sich hatte mit ihrer Tochter, da wurden jahrelang unpassende Diagnosen vergeben und ständig wurde am Kind gedoktert. Naja irgendwie bin ich schon froh das uns das erspart geblieben ist. Der Verdacht auf Autismus kam nicht von uns, wir wussten nichtmal das es sowas in Form von Asperger gibt. In Moment ist mir nur wichtig das sie geeignete Hilfen bekommt, egal wie die Diagnose am ende lautet, das etwas nicht stimmt ist jetzt ausser Frage. Später wenn sie mal erwachsen ist und den Wunsch hat, kann sie sich ja nochmals testen lassen.

    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die ATZ nicht wirklich in der Lage sind Diagnosen einzuschätzen. Die sind interessiert daran zu therapieren und erklären vieles mit Autismus damit das in ihr Bild passt. Dort sind auch keine Ärzte sondern Sozialpädagogen.

    Echt? Ich meine in deinem anderen Forum gelesen zu haben das die Diagnose bei vielen Kindern gerade imm ATZ angezweifelt wurde.

    Naja, es ist halt umgekehrt. Als Autistin ist man "frühreif" auf manchen Gebieten und "unselbständig" in anderen.

    Das trifft voll auf sie zu, in manchen Dingen ist sie so reif und in anderen wiederum so hilflos. Sie besitzt ein großes Allgemeinwissen und ist Politisch sehr interessiert.

    Übrigens, wäre es vielleicht möglich, dass sie elektiven Mutismus entwickelt hat? Das ist die Unfähigkeit in bestimmten Situationen und / oder gegenüber bestimmten Menschen sprechen zu können. Findet sich bei Autisten recht häufig. Und ja, da kann schon ein Stück weit Angst / Hemmungen mit einfließen aber kann recht persistent sein

    Ja das hatte sie in der Grundschule und in der 5. Klasse, aber damals war es keine Angst, sie meinte nur, wenn sie plötzlich angesprochen wird und dabei angeguckt wird kriegt sie eine Blockade und kriegt kein Wort heraus. Hat natürlich für viele Peinliche Momente in ihre Leben gesorgt.

    Dieser vergleichsweise geringe Austausch mit Mitschülern bzw. Mitschülerinnen und die "Blindheit" für situationserläuternde Körpersprache / Mimik der anderen sorgt allerdings auch dafür, dass bestimmtes Wissen und bestimmte Fähigkeiten tatsächlich später erlernt werden. Andererseits bewahrt es jedoch vor "Gruppendämlichkeit" und Gruppenzwang, es sei denn ein Autist möchte so verzweifelt dazugehören, dass er sich absichtlich dumm stellt und jeden Scheiß mitmacht. Dumm im Sinne von dumm genug um so hirnlos daherzulabern wie die Kumpels und / oder dumm genug um etwas mitzumachen, von dem sie eigentlich weiß, dass es sinnlos oder sogar gefährlich ist. Das ist dann aber eine bewusste Entscheidung, und welche, die sich dagegen entscheiden und sich lieber distanzieren von denen, die in der Gruppendynamik gefangen mitschwimmen, kann man eigentlich beglückwünschen. Aber: "Wer gegen den Strom schwimmen will, muss einiges schlucken". Das war mein Lieblingspoeesiealbumsspruch in der Grundschule.

    Sie hatte da auch ihre Phase, so mit 12 wollte sie unbedingt dazu gehören was ihr Selbstwertgefühl noch mehr runtergezogen hat.
    Ehrlich gesagt ist sie selbst manchmal das Problem, sie geht auf andere nicht ein, ihre Interessen findet sie doof und langweilig. Wenn alle über Jungs und solche Sachen sprechen will sie über die Probleme in unserem System über Probleme in unserer Gesellschaft reden, das kommt bei Teenies nicht so gut an. Manchmal wirkt sie auch verwirrt wenn ich mal Ironische Bemerkungen mache....Die meisten Ironien und Witze kennt sie oder sie acht es an meinem Tonfall aus, ich merke das sie wenn ich etwas Ironisches sage im Kopf die Wahrscheinlichkeit ausrechnet ob das sein kann und gleichzeitig auf eine Reaktion von mir wartet. Wenn ich dann nur sage war spaß dann sieht man wie sie erleichtert mitlacht. Aber Gruppen geht gar nicht, sie kann nur 1 zu 1 Kontakte Pflegen.

    Sie will sehr oft auch von sich aus nicht mit den Mädels was machen, sie wird ja mal zu Geburtstagen etc..eingeladen aber sie will nicht hin, weil sie meint das ist ihr zu anstrengend. Ich wusste lange Zeit nicht was anstrengend daran sein soll sich einfach mit jemanden zu unterhalten den man kennt...Langsam fällt auch bei mir der Groschen.

    Ich bin keine Autistin, ich kenne aber auch keine Autisten in unserem Umfeld, wusste vorher nicht mal von der Existenz eines Asperger Syndroms.
    Vielleicht fällt mir auch ein Objektiver Blick auf sie schwer, da vieles an ihr für mich Normal ist, sie war ja auch unser erstes Kind weshalb ich da auch keine Vergleiche hatte wie Kinder sich entwickeln.

    Autisten werden oft sehr nervös und gestresst durch plötzliche Planabweichungen. Da ist die Sorge die Haltestelle zu verpassen verständlich. Und die Gefahr sie zu verpassen ist auch erhöht, wenn sie sich durch Kopfhörer und sonstige Ablenkung zum Selbstschutz von der Umwelt abschottet.

    Bei allem was sie wohl drumherum beachten müsste, wäre es nicht unvorstellbar. Ihre größte Sorge wenn wir unterwegs sind, das Menschen sie beim vorbeigehen berühren, das hasst sie absolut. Wahrscheinlich wäre sie im Bus zu sehr damit beschäftigt aufzupassen das die Leute ihr nicht zu nahe kommen.

    Ängste sind ja nicht einfach so da, sondern haben immer einen Grund. Den würde ich jetzt eben im Autismus deiner Tochter sehen bzw. in den daraus resultierenden Problemen. Sei froh, dass ihr schon so früh eine Erklärung gefunden habt, oft wird jahrelang recht hilflos an den Symptomen herumgedoktert, weil man keine finden kann.

    Wie oben erwähnt bin ich froh das uns das erspart geblieben ist.
    So wie ich es jetzt mitbekommen habe vergeben die Diagnostiker die Diagnose nicht leichtfertig.
    Wir waren in einer KJP spezialisiert auf Autismus, es wurden viele Test gemacht und zwei Diagnostiker waren beteiligt. Es gab auch keine Zweifel die sie gehabt hätten, also im Abschlussgespräch wurde ganz klar gesagt "sie ist im Spektrum, da haben wir keine Zweifel"

    War damals ziemlich überrollt von dem ganzen und hatte meine Zeit gebraucht um meinen Frieden damit zu machen, vielleicht ist dieser Prozess noch nicht ganz abgeschlossen bei mir.

  • Ich hatte zwischenzeitlich auch mal überlegt sie erneut testen zu lassen wovon mir aber abgeraten wurde.

    Wieso? Es ist doch besser genau zu wissen was los ist, als mit evtl. falsch abzielenden Hilfen durchs Leben zu gehen.


    Echt? Ich meine in deinem anderen Forum gelesen zu haben das die Diagnose bei vielen Kindern gerade imm ATZ angezweifelt wurde.

    Die Erfahrung habe ich in "meinem" ATZ nicht gemacht, kann aber natürlich nicht für alle sprechen.

    Ich kann jetzt nur von mir sprechen: Ich war anders als deine Tochter in dem Alter und du selbst hast ja auch nicht umsonst deine Zweifel. Aber schlussendlich kann ihr hier keiner die Diagnose stellen oder nicht. Wenn du nicht mehr zu einem Spezialisten gehen möchtest, dann musst du mit den Zweifeln leben.

    Einmal editiert, zuletzt von DeinVorname (6. August 2022 um 13:24)

  • Ja elektiver Mutismus in Form von Sprechblockade bei plötzlichem angesprochen werden ist typisch, findet man häufig bei Autisten.

    Und ist doch logisch, dass sie Dinge, die sie früher gemacht hat nicht mehr oder nur noch in Begleitung macht, weil sie immer wieder schlechte Erfahrungen damit gemacht hat und sich uneohl dabei gefühlt hat. Ist ähnlich wie das Gurkenbeispiel.

    Und die Phase des alles alleine tuns war wohl eher kurz denn als jüngeres Kind wird man eh noch bei fast allem begleitet und muss auch manches wie z. B. das Bezahlen an der Kasse nicht selber tun.

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

  • Wieso? Es ist doch besser genau zu wissen was los ist, als mit evtl. falsch abzielenden Hilfen durchs Leben zu gehen.

    Zur Zeit stehet ja eher im Vordergrund ihrer Hilfen die Ängste und da wird im ATZ hauptsächlich erstmal angefangen nach den Gründen ihrer Ängste zu suchen, ich denke wenn das nicht ganz passen sollte mit dem Autismus werden die das sicher auch merken oder wir werden merken ob das ATZ was bringt oder nicht.
    Viele Alternativen haben wir hier leider nicht, die meisten KJP's sind so überfüllt das wir nichtmal auf die Warteliste gesetzt werden können. Kann also auch nicht schaden sich beim ATZ mal vorzustellen.

  • Ja elektiver Mutismus in Form von Sprechblockade bei plötzlichem angesprochen werden ist typisch, findet man häufig bei Autisten.

    Das war in der Grundschule aber auch vor ihrer Diagnose echt ein Problem...
    Meistens wurde sie dann auch ausgeschimpft oder ausgelacht weil sie nicht antworten konnte. Mit Lehrkräften redet sie gar nicht mehr.

  • Ok dann verstehe ich nicht, dass du zwar in mehreren Threads deine Zweifel äußerst, aber gar kein wirkliches Interesse da ist, herauszufinden, ob die Diagnose stimmt?

    So würde ich das nicht bezeichnen, natürlich würde ich es gerne wissen und wie geschrieben war ich auch kurz davor eine erneute Diagnostik anzustreben, nur im Augenblick bekommen wir ja Hilfen ob Autismus oder nicht.

    Und ja, ich frage und äußere meine Zweifel hier im Forum, ich dachte dafür wäre solch ein Forum da?! Ich finde es auch sehr aufschlussreich was ich hier zu lesen bekomme und meine Zweifel werden weniger. Viele Gedankengänge oder Situationen kann ich jetzt besser nachvollziehen als vorher.

    Sicher wird sie in ihrem Leben eine erneute Diagnostik durchlaufen. Mit 15 überlasse ich ihr. die Entscheidung ob sie sich mit ihre Autismus identifizieren kann oder nicht. So eine Diagnostik ist auch kein Kinderspiel, die erste Diagnostik war schon sehr anstrengend.

  • Ich kann dir da nur aus meiner eigenen Perspektive berichten, da ich eine AS- Verdachtsdiagnose habe, aber noch nicht "offinziell" diagnostiziert worden bin.
    Das , was du berichtest, hat sehr starke Parallelen zu meiner eigenen Jugendzeit, in der ich als "schüchtern" und unsicher beschrieben worden bin, was sich schon deutlich vor meiner Pubertät abzeichnete.

    Gerade die für dich widersprüchlichen Eigenschaften deuten weniger auf eine "richtige" soziale Phobie hin.
    Zur Einstiegsfrage "Wie gehts dir?" , antwortete ich auch oft "Worauf ist das bezogen?", was sehr häufig als teenie- Aufmüpfigkeit interpretiert wurde. Dabei war die Fragestellung einfach viel zu offen und alles Andere als konkret.

    Ich selbst habe auch Mobbing erlebt, allerdings sehe ich das auch heute etwas differenzierter als damals.
    Würde mich eher als unangepasst angepasst beschreiben zu der Zeit.
    Ich wollte niemandem gefallen, sondern hatte sehr abgegrenzte Spezialinteressen und meinen Kreis für diese. Das war für die Meisten nicht nachvollziehbar & irgendwie wirkte ich wohl immer recht rational und erwachsen, andererseits aber auch irgendwie schräg und kindlich.

    Sobald ich die Gelegenheit hatte, etwas zu schreiben, tat ich das ausgiebig. Sobald ich aber im Kontakt mit meinem Mitachülern stand, wusste ich nie, wie ich mich verhalten soll und hatte auch lange Zeit mit selektivem Mutismus zu kämpfen.

    Lange dachte ich auch an eine soziale Phobie, da fallen aber zu viele Eigenschaften raus und mir ist aufgefallen, dass der erhebliche Unterschied nicht unbedingt von außen erkennbar ist, sondern nur subjektiv wahrgenommen werden kann, da die Reaktionen sich sichtbar ähneln, aber die Beweggründe und Emotionen Andere sind.

    "Du willst doch nur nicht normal sein, damit du dich nicht anstrengen musst."

  • Sicher wird sie in ihrem Leben eine erneute Diagnostik durchlaufen.

    Ehrlich gesagt würde ich davon abraten. Je älter ein Mensch wird desto höher die Gefahr, dass beim zweiten mal die Diagnose falschnegativ ist. Weil halt anhand von "Symptomen" diagnostiziert wird größtenteils und diese sich durch Masking / Kompensation / "Zusammenreißen" / Dazulernen was von einem erwartet wird etc. reduzieren können. Heißt dann würde sie die Diagnose vielleicht nicht mehr bekommen (obwohl sie natürlich weiterhin Autistin ist) außer man berücksictigt Dinge aus ihrer Kindheit wie bereits erfolgt. Es gibt leider viele Erfahrungsberichte von Diagnostikern, die anhand von ein-zwei nicht erfüllten Klischees das Vorhandensein von Autismus gleich kategorisch ausschließen und sich gar nicht mehr dafür interessieren, was derjenige noch anführen wollte. Da reicht es untr Umständen schon, wenn derjenige die Hand gibt oder in die Augen schaut oder verheiratet ist oder gerne Rollenspiele macht etc. Und ohne die Autismusdiagnos hätte sie weniger Möglichkeiten für Nachteilsausgleiche und Unterstützung und weniger Verständnis und verstünde sich selbst auch weniger und wohlmöglich würde man ihr dann auch noch ne psychische Krankheit einreden / diagnostizieren und sie basierend darauf falsch behandeln. Deine Tochter ist in allem wie du sie beschreibst eine typische Aspergerautistin und ja, die haben es als Teenager besonders schwer.

    I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.

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