Kann ein AS Autist sensibel und anhänglich sein ?

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    • Kann ein AS Autist sensibel und anhänglich sein ?

      Hallo ich möchte die oben gestalte frage mit einer kurzen Geschichte aus meiner Kindheit beginnen um sie etwas verständlicher zu machen. Als Kind viel es meinen Eltern sehr schwer mit mir in die Stadt zu gehen. Dies hatte den Grund das ich bei jedem Obdachlosen oder Bettler denn wir sahen Mitleid hatte . Und unbedingt wollte das meine Eltern ihm Helfen indem sie ihm Geld oder etwas zu essen gaben. Manchmal habe ich auch zuerst nichts gesagt dann dauerte es aber nicht lange bis ich plötzlich zu weinen anfing. Ich konnte mich erst dann wieder beruhigen wenn sie zu dem Obdachlosen oder Bettler zurück kehrten und ihm Geld oder etwas zu essen gaben. So wahr es aber nicht nur bei Obdachlosen sondern auch bei kranken oder Herren losen Tieren und allen anderen irgendwie benachteiligten. Als ich meiner Mutter nun vor kurzem erzählte das ich mich auf AS testen lassen wolle erzählte sie mir wieder sofort diese Geschichte. Und sagte mir das ich aus diesem Grund auf keinen fall AS haben könnte. Außerdem währe ich ein absolutes Mama Kind gewesen und für ein autistisches Kind viel zu anhänglich. Meine Frage ist nun ob Sensibilität und Anhänglichkeit an eine bestimmte Person wirklich AS ausschließen können. Vielen dank schon einmal im voraus für eure Antworten und bis dann
    • Hallo cam newton,

      ganz klare Antwort: Nein, das schließt sich nicht aus. Wir können sogar sehr anhänglich sein. Allerdings ist das in den meisten Fällen nur bei bestimmten Personen der Fall. Ich kann beispielsweise zu den wenigsten richtig Bezug gewinnen, aber wenn ich einem Menschen mein Vertrauen geschenkt habe und ihn mag, dann bin ich völlig fixiert auf diesen Mensch. Geh dann immer zu ihm hin wenn ich irgendeine Frage habe, und nur die Person darf mein Befinden erfahren und so. Er ist dann mein ein und alles, dabei ist das Geschlecht völlig egal. Ich kann auch auf Frauen total fixiert sein. Es ist also nicht so dass ich in diese Person verschossen bin, auch wenn das für außenstehende bei Männlichkeiten so wirken könnte manchmal. :) Allerdings ist das immer nur eine, maximal 2 Personen zeitgleich bei mir. Auf andere kann ich mich dann gar nicht konzentrieren - die sind dann einfach nur nebenbei da... Also wir können das vielleicht nicht bei vielen, aber bei manchen durchaus - vielleicht war das einfach damals deine Mama?

      Sensibilität... Naja sehr intensives Mitleid mit Menschen zu empfinden schließt Asperger auch nicht unbedingt aus. Es hängt halt immer davon ab, wie sehr man sich in Menschen reinversetzen kann. Vielleicht hängt das mit unserem guten Gerechtigkeitssinn zusammen, dass es allen gut gehen soll und das du da vielleicht gesagt hast, denen soll es nicht schlecht gehen und so. Ich weiß es nicht. Habe selbst eigentlich relativ selten Mitleid mit Menschen, wenn jemand vor mir weint, sehe ich das eigentlich relativ neutral, aber wenn mein Papa und meine Mutter oder mein Bruder weinen, dann tut mir das richtig in der Seele weh. Ich kann dann vielleicht nicht ganz nachvollziehen warum sie weinen, aber mir tut es immer so wahnsinnig leid dann, dass ich fast mit ihnen leide. Vielleicht konntest du dich in diese Menschen reinversetzen, wie schlecht es denen gehen muss dass du eben auch gelitten hast. Also wie gesagt - ich würde sagen dass es das nicht zwingend ausschließt. Übrigens: nicht alle Autisten haben die gleichen Charakterzüge. :) Es gibt sicher auch Menschen mit Asperger-Syndrom die anderen super gut in die Augen gucken können oder kuscheln als toll empfinden (mein Ex zum Beispiel). Nicht jeder Autist ist gleich, wie du ja weißt, deswegen sind auch solche Charakterzüge die eigentlich bei einem NT zu erwarten wären, bei einem Aspie möglich. :) Anderen Menschen helfen ist was wundervolles. :thumbup:
    • Ich war auch immer ein totales Mama-Kind und auch als ich 60km weggezogen bin, musste ich anfangs mindestens einmal die Woche "nach Hause" kommen.

      Mit der Empathie ist es so eine Sache. Wenn ich Menschen leiden sehe, dann sehe ich das auch ziemlich neutral. Ich erkenne es an den Gesichtern aber fühle nichts dabei. Anders bei alten Menschen, die kann ich irgendwie nicht leiden sehen. Als ich in den Nachrichten ein Bild gesehen habe, wie Flüchtlinge sich an ein Rettungsring geklammert haben und dort ein alter Mann war, der geweint hat, kamen mir auch direkt die Tränen. Wäre der alte Mann nicht dabei gewesen, finde ich es zwar vom Verstand her traurig, was die Menschen durchmachen, aber es lässt mich innerlich ziemlich kalt.

      Auch kann ich Bilder von Tieren aus dem Ausland, die total verwahrlost und gerupft aussehen, nicht gut haben. Und alles was mit Vergewaltigung zu tun hat, kann ich auch nicht haben.

      Als ich für ein Praktikum einmal vier Wochen einen Pfarrer begleitet habe, sagte er, ich sei sehr empathisch.
    • Ich würde sagen, dass ich auch eher auf meine Mutter fixiert war. Das dürfte aber den Umstand geschuldet sein, dass das Verhältnis zu meiner Mutter wesentlich entspannter ist als zu meinen Vater. Sie hat mich eher genommen wie ich bin/war. Von meinem Vater muss ich mir auch heute noch anhören wie wichtig es denn ist Freunde zu haben, auf Partys zu gehen etc.

      chriscrx wrote:

      Wenn ich Menschen leiden sehe, dann sehe ich das auch ziemlich neutral. Ich erkenne es an den Gesichtern aber fühle nichts dabei.
      Ich kenne das bei mir auch. Nur wenn kleine Kinder in irgendeiner Form betroffen sind macht es mich traurig.

      chriscrx wrote:

      Als ich für ein Praktikum einmal vier Wochen einen Pfarrer begleitet habe, sagte er, ich sei sehr empathisch.
      Mir wurde geraten in solchen Situationen eher den Mund zu halten. Ich drücke meine Meinung wohl so trocken und neutral aus, dass ich mir Feinde machen kann (RW?). Das war zumindest die Meinung meiner Therapeutin.

      The post was edited 1 time, last by DerJan ().

    • War auch ein extremes Mama-Kind und auch sehr mitfuehlend.

      Den meisten Studien nach haben Autisten eine zu nicht-Autisten vergleichbare affektive Empathie, waehrend die kognitive Empathie eher beeintraechtigt ist (das erkennen von Gefuehlen anhand von Mimik, Stimmlage etc.).
      (Who cares? Revisiting empathy in Asperger syndrome)
      Our data show that while the AS group scored lower on the measures of cognitive empathy and theory of mind, they were no different from controls on one affective empathy scale of the IRI (empathic concern), and scored higher than controls on the other (personal distress).

      Auch die Bindung an die primaere Bezugsperson ist bei Autisten nicht anders als bei nicht-Autisten.
      (Attachment in autistic children)
      Autistic children show similar attachment behaviors when compared to children with normal development [...]
      Children with autism prefer their mothers to strangers and attempt to remain close to them as much as other children.

      (Autism and Deficits in Attachment Behavior)
      However, the basis for D’Amato et al.’s speculation that autism is “characterized by deficits in attachment behavior” was a 24-year- old theoretical treatise (1), which subsequently failed to be supported by numerous empirical investigations. In 1984, Sigman and Colleagues first demonstrated that young children with autism behaved no differently in their response after separation from and reunion with their primary caregiver than did children with other developmental disabilities (2). Following Sigman’s seminal study, every laboratory experiment investigating attachment behavior with young children with autism has replicated the initial finding, demonstrating unambiguously that children with autism are as securely attached to their mothers as are their peers (38).

      Ich hoffe, das beantwortet deine Fragen vorerst ;)
    • Ich bin zwar auch nur ein VA, aber ich war auch sehr anhänglich, ein Papa-Kind. Wir haben früher immer viel gekuschelt, aber nach einiger Zeit hatte ich dann quasi auch genug und bin wieder allein in mein Zimmer. Heute ist es noch so, ich habe keine Probleme damit meine Eltern zu umarmen und zu berühren. Aber kommen die mal an und umarmen mich einfach so, legen die Hand um meine Schulter oder so, dann finde ich das irgendwie total komisch. Nicht unbedingt schlecht, aber halt komisch. Ich kann es gar nicht so wirklich beschreiben. Vielleicht liegt es daran, weil ich dann nicht vorbereitet bin.

      Wenn Tiere oder Kinder gequält werden, dann kann ich das auch absolut nicht ab und schalte dann im Fernseh sofort weg. Also ich kann zum Beispiel auch nicht sehen, wenn Tiere andere Tiere jagen und fressen, obwohl ich natürlich weiß das die das tun müssen um zu überleben, dass es eben die Natur ist. Aber mit ansehen, das kann ich einfach nicht. Und wenn Kinder gequält werden, muss ich immer anfangen zu weinen.

      Was andere (erwachsene) Menschen angeht, werde ich oft als sehr kalt oder herzlos bezeichnet.
      Als zum Beispiel sich mal ein ziemlich junger Mann hier in der Gegend totgefahren hat, habe ich es erstmal einfach nur zur Kenntnis genommen, aber nichts dabei gefühlt oder so. Als dann noch raus kam, das Alkohol, Drogen und überhöhte Geschwindigkeit im Spiel waren, ist mir mal der Satz "Tja, dann ist der doch selbst schuld" rausgerutscht. Alle waren darüber sehr entsetzt und empört.
      Bei Odachlosen ist es irgendwie so eine Sache... Ich weiß dann nie so genau was ich darüber denken soll. Ist es jetzt wirklich ernst? Braucht dieser Mensch wirklich Hilfe? Oder gehört er irgendwelchen Organisationen an, die dann später das Geld abknüpfen? Oder wenn ich dann die Leute am nächsten Tag mit alkoholische Getränke in den Händen sehe... dann frage ich mich auch, ob die Not denn nun wirklich so groß ist... Ich denke, wenn ich mich nur trauen würde, würde ich denen nur noch Sachgegenstände geben (Brötchen, Flasche Wasser,...) aber auf keinen Fall Geld. Nur traue ich mich in der Regel gar nicht in die Nähe dieser Menschen, keine Ahnung wieso. Und wenn die dann Hunde dabei haben, habe ich in der Regel mehr Mitleid mit den Tieren als mit den Menschen. :oops:
    • Vielen dank erst einmal für eure Antworten die mir sehr geholfen haben es etwas besser einordnen zu können

      Cisil wrote:

      Als zum Beispiel sich mal ein ziemlich junger Mann hier in der Gegend totgefahren hat, habe ich es erstmal einfach nur zur Kenntnis genommen, aber nichts dabei gefühlt oder so. Als dann noch raus kam, das Alkohol, Drogen und überhöhte Geschwindigkeit im Spiel waren, ist mir mal der Satz "Tja, dann ist der doch selbst schuld" rausgerutscht. Alle waren darüber sehr entsetzt und empört.
      Genau das hätte mir auch so raus rutschen können .Ich weis zwar das das es nicht nett ist aber ich mache mein Mitgefühl auch oft davon abhängig ob der jenige sein Misstand selbst verursacht hat oder nicht.

      Hattet ihr als Kind auch oft Angst das euren Eltern etwas passieren könnte oder das sie euch verlassen.Ich glaube nemlich das ich so auf meine Mutter bezogen wahr lag daran das ich immer Angst hatte es könnte ihr etwas pasieren oder sie könnte mich verlassen deswegen bin ich ihr dann auch immer überall hinterhergerant um dies zu verhindern.
    • Sandgirl wrote:


      Wir können sogar sehr anhänglich sein. Allerdings ist das in den meisten Fällen nur bei bestimmten Personen der Fall. Ich kann beispielsweise zu den wenigsten richtig Bezug gewinnen, aber wenn ich einem Menschen mein Vertrauen geschenkt habe und ihn mag, dann bin ich völlig fixiert auf diesen Mensch. Geh dann immer zu ihm hin wenn ich irgendeine Frage habe, und nur die Person darf mein Befinden erfahren und so. Er ist dann mein ein und alles, dabei ist das Geschlecht völlig egal. Ich kann auch auf Frauen total fixiert sein.
      Das geht mir ganz genau so. Hab damit auch schon einige Menschen vergrault, weil ich zu sehr geklammert habe. Ich hatte in der Jugend mal eine Freundin, die mit mir "schluss gemacht" hat, weil sie meinte, wir wären ja kein Liebespaar oder so. Mir fällt es schwer, Menschen zu teilen. Ich habe, wenn ich meinen Fokus auf einen Menschen gerichtet habe, auch kaum noch Interesse an anderen Menschen, könnte niemals mehrere gute Freundinnen haben, weil ich mich gar nicht aufteilen könnte.
      Ich will dann am liebsten immer nur mit der einen Person zusammensein.
    • In der Jugend war ich auch stark auf die wenigen Bezugspersonen fixiert, die ich hatte. Beziehungen beenden kann ich irgendwie auch heute noch nicht so richtig. Lebe wohl auch deshalb eher zurückgezogen, jetzt im Alter. Genau wie es Hans Asperger 1943 geschrieben hat. Könnte mich auch als "komisches Original" auf den Straßen herumtreiben, aber das macht mit zunehmendem Alter einfach keinen Spass mehr.


      Cisil wrote:

      ............. Ist es jetzt wirklich ernst? Braucht dieser Mensch wirklich Hilfe? Oder gehört er irgendwelchen Organisationen an, die dann später das Geld abknüpfen? Oder wenn ich dann die Leute am nächsten Tag mit alkoholische Getränke in den Händen sehe... dann frage ich mich auch, ob die Not denn nun wirklich so groß ist..................................................................................................................................
      .
      .
      ................................................... Und wenn die dann Hunde dabei haben, habe ich in der Regel mehr Mitleid mit den Tieren als mit den Menschen. :oops:

      Wenn es sich um einen mehr oder weniger "typischen" Wohnungslosen handelt, kann man davon ausgehen, daß er nicht zu einer organisierten Gruppe gehört und den Alkohol vermutlich wirklich braucht. Oft entsteht der Verlust der Wohnung erst durch die fortschreitende Suchtkrankheit (GdB 30). Hunde werden manchmal bewußt mitgeführt um an das Mitleid, das bei sehr vielen Menschen stärker ist wenn es um Tiere geht, zu appellieren.

      Als behinderter Mensch finde ich es allerdings subjektiv unmöglich, wenn man mich in der Wertschätzung unterhalb der Tierwelt ansiedelt. Da frage ich mich schon manchmal, was bei diesen "Androiden" (Verdachts-NTs) das zwischenmenschliche (soziale) Empfinden zerfressen hat. Vielleicht bin ich da sogar übersensibel.
    • Hallo,
      ich war auch ein totales Mama- Kind. Ich machte mir immer schrecklich Sorgen, dass mit Mama etwas passiert und ich dann alleine da stehe. Das konnte und wollte ich mir so gar nicht vorstellen…
      Ich war sehr anhänglich. Heute hänge ich auch an den paar Menschen, die mir etwas bedeuten. Ich hoffe, dass sie mich noch lange begleiten.
      Ich kann sehr mitfühlend sein, manchmal aber auch nicht. Es kommt sehr auf die Umstände an. Ich weine in letzter Zeit sehr selten. Darüber bin ich recht froh. Früher habe ich viel geweint und auch viele Wutanfälle gehabt, wenn mir etwas zu viel war. Heute habe ich Medikamente und damit geht es weitaus besser. Ich bin ausgeglichener und nicht mehr so leicht irritiertbar.
      Zum Thema zurück: Anhänglich bin ich schon. Mitfühlend kann ich sein. Muss aber nicht.

      LG Veronika.
      Man sieht nur mit dem Herzen gut.
      Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
      (Antoine de Saint-Exupéry)

      "Was ist falsch an sonderbar?"

      "Das Ende der Störung ist derzeit nicht absehbar."
    • Den meisten Studien nach haben Autisten eine zu nicht-Autisten vergleichbare affektive Empathie, waehrend die kognitive Empathie eher beeintraechtigt ist (das erkennen von Gefuehlen anhand von Mimik, Stimmlage etc.).
      Ich finde diese Unterscheidung zwischen affektiver und kognitiver Empathie immer sehr unglücklich gewählt von den Begrifflichkeiten her. Meine Schwester zum Beispiel wirkt immer sehr kaltherzig, die Gefühle anderer Leute scheren sie nicht. Das spricht nicht gerade für eine hohe affektive Empathie. Allerdings hat sie von Kindheit an viel Zeit darauf verwendet das Verhalten der Menschen und somit auch ihre Gefühle kognitiv zu analysieren und so zu begreifen, was in ihnen vorgeht, auch wenn es sie kalt lässt. Das spricht für eine hohe kognitive Empathie. So gesehen kann man auch sagen, dass manche Autisten eine niedrige affektive aber dafür eine hohe kognitive (= verstandesmäßige, analytische) Empathie haben. Ich finde man darf es nicht von der Fähigkeit, in Gesichtern zu lesen, abhängig machen. Ansonsten hätten blinde Menschen auch eine niedrige kognitive Empathie... Es gibt viele Wege, auf denen man die Gefühlslage anderer Menschen ergründen kann. Nachdenken und Erfahrungswerte spielen da durchaus mit rein.

      Von mir selbst würde ich übrigens schon behaupten, eine hohe oder zumindest mittelstark ausgeprägte affektive und auch kognitive Empathie zu besitzen. Details in Körpersprache und Mimik entgehen mir dennoch und ich kann auch nicht Gedanken lesen, so dass Missverständnisse nicht selten sind (erstrecht, da manche Menschen auf eine Art denken und sich verhalten, die meiner Art zu empfinden und zu agieren völlig widerspricht und die mir fremd ist, da ich nicht in solchen Gruppen agiere und mich schlecht reinversetzen kann in solche Denkschemata, die auf typischem NT-Denken basieren). Stimmen deuten und auffällige Mimiken deuten kann ich schon. Aber ich bin auch eher jemand, der die Gefühlslage anderer durch Zuhören und Nachdenken erfasst. Empathie empfinde ich aber hauptsächlich dann, wenn es wirklich jemandem schlecht geht und nicht in Alltagssituationen. Und wenn ich Mitgefühl empfinde, kann ich das nicht immer gut zeigen. Manchmal denke ich, ich würde mitfühlend gucken, aber es kommt nicht so an beim Gegenüber.

      Ich bin übrigens auch ein totales "Mamakind", wie ihr es nennt, und habe immer schon gerne und viel mit meiner Mutter gekuschelt und habe eine enge Bindung zu ihr und wollte ständig bei ihr sein. Meine Schwester hingegen hat kuscheln schon als Kind meistens nicht gemocht. Nur, als sie noch sehr klein war, gab es ab und an mal Phasen, wo sie es ein wenig mochte.
      I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.
    • Das kognitiv bezieht sich nicht darauf, dass das Vorgehen kognitiv stattfindet.
      Sondern erstmal nur darum, dass man mentale Zustände des Gegenübers erkennt.
      Die affektive Empathie ist der kognitiven quasi nachgeschaltet. Erst muss man verstehen, was der andere fühlt, dann kann man mitfühlen.

      Natürlich gibt es auch unter Autisten Psychopathen (welche sich in der Regel durch mangelnde affektive Empathie auszeichnen). Jedoch fände ich es schon merkwürdig, wenn ein Autist eine gar überdurchschnittliche kognitive Empathie vorweisen kann. Das widerspricht einfach allen derzeitigen Erkenntnissen.
      Durch den Mangel in der kognitiven Empathie wirken viele Autisten generell Empathielos. Es ist halt schwer mitzufühlen, wenn man nicht weiß, WAS die andere Person fühlt.
      Jedoch lässt sich die kognitive Empathie rational noch recht gut ausgleichen, während die affektive Empathie wohl entweder da ist oder nicht (wobei, ich glaube durch Meditation u.ä. lässt auch dies sich trainieren).

      Lex wrote:

      Ansonsten hätten blinde Menschen auch eine niedrige kognitive Empathie...
      Nein, da das "Mimiken lesen" natürlich nur ein Beispiel ist.
      Es gehört noch viel mehr dazu. Eins davon hast du selber schon genannt (Tonfall).
      Aber sicherlich sind Blinde durchaus eingeschränkt, da ihnen ein wesentlicher Teil entgeht.
      Das ist dann vergleichbar mit Autisten.
      Wenn man mit traurig blickenden Augen vor einer blinden Person steht, kann man nicht erwarten, dass sie einen intuitiv in den Arm nimmt und tröstet. Sie sieht es schließlich nicht, dass man traurig ist. In der Hinsicht ist die kognitive Empathie also durchaus eingeschränkt.
      Aber wenn man laut weint oder sagt "ich bin traurig", dann wird die blinde Person genauso mitfühlend sein (im Schnitt) wie sehende Personen.
    • "Kognitiv" und "rational" sind doch beides Wörter dafür, dass etwas im Gehirn abläuft. Von der Wortbedeutung her denkt man bei "kognitiv" an etwas, was sich aus Denkprozessen erschließt. Ich habe schon inzwischen mitgekriegt, das was anderes gemeint ist, aber da das der logischsten Annahme zuwider läuft, finde ich es nach wie vor misverständlich. Autisten haben keinen Mangel an kognitiver Empathie, da das Nichterkennen und/oder Nichteinordnenkönnen von Mimik und Gestik ein Wahrnehmungsproblem ist. Wenn man aber durch Nachdenken aufgrund von Vorerfahrungen und Eigenschaften der Situation erschließen kann, wie es demjenigen geht, ist das auch ein Vorgehen, das kognitiv stattfindet. Autisten sind nicht durch die Bank weg zu blöd dazu, daher muss man auch nicht pauschal von einem niedrigen EQ ausgehen. Der einzige Unterschied ist offenbar, dass Interpretationen von subtilen Gesichtsausdrücken nicht an das Gehirn von Aspies / Autisten gesendet werden, gemeint ist damit vor allem der Teil, der Leute Dinge unbewusst/intuitiv wahrnehmen lässt. Die NTs brauchen ja gar nicht darüber nachdenken, wenn sie es automatisch erfassen, also das Erfassen und Interpretieren von Mimik und Gestik automatisch abläuft, ganz ohne bewusste und gezielte Denkprozesse. Daher kann bei denen das Erkennen noch leichter und schneller geschehen und affektiv wirken, wenn sie es sich nicht bewusst machen, was da in ihrem Gehirn vorgegangen ist. Dagegen sind Autisten die besseren Detektive, da sie viel bewusster und gründlicher über die Person und Situation nachdenken (und teils nach Möglichkeit auch bewusster und gezielter Beobachten und über die Gesten und Mimiken nachdenken) müssen, um zu ergründen, was der andere fühlt. Daher ist es bei Autisten - wie du schon sagtest - häufiger erst kognitiv und dann erst affektiv, wogegen die NTs das kognitive - zum,indest meiner Definition nach - häufiger einfach überspringen können und dann direkt es bei ihnen affektiv ist, nicht unbedingt, weil sie so einfühlsam sind, sondern einfach, weil in ihrer Steuerzentrale eine Interpretation der nonverbalen Signale ihres Gegenübers automatisch ausgespuckt wurde.
      I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.
    • Lex wrote:

      Autisten haben keinen Mangel an kognitiver Empathie, da das Nichterkennen und/oder Nichteinordnenkönnen von Mimik und Gestik ein Wahrnehmungsproblem ist.
      An der Stelle wird es knifflig.

      Das Problem ist wohl eher, WARUM viele Mimik und Gestik nicht einordnen können.
      Ist es ein grundsätzliches (Wahrnehmungs-)Problem? Oder ist es eher ein "Nebeneffekt" einer Wahrnehmungsstörung?

      Beispiel:
      Ein Person, die taub ist, ist dadurch auch eingeschränkt in der Möglichkeit, sprechen zu lernen.
      Sie ist aber nicht grundlegend unfähig, sondern es ist eben ein Nebeneffekt der Behinderung.
      Wäre sie nicht taub, könnte sie genauso sprechen lernen wie jeder andere Mensch auch.
      So kann sie es nur in der Theorie, in der Praxis fällt es ihr hingegen deutlich schwerer, als hörenden Menschen.
      Man kann diese Person trotz möglicherweise fehlendem Sprachvermögen nicht als "stumm" bezeichnen, da die grundsätzliche Fähigkeit zur Sprache gegeben ist.

      Anderes Beispiel: jemand mit genetischem Defekt ist aufgrund dessen unfähig, sprechen zu lernen.
      Diese Person nennt man dann "stumm". Da ist die Behinderung eben grundlegend und kein Nebeneffekt.

      Ich hoffe es ist klar, was ich meine. Ist etwas wirr.

      Was du behauptest, ist, dass es bei Autisten auch "nur" ein Nebeneffekt ist.
      Ich vermute zwar, dass es meist auch tatsächlich so ist, aber bewiesen ist es halt nicht.
      Es kann auch sein, dass (manchen oder vielen) Autisten die grundsätzliche Fähigkeit zur Erkennung von Stimmungszuständen nicht (oder schwach ausgeprägt) besitzen.
      Es gibt aber auch verschiedene Theorien, die sagen, dass es ein Nebeneffekt ist, dadurch ausgelöst, dass Autisten z.B. mangels effektiver Filterung zu viele Details wahrnehmen und das Gehirn dadurch überfordert ist.
      Oder, dass verschiedene Parts des Gesichtes (z.B. Augen und Mund) nicht gleichzeitig wahrgenommen werden können.
      In eine andere Richtung geht die Theorie, die besagt, dass die Empathieprobleme gar nicht dem Autismus ursächlich sind, sondern ein Symptom der Alexithymie ist, welches häufig gleichzeitig mit Autismus auftritt. (Aber eben nicht immer!)
      Insgesamt ist dieses Gebiet aber noch nicht genug erforscht, ist ja schon Wahnsinn genug, dass man Autisten mittlerweile eine "normale" affektive Empathie zugesteht ;)

      Lex wrote:

      Daher ist es bei Autisten - wie du schon sagtest - häufiger erst kognitiv und dann erst affektiv, wogegen die NTs das kognitive - zum,indest meiner Definition nach - häufiger einfach überspringen können und dann direkt es bei ihnen affektiv ist, nicht unbedingt, weil sie so einfühlsam sind, sondern einfach, weil in ihrer Steuerzentrale eine Interpretation der nonverbalen Signale ihres Gegenübers automatisch ausgespuckt wurde.
      Ich weiß es zwar nicht, kann mir aber nicht vorstellen, dass ein NT mitfühlt, ohne zu wissen, was die andere Person fühlt.
      Das klingt irgendwie unlogisch.
      Ich glaube, auch bei nicht-Autisten ist die kognitive Empathie der affektiven "vorgeschaltet", aber dadurch, dass der kognitive Part auch intuitiv abläuft, ist diese Reihenfolge de facto vernachlässigbar, da es einfach so schnell abläuft.
    • Ich finde den Begriff "kognitive Empathie" als Ausdruck für das intuitive Erkennen von Gefühlen (ohne bewusst nachzudenken!) auch sehr unglücklich gewählt. Ich würde auch mehr als nur zwei Formen von Empathie voneinander unterscheiden, nämlich:

      - intuitives Erkennen und Verstehen von Gefühlen, ohne bewusst nachzudenken (wird in der Literatur als "kognitive Empathie" bezeichnet)
      - unmittelbares aktives Mitfühlen in dem Moment, wenn das Gefühl (ggf. auch analytisch) registriert wird, d.h. das bewusste Erkennen des Gefühls führt bereits dazu, dass in einem selbst das gleiche Gefühl wie beim Gegenüber entsteht und man darauf reagiert (Damit scheint z.T. die "affektive Empathie" gemeint zu sein.)
      - verzögertes aktives Mitfühlen nach einem längeren Prozess des bewussten Nachdenkens und Mentalisierens, d.h. das Gefühl wurde zwar schon registriert, aber man empfindet erst wie das Gegenüber, nachdem man sich gedanklich in die Situation des anderen hineinversetzt hat (Auch das scheint noch zur "affektiven Empathie" zu gehören. Oder ist das schon etwas anderes?)
      - passives Mitfühlen nur in Gedanken, d.h. man denkt über die Emotionen des Gegenübers nach und kann sie auch mit rationaler Logik nachvollziehen, empfindet aber selbst nichts oder empfindet ganz anders; eine emotionale mitfühlende Reaktion wäre dann nur geschauspielert

      Ich erlebe mich selbst als sehr mitfühlend, meine aber damit, dass bei mir das "verzögerte aktive Mitfühlen" und das "passive Mitfühlen in Gedanken" sehr stark ausgeprägt sind (wobei ich geschauspielerte emotionale Reaktionen möglichst vermeide, weil das ja irgendwie verlogen ist). Das "unmittelbare aktive Mitfühlen" funktioniert bei mir nicht immer. Wenn z.B. eine nahestehende Person weint, dann spüre ich in mir nicht unmittelbar einen Impuls, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten, obwohl ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schlecht sich derjenige jetzt fühlen muss. Und das "intuitive Erkennen und Verstehen von Gefühlen" ist die Form des Mitfühlens, die wohl bei allen Menschen im Autismus-Spektrum (bei mir auch) am schwächsten ausgeprägt ist.

      The post was edited 3 times, last by Friedlicher ().

    • Friedlicher wrote:



      Das "unmittelbare aktive Mitfühlen" funktioniert bei mir nicht immer. Wenn z.B. eine nahestehende Person weint, dann spüre ich in mir nicht unmittelbar einen Impuls, sie in den Arm zu nehmen und zu trösten, obwohl ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schlecht sich derjenige jetzt fühlen muss.
      Das ist denke ich auch mit ein Grund dafür, dass Austisten gerne für empathielos gehalten werden. Das affektive Mitfühlen ist ja nicht unbedingt gestört, sondern allenfalls die Reaktion. Ich habe damit auch oft Schwierigkeiten, weil ich einfach nicht weiß, wie ich reagieren soll, fühle mich doof, den anderen in den Arm zu nehmen, weiß nicht, was ich sagen soll, fühle mich überfordert. Als Folge dessen stehe ich dann dumm da und mache nix -> und andere meinen dann, man würde nicht mitfühlen, obwohl man es vielleicht sogar sehr stark tut. Ich denke manchmal, ich würde so stark mitfühlen, dass mich das regelrecht blockiert.
    • Ich denke nicht jeder hat mich richtig verstanden, daher versuche ich es nochmal aufzudröseln...

      Das Gehirn ist als Schaltzentrale unseres Körpers ein Organ, das vielfältige Aufgaben hat. Vereinfacht hat es unter anderem die folgenden Aufgaben:

      1. In Empfang nehmen von sensorischen Eindrücken, die die Sinneskanäle empfangen und an das Gehirn weitergeleitet haben (z. B. optische oder haptische Signale)

      2. Verarbeitung der Signale (z. B. wird ein bestimmter haptischer Reiz in "Schmerz" umgesetzt und ein bestimmter optischer Reiz als "blau" interpretiert, so dass man dann das entsprechende wahrnimmt).

      3. Im Falle von Schmerz z. B. unmittelbare Reaktion ohne Nachzudenken (z. B. reflexartiges Hand wegziehen von der heißen Herdplatte)

      4. Genaueres Nachdenken über das Gesehene (sich bewusst werden, dass man gerade blau gesehen hat oder Schmerz gefühlt hat und darüber nachdenken, was das für einen bedeutet)

      5. Entscheiden, wie man auf das Wahrgenommene reagiert (wobei es wie gesagt auch sein kann, das schon eine unmittelbare und/oder intuitive Reaktion erfolgt ist vor dem Nachdenken).

      Wenn ein Mensch blind oder taub ist, dann kann das im wesentlichen zwei Gründe haben. 1. das Sinnesorgan funktioniert nicht (z. B. Linse zu stark getrübt oder Trommelfell geplatzt, etc.) und kann daher keine sensorischen Informationen empfangen oder 2. Die Sinnesorgane funktionieren, die Weiterleitung an das Gehirn und/oder die Interpretation der Signale durch das Gehirn funktioniert aber nicht (das heißt die Signale kommen entweder gar nicht erst an beim Gehirn oder es gelingt dem Gehirn nicht die Signale in den optischen Eindruck der Farbe blau etc. umzusetzen). In beiden Fällen bedeutet es jedoch vom Resultat her, dass der Blinde oder Taube bestimmte Informationen aus seiner Umwelt nicht erhält und daher muss er seine anderen Sinneskanäle bemühen und viel nachdenken und interpretieren. Wenn er dann z. B. kratzende Geräusche hört, muss er überlegen, wodurch diese Geräusche ausgelöst wurden, was sich ihm aber manchmal erst nach längerem Nachdenken oder nachdem er schon längere Zeit in der Situation war und mehr Informationen gesammelt hat und was er manchmal auch trotz allem einfach falsch deutet und sich irrt. Allerdings würde niemand ihm deshalb einen Mangel an Empathie unterstellen. Auch dann nicht, wenn es um das Verhalten von Menschen, welches er nicht beobachten konnte und das er deshalb falsch einschätzt, geht. Er ist jemand, der seine Defizite so gut es geht zu kompensieren versucht, was ihm zwar nicht immer gelingt, aber dass es ihm manchmal gelingt trotz seiner Defizite die richtigen Schlüsse zu ziehen (z. B. indem er sich denken kann, was die beiden wohl gerade tun), zeugt doch eher für eine höhere Empathie als die von anderen, die alles sehen können und daher gar nicht so viel Empathie brauchen, um die Situation richtig zu deuten.

      Ähnlich verhält es sich auch mit Aspergern, würde ich sagen. Feinheiten in der Gestik und Mimik von Menschen werden entweder nicht richtig wahrgenommen, quasi übersehen, oder das Wahrgenommene vom Gehirn nicht richtig "übersetzt". Das ist somit vergleichbar mit einer partiellen Blindheit. Wenn der Aspie jedoch auf anderem Wege wie z. B. durch Erfahrungswerte oder durch die groben Züge des Verhaltens seines Gegenübers die Situation richtig erfasst, zeugt das schon von Empathie, auch wenn er dafür erst nachdenken muss aus kompensatorischen Gründen. Und dass die affektive Empathie frühstens dann einsetzen kann, wenn er die Situation verstanden hat oder sie ihm jemand erklärt hat, ist ja nur logisch. Bei NTs geht einfach alles viel schneller. Wenn sie rot sehen, wissen sie sofort, dass es rot ist, und sie haben auch automatisch sofort die Empfindung, die sie haben bei der Sichtung der Farbe rot, was hinsichtlich Farben übrigens auch für Aspies gilt, nicht jedoch für Leute, die rot-grün blind sind und daher das rot als graustufe sehen und sich aufgrund der Art der Graustufe und der Situation fragen müssten, ob es sich vielleicht um rot handeln könnte. Für alle anderen ist kein Nachdenken erforderlich sondern sie erkennen und verstehen "rot" sofort und nur, wenn sie es möchten, denken sie danach noch genauer darüber nach. Ansonsten ist es einfach nur einer von tausend Sinneseindrücken, die sich blitzschnell zu einem Gesamtbild zusammenfügen, über das sie dann wahlweise kurz, gründlich oder gar nicht nachdenken können. Und auch die feine Mimik interpretieren NTs schon in dem Moment, wo sie sie wahrnehmen, ganz automatisch. Wenn jemand lacht, lächelt oder sehr unfreundlich guckt, sehe ich das auch sofort automatisch. Subtilere Details der Mimik oder schwerer zu deutende Gesichtsausdrücke können andere Menschen genauso schnell automatisiert interpretieren, so dass sie darüber gar nicht erst nachdenken müssen.

      Daher nenne ich dieses Unvermögen der Aspies ein Problem der Wahrnehmungsverarbeitung und nicht ein Problem des Einfühlungsvermögens, denn man muss etwas ja überhaupt erst wirklich wahrnehmen und auch wissen, was es bedeutet, um es mit Empfindungen verknüpfen zu können. Und wenn man einen Gesichtsausdruck fehlinterpretiert, hat man dazu logischerweise auch die unpassenden Empfindungen. Aber ich finde schon Aspies zeigen ein hohes Map an Empathie indem es ihnen doch verhältnismäßig oft gelingt, ihr Defizit durch Nachdenken zu kompensieren und dennoch die Empfindungen ihrer Gegenüber richtig zu erfassen. Und wie sollte man das sonst nennen wenn nicht kognitive Empathie? Ebenso könnte man z. B. von einem NT, der die Sprache, in der sich seine Mitmenschen unterhalten, nicht versteht, das jedoch durch Analyse der Gestik und Mimik kompensiert und so korrekte Rückschlüsse auf den möglichen Inhalt des Gesprächs unter Berücksichtigung der Gesamtsituation und seiner Erfahrungswerte etc. zieht, ein hohes Maß an Empathie zusprechen. Umgekehrt würde niemand behaupten, dass er wenig Empathie hätte, nur weil er Situationen manchmal falsch deutet, denn jeder würde wissen, dass es an seinen mangelnden Sprachkenntnissen liegt. Bei Aspies war jedoch nicht von Anfang an klar, was das Defizit ist. Man hat nur das Ergebnis gesehen, dass sie Situationen falsch gedeutet haben, und daraus geschlossen, dass wohl ein Mangel an Empathie vorhanden sei. Ich sage also nicht, dass Gestik und Mimik nicht interpretieren können der Nebeneffekt einer Wahrnehmungsstörung ist sondern ich sage, dass Gestik und Mimik nicht richtig entschlüsseln können eine Wahrnehmungssstörung ist und dass die Schwierigkeiten damit, in Situationen empathisch zu reagieren, ein Nebeneffekt dieser Wahrnehmungsstörung ist. Das ist ein Defizit vergleichbar wie wenn das Gehirn (z. B. als Folge einer neu eingetretenen Hirnschädigung) verlernen würde, die Buchstaben, die es sieht, als Wörter zu lesen oder verlernen würde die Laute, die es wahrnimmt, als Wörter zu verstehen. Wenn derjenige dann nicht angemessen auf das "Gelesene" oder Gehörte reagiert, mag das nicht verwundern.
      I could work hard to be normal, but I prefer to hold myself a higher standard. Ego lex sum.
    • Ich hol mal diesen alten Thread hoch, weil ich gerade total glücklich bin, ihn gefunden zu haben - weil ich mich SO SEHR wiedererkenne :) :oops:

      Ich habe gerade zum wiederholten Mal in meinem Leben eine Freundin verloren (es sieht jedenfalls ganz danach aus) und ich glaube, ich stürze gerade nur deshalb nicht total ab, weil ich schon seit längerem Medikamente nehme, die meine Affekte ein wenig regulieren und weil ich durch meine Therapie, die ich derzeit mache, auch endlich mal versuche, Verantwortung für mich und meine Gefühle zu übernehmen.

      Mein Leben lang hatte ich immer eine, höchstens zwei Freundinnen, die ich ehrlich gesagt auch für selbstverständlich genommen habe. Ich habe mich auch immer auf sie fixiert und war sogar eifersüchtig, wenn sie andere Freunde getroffen haben :oops: Obwohl ich irgendwann selbst sehr lange keinen Kontakt zu ihnen hergestellt hatte (ohne böse Absicht!) und ihn dann wieder aufnehmen wollte, wurde ich schlimm abgewiesen. Daraufhin habe ich mich wie eine Ertrinkende an sie geklammert und wollte sie fast zwingen, wieder mit mir befreundet zu sein, da ich zu dem Zeitpunkt keine anderen Freunde hatte.

      Ich habe regelrecht darum gebettelt, dass sie mich "zurücknehmen". Bei dem aktuellen Fall nehme ich mich jetzt ganz doll zusammen, weil ich dieses Verhalten nicht wiederholen möchte. Aber es ist wieder genau so wie früher: ich habe mich so sehr an sie geklammert und sie für selbstverständlich genommen - sie war einfach jemand, der für mich da ist und ich fürchte, ich hatte eine Art Anspruchshaltung an sie.

      Wie ich jetzt hier lese, dass viele sehr anhänglich gegenüber ihrer Mama waren, wird mir klar, dass das höchstwahrscheinlich auch der Grund für mein Empfinden ist. Ich war auch sehr anhänglich und hatte oft Angst, meine Mama könnte plötzlich weg sein oder tot, oder sie könnte mich vergessen, vom Kindergarten abzuholen.

      Ich habe das wohl nie überwunden und suche in einer Freundin immer noch meine Mama, die für mich da ist (dabei habe ich ja eine Mama, aber die war eben nie so für mich da, wie ich es wohl gebraucht hätte, und ich nehme an, ich brauchte einfach unglaublich viel Liebe und Zuwendung). Auch an meinen Mann habe ich mich früher extrem geklammert und habe geheult, als ich ein paar Tage ohne ihn irgendwohin fahren musste.

      Wo ich mich hier auch wiederfinde, ist diese Diskrepanz - einerseits extrem emotional zu sein, wie ein kleines Kind - weinen, wenn ein Kind schrecklich weint oder wenn ein Tier leidet (was jetzt durch die Medikamente ziemlich unter "Kontrolle" ist) - andererseits kalt und emotionslos wirken (und auch schon so genannt worden, was mich verletzt hat!), weil ich kein Mitgefühl habe, wenn ich von einem höre, der gegen einen Baum gerast ist. Da habe ich überhaupt keinen emotionalen Bezug zu. Das heißt doch aber nicht, dass ich kalt bin!
      (gerade am Durchlaufen einer zweiten, intensiven Diagnostik, daher Status zunächst auf VA "zurückgesetzt")

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    • Kleine wrote:

      Ich habe mich auch immer auf sie fixiert und war sogar eifersüchtig, wenn sie andere Freunde getroffen haben

      Kleine wrote:

      Daraufhin habe ich mich wie eine Ertrinkende an sie geklammert und wollte sie fast zwingen, wieder mit mir befreundet zu sein, da ich zu dem Zeitpunkt keine anderen Freunde hatte.

      Kleine wrote:

      Ich habe regelrecht darum gebettelt, dass sie mich "zurücknehmen"

      Kleine wrote:

      Ich habe das wohl nie überwunden und suche in einer Freundin immer noch meine Mama, die für mich da ist (dabei habe ich ja eine Mama, aber die war eben nie so für mich da, wie ich es wohl gebraucht hätte, und ich nehme an, ich brauchte einfach unglaublich viel Liebe und Zuwendung). Auch an meinen Mann habe ich mich früher extrem geklammert und habe geheult, als ich ein paar Tage ohne ihn irgendwohin fahren musste.


      Finde ich seltsam, das habe ich so von ASlern nie gehört, kenne ich auch von mir nicht. Klingt für mich mehr nach einer Borderline Ausprägung.