"Autisten interessieren sich nicht für andere Menschen"

  • Ich hoffe, dieses Unterforum ist für diesen Thread OK.

    Ich war gestern in einer psychiatrischen Abmulanz, ich gehe da schon seit einigen Monaten hin, weil es mir hilft, mal mit jemanden zu reden. Also mit einem realen Menschen vor mir und nicht nur in Internetforen mit quasi Fremden. Naja, wie dem auch sei, die Ärztin, von der ich eigentlich viel halte, sagte mir den Satz in der Threadüberschrift: " Autisten interessieren sich nicht für andere Menschen." Ich habe ihr gleich widersprochen und von meinen Erfahrungen hier im Forum erzählt. Ob sie das beeindruckt hat oder nicht, kann ich nicht sagen, jedenfalls fand ich diese Äußerung mehr als daneben und eher auf einen stark Schizoiden zutreffend, der interessiert sich oft wirklich nicht für andere und ist am liebsten mit sich allein.

    OK, in der Realität sind Autisten natürlich oft allein, sieht man ja an mir. Aber sie lehnen Menschen nicht pauschal ab und können zumindest im Internet doch sehr angeregt Austausch haben. Man liest auch oft genug, dass viele Autisten gerne Freunde hätten oder die wenigen, die sie haben, sehr schätzen, es hapert eher an der Durchführbarkeit, weil man eben Probeleme in der sozialen Interaktion hat. Auch der Partnersuchthread spricht ja nicht gerade dafür, dass Autisten generell lieber allein sind und niemanden um sich herum haben wollen. :irony:

    Ja, wie seht ihr das? Sollte die Ärztin in Sachen Autismus lieber 'die Klappe halten', oder liege ich daneben? Wie ist das mit euch? Seid ihr an anderen Menschen (und dem Austausch mit denselben) interessiert oder nicht?

  • Ich finde, die Aussage deiner Ärztin zeugt von einer sehr oberflächlichen Betrachtung.
    Ich habe schon viel Interesse an meinen Mitmenschen, beruflich wie privat. Ich tue mich aber mit der Kommunikation sehr schwer. Meistens bin ich in Gesellschaft einer (NA) Freundin, die eine Brückenfunktion für mich hat. Dadurch klappt es ganz gut mit Kontakten und ich erfahre auch viel über andere, was mich auch wirklich interessiert. Wenn meine Freundin aber keine Lust auf Kontakte hat, dann macht es für mich leider auch keinen Sinn, alleine zu irgendwelchen Treffen zu gehen. Ich brauche diese Kommunikation " über Bande". Das kann dann schon so wirken, als wenn ich kein Interesse hätte.
    Ich kann mir auch gut vorstellen, dass das Interesse an anderen abflacht, wenn zu viele negative Erfahrungen gemacht wurden. Das ist dann aber auch was Anderes, als die pauschale Feststellung, dass Autisten kein Interesse an anderen Menschen hätten.

    Heute in mich gegangen - auch nichts los (Karl Valentin)

  • Ganz ehrlich? Ich verstehe den Gebrauch des Ironiesmilies an dieser Stelle nicht.
    Wenn das ironisch gemeint ist dann meinst Du das Gegenteil? Das verwirrt mich...

    Hohe Zahlen bei der Editierungsanzeige zeigen nicht, dass ich permanent meine Meinung ändern würde. Ich habe nur Probleme Rechtschreib- und Grammatikfehler zu tolerieren und korrigiere diese daher, wenn ich sie sehe.
    Dennoch kann auch ich Tippfehler übersehen. In diesem Fall bitte ich um Nachsicht.

  • Die Aussage "Autisten interessieren sich nicht für andere Menschen" finde ich so pauschal falsch.

    Ich interessiere mich sehr für meinen Partner und für eine ganz kleine Anzahl an Menschen, aber ansonsten sind mir Menschen egal.

    Was mir früher schon schwer fiel, oder "gegen den Strich ging" (RW) ist, dass manche Menschen erwarten, dass man sich für andere Menschen zu interessieren hat beispielsweise für Flüchtlinge. Gutes Beispiel ist so eine Empörung, die gerade durch andere soziale Medien geht, dass Nachbarn sich beschweren, wenn auf einer freien Wiese vor ihrem Haus von einem Tag auf den anderen Zelte für 800! Flüchtlinge aufgebaut werden sollten und die empört raus liefen. Ich dachte mir da nur "ja mich würde das auch stören" mich stören einfach viele Menschen, auch in öffentlichen Verkehrsmittels und mir fehlt oft die Kraft dieses Gefühl eben zu unterdrücken und sozial adequat oder "politisch korrekt" zu antworten.

    In der Schule bin ich früher negativ aufgefallen, weil ich nicht diesen "oh schlimm in Afrika hungern Kinder" Trend mitgeheuchelt habe, ich habe dann eben gesagt, dass das mir egal ist solange ich zu essen habe. Erst später habe ich dann gecheckt, das man wenn man seine Gefühle dazu ehrlich äußert sich eben unbeliebt macht. :roll:

    ***
    Ich denke Autisten sind von anderen Menschen, die ein bestimmtes soziales Verhalten erwarten, eher gestresst und meiden diese. Ich denke Aspies unter sich, die sich verstehen und mögen stressen sich da weniger.

    Ach und ich denke die Ärzte sind ja auch keine Götter und die Ärzteausbildung ist doch oft auch mangelhaft, da ist eben noch ein Autist jemand, der sich mit Bildkarten verständigt und niemals eine Partnerschaft eingehen kann.

    ~Die Liebe allein versteht das Geheimnis, andere zu beschenken und dabei selbst reich zu werden.~

  • Ich verstehe, wie deine Ärztin zu diesem Gedanken gekommen ist.
    Ich habe auch schon öfter von Freunden oder Bekannten die Rückmeldung bekommen, ich würde mich nicht genug für sie interessieren. Bei mir ist das einer Kombination aus schlechtem Gedächtnis (kann mir in meinen SIs alles merken, habe dafür aber bei anderem Probleme), wodurch es wohl wirkt, als würde ich nicht zuhören und dem Vergessen von Fragen-stellen geschuldet. Letzteres liegt daran, dass ich immer Angst habe, zu sehr in die Privatsphäre meines Gegenübers einzudringen (RW) und nicht weiß, wann ich nerve. Außerdem erzähle ich sehr gerne.
    Mit meinem Vater (VA) klappen Gespräche aber super, weil wir uns immer zu dem, was der andere gesagt hat, etwas erzählen, ohne auf eine Frage zu warten. Für einen Außenstehenden wirken unsere Gespräche wohl auch so, als würden wir uns nicht füreinander interessieren, aber wir merken beide, das es anders ist.
    Schriftlich fällt mir der Kontakt leichter. Da kann ich zwischendurch nachdenken und bin weniger schüchtern.

    Aus dem Wunderland

  • Wüstenblume
    Musst du eigentlich jede Gelegenheit nutzen, deine fremdenfeindliche Gesinnung auszuposaunen :m(:


    Ich habe nur ein konkretes Beispiel genutzt bei dem es sozial wohl nicht angemessen ist, zu sagen, dass einen die Menschen nicht interessieren. :| Da kann man ja die Uhr nach stellen (RW) wann man für diese Beispiele wieder mal angegangen wird. :nerved:

    Genau wegen solcher Aussagen sagt man dann lieber "oh ja das Schicksal der Menschen interessiert mich".

    ~Die Liebe allein versteht das Geheimnis, andere zu beschenken und dabei selbst reich zu werden.~

  • Die Aussage "Autisten interessieren sich nicht für andere Menschen" finde ich so pauschal falsch.

    Ich interessiere mich sehr für meinen Partner und für eine ganz kleine Anzahl an Menschen, aber ansonsten sind mir Menschen egal.


    So würde ich das auch beschreiben. Ich interessiere mich für meine Familie und für einen ausgewählten sehr kleinen Kreis von Menschen. Und ich entscheide, wer in diesen Kreis kommt, nicht die Medien oder der Zeitgeist. Das ist dann sicherlich anders als bei der breiten Masse der Bevölkerung. Aber das sich Autisten nicht für andere Menschen interessieren ist schlichtweg falsch. Meine Tochter, die deutlich tiefer im Spektrum steht, beweist mir das auch jeden Tag.

    Die Anzahl der Menschen von Interesse und die Beweggründe, diese kennenzulernen, mögen bei Autisten allgemein schlichtweg anders sein als bei der breiten Masse.

  • Ganz ehrlich? Ich verstehe den Gebrauch des Ironiesmilies an dieser Stelle nicht.
    Wenn das ironisch gemeint ist dann meinst Du das Gegenteil? Das verwirrt mich...

    Nein, es war genau so gemeint, allerdings habe ich es etwas irreführend umschrieben. Vielleicht hätte ich den Smiley auch weglassen können, aber mir schien er an dieser Stelle passend.

  • Da fiel mir dazu ein, was jmd (Prof) mir mal geschrieben hat (auf Nachfrage):
    "wenn einen etwas nervt an Dir dann eben immer diese "selbstbezüglichkeit"."
    "Du bist zwar total da wenn Du da bist aber nicht als gegenüber dass einen ganz bewusst anSIEHT."

    Mein Partner meinte (vor der Autismus-Diagnose) auch schon, dass ich mich nicht genug für ihn und seine Bedürfnisse interessiere, immer zuerst an mich denke etc.

    Ich hab Kontakt zu Leuten meist über das SI. Die schreibe ich dann unvermittelt an, wenn ich was erzählen oder fragen möchte. Ohne ein "Vorspiel" wie etwa "Wie gehts wie war der Urlaub was machst du so...". (Jmd sagte ich "falle mit der Tür ins Haus). Und dazwischen melde ich mich dann wochenlang gar nicht. Ich denke dann schonmal an diese Personen, aber ich hab einfach Mühe den Kontakt zu halten. Öfter mal denke ich auch, ich könnte die nerven. Das wirkt sicher auch so, als würde ich mich nicht für sie interessieren. Aus dem SI Bereich kenne ich eine Frau mit AS und sie ist genauso wie ich was das angeht... (dadurch fiel mir überhaupt erst mein eigenes Verhalten auf, dachte ich zuvor nie darüber nach, aber bei ihr sah ich mich plötzlich "gespiegelt").

    Also ich kann nicht sagen dass ich mich nicht für andere interessiere. Aber ich denke, ich interessiere mich weniger für andere Menschen und für weniger Menschen, als NA das tun. Insofern hat die Ärztin imho nicht ganz unrecht.

  • Naja, meiner Meinung nach meinte sie es im Sinne von 'Autisten interessieren sich ausschließlich für sich selber und kein Stück für andere', was so wohl nicht unbedingt zutrifft. Der Zusammenhang war aber, dass sie anzweifelt, dass ich wirklich gestört bin, und mir lieber etwas anderes diagnostizieren würde. Da ich bei ihr oft von Menschen erzähle, die mir wichtig sind und von meinen Online-Aktivitäten, meinte sie halt, ein Autist würde sowas nicht tun, weil er sich eben nicht für andere Menschen interessiert.

    Ich denke, die Ärztin hat da einen relativ beschränkten Horizont und denkt bei Autisten nur an die schwerst betroffene Vertreter wie z.B. Kanner-Syndrom, aber weniger an die nicht so auffällige Autisten wie die Aspies oder die HFA's, die ja durchaus im normalen Leben funktionieren können und nicht auf jeden sofort behindert wirken (was jetzt aber nicht heißen soll, dass Kanners generell schwer behindert oder lebensunfähig wären, das war nur ein Beispiel!). Dass man inzwischen gerne von einen autistischen Spektrum spricht, das stufenlos von leichter Schüchternheit bis schwerem Pflegefall geht, hat sich zu ihr wohl noch nicht rumgesprochen.

    Naja, ich zumindest interessiere mich sehr für andere Menschen, auch wenn ich keinen realen Umgang mit ihnen habe. Mich nur auf mich allein zu beschränken, wäre mir auf die Dauer viel zu langweilig. Menschen können sehr interessant sein und einen immer wieder überraschen. In der sozialen Interaktion habe ich erhebliche Probleme, aber deswegen sind mir doch nicht alle Menschen egal. Ich bin schon so vielen interessanten Menschen über den Weg gelaufen (real oder virtuell), da wäre es schade, wenn sie mir egal gewesen wären und ich ihnen keine Aufmerksamkeit geschenkt hätte.

    Einmal editiert, zuletzt von Old Palinurus (10. Juli 2015 um 15:14)

  • Ich interessiere mich sehr für die Menschen als Spezies, ich analysiere ihr Verhalten und versuche ihre Gedanken zu verstehen. Das ist absolut spannend.
    Aber ich interessiere mich normalerweise eher wenig für einzelne Menschen im Sinne einer Beziehung, oder wirke vermutlich uninteressiert. Vielleicht liegt das aber auch daran, dass es mir oft zu stressig ist, denn wenn ich eine Beziehung habe, muss ich ja auch reagieren und kann nicht nur beobachten. Ich würde, um jemandem zu helfen, lieber irgendwelche Knöpfe drücken als hingehen, reden und aktiv werden (rein praktisch, theoretisch würde ich es toll finden, wenn das mit der Kommunikation klappen würde, und dann würde ich auch gerne auf andere Menschen zugehen).

    Ich bin im Vergleich zu anderen wahrscheinlich schon sehr selbstbezogen, aber "kein Interesse" an anderen Menschen wäre nicht korrekt.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Kontakte oder Interesse im RL mit anderen Menschen kostet eben auch Kraft und Energie und man braucht dazu Motivation. Und je weiter die Menschen im RL von einem weg sind, je weniger Motivation hat man auch sich für sie zu interessieren.

    Ich denke aber, die meisten Menschen interessieren sich für andere Menschen, weil sie davon einen Vorteil haben und sei es nur ein "gutes Gefühl" zu helfen, dass schüttet ja auch Glückshormone aus. Der Mensch ist ein soziales Wesen.

    Ich denke das Interesse an anderen Menschen ist oft außerhalb der Partnerschaft und des engen Familienkreises an Themen gebunden, und wenn ein Autist mit einem NA ein Hobby teilt dann kann das oft mit Interesse an der anderen Person verwechselt werden, in echt will man das SI und die Kontakte dadurch mit anderen Menschen kommen zwangsläufig.

    Mich stören oft Menschen und sie ziehen mir in der Außenwelt Energie ab, weil ich viel Energie darauf verwenden muss, "normal" zu wirken nicht aufzufallen und da bin ich oft froh, wenn ich meine Ruhe habe.

    Es gibt aber auch Momente und Phasen wo mich andere Menschen interessieren, aber eben den Zeitpunkt bestimme dann ich und nicht irgendwelche gesellschaftlichen normen oder Zwänge oder der Zeitgeist. Ich habe früher einmal eine bettelnde Obdachlose in meiner Stadt gesehen, die so alt war wie ich, fand das heftig, naja habe sie gefragt ob sie nicht Lust hätte mit mir einen Burger zu essen und habe sie zum Burger essen eingeladen und sie hat mir ihre Geschichte erzählt..so eben spontan. Das kommt zwar äußerst selten vor, aber dann kommt es von mir und nicht wegen gesellschaftlichem Druck oder so.

    ~Die Liebe allein versteht das Geheimnis, andere zu beschenken und dabei selbst reich zu werden.~

  • Ich interessiere mich sehr wohl, für andere Menschen.
    Allerdings brauche ich auch keine 100.000+ Facebook Freunde, die die Bedeutung des Wortes "Freundschaft" gar nicht verstehen.

    Ich suche mir die Menschen nun einmal sehr genau aus, die mir wichtig sind, und die ich "Freunde" nennen kann.
    Meine Eltern sind mir sehr wichtig, meine kleine Cousine ist quasi wie eine kleine Schwester für mich, und meine Freundin liebe ich über alles.

    Natürlich kosten soziale Kontakte Zeit und Kraft, und ich muss sie auch nicht unbedingt jeden Tag sehen.
    Aber trotzdem sind mir diese Menschen wichtig, und etwas besonderes für mich.

    Von daher sind solche Aussagen, unsereins würde sich für andere Menschen nicht interessieren, hohl, dumm und leer. (zumindest von meinem Standpunkt aus gesehen.)

  • Ob sie das beeindruckt hat oder nicht, kann ich nicht sagen, jedenfalls fand ich diese Äußerung mehr als daneben und eher auf einen stark Schizoiden zutreffend, der interessiert sich oft wirklich nicht für andere und ist am liebsten mit sich allein.


    Ich halte die Äusserung für übertrieben, wenn man sie wörtlich nimmt. Aber tendenziell steckt da zumindest für mich ein Stück weit Wahrheit drin. Mir sind meine Eltern sehr wichtig, meine Freundin und zuweilen waren es einzelne Bekannte, deren Verbindung aber eigentlich nur auf eine Gemeinsamkeit von grossem Interesse war. Darüber hinaus habe ich mich immer schwer getan, zum Beispiel bei einer Verbindung aufgrund des damaligen Heimcomputers (C64) mit denselben Leuten dann ein Geburtstag zu feiern. Wer mich eingeladen hat, der hat mich quasi belästigt und den Tag versaut. Ich hasse Geburtstagsfeiern. Ich hasse soziale Events, ich hasse die vielen selbstverständlichen Rituale der Gesellschaft. Wenn ich mir Menschen in einem Biergarten betrachte, dann gab es zuweilen den Gedanken, dass es doch gut sein könnte, zumindest in der Theorie - ABER! - in der Praxis lässt sich daraus keinen sonderlichen Nutzen gewinnen, es ist dann nur wieder zwanghaft und ich glotze ständig auf die Uhr oder denke mir "Wann ist dieser Mist endlich vorbei?". Ich möchte nicht am Tisch mit vielen Leuten sitzen und das Geklimpere beim Essen hören, die Bewegungen der Menschen um mich herum haben, Menschen im Rücken haben, Menschen, die hinter mir laufen. Meine Mutter sagte oft, dass mich alles stört was Menschen tun. Wenn ich spazieren gehe, dann ist die Natur dort am schönsten, wo Menschen nicht den Bock haben eine ungepflasterte, ungenormte und fraktale Landschaft zu betreten.

    Wenn ich die Menschen beobachte, dann tasten die sich verbal in einem Gleichgewicht gegenseitig ab. Man erkundigt sich über das Befinden des anderen, man zeigt sich interessiert für das Leben und die Taten des anderen. Ich frage Menschen nie wie es ihnen geht oder was Person XY so treibt.

    Zitat

    OK, in der Realität sind Autisten natürlich oft allein, sieht man ja an mir. Aber sie lehnen Menschen nicht pauschal ab und können zumindest im Internet doch sehr angeregt Austausch haben. Man liest auch oft genug, dass viele Autisten gerne Freunde hätten oder die wenigen, die sie haben, sehr schätzen, es hapert eher an der Durchführbarkeit, weil man eben Probeleme in der sozialen Interaktion hat. Auch der Partnersuchthread spricht ja nicht gerade dafür, dass Autisten generell lieber allein sind und niemanden um sich herum haben wollen. :irony:


    Wenn ich Menschen mit dem Asperger-Syndrom betrachte oder Kanner-Autisten, dann würde ich bei beiden mehr oder weniger behaupten, dass sie andere Menschen zumindest brauchen. Ich glaube das Problem könnte die schlechte Balance emotionaler Gegenseitigkeit sein in Verbindung mit sozialer Ungeschicklichkeit. In Menschengruppen regen sich immer Leute immer Dinge auf und aus "Flöhen werden Elefanten gemacht", aber ich habe den Eindruck, dass man am Ende so eine Art "soziales Happy End" braucht, wo wieder möglichst alle oder zumindest eine Mehrheit zusammenfindet. Bei mir ist es oft so gewesen, dass ich ganz gut allein oder in der Minderheit mit meiner Sichtweise existieren kann und dieses "Sozial-Happy-End" nicht so zwingend brauche. Das ist zwischenmenschlich aber nicht sonderlich gut, weil es auch nicht unbedingt den Frieden fördert oder stiftet. Ich glaube, dass Freundschaft und Partnerschaft auch eine gewisse Flexibilität benötigt und es sehr ungünstig ist, wenn man von der Persönlichkeit her jemand ist, der sich schlecht spontan den Umständen und Befindlichkeiten anderer verbiegen kann und/oder von manchen Gewohnheiten etc. schlecht oder kaum abweichen kann.

    Und dann glaube ich eben noch, wie weiter oben bereits angesprochen, dass das mit Menschen vielleicht ein Wunsch ist, der durchaus bestehen kann, aber aus dem dann in der Praxis nicht die Bereicherung unzwanghaft gezogen werden kann, wie es in der Phantasie erdacht war. Ich war in jungen Jahren zuweilen gedanklich ein Wanderer in einer menschenleeren Welt - aber ich hatte durchaus auch Bilder ein Teil dieser Gesellschaft zu sein, so wie andere Menschen auch, nur das funktionierte irgendwie nie. Und wenn andere die Vereine der Welt, den Anschluss zur Gruppe suchten, dann habe ich mich doch eher stundenlang mit Dingen allein beschäftigt oder mit einzelnen Personen, die ein übergrosses Interesse an einer Sache hatten so wie ich.

    Zitat

    Ja, wie seht ihr das? Sollte die Ärztin in Sachen Autismus lieber 'die Klappe halten', oder liege ich daneben?


    Ich denke, es ist die Kontroverse, wo nun der "Grenzwert" bzw. die Schwelle zum Autismus liegt. Für manche ist Autismus eher das was es VOR der AS-Welle nach 2000 war und die heutige Schwelle liegt denen offenbar erheblich zu niedrig angesetzt. Und dann ist es vermutlich auch so, dass beim Asperger-Syndrom die Einordnung zum autistischen Spektrum irritiert, weil bei Autismus eben die meisten Menschen immer noch an das denken dürften, was man in 100 Jahren Autismus immer darunter verstand. Ich mein... das Asperger-Syndrom war ja bei vielen bis vor wenigen Monaten oder Jahre eine Sache, die unentdeckt blieb und die nicht stets mit einer Unterbringung in Einrichtungen für Menschen mit schwerer Behinderung (-> Sonderschule, -> Behindertenwerkstatt etc.) daherkam. Viele waren vermutlich früher Sonderlinge - an Autismus dachte ja offenbar NIEMAND, denn sonst wäre das in all den Jahrzehnten DER Arbeitstitel, die Verdachtsdiagnose par excellence gewesen, aber genau das war es bei vielen ja offenbar nicht - denn wie oft las man "Autismus? Ich?".

    Ob die Ärtzin die Klappe halten sollte? Schwer zu sagen. Ich wüsste umgekehrt kaum Menschen, bei denen ich sagen würde, dass sie die Klappe in Sachen Autismus weit aufreissen sollten - überspitzt gesagt weiss doch keine "Sau" so richtig, wo die "Schlange" des Autismus Kopf und Schwanzende hat (das STFU gilt natürlich auch für mich selbst, so authentisch-selbstkritisch bin ja schon). :-p

    In letters of gold on a snow white kite I will write "I love you"
    And send it soaring high above you for all to read

  • Freunde, hmm. Meine Schwester sagte mal, ich hätte ihr leidgetan weil ich so oft allein war und keine Freunde hatte. Hab ich gesagt, ich hatte doch Freunde. Entgegnete sie: das war doch keine echte Freundschaft. Also anscheinend ist da mehr hinter dem Wort Freundschaft, als ich begreifen kann.
    Aber Brieffreunde hatte ich immer. Schon als Kind, noch Briefe aus Papier und handgeschrieben :O

  • In der Schule hatten die Mädchen so komische Bücher, wo andere reinschreiben sollten. Ich wusste gar nicht was man da reinschreiben soll und leider musste ich irgendwann auch mal reinschreiben. Gut, heutzutage glaube ich die Dinge erheblich besser zu verstehen, auch wenn ich über lange Strecken dachte vieles nie zu raffen. :roll:

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  • Die meiste Zeit meines Lebens habe ich allein mit mir und meinen vielen Interessensgebieten zugebracht. Da existierten andere Menschen einfach nicht, so dass sich die Frage eines etwaigen Interesses an ihnen gar nicht stellte. Mit der Pubertät wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst, dass andere Menschen existieren, als eigenständige Wesen. Daraus entwickelte sich dann am Ende der Pubertät der sehr starke Wunsch, dazuzugehören, Freundschaften zu haben usw. Geklappt hat das nicht besonders gut, weil ich einfach nicht kapiert habe, wie so ein soziales Miteinander funktioniert, was andere von einem erwarten und was nicht usw. Zu jener Zeit habe ich aber auch angefangen, mich für andere Menschen zu interessieren. Mit Ende 20 musste ich dann den endgültigen Schluss ziehen, dass ich nie dazugehören werde, weil der Graben zwischen mir und "denen" einfach nicht zu überbrücken ist. So zog ich mich wieder zurück in meine eigene Welt, die ich bis heute nur gelegentlich verlasse. Ich kann aber auch nicht behaupten, dass ich glücklich damit bin. Menschen interessieren mich jedoch noch immer, das ist geblieben, ich studiere sie aber aus großer Distanz.

    "Ich würde nie einem Club beitreten, der bereit wäre, jemanden wie mich als Mitglied aufzunehmen" (Groucho Marx) “Sich zu akzeptieren als den, der man ist, ohne etwas anderes sein zu wollen - das ist Freiheit“ (Ramesh Balsekar)

  • Ich tausche mich gern in Foren (sei es hier oder in Foren zu meinen Hobbys) aus und meine Familie liegt mir auch sehr am Herzen, aber trotzdem bin ich am liebsten alleine. Mich würde es auch nicht stören, wenn ich mal ein paar Tage keinen anderen Menschen hören und sehen würde. Freunde habe ich keine, aber das stört mich auch nicht. Es reicht mir, dass ich meine Familie und den Austausch mit anderen Menschen in den Foren habe. Meine Familie kennt meine Macken und sie wissen, wie sie damit umzugehen haben. Und in den Foren kann ich mir die Zeit nehmen, die ich brauche, um zu antworten. Ich kann mir in aller Ruhe überlegen, was ich antworte und kann Informationen, die mir falsch vorkommen, gegebenenfalls überprüfen. Das macht für mich vieles einfacher und außerdem findet weniger Smalltalk statt, wodurch meine Defizite im Zwischenmenschlichen nicht so sehr auffallen. Vor allem: Im Gegensatz zu meinem Umfeld finde ich im Internet viel mehr Menschen, die dieselben Interessen wie ich haben. Es ist also nicht so, dass ich mich generell nicht für Menschen interessiere. Ich interessiere mich nur in einem anderen Maß für Menschen. Ich bin halt schneller "satt" von Menschen als andere.

  • Ich interessiere mich für ein paar Menschen, die mir nahestehen, ansonsten sind mir andere Menschen eher egal.

    Ich glaube aber nicht, dass es bei NTs so viel anders ist, eher, dass sie Interesse an anderen vortäuschen, um irgendetwas zu erreichen. Das kann ich weder noch will ich es.

    LG
    Stella

    "Ich leide nicht am Asperger-Syndrom. Die anderen leiden." Vera F. Birkenbihl

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