Stimming auf der Arbeit

  • Heyho!

    Aus aktuellem Anlass einige Fragen:

    :question: Wie handhabt Ihr das mit dem Stimming auf der Arbeit bzw. in Seminaren oder überall dort, wo Ihr langer sitzen müsst?
    :question: Benutzt Ihr "Stim-Toys" und welche sind das?
    :question: Was macht Ihr, wenn es gar nicht mehr geht und Euch alles absolut zu viel wird?
    :question: Wissen Kollegen in der Regel Bescheid über Eure Diagnose und wie hilft man Euch mit der Problematik, beispielsweise schnell reizüberflutet zu sein und auch Stimming zu benötigen?

    In meinem Fall, ich hatte ein sehr interessantes Seminar, nichts zu ernstes, und sprach direkt in der Vorstellungsrunde die Thematik "Asperger-Autismus" an. Man war, entgegen meiner Erwartung, sehr offen für dies und sagte mir, ich solle mich bemerkbar machen, sollte mir etwas zu viel werden. Zu viel wurde mir nichts, außer ständige Doppeldeutigkeiten und Scherze, mit denen ich von Vornherein nichts anfangen kann und demnach auch überfordert bin. Ich merkte wieder, ich brauche präzise, eindeutige Sätze, um überhaupt etwas zu registrieren. Ansonsten war ich mit Stimming beschäftigt. In der Mittagspause war Zeit für einen Podcast, über "instabile Tachykardie und deren Behandlung" falls es jemanden interessiert, während dem ich mir die Reize einholte, die ich nicht bekam, und die für mich irrelevanten Informationen aussortierte. Ich begann wieder, mit meinen Händen zu flattern, zu zappeln und zeitweise, so erinnere ich mich, waren es auch hohe Laute. Die anderen waren mir zu diesem Zeitpunkt relativ nebensächlich. Ich störte wohl keinen, fiel aber auf. Und wenn nicht dann, spätestens zurück im Seminar. Wir hatten Drehstühle und die sind für mich natürlich zum Drehen da. Ich hörte weiter meinen Podcast und drehte mich, während es allmählich wieder weiter ging. Dann hörte ich natürlich auf und tat das, ich eigentlich immer tat: Mit meinen Händen spielen, konzentriert alle Fingerspitzen mit den gegenüberliegenden der anderen Hand zusammenführen, Hände reiben, leises Klatschen, wieder mit dem Stuhl drehen, doch etwas sanfter. Mein Kopf bekam nicht die Dichte an Informationen, die ich brauchte, und ich tendiere dann erst recht zum Stimming. Ich muss dann Reize produzieren und abbauen. Ich bin nicht ohne Grund den ganzen Tag in meiner Welt. Dort bekomme ich die Reize, die ich brauche. Das, was ich draußen bekomme, ist oftmals sehr – sagen wir mal - bescheiden.

    All das würde ich lieber ein wenig unauffälliger halten, deshalb meine obigen Fragen an euch. Nächste Woche habe ich einen Lehrgang, der zwar deutlich intensiver wird, doch ich befürchte, ich brauche bis dahin einige Lösungen. Ich habe grundsätzlich nichts dagegen, aufzufallen, doch ich werde es mit meinem überdurchschnittlichen Wissen und höchstwahrscheinlich auch mit meinem Stimming. Sicher bin ich mir, auch da die Leiter zu informieren, da man mir gegenüber sehr viel Verständnis zeigte, und ich da spätestens auch meine Kommunikationskarten mitbringen muss, um mich irgendwie verständigen zu können, sollte ich durch irgendein Ereignis nonverbal werden.

    Lieben Gruß an alle,
    Eska

  • Ich nutzte schon während meiner Schulzeit sämtliche Schreibutensilien aus meinem Federmäppchen als Stim-Toys. (Damals wusste ich aber noch nicht, was Stimming überhaupt ist.)
    Ich kaute eigentlich ununterbrochen im Unterricht auf Stiften und Radiergummis, leckte und roch daran und musste ständig etwas in den Händen haben und Oberflächen spüren und befühlen.
    Ob das jemandem jemals aufgefallen ist, weiß ich nicht.
    Ich merkte schon, dass das auffällig ist und niemand anderes sowas macht, aber es war mir irgendwie egal und ich merkte instinktiv, dass es für mich "überlebenswichtig" ist.

    Das habe ich später während des Studiums und bis heute auf der Arbeit beibehalten.
    Ich arbeite Vollzeit in einem Büro und nutze zur Zeit einen alten Radiergummi, der sowieso nur schmiert, als Stim-Toy wie eine Art Knetball. Ich beklopfe damit oft auch meine Lippen und beiße auch darauf herum.
    Ich habe das Glück, dass mein Arbeitsplatz mit einer Trennwand ausgestattet ist. So sieht mich keiner, wenn ich Stimming mache.

    In Seminaren ist mir das eigentlich genau wie damals in der Schule immer noch relativ egal, ob man das sieht. Ich denke auch, dass jeder Seminarteilnehmer erst einmal mit sich selbst beschäftigt ist und nach vorne zum Dozenten schaut oder Notizen macht. Das Beobachten anderer Teilnehmer im Raum steht da ja nicht im Vordergrund.
    Sicher ist meine Art von Stimming nichts, was durch Geräusche oder Laute andere stören könnte.

    So richtig auffälligeres Stimming, wie bestimmte Silben oder Laute von mir geben und im Raum auf und ab gehen, mache ich nur zu Hause.

    Da ich "nur" VA bin und somit keine Diagnose habe, weiß niemand auf der Arbeit von meinen Problemen. Ich sage nur manchmal, dass ich überempfindlich bin oder eine intensive Wahrnehmung habe. Als komisch werde ich dort wohl sowieso wahrgenommen.

    Wenn gar nichts mehr geht und ich im Moment gerade überlastet bin, gehe ich aufs Klo und schließe die Augen und presse meinen Kopf mit der Stirn an die Wand. Dann konzentriere ich mich auf das Atmen und nach kurzer Zeit geht es dann wieder. So habe ich mich schon immer beruhigt, auch wenn ich emotional aufgewühlt bin.

  • Hallo!

    Spontan eine Idee: kannst du etwas lesen oder schreiben nebenbei? Oder vielleicht zeichnen?

    Ich selbst bin leider eher vom Typ: so lange es geht aushalten und dann später zusammenbrechen, also hab ich leider keine guten Tipps, lese aber mal für zukünftige Meetings mit also danke für das Thema.

  • Auch VA, daher weiß keiner meiner Kollegen Bescheid. Habe zum Glück sehr tolerante Kollegen
    Stimming: Papier falten (hab meistens einen Notizblock dabei), rumkritzeln, mit Stift rumspielen, Lippen kauen (versuche mir das abzugewöhnen), Muskeln anspannen und entspannen (war mal ein Tipp von jemandem im Forum), im Kopf Melodien summen (nicht laut), Finger strecken, außerdem habe ich einen großen Silikonring, mit dem man die Fingermuskulatur stärken kann. Der ist gut, nehme ich aber nur, wenn ich eine Jacke/Hoodie mit großen Taschen habe. Bei Drehstühlen natürlich drehen :lol: bzw. immer von rechts nach links und wieder zurück.
    Ganz gut ist auch wenn ich eine Wasserflasche habe. Da trinke ich in regelmäßigen Abständen ein paar Schlucke. Nachteil: Ich muss recht schnell aufs Klo.
    Ansonsten irgendwie versuchen zu folgen, auszuhalten und in der Pause nix wie weg, irgendwohin wo es ruhig ist und keiner in der Nähe ist.
    Ich versuche soweit es geht, das Stimming unauffällig zu halten. Klappt meistens eher nicht. Im Vergleich mit den anderen rutsche ich immer auf dem Stuhl rum, habe immer irgendwas mit den Händen zu tun. Die anderen sitzen einfach da und hören zu.
    Onlinemeetings mag ich lieber, da sieht man nur maximal Oberkörper und Gesicht und mit den Händen kann ich machen, was ich will. Bin dann aber auch sehr leicht abgelenkt und schnell nicht mehr beim Thema dabei. Wenn mir dann jemand eine Frage stellt, ist das ganz schön doof. :nerved: :m(: Ist aber auch schon passiert, dass ich die Frage dann nicht mitbekommen habe und meine Kollegen dachten, ich hätte gerade Probleme mit dem Ton.

    Werde hier auch noch mitlesen, um weitere Anregungen zu bekommen, danke für den Thread.

    "The universe is under no obligation to make sense to you" :prof: Neil DeGrasse Tyson

  • ich zeichne generell nebenbei, dabei entstehen meist sehr interessante bilder. Mein sohn fragt mich schon immer, wenn er vorher Bescheid wußte, was für bilder diesmal entstanden sind.

  • Wow, das klingt irgendwie wahnsinnig anstrengend, wenn man immer so viele Reize braucht. Wenn mir langweilig wäre, dann würde ich wohl eher einfach abschweifen. Mittlerweile versuch ich auch durchaus in vielen Situationen bewusst einen Bodyscan zu machen. Ist das auf Dauer gesund, wenn das Gehirn immer so stark raufreguliert ist? Ich muss mein Gehirn tendenziell eher runterregulieren, weil ich sonst starke Ängste entwickle.
    Ist das bei dir anders?

  • Hallo,

    Ich bin VA und daher weiß ich nicht sicher ob es sich bei mir tatsächlich um Stimming handelt.
    Jedenfalls nehme ich, wenn ich irgendwo im Stuhlkreis sitzen muss und die Leute alle nicht kenne, meist eine Hand in die Andere und drücke dann mit der einen Hand die Finger der anderen Hand zusammen. Dabei tausche ich die Hände regelmäßig und drücke zwischendurch auch statt den Fingern das Handgelenk der anderen Hand. Je nachdem wie es mir gerade passt, übe ich dabei mehr oder weniger Händedruck aus. Da ich das Gefühl hatte deshalb manchmal komisch angeschaut worden zu sein, mache ich das ganze mittlerweile eigentlich immer hinter dem Rücken. Von vorne sieht man dann kaum, dass ich die Hände bewege. Zumindest für Vorstellungsrunden im Stuhlkreis eignet es sich meiner Meinung nach gut.
    In anderen Situationen nehme ich auch andere Dinge in die Hand z. B. auf der Arbeit Kugelschreiber (die gehen allerdings schnell kaputt und das "kilcken" kann andere nerven, weshalb ich versuche es zu vermeiden) oder wenn ich eine Jacke anhabe die Reißverschlüsse der Taschen ((öffnen und schließen) versuche ich aber sehr stark zu vermeiden da sie schnell gar nicht mehr zu gehen). Allgemein versuche ich diese Art von Handlungen auf der Arbeit nicht durchzuführen (was nicht immer funktioniert), da es seltsam wirkt. Bisher wurde ich noch nie darauf angesprochen. Allerdings sind meine Kollegen auch allgemein sehr tolerant. Da ich nur VA bin, wissen sie nichts davon. Da ich ein Freiwilliges Jahr mache und "frisch aus der Schule" komme sind die Erwartungen an mich auch nicht so hoch, so dass ich jederzeit etwas an andere Kollegen oder Freiwillige abgeben kann und dadurch bisher nicht in die Situation gekommen bin, dass mir alles zu viel wird.

  • Ich habe auch (noch) keine Diagnose, bei mir ist es auch eher so, dass ich mich irgendwann nicht mehr auf das eigentliche Thema konzentrieren kann und dann gedanklich abschweife. Ich versuche schon immer, nicht aus irgendeinem Fenster zu kucken, weil das auffallen würde. Ich denke dann über alles mögliche nach, meist über schöne Dinge, wie eine Wanderung, die ich gerne mal machen würde. Manchmal lasse ich auch in Gedanken irgendeinen Song laufen, den ich mag.

    Ich kenne aber viele Leute, die z.B. mit dem Kuli klicken, oder Dinge zeichnen, meist irgendwelche Muster. Meine Mutter macht sowas auch, wenn sie am Telefon ist.

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