Autismustherapie als Zeichen für Autismus

  • Ich habe den "Zwang", mich mit anderen Diagnostizierten zu vergleichen.

    Das merkt man.

    Ich sollte wohl nicht ungefragt Tipps geben, aber ich kann dir aus eigener Erfahrung sagen, dass es bei dieser Art von Grübeln nichts bringt, wenn man dem Grübeln immer weiter Nahrung gibt. Das World Wide Web ist da auch sehr kontraproduktiv. Im Grunde ist es ein ewiges Auf und Ab, hier findet man etwas, was einen beruhigt, dann googelt man weiter, dann ist man wieder verunsichert. Sowas kann man Stunden und Wochen und Monate und Jahre treiben. Ich hab da schon viele Themen durch, die ich gar nicht alle auflisten mag, weil vieles so unfassbar absurd ist, dass man es keinem erzählen kann.

    Es wird keine Erlösung geben, ganz egal, wie viele Threads oder Papers du liest, wie viele Diagnosen du durchführen lässt, es wird nicht der Punkt kommen, an dem du denkst: So, jetzt hab ich den Punkt gefunden, wo ich weiß, was Sache ist.

    Stattdessen - wenn dein Gehirn so ist wie meins - wird es dir nach ein paar Jahren langweilig werden und das Gehirn sucht sich was anderes zum Grübeln. Dann ist das alte Grübelthema plötzlich egal oder langweilig oder lächerlich oder nervig.

    Bei mir kommt das Grübeln von Stress, Überforderung, Angst, zu vielen Dingen auf einmal. Es ist ein Ausdruck von Überreizung. Es lässt sich nicht durch Denken oder Beschäftigung mit geistigen Dingen lösen. Ich brauche dann Ruhe, Bewegung, Meditation oder auch Ablenkung durch Literatur, Kultur, Musik usw. Achtsamkeit, spazieren gehen, den Körper wahrnehmen, die Regentropfen hören. Das ist ja bei jedem individuell. Aber zwanghaftes Grübeln ist bei mir ein gutes Indikator davor, dass mein Gehirn sich grad nicht mehr runterregulieren kann.

  • , dann sind sie alle hyperintelligent/hochbegabt und setzen ihr logisch-analytisches Denken ein um mit anderen Menschen angemessen sozial interagieren zu können.

    In einen IQ-Test fließt auch sowas wie räumliches Denken ein (bei mir katastrophal, denke ich mal), und das brauchst du bei der sozialen Interaktion definitiv nicht. Es wäre auch schon fraglich, ob man sowohl ausgeprägte mathematisch-logische als auch ausgeprägte sprachliche Fähigkeiten braucht.

    Und auch Menschen, die überdurchschnittlich intelligent sind, aber nicht hochbegabt, können m.E. nach die meisten Sachverhalte im sozialen Bereich problemlos verstehen. Velleicht sogar durchschnittlich oder leicht unterdurchschnittlich intelligente Menschen.

    Und neben dem grundsätzlichen Verstehen ist dann noch die Frage der Anwenung... und da kommen so viele Dinge ins Spiel: Wie gut/schlecht ist die kongitive Empathie? Wie viel Übung hat man (z.B. viele Freundschaften gehabt oder wenige oder keine)? Wie ist die Erziehung, wie die elterlichn Vorbilder gewesen? Wie stark ist das Bedürfnis (gewesen) Anschluss/Sozialkontakte zu finden? Wie stark das Bedürfnis so wie die anderen zu sein? Wie stark das Bedürfnis verträglich/angepasst zu sein (vs. z.B. das Bedürfnis das zu tun, was man will, das Bedürfnis das moralisch "richtige" zu tun, das Bedürfnis eigenen Regeln zu folgen usw.)? Wie anstrengend sind soziale Interaktionen? Wie tolerant ist die Umgebung, wie ähnlich sind einem die anderen? Wie viel Energie hat man überhaupt zur Verfügung (z.B. geschwächt durch laute Geräusche)? Wie gut funktionieren Reizfilter, z.B. auditive Reizfilter? Und man könnte sicher noch 50 weitere Gründe dafür aufführen, wie gut jemand sozial "performt".

    Ich hab ja das Gefühl, das mit der Übung wird total unterschätzt. Meine Schulfreundinnen haben z.B. immer eine spezielle Art von Witzen und Anspielungen gemacht und mein Bruder macht das auch sehr gerne, v.a. mit mir. Da reicht dann ein Wort mit einer bestimmten Betonung und jeder von uns beiden weiß haargenau, was gemeint ist. Meine Mutter sitzt frustriert daneben, weil sie nicht versteht, worüber wir lachen, oder weil sie nicht am Tonfall gehört hat, dass mein Bruder einen Schmerz gemacht hat, mein Vater kriegt nicht mal ansatzweise mit, dass ein Witz gemacht wurde. Aber ich habe da eben immens viel Übung drin. In anderen sozialen Skills halt dafür viel weniger. Je jünger man ist, desto plastischer das Gehirn. Wäre also logisch, dass Freundschaften oder allgemein Sozialkontakte im Kindesalter dazu führen, dass man sozial sehr viel besser wird als ohne.

  • Es gibt Menschen, die schnell "anecken", und dennoch die Fähigkeit haben, passende Kontakte zu vertiefen und zu verstetigen

    Ja, genau, ich bin auch jemand, der relativ viel aneckt, auch schon so in Alltagssituationen, teils einfach durch extreme exekutive Dysfunktion (unordentlich sein, zu spät kommen), teils durch sozial unangemessenes Verhalten, das ungwollt ist, teils durch mehr oder weniger bewusste Provokation.

    Aber mich finden halt auch immer Leute gut und wollen unbedingt Kontakt zu mir.

  • Wenn ich Stimmen hören würde, Wahnvorstellungen entwickeln und mich deswegen in psychiatrische Behandlung begeben sollte, würde ich mich nicht fragen ob die Diagnose "Schizophrenie" stimme oder ich mir das eventuell nur einbilde, sondern würde das Urteil des behandelnden Arztes akzeptieren. Bei ASS scheint es irgendwie anders zu sein.

    Wenn Du in der Situation wärst, vielleicht würdest du da auch zweifeln...?
    Stimmen hören ist auch nicht immer gleich eine "Schizophrenie oder Psychose". Sich zu fragen, was man sich einbildet und was Realität ist, passiert mir auch ohne Diagnsose aus dem Bereich... sind das meine Stimmen oder sind es einfach nur laute Gedanken, sind das fremde Stimmen, höre ich die Stimmen von außen oder kommen sie von Innen, kann ich das überhaupt unterscheiden usw.... ? Es könnte fatal sein eine Diagnose einens Arztes so ohne weiteres zu akzeptieren! Es gibt oder gab viele Menschen, die als Schizophren diagnostiziert waren, behandelt wurden und es letztlich nicht waren....

    Das finde ich auch sehr merkwürdig. Bei anderen psychiatrischen Diagnosen gibt es diese Diskussionen nicht. Würde ich behaupten, ich hätte Depressionen, würde das keiner in Frage stellen.

    Ich behaupte, dass es bei anderne psychiatrischen Diagnosen diese Disskusionen durchaus auch gibt... vor allem bei den "schweren" wie z.b. dissoziative Identitätsstörung, teilweise auch bei Traumata, bei der schwere von Depressionen, sogar bei Borderlein usw...
    Vielleicht möchte man bei "schweren" Sachen eher sowas wie ein unbewußtes "Alleinrecht" auf "bei mir ist es besonders schlimm und deswegen soll es nicht vielen so gehen...o.ä."

  • Es gibt oder gab viele Menschen, die als Schizophren diagnostiziert waren, behandelt wurden und es letztlich nicht waren....


    Der umgekehrte Fall kommt auch häufig vor: dass eine Schizophrenie vorliegt, aber die Krankheitseinsicht fehlt.
    Gerade bei Schizophrenie ist das recht typisch, obwohl man meinen sollte, dass die Symptome so eindeutig sind, dass es keine Zweifel mehr geben dürfte. Es geht ja in der Regel auch nicht nur um Stimmenhören, sondern um ganze Psychosen oder viele Symptome zusammen. Beim Stimmenhören gibt es tatsächlich viele Varianten, wo wahrscheinlich nur wenige wirklich krankhaft sind. Hauptsächlich finde ich den Realitätsverlust ein wichtiges Symptom, aber gerade den bemerkt man als Betroffener gar nicht.

    Vielleicht möchte man bei "schweren" Sachen eher sowas wie ein unbewußtes "Alleinrecht" auf "bei mir ist es besonders schlimm und deswegen soll es nicht vielen so gehen...o.ä."

    Das wird eher nicht der Grund sein. Aber man möchte vielleicht nicht, dass Dinge bagatellisiert werden.
    Gerade heute habe ich beim Thema Lipödem gelesen, dass da auch deutlich gesagt wurde, was Lipödem ist und was nicht, nachdem jemand mit "nur dicken Beinen" gefragt hatte, ob das ein Lipödem sei.
    Ist doch auch okay, denn warum sollte jemand mit "nur dicken Beinen" glauben, er hätte ein Lipödem, wenn es nicht so ist, und genauso bei anderen schweren Erkrankungen. Letztendlich ist das auch nicht im Interesse der von leichteren Symptomen betroffenen Person. Es dient der Information und Aufklärung.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Gerade heute habe ich beim Thema Lipödem gelesen, dass da auch deutlich gesagt wurde, was Lipödem ist und was nicht, nachdem jemand mit "nur dicken Beinen" gefragt hatte, ob das ein Lipödem sei.

    Ich bin nicht sicher, ob das immer so eindeutig ist. Zumindest habe ich mal gelesen, dass es Fälle gibt, wo die Beine ganz klassisch in der Pubertät dick wurden (als der übrige Körper noch schlank war), die Schmerzen aber erst Jahre später dazu kamen. Wenn das Aussehen und das Muster, wie die Beine dick wurden, typisch sind, aber eine Frau keine Schmerzen hat, muss es natürlich kein Lipödem sein. Aber es wäre auf jeden Fall fair, dennoch genau hinzuschauen und bei einer Ausschlussdiagnose auch nicht moralisch zu werten, denn "Schuld" hat die betreffende Frau auch dann nicht unbedingt. Genauso sollte man meiner Meinung nach auch bei Autismus vorgehen.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • Ja, genau, ich bin auch jemand, der relativ viel aneckt, auch schon so in Alltagssituationen, teils einfach durch extreme exekutive Dysfunktion (unordentlich sein, zu spät kommen), teils durch sozial unangemessenes Verhalten, das ungwollt ist, teils durch mehr oder weniger bewusste Provokation.

    Aber mich finden halt auch immer Leute gut und wollen unbedingt Kontakt zu mir.

    Ja, genau so etwas meinte ich. Ich glaube, die Fähigkeit, nicht "anzuecken" und die Fähigkeit, interessant zu wirken (und vielleicht gerade deshalb auch zu polarisieren), sind sehr unterschiedlich und hängen nicht unbedingt zusammen.

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  • Ich bin nicht sicher, ob das immer so eindeutig ist.

    In dem Fall war's ein Mann, und er hatte ein Foto seiner Beine gepostet. Die anderen meinten, es sähe nicht typisch aus (kein "Absatz" über den Knien oder Knöcheln und kein besonderes Missverhältnis zwischen Oberkörper und Unterkörper), und auch dass Männer das nur selten haben.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • In dem Fall war's ein Mann, und er hatte ein Foto seiner Beine gepostet. Die anderen meinten, es sähe nicht typisch aus (kein "Absatz" über den Knien oder Knöcheln und kein besonderes Missverhältnis zwischen Oberkörper und Unterkörper), und auch dass Männer das nur selten haben.

    Da ist die Einschätzung, dass das unwahrscheinlich ist, auch berechtigt, denke ich.

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