Bürosituation mit NTs

  • Hallo zusammen,
    auf die Gefahr hin, dass es schon passendere Threads mit diesem Thema gibt (dann gerne darauf aufmerksam machen), möchte ich heute beschreiben, wie es mir in meiner derzeitigen Arbeitssituation geht und bin dankbar für eure Erfahrungen gegebenenfalls mit Tipps oder einfach eure Gedanken hierzu:

    derzeit arbeite ich im schulischen Kontext in einem sozialen Projekt, habe aber auch Bürozeiten für Dokumentation, Organisation, E-Mail-Verkehr, Teamsitzungen etc.
    Das Büro teile ich mit zwei NT-Kolleginnen, die seit kurzem auch über meine Asperger-Diagnose Bescheid wissen und erfreulich offen und interessiert darauf reagiert haben.
    Mit beiden verstehe ich mich an sich gut, man kann auch gelegentlich einige persönliche Worte wechseln, ohne dass mich das zu sehr stresst oder überfordert, wenngleich ich dafür ein gutes halbes Jahr gebraucht habe.
    Die beiden Kolleginnen sind gemeinsam in einem anderen Projekt tätig, in dem sowohl aufsuchende Arbeit, als auch Termine mit Klienten in unserem gemeinsamen Büro anfallen. Außerdem werden die meisten Sachverhalte, die Klienten betreffend, telefonisch mit verschiedenen Behörden geklärt.

    Was für mich hierbei sehr schwierig ist:
    In der Vergangenheit, wie auch heute, erscheinen Klienten teilweise mit ihren kleinen Kindern im Büro. Heute war es besonders heftig, da das mitgebrachte Kleinkind völlig ungehindert von der Mutter im Büro hin-und herrannte, laut quietschte und schrie und den Bürostuhl der anderen im Urlaub befindlichen Kollegin durch den Raum schob.
    Weil ich einige Unterlagen kopieren musste, war ich bereits beim Eintreffen der beiden im Nebenbüro am Kopierer. Trotzdem geriet ich durch den anhaltenden Lärm, das Nichteingreifen der Mutter und die Unruhe in Stress und habe dann einfach so lange abgewartet wieder in unser Büro zurückzukehren, bis die Klientin mit ihrem Kind gegangen war. Meiner Kollegin ist nicht entgangen, dass ich äußerst gestresst war, ich verlor auch ein zwei Sätze darüber. Sie schien aber im Gegensatz zu mir nicht annähernd so gestresst zu sein und wirkte auch irgendwie ein wenig belustigt über meine Reaktion.

    Direkt im Anschluss musste meine Kollegin wieder viele Telefonate mit Behörden erledigen, natürlich ist da grundsätzlich keine gute Erreichbarkeit gegeben, was bedeutet, dass sie teilweise minutenlang in Warteschleifen hängt und sich von Bot-Ansage zu Bot-Ansage durchwählen muss. Damit sie währenddessen die Hände frei hat, stellt sie ( und auch die andere Kollegin) bei solchen Telefonaten auf Lautsprecher. Das heißt, es erklingen diverse nervtötende Jingles, Bot-Ansagen etc. in unangenehmer Frequenz.
    Trotz meiner In-Ear Stöpsel, die den Lärm etwas filtern, fühle ich mich oftmals davon gestört, ebenso von lauten Gesprächen und Telefonaten. Beide Kolleginnen haben zusätzlich zu ihren Festnetz-Diensttelefonen, Diensthandys und Privathandys auf laut gestellt, das heißt, irgendetwas piepst oder klingelt eigentlich immer. Auch Sprachnachrichten von Klienten werden laut abgespielt.
    Einerseits irritiert mich das aus datenschutzrechtlichen Überlegungen und andererseits ärgert mich diese Rücksichtslosigkeit permanent so laut zu sein.
    Vielleicht bin ich da auch anders aufgewachsen ( Rücksichtnahme auf andere, leise sein etc.) und natürlich kommt da ganz klar meine Reizfilterschwäche zum Tragen. Dennoch würden mich dahingehend eure Einschätzungen und Gedanken interessieren.
    Es ist vorgekommen, dass ich mich dann kurzzeitig auf den Flur, auf die Toilette oder in die Teeküche zurückgezogen habe, um kurz runterzufahren und natürlich der Lärmquelle zu entfliehen. Leider gelingt mir das "Runterfahren" meist nicht. Oft bin ich einfach auch wütend, dass soviele Menschen offensichtlich völlig rücksichtslos agieren und keinerlei Feingefühl dafür zu haben scheinen, dass man auf der Arbeit grundsätzlich ja Konzentration für die Aufgaben aufbringen muss und es dementsprechend einigermaßen ruhig dafür sein sollte. Ich denke, darauf können sich doch bestimmt die meisten Menschen einigen? Leider bin ich grundsätzlich sehr schlecht darin, andere um etwas zu bitten oder jetzt, nachdem ich mich überwunden habe und beiden von meiner Diagnose und Besonderheiten (z.B. empfindliches Gehör, mein einziger Krankheitstag bisher war einem erneuten Hörsturz geschuldet, wovon beide auch wussten) berichtet habe, nochmal herzugehen und um etwas Mäßigung des Lärmpegels im Büro zu bitten.
    Kann das jemand von euch verstehen? Kennt ihr ähnliche Situationen? Wie geht ihr mit solchen Situationen um? Was lösen solche Situationen in euch aus? Fühlt ihr auch gelegentlich Wut über Rücksichtslosigkeit?
    Was kann man tun?
    Klientenbesuche finden natürlich immer statt, das lässt sich nicht vermeiden, auch dass es Menschen gibt, die ihre Kinder in jedweder Situation "toben lassen". Aber diese Lautsprecher-Telefonate "stehen vielleicht auf einem anderen Blatt", das könnte man ja doch anders lösen, oder? Auch hier die Fragen: kennt jemand solche Situationen, wie geht es euch dabei? Wie entzieht ihr euch oder sprecht ihr Personen auf solche Störungen an?

    Doch begann auch er in Menschengestalt, und er tappte im Dunkeln, und seine Taten waren zufällig, bis ihm offenbart wurde, wer er sei und was er solle.
    – Peter Høeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee

    5 Mal editiert, zuletzt von Saga N. (30. Juni 2022 um 16:42)

  • Ich arbeite Vollzeit in einem Büro und niemand weiß von meinem AS-Verdacht.

    Geräusche stressen mich manchmal schon sehr stark und manchmal regen mich auch die leisesten Geräusche auf, wenn z.B. meine Kollegin, die mir gegenübersitzt, Nüsschen knabbert. Früher saß ich einem anderen Kollegen gegenüber, der mir oft zu laut geatmet und geschluckt hat.
    Bei solchen Geräuschen muss ich mich beherrschen, dass ich mich einerseits nicht aufrege und mich andererseits noch auf die Arbeit konzentrieren kann.

    Einer telefoniert immer besonders laut, das regt aber andere auch auf, sodass wir oft die Zwischentür zu seinem Büro zumachen und ihn in freundlichem Ton drauf hinweisen.

    Mir wurde aber auch schon gesagt, dass ich selbst sehr laut und manchmal auch hoch und piepsig rede, wenn ich in einem Redeschwall jemandem was erkläre. Das merke ich selbst auch nicht.

    Was mich aber noch mehr stört, sind Gerüche.
    Mir steigen sämtliche Gerüche, die für andere Menschen angenehm sind (wie Kaffee, Tee, Bonbons, Kaugummis, Mandarinenschalen) irgendwie direkt ins Hirn und es fühlt sich an, als ob sie dort Sicherungen lahm legen und ich beginne zu erstarren, wie benebelt abzudriften, manchmal verbunden mit Schwindel und Übelkeit. Und das reicht auch schon, wenn jemand im Nebenraum z.B. ein Bonbon lutscht.

    Das einzige, was mir in solchen Situationen hilft, ist auf die Toilette gehen und durchatmen und mich beruhigen. Ich lehne dann mit dem Kopf an die Wand, presse die Stirn dagegen, schließe die Augen und konzentriere mich auf die gleichmäßige Atmung. Nach ein paar Minuten geht es dann meist wieder. Habe aber auch schon Medikamente gegen Übelkeit und Schwindel nehmen müssen.

    Generell nutze ich einen Radiergummi (der sowieso unbrauchbar ist, weil er schmiert) als Stim-Toy, indem ich ihn eigentlich die ganze Zeit in den Händen knete, dran rieche, manchmal auch drauf herumkaue oder damit mein Gesicht beklopfe. Wir haben Trennwände, mich sieht dabei niemand.
    So überstehe ich den Alltag einigermaßen gut.

    Wie schon erwähnt, weiß niemand von meinem AS-Verdacht, deshalb kann ich auf meine sensorischen Empfindlichkeiten schlecht hinweisen. Geräuschempfindlichkeit können die meisten noch nachvollziehen, aber das mit den Gerüchen ist doch schon sehr ungewöhnlich, sodass ich einfach nichts sage und es so gut wie möglich aushalten versuche.
    Man kann halt niemandem verbieten, Kaffee zu trinken oder ein Bonbon zu lutschen.

    Momentan sehe ich es halt als mein Schicksal, das alles aushalten zu müssen.
    Ob ich das mein ganzes Berufsleben durchhalte, weiß ich nicht.

    Solche "Geruchs-Overloads" kommen aber zum Glück nicht so oft vor.

    Einmal editiert, zuletzt von Stella123 (30. Juni 2022 um 18:13)

  • @Lea Ja, die beiden haben sogar solche Headsets für Videokonferenzen, leider nutzen sie die nie.

    @Stella123
    Danke für deine ausführliche Nachricht.
    Es scheint dir also ähnlich zu gehen wie mir, zumindest fasse ich es so auf.
    Dass es bei dir in Bezug auf Gerüche zu unguten Gefühlen kommt, kann ich gut nachvollziehen.
    Zumindest bei bestimmten Gerüchen reagiere ich ähnlich sensibel wie du. Intensiv „stechendes“ Parfüm kann mir z.B. auch sehr „nahegehen“.
    Aufsteigende Gerüche aus Butterbrotdosen oder Zigarettenqualm, der von draußen hereinzieht stören mich auch. Dennoch ist bei mir definitiv die Geräuschempfindlichkeit stärker ausgeprägt.
    Deine beschriebenen Strategien mit der Stirn an Wand Atemübung und das Stim- Radiergummi finde ich spannend und hilfreich zugleich. Danke, fürs Teilen!
    Ich frage mich auch wie es auf lange Sicht weitergeht, mein Bedürfnis nach einer ruhigen Umgebung (und das beziehe ich tatsächlich auf alle Lebensbereiche) ist mittlerweile enorm.
    Irgendwie überstehe ich seit Jahren diesen Lärm und diese grelle Unruhe immer schwerer. Vielleicht greift da so ein Funktionsmodus, der jetzt aber ein paar Fehler „im System“ aufweist, weil ich jetzt um mein „System“, das sich von anderen unterscheidet, weiß.

    Freue mich über weitere Nachrichten von euch.

    Doch begann auch er in Menschengestalt, und er tappte im Dunkeln, und seine Taten waren zufällig, bis ihm offenbart wurde, wer er sei und was er solle.
    – Peter Høeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee

  • Wenn es mir im Büro zu laut wird, höre ich Musik über Kopfhörer. Meine Musik stört mich nämlich nicht, alle anderen Geräusche aber schon.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Das wäre für mich das Horrorbüro schlechthin und würde meine Arbeitsfähigkeit auf nahezu null senken.
    Unabhängig davon ist wohl kein Mensch bei diesen Störfaktoren in der Lage 100% Leistungsfähigkeit zu erbringen, zumindest nicht für Tätigkeiten, die erhöhte geistige Anforderungen haben. Allerdings stören sich viele wohl nicht dran.

  • @Saga N.

    Mir geht es sehr ähnlich. Ich frage mich jeden Tag wie ich den nächsten überstehen soll. Mein Kollege ist dermaßen laut und redet mindestens 7 von 8 Stunden pro Tag. Er telefoniert auch noch übermäßig laut und er steht sehr ruckartig auf wodurch sein Stuhl einen sehr lauten Ton gibt. Zudem sind es aber auch die vielen anderen Kollegen im Büro die den halben Tag diskutieren oder telefonieren.

    Es sind aber auch noch konstante Geräusche wie z.B. so ein lautes Surren von der Produktion draußen, welches irgendwie in's Büro kommt. Die Kollegen machen auch oft das Fenster für frische Luft auf, wodurch das Geräusch noch lauter wird. Ausblenden gleichbleibender Geräusche ist für mich völlig unmöglich, auch wenn die Geräusche den ganzen Tag konstant da sind.

    Die Kollegen laufen auch immer herum und über mir ist über die ganze Bürolänge ein Lichtbalken, der mich blendet. Letzte Woche war es auch noch zu kalt. Ich habe 3 Kollegen gefragt, ob sie es auch zu kalt finden, obwohl ich die Antwort eh davor eigentlich schon wusste. Natürlich war es allen noch zu warm oder gerade passend.

    Wir haben nicht einmal Trennwände, wodurch ich, wenn ich mal gerade ausschauen möchte, direkt meinem Kollegen in die Augen schaue, was ich nicht aushalte. Dazu kommen noch Metaltüren die laut einfallen. Und auch generell die Nähe zu den Kollegen. Ich bräuchte idealerweise 3 oder mehr Meter Abstand zu anderen im Büro.

    Für mich ist jeder Tag der absolute Horror. In all den vielen Berufsjahren musste ich feststellen, dass es überall so ist. Im besten Fall ist es nur anders, aber es ist immer eine extreme Belastung. Ich flüchte mich dann auch ab und zu auf das WC. Seit ca. 3 Jahren habe ich von Sony die besten Kopfhörer mit Noise Cancelling. Die haben meine Lebensqualität deutlich gesteigert. Seit ich die habe kann ich auch bei schönem Wetter auf unsere Terrasse sitzen, ohne die Geräusche der Nachbarn zu hören. Ich kann, sofern ich sie aufsetzen kann, auch den Tag im Büro erträglicher machen. Leider muss ich auch oft telefonieren oder mal aufs WC gehen und sie dann absetzen und so bekomme ich das alles trotzdem stundenlang mit.

    Dazu kommt noch, dass ich nun von den anderen noch mehr isoliert bin als ich es eh schon immer war. Das soziale ist ja noch ein weiteres unlösbares Problem.

    Eigentlich ist das alles nur zum Weinen und ich weiß nicht, wie ich weiterhin arbeiten soll. Es gibt bei uns keinen Arbeitsplatz, der nicht gleichzeitig viele anderen Geräusche oder Störungen beinhaltet.

    Meine Kollegen direkt angesprochen, ob sie leiser sein können, habe ich nicht. Ich weiß, dass sich viele aufgrund ihres Characters nicht ändern können oder werden. Ich weiß auch, dass alle anderen ganz anders empfinden als ich. Meinem Chef habe ich in den letzten Jahren oftmals gesagt, dass ich bestimmte Geräusche und Reden von den Kollegen nicht ausblenden kann. Er hat es jahrelang in's Lächerliche gezogen, gerade die Geräusche, und meinte auch, dass man da ja gar nichts hört. Leider haben andere Kollegen das auch noch voll bestätigt. Die waren mit mir zusammen und dem Chef im Büro und sagten, dass sie nichts hören. Man kann eigentlich nur verlieren. Ich bin gerade heute erst recht verzweifelt. Der einzige Trost ist, dass ich morgen HO mache.

    2 Mal editiert, zuletzt von Tradix (30. Juni 2022 um 21:00)

  • @Saga N.

    Das Problem ist wohl auch, dass es Menschen gibt, die Trubel lieben und brauchen. Die können es nicht ertragen, wenn es still ist.

    Ich finde, das ist alles extrem rücksichtsloses Verhalten, was die bei dir an den Tag legen. Sie haben eben kein Einzelbüro und dann muss sich jeder anpassen, aber das scheinen sie nicht zu wissen oder nicht wissen zu wollen.

    Bei der Geräuschkulisse und den Klientenbesuchen hätte ich enorme Schwierigkeiten mich zu konzentrieren. Ich sitze nur mit einem Kollegen im Büro, der öfter mal telefoniert, aber normal über Kopfhörer und nicht auf laut gestellt. Ich habe neuerdings Noise cancelling Kopfhörer, die ich dann aufsetze, wenn es mir zu viel ist. Das Problem ist ja auch, dass das doppelt so viel Kraft kostet, die man für sein Privatleben dann nicht mehr hat.

    Ich bin aber leider sehr konfliktscheu, daher wüsste ich jetzt nicht, wie ich mit den Kollegen reden könnte, damit sie mich nachhaltig verstehen und ihr Verhalten auch tatsächlich zu mehr Rücksicht anpassen.

    Ein böser Gedanke ist mir bei deiner Erzählung noch gekommen. Da du erzählt hast von deinem Autismus, könnte das viele Lärmen auch absichtlich sein, so nach dem Motto, sie muss sich nur dran gewöhnen, dann geht das schon. Manche Menschen wollen einem dann was "Gutes" tun, indem sie einen zu was zwingen. Also das sie nicht verständnisvoll sind, sondern nur scheinbar verständnisvoll tun.

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    Glaub nicht alles, was du denkst.
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  • Ich kenne - und hasse - solche Bürosituationen auch zu gut.

    Eine Kollegin in einem Zweierbüro schluckte ihren Tee immer extrem laut und musste sich zum Feierabend, bevor sie ging, mitten im Büro einparfümieren! Da habe ich noch nichts gesagt, das war ja immer zeitlich relativ begrenzt - auch wenn sie manchmal eine Stunde land an ihrem Tee rumschluckte, dann konnte ich mich halt eine Stunde lang nicht gut konzentrieren.

    Später in anderen Büros habe ich von Anfang um Rücksicht gebeten. Einige Geräusche gehören nunmal dazu, wie die von KundenInnen, Absprachen, Geräte etc. Deshalb sollte man zusätzliche vermeidbare Störungen auch vermeiden. Und Gespräche quer durch das Büro über meinen Kopf hinweg sind definitiv nicht nötig und muss ich definitiv auch nicht ertragen. Ich weiß nicht, was meine KollegInnen gedacht haben, aber da war ich wirklich pingelig ("Würdest du bitte zu Kollege XY an den Tisch gehen zum sprechen? Dann kann ich hier in Ruhe weiterarbeiten. Danke.") Schließlich habe ich das gleiche Recht wie alle anderen, in Ruhe meine Arbeit machen zu können.

    In-Ear-Kopfhörer oder ein Headset aufsetzen hat manchmal geholfen - weil dann alle dachten, ich hätte gerade ein Gespräch und dann waren sie rücksichtsvoller.

    Ich finde solches Verhalten einfach nur rücksichtslos, ignorant und egoistisch, und ich habe null Verständnis dafür.

    Jetzt habe zwar wie die meisten KollegInnen ein Einzelbüro. Nur in diesem Team ist es offenbar üblich, einfach reinzukommen und loszuquatschen, egal ob die Tür auf oder zu ist. Das reißt mich dann jedesmal so dermaßen aus der Konzentration, dass ich mich regelrecht erschrecke und den Faden verliere (RW). Oder wenn ich gerade in einem Gespräch bin, verliere ich den Anschluss, weil ich einen wichtigen Satzteil verpasst habe. Ich habe die KollegInnen darauf angesprochen (bzw. sie haben mich angesprochen, weil ich wohl immer ein komisches Gesicht gemacht habe :lol: ), und gesagt, dass sie doch bitte erst abwarten möchten, bis ich meinen Kopf zu ihnen drehe, also meine Aufmerksamkeit für sie bereit ist. Sie haben etwas irritiert geschaut, aber insgesamt funktioniert es einigermaßen.

    Bin ich da komisch, oder kennt ihr das auch?

  • Was kann man tun?

    Klar kommunizieren, dass diese Dinge die Konzentration stören. Es nützt ja nix, sich zu genieren deswegen und irgendwann durchzudrehen.
    Am besten direkt in der Situation und nicht erst später.
    Also : "könntest Du bitte Dein Headset benutzen?".
    "Könntet Ihr bitte Eure Telefone auf lautlos stellen?" - wenn es mal wieder ununterbrochen plingt und piept.
    Das muss im Zweifel mehrmals wiederholt werden. Natürlich immer mit einem Lächeln verbunden und vielleicht noch ein "Sorry, aber ich kann mich sonst nicht konzentrieren".

    _,.-o~^°´`°^~o-.,_Ich ess Blumen...,.-o~^°´`°^~o-.,_

  • Für mich ist Dein Büroalltag auch ein Horrorszenario und ich würde es dort nicht lange aushalten. Wobei mich Unvernunft mehr stört als Lärm.

    Kritikversuche diesbezüglich meinerseits waren leider häufig nicht erfolgbringend. Es ging dann mehr so in die Richtung "so war das, so ist das, so bleibt das". Wahrscheinlich, weil die anderen Menschen diesen meinen Leidensdruck kaum kennen und damit nachempfinden können. Oder es kam "anderswo ist das auch so, damit musst Du leben". Aus einem Verein bin ich aus einem ähnlichen Grund mal rausgeflogen, was mich sehr getroffen hat.

    Ich würde auf jeden Fall nochmal einen Versuch starten, mit Deinen Kollegen über Deine Probleme und Deinen Leidensdruck zu sprechen. Versuche, nicht nur über das, was Dich stört, sondern auch warum es Dich stört und was es in Dir auslöst, zu sprechen. Dann können andere Deine Probleme vielleicht besser nachempfinden. Vielleicht mit Beispielen, die auch andere bzw. "normale" Menschen betreffen, arbeiten. Das braucht vielleicht Überwindung, aber mindestens hast Du es versucht und bist dann eine Erfahrung reicher.

  • @Shenyahab ich auch schon drüber nachgedacht, aber hab schon das Gefühl, dass ich mich damit vielleicht zu sehr „abschotte“. Außerdem möchte ich immer ungern geliebte Musik an unschönen Orten hören weil ich das dann miteinander verknüpfen würde und mir meine Musik damit nicht verderben möchte.

    @Aldana an manchen Tagen ist es auch tatsächlich ein Horror für mich, wie eben heute.

    @Tradix du bist also auch ein weiterer Leidensgenosse.
    Nach deinen Beschreibungen, insbesondere zu der Lärmbelastung noch direkter Blickkontakt und beengter Raum, das hört sich wirklich nochmal verschärft an. Die Reaktionen von deinem Chef und deinen Kollegen auf dich finde ich sehr unprofessionell und einseitig. Tut mir leid, dass das so gelaufen ist.
    Homeoffice nutze ich nach Rücksprache mit meinem jetzigen Vorgesetzten auch. Er weiß nichts von meiner Diagnose aber wirkt irgendwie so, als würde er etwas ahnen und lässt mir dankenswerterweise Möglichkeiten mich durch HO zu entlasten. Da haben meine Andeutungen mit Geräuschempfindlichkeit bei ihm auch einen „Nerv getroffen“. Er ist da auch sehr empfindlich und dementsprechend verständnisvoll.

    Doch begann auch er in Menschengestalt, und er tappte im Dunkeln, und seine Taten waren zufällig, bis ihm offenbart wurde, wer er sei und was er solle.
    – Peter Høeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee

  • @kim das was du ansprichst, mit Menschen die Trubel mögen und brauchen, nehme ich auch so wahr. Wenn mehrere dieser Sorte an einem Arbeitsplatz zusammenkommen, steigern die sich auch gerne gemeinsam rein.
    Und für mich wird es umso schwieriger dagegen anzukommen oder die beiden dezent darauf hinzuweisen, dass es tatsächlich so kaum möglich ist, konzentriert zu arbeiten.
    Ich grübel auch schon wieder sehr über mein „Outing“ nach, hatte mir dadurch eigentlich erhofft, genau diese Dinge damit dezent einleiten zu können. Jetzt bin ich mir aber nicht sicher, ob ich da wieder zu „zutraulich“ war. Das ärgert mich. Gerade in der Situation.
    @Dinkelbrei deine Beschreibung fand ich auch interessant. Tatsächlich können mich auch schon Schluckgeräusche oder Kaugeräusche sehr stören. Und diese quer durch den Raum Gespräche sind wirklich ein Ärgernis. Das kenne ich auch zu gut.
    Es erleichtert mich schon ein wenig, dass ich offensichtlich nicht alleine bin mit meinen Empfindungen und dem Ärger über Rücksichtslosigkeit.

    Doch begann auch er in Menschengestalt, und er tappte im Dunkeln, und seine Taten waren zufällig, bis ihm offenbart wurde, wer er sei und was er solle.
    – Peter Høeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee

  • Ich habe zum Glück auch mehr HO bekommen als die anderen. Die anderen wollen aber sogar im Büro sein.
    Mein Chef hat es irgendwann auch gemerkt, dass ich anders bin und kam mir da entgegen.

    Einmal editiert, zuletzt von Tradix (30. Juni 2022 um 22:58)

  • @Dinkelbrei blöd, dass du trotz Einzelbüro dann offenbar auch nicht geschützt bist vor plötzlichen „Überfällen“. Da heißt es, Autisten verstünden nicht gut Gesichter und Gesten zu lesen. Und NTs begreifen die Symbolkraft einer geschlossenen Tür nicht? :m(:

    @Garfield und @Gretchen ja, ich überlege noch, wie und wann ich es zeitnah ansprechen kann. Morgen bin ich nur kurz zu einem Termin zur Vertragverlängerung in einem neuen Projekt im Büro. Das heißt mich erwarten dann einige Monate Vollzeit aber höchstwahrscheinlich auch ein damit einhergehender Bürowechsel zu zwei, bzw. drei neuen Kollegen. Davor habe ich auch schon etwas Angst. Es ist verrückt, eigentlich kann es ja auch sein, dass es dort ruhiger zugeht, und somit eine positive Veränderung ist, aber es bleibt halt eine Veränderung und somit für mich erstmal etwas unangenehmes.

    Wie ist es bei euch allen/ anderen mit dem Homeoffice? Könnt ihr das nutzen, wie flexibel seid ihr da und hat noch jemand Kollegen oder Vorgesetzte über seine/ ihre Diagnose in Kenntnis gesetzt?

    Doch begann auch er in Menschengestalt, und er tappte im Dunkeln, und seine Taten waren zufällig, bis ihm offenbart wurde, wer er sei und was er solle.
    – Peter Høeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee

  • Homeoffice kann ich leider nicht nutzen.
    An 3 Tagen in der Woche bin ich fast allein im Büro - da kann ich am effektivsten arbeiten.
    Da teile ich mir mit der Geschäftsführerin den Raum.
    Die anderen beiden Tage muss ich in einem Großraumbüro arbeiten, das ich mir mit der PDL und zwei Sozialarbeitern teile und wo ständig Schwestern vom Hospiz und auch Bewohner mit ihren Angehörigen rein und raus gehen. Das sind dann zwei sehr anstrengende Tage.

    @Saga N. - ich würde definitiv auf die Nutzung der Headsets bestehen oder auf ein lautlos-stellen der Telefone.
    Das klappt bei uns deutlich besser, da ist die Nutzung von Headsets erwünscht.

    ________________________________________________________________

    "Ich kehre in mich selbst zurück und finde eine Welt."

    (Johann Wolfgang von Goethe)

  • @Lilith Schade, dass du kein Homeoffice nutzen kannst. 3 Tage Ruhe und 2 Tage Stress im Büro klingt ja auch nicht allzu erbaulich.
    Das mit den Headsets werde ich mal ansprechen. Praktisch wenn das vom Arbeitgeber schon so gewünscht ist. Mir ist es immer noch ein Rätsel, wie man das so wie meine Kolleginnen handhaben kann.

    Doch begann auch er in Menschengestalt, und er tappte im Dunkeln, und seine Taten waren zufällig, bis ihm offenbart wurde, wer er sei und was er solle.
    – Peter Høeg, Fräulein Smillas Gespür für Schnee

  • Großraumbüros sind die Hölle. Da kann man nichts beschönigen. Und da stoßen auch alle Rücksichtnahmen an ihre Grenzen, denn eine bestimmte Zahl von Personen verursachen ein unvermeidbares Maß an Geräuschen.

    Schon bei einem Zweierbüro bleibt genug Konfliktpotential, denn wie schon richtig gesagt wurde, gibt es Leute die wünschen sich geradezu einen gewissen Grad von Lebensäußerungen von ihren Kollegen. Vor vielen Jahren hat sich eine neue Kollegin nach einigen Wochen von mir weg in ein anderes Zimmer setzen lassen, weil ich ihr zu still war ("da kann ich auch gleich alleine irgendwo sitzen")

    Wir sind ein Team von 14 Leuten und haben dafür 8 Räume. Ein Einzelbüro für alle ist daher nicht möglich und wird auch nicht von allen gewünscht. Nach Möglichkeit werden Personen mit ähnlich großem oder kleinem Ruhebedürfnis zusammen gesetzt.

    Wo Rücksichtnahme erforderlich ist muss man realistisch bleiben. Macht mein Kollege wirklich unnötig vermeidbaren Lärm oder bin ich einfach so hypersensibel dass schon sein Herzschlag mich zum Wahnsinn treibt (rhetorische Übertreibung)? Wer Unrealistisches erwartet und einfordert setzt sich dem Risiko aus dass die NT-Mehrheit zum Mobbing ansetzt oder die Geschäftsleitung zum Ergebnis kommt, dass man selber der Störenfried ist der weichen muss.

    Im Dienstgebäude in dem ich tätig bin, sind die Kollegen sowieso das kleinere Übel. In der Innenstadt gelegen ist die Belastung durch Straßenlärm und seit einem Jahr durch Bauarbeiten an einen Gebäude gegenüber höher als jedes Kaffeeschlürfen eines Mitarbeiters sein kann. Während der Öffnungszeiten ist das Haus voll mit Besuchern von außen, die nicht zur Ruhe zu disziplinieren sind.

    Bei Behörden oder großen Firmen besteht oft die Möglichkeit einen anderen Arbeitsplatz zu finden, der den Bedürfnissen besser entspricht. Aber manchmal geht das auch nicht. Dann gibt es nur die Alternative "aushalten oder gehen".

  • Ich habe ein 16er Büro und das benachbarte 16er Büro ist mehr oder weniger auch komplett offen und hörbar.
    Es sind aber letztendlich nur 1-2 Kollegen, die wirklich so laut sind, dass es stört und das auch nur dann, wenn sie telefonieren. Mit headset, aber die schreien eben selbst zu laut ins Mikro.
    Da freue ich mich echt über die Möglichkeit, jede 2. Woche HomeOffice zu machen. Wenn es das nicht gäbe, hätte ich nur die Möglichkeit, meine Arbeitszeiten anzupassen. Also die beiden kommen meist schon recht früh ins Büro, ich eher spät. Und wenn die Mittagspause haben, kann ich immerhin eine Stunde regenerieren.

    _,.-o~^°´`°^~o-.,_Ich ess Blumen...,.-o~^°´`°^~o-.,_

  • Nur kurz, da ich auf der (lauten :nerved: ) Arbeit bin. Mir geht es mit dem Lärm ganz ähnlich.

    Solltest Du ein Gespräch mit den Kollegen suchen, dann helfen Dir vielleicht sogenannte "Autismus-Simulatoren" um Deine Wahrnehmung / Probleme zu verdeutlichen. In diesem Thread gibt es einiges dazuein paar Beispiele -> KLICK

    Mein persönlicher "Favorit" ist dieses Video -> KLICK

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