Apotheken-Umschau über Modediagnosen

  • Morgen kommt bei "Punkt 12" im Fernsehen ein Bericht über Modediagnosen. Ich hoffe, dass da nicht auch Autismus genannt wird. :( Den Artikel in der Apotheken-Umschau haben vielleicht nicht so viele Menschen gelesen, aber wenn Autismus im Zusammenhang mit Modediagnosen dann auch noch im Fernsehen genannt wird, vermute ich dass das viele Leute "aufschnappen" (Redewendung).

    Das Thema Modediagnosen scheint wohl zur Zeit irgendwie "in" zu sein?

    LG IceQueen.

  • Das Thema Modediagnosen scheint wohl zur Zeit irgendwie "in" zu sein?

    Nein, das taucht immer wieder auf (Rw).

    So ähnlich wie Alligatoren-Sichtungen im Badeteich. :sarcasm:

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

  • Ich finde das nicht gut, dass das Thema "Modediagnosen" in den Medien immer wieder auftaucht. Was soll damit bezweckt werden? Welches Ziel wird damit verfolgt? Sollen die Fachleute und die Bevölkerung im Allgemeinen vor vermeintlichen Hypochondern gewarnt werden?

  • Ich hatte früher die Vorstellung, das ein Psychiater, Psychotherapeut, sein Fachwissen auch auf sich selbst anwenden könnte/würde und ging deshalb davon aus, das wären alles sehr reflektierte, umgängliche, innerlich "aufgeräumte" (Redewendung) Menschen. Aber ich habe selbst schon genug Psychiater, Therapeuten, Ärzte erlebt die auf mich irgendwie "nicht ganz dicht" (Redewendung) wirkten.

    Es ist ja ein Klischee, das sicher nicht ganz unwahr ist, dass u.a. Menschen Psychologie studieren, um sich selbst zu heilen. Ehrlich gesagt war ich auch damals kurz davor, Psychologie zu studieren, da war die Frist aber schon vorbei und im nächsten Jahr wäre ich mit meinem Abischnitt gar nicht mehr rein gekommen. Bin auch absolut froh drum, dass es nichts geworden ist, da ich das Thema zwar unfassbar interessant finde, ich aber abseits ggf. von Forschung nicht wüsste, was ich mit dem Abschluss hätte anfangen sollen.

  • Btw. ich habe am Wochenende mal drüber nachgedacht, dass ich 4 Personen mit ADHS-Diagnose (Arbeit, Bekanntenkreis) kenne, von denen mindestens 2 locker eine Autismus-Diagnose bekommen würden., bei den anderen beiden bin ich mir nicht ganz sicher. In einem Fall kommen komorbid noch Depressionen hinzu und die Einschränkungen bzgl. Arbeit, Wohnen etc. sind massiv, im zweiten Fall sind Einschränkungen vorhanden, aber weniger massiv, Person 3 + Person 4 haben ihr Leben gut im Griff.
    Liegt teilweise sicher daran, dass einige die ADHS-Diagnose schon als Kind bekommen haben, während zur selben Zeit AS überhaupt nicht diagnostiziert wurde. Aber auch Erwachsene erhalten heutzutage eher eine ADHS-Diagnose als eine AS-Diagnose, was meint ihr?
    (Ich kenne btw. auch 2 Leute mit ADHS-Diagnose, wo ich ÜBERHAUPT KEINE autistischen Symptome sehe. Nicht, dass jemand meint, ich würde das allen mit ADHS unterstellen ;))

    Aber ich bin ohnehin dafür, die Trennung AS/AD(H)S abzuschaffen und lieber ein mehrdimensionales Modell zu verwenden.

    Einmal editiert, zuletzt von seven_of_nine (23. Mai 2022 um 15:03)

  • Es gibt vielleicht 2-3 Ärzte, die sich so ähnlich wie diese Expertin äußern, vom Rest hört man das eher nicht, aber in allen Ambulanzen bekommen nur so ein Viertel bis ein Drittel der Leute, die dort hinkommen, eine AS-Diagnose. Das ist also wohl recht ähnlich. Einerseits könnten Ärzte glauben, dass sie "echte" Autisten mit sowas schützen, dass sie auf "eingebildete" Autisten oder eine Modediagnose hinweisen. Andererseits werden regelmäßig die vermutlich echten Autisten davon verunsichert, weil man ja nie genau weiß, wer nun gemeint ist. Da die Meinungen ja auch auseinandergehen, und es Leute gibt, die in der einen Stelle eine AS-Diagnose bekommen haben und in der andern nicht. Woher weiß man da jetzt, wer echt ist und wer nicht?

    Oha, das ist echt niedrig!
    Kann mir kaum vorstellen, dass es z.B. bei Depressionen ähnlich ist?

    Mich würde interessieren, ob diese Leute einfach unter dem Cut-Off sind, also BAP o.ä. (oder wie ich schrieb: es reicht nicht für eine Diagnose), oder dann wirklich komplett andere Ursachen gesehen werden.

    Echt ist gar nichts, weil Autismus ein menschliches Konstrukt ist, das man nicht gut objektiv messen kann, so in etwa wie "Schönheit" oder "Freundlichkeit", solchen Dingen kann man sich allerhöchstens annähern.

  • Aber ich bin ohnehin dafür, die Trennung AS/AD(H)S abzuschaffen und lieber ein mehrdimensionales Modell zu verwenden.

    :thumbup:
    Finde ich eine gute Idee, auch wenn's nicht ganz das Thema trifft.

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  • Mich würde interessieren, ob diese Leute einfach unter dem Cut-Off sind, also BAP o.ä. (oder wie ich schrieb: es reicht nicht für eine Diagnose), oder dann wirklich komplett andere Ursachen gesehen werden.


    Es ist nur eine Vermutung, ich vermute, dass bei der Mehrheit andere Ursachen gesehen werden, und bei einem kleineren Teil zu schwache Symptome für eine Diagnose. Schon öfter habe ich gelesen, dass Narzissten in die Autismussprechstunde kommen, und natürlich Leute aus schädigenden Familienverhältnissen (als Folge dann PTBS oder Persönlichkeitsstörungen).

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Persönlich würde ich anhand der Schilderungen von Leuten, die keine Diagnose bekommen haben, in der Mehrzahl der Fälle BAP oder auch (meiner Ansicht nach damit verwandt) eine Kombi aus ADHS, Hochbegabung und/oder Hochsensibilität vermuten. Die meisten Beschreibungen von Nicht-Diagnosen lasen sich für mich so, obwohl es auch welche gab, wo die Richtung mir anders zu sein schien. Aber das bleibt natürlich Spekulation. Ich fände es sehr interessant, wenn das mal untersucht würde.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • @seven

    Aber auch Erwachsene erhalten heutzutage eher eine ADHS-Diagnose als eine AS-Diagnose, was meint ihr?

    Bei mir war der Weg zur ADS-Diagnose tatsächlich länger als zur Autismus-Diagnose. Zum einen weil es unterschiedliche Diagnostiker mit unterschiedlichen Verfahren waren, zum anderen wohl, weil der Autismus scheinbar offensichtlicher bei mir ist und die ADS-Symptomatik da sauber "herausgefiltert" werden musste. Gerade die Symptomatik in der Kindheit war für ADS schwerer zu rekonstruieren, da meine Lehrerin viele meiner Probleme scheinbar garnicht meiner Mutter geschildert hat (Träumerei im Unterricht, Zeitverlängerung bei Klassenarbeiten notwendig, etc) und es so nur Erzählungen meines Kindermädchens gab. Um dieses BTM-Rezept, das ich brauche, ausstellen zu können, wollte der Diagnostiker einfach sicher sein, was ich ihm hoch anrechne!

    Ich hoffe einfach Mal, dass sich die Diagnostik beider Störungsbilder in den kommenden Jahren so weit verbessert, dass der Blick für die Weite und Diversität der jeweiligen Spektren so geweitet wird, dass schon immer mehr betroffene jung diagnostiziert werden. Damit sollte hoffentlich der hohe Bedarf an Erwachsenendiagnostik in den kommenden Jahrzehnten zurück gehen und noch viel wichtiger: mehr Menschen könnten früh notwendige Unterstützung bekommen. Wir haben so wertvolle Ressourcen für die Gesellschaft, die dürfen nicht ungenutzt bleiben....

    Ach ja... träumen darf man, gell?

    Ich schreibe in der Regel vom mobilen Endgerät aus - merkwürdige Wortkonstrukte sind ggf. der Autokorrektur geschuldet

  • Ich denke, jeder normale Mensch wäre erleichtert zu hören nicht behindert zu sein. Und würde dann nicht eine Zweitmeinung einholen, weil er unbedingt eine Erkrankung haben will. Oder weil die Krankheit nicht hip genug ist. Schade, kein Autismus, nur Zwangsneurosen.Da muss ich Mal einen anderen Arzt fragen

  • ch habe schon die Erfahrung gemacht, dass ein Therapeut meine ASS-Diagnose der Uniklinik mit den Worten "Modediagnose" für nichtig erklärt hat.

    Stattdessen hätte er sich fragen müssen ob er selber genug Kenntnisse über AS hat um dich und deine Situation/Motivationen/Handlungen/Probleme/Strategien usw zu verstehen, unabhängig davon ob es eine Modediagnose ist oder nicht und unabhängig davon ob du sie zurecht bekommen hast. Mein erster Therapeut (vor sehr vielen Jahren) hat aus (unverschuldeter) Unkenntnis des damals unbekannten Asperger Syndroms meinem ganzen Leben eine falsche Interpretation gegeben die ich brav aber nicht sehr erfolgreich nachzuvollziehen versuchte.

    Dass meine Beiträge so oft editiert werden hat meistens aber nicht immer damit zu tun dass ich sowohl grammatikalische oder syntaktische wie auch stilistische oder einfache Schreibfehler nicht immer sofort sehe und sie deswegen nachträglich korrigieren muss.

  • Wenn ich von der Uniklinik Köln eine Negativdiagnose bekommen hätte, dann hätte ich der Einschätzung der Diagnostiker durchaus vertraut und wäre nicht auf die Idee gekommen, mir eine weitere Meinung einzuholen. Die gestellte Autismusdiagnose aus meiner Kindheit wäre dann aus meiner Sicht vermutlich eine Fehldiagnose gewesen.

    Ich finde es es aber völlig in Ordnung, wenn es Leute gibt, die sich nach dem Erhalt einer Negativdiagnose eine weitere Meinung einholen wollen. Nach zwei gestellten Negativdiagnosen sollte aber meiner Meinung nach Schluss sein und einfach akzeptiert werden, dass man nicht autistisch ist. Für soziale Schwierigkeiten gibt es schließlich noch zig andere Ursachen.

  • Ich denke, jeder normale Mensch wäre erleichtert zu hören nicht behindert zu sein. Und würde dann nicht eine Zweitmeinung einholen, weil er unbedingt eine Erkrankung haben will.


    Mir kam auch der Gedanke, ob bei Menschen die evtl unzutreffend eine Autismus Diagnose haben wollen, warum auch immer, vielleicht eine andere Störung zu diesem Verhalten führt. Ich denke auch, ein normaler gesunder Mensch würde wohl gar nicht das Bedürfnis haben, sich eine seelische Störung diagnostizieren lassen zu wollen.

    Wenn ich von der Uniklinik Köln eine Negativdiagnose bekommen hätte, dann hätte ich der Einschätzung der Diagnostiker durchaus vertraut


    Kommt auch darauf an, von wem man eine Negativdiagnose bekommt. Vielleicht vom normalen Psychiater und man ließt später, das es Fachambulanzen gibt und lässt es dann dort nochmal gründlicher abklären.

    LG IceQueen.

  • Das ist eine der größten Gefahren, die ich an Autismus-Diagnosen sehe, obwohl ich ja grundsätzlich eher dafür bin (bekanntlich), mehr als weniger Leute zu diagnostizieren...Aber es sollte nicht so sein, dass man sich plötzlich nichts mehr zutraut, nichts mehr kann, nichts mehr aushält, alles nur auf den Autismus schiebt.

    Ich kann da natürlich nur für mich sprechen, aber meine Verunsicherung war vor meiner Autismus-Diagnose wesentlich größer. Es war halt so schwer greifbar bzw. zu verstehen, warum ich solche Schwierigkeiten in vielen Bereichen habe und immer wieder scheitere. Mit der Diagnose kam mehr Klarheit und ich traue mir überhaupt mal was zu, z.B. in meinem Rahmen soziale Kontakte zu suchen.

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    Glaub nicht alles, was du denkst.
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  • Mit der Diagnose kam mehr Klarheit und ich traue mir überhaupt mal was zu, z.B. in meinem Rahmen soziale Kontakte zu suchen.

    Ich denke dass die Diagnose, falls man richtig diagnostiziert wurde, vor allem die Möglichkeit gibt sich besser einzuschätzen und das eigene Leben danach zu richten was man tatsächlich kann und nicht kann und nicht nach dem was man glaubt sein zu müssen weil "alle" es hinkriegen. In Therapien mit NTs wird tendenziell erwartet dass man an die Beseitigung seiner grundlegenden Probleme arbeitet während bei Autismus Therapien für Erwachsene Selbstakzeptanz, auch der Defizite, eine größere Rolle spielt.

    Dass meine Beiträge so oft editiert werden hat meistens aber nicht immer damit zu tun dass ich sowohl grammatikalische oder syntaktische wie auch stilistische oder einfache Schreibfehler nicht immer sofort sehe und sie deswegen nachträglich korrigieren muss.

  • Ja, genau.

    Bei den Leuten, wo BAP zutrifft, kann es auch umgekehrt laufen. In der Spezialambulanz bekommen sie die Diagnose nicht, weil es da ja auch - und vor allem - um Forschung geht und man daher die eindeutigen Fälle (möglichst mit nicht zu vielen Komorbiditäten) als Autisten diagnostizieren will. Und dann geht man anschließend zu einem niedergelassenen Psychiater oder Psychotherapeuten bzw. einer Psychiaterin oder Psychotherapeutin, der oder die sich in dem Bereich auskennt. Vielleicht dort auch schon klinisch oder sogar in einer Spezialambulanz gearbeitet hat. Aber jetzt pragmatisch danach diagnostiziert, ob die Diagnose und auf Autismus zugeschnittene Hilfen dem entsprechenden Menschen helfen könnten. Weil er oder sie kein "reines Sample" braucht und zugleich weiß, dass auch die "leichten Ausprägungen" je nach konkreter Situation zu großen Problemen führen können.

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