https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-sy…uch-858969.html
Der Artikel ist insgesamt gut, finde ich. Erst am Ende geht es um Autismus. Den Hinweis, dass die Medien mit ihrer oberflächlichen Darstellung von Autismus Schaden anrichten, ist richtig. Und dass für viele Menschen mit Persönlichkeitsstörung oder Schizophrenie eine Asperger-Diagnose attraktiver ist wird wohl auch richtig sein. Ansonsten übertreibt die Expertin aus Göttingen. Auch hätte man erwähnen müssen, dass Asperger immer noch unterdiagnostiziert ist, trotz des Modediagnoseneffekts.
Zitat von Apotheken-UmschauDarüber hinaus darf ein Motor für Krankheitskarrieren nicht verschwiegen werden: die Medien. Nicht nur Zeitungen und Magazine, auch Filme und Serien fungieren als Trendsetter. Welcher Mensch mit sozialen Problemen möchte zum Beispiel nicht so genial sein wie „Sherlock“, die jüngste Inkarnation des berühmten Detektivs von Arthur Conan Doyle? In der gleichnamigen Serie nennt er sich selbst einen „hochfunktionalen Autisten“.
Ist es wirklich Autismus?
Die Folgen sieht Professorin Hannelore Ehrenreich in der Ambulanz für Autismus im Erwachsenenalter, die vom Max-Planck-Institut für Multidisziplinäre Naturwissenschaften und der Uniklinik Göttingen betrieben wird. „Kann ich für eine zweite Meinung zu Ihnen kommen? Ich denke, ich habe Autismus.“ Erhält die Neurologin einen solchen Anruf, muss sie innerlich seufzen: schon wieder ein „Lifestyle-Autist“. „Wer wirklich an Autismus leidet, würde nie so einen Anruf tätigen“, sagt die Expertin. Wenn sie dann nach einer gründlichen Untersuchung feststellt, dass vermutlich eine andere psychische Störung dahintersteckt, hat sie es oft mit einem entrüsteten Gegenüber zu tun. „Manche versuchen sogar zu verhandeln“, erzählt sie.
Auch bei Menschen, die für eine Zweitmeinung überwiesen werden, bestätigt sich in der Hälfte der Fälle der Autismus-Verdacht nicht. Oft stecken weniger populäre Erkrankungen wie Schizophrenie oder schwere Persönlichkeitsstörungen dahinter. Eine Ursache für falsche Befunde ist laut Ehrenreich auch ein anderes Leiden unserer Epoche: „Den Ärztinnen und Ärzten fehlt vor lauter Formularen und Fallpauschalen einfach die Zeit für eine gründliche Diagnose.“
Es würde mich interessieren, ob das Ausschlusskriterium "Anruf zur Terminvereinbarung" wohl haltbar ist. Es soll ja Ambulanzen geben, wo man keine Mails schreiben kann. Als ich noch dachte, ich müsste für die Terminvereinbarung anrufen, habe ich es immer vor mir hergeschoben, bis ich herausfand, dass es auch per Mail geht. Aber vielleicht hätte ich mich ohne diese Möglichkeit doch irgendwann zu einem Anruf überwunden.
Außerdem gibt es ja auch Autisten, für die das Telefonieren gar kein so großes Problem ist.