Wie tolerant seid ihr gegenüber abweichenden Empfindlichkeiten anderer Aspies?

  • Aus aktuellem Anlass ist mir jüngst - wieder einmal - bewusst geworden, dass man sich nicht zwangsweise mit jemandem gut versteht der ähnliche Probleme hat wie man selber.

    Als Aspie hat man so seine Besonderheiten und Empfindlichkeiten. Grundsätzlich könnte man annehmen, dass man daher ein gewisses Verständnis für andere mit ähnlichen Problemen hat.

    Aber Verständnis auf intellektueller Ebene muss nicht heißen, dass man im Alltag diese Eigenheiten des anderen auch leicht tolerieren kann. Vor allem wenn dessen Befindlichkeiten in direktem Gegensatz zu dem stehen, worin man vielleicht selber besonders sensibel ist.

    Wie sind eure Erfahrungen im Umgang mit anderen Aspies oder neurodiversen Menschen?

  • dass man sich nicht zwangsweise mit jemandem gut versteht der ähnliche Probleme hat wie man selber.

    Sympathie entsteht nicht durch vorhandene ähnliche Probleme.

    Warum ist das so?
    Es ist eigentlich ganz einfach.
    Ein Mensch definiert sich durch seinen Charakter und seine Persönlichkeit. Ein Mensch definiert sich nicht anhand der Probleme die er hat.

    Wenn eine Person, also nicht mit dem Charakter und/oder der Persönlichkeit des Gegenübers klar kommt, entsteht keine Sympathie. Das ist also unabhängig von ähnlichen Problemen.


    Aber Verständnis auf intellektueller Ebene muss nicht heißen, dass man im Alltag diese Eigenheiten des anderen auch leicht tolerieren kann. Vor allem wenn dessen Befindlichkeiten in direktem Gegensatz zu dem stehen, worin man vielleicht selber besonders sensibel ist.

    Hast du da evtl. ein konkretes Beispiel für?

    M.E. gilt es dann einen Kompromiss zu finden, der für beide Seiten akzeptabel ist.
    Das gilt prinzipiell für viele Beziehungen, egal ob Aspie, NT ...

  • Die Frage ist ja immer, ob sich ähnliches ergänzt oder sich behindert. Ich sehe da keinen Unterschied zwischen Autisten und Nicht-Autisten.

    Ergänzende Ähnlichkeit: Beide möchten es ruhig haben.
    Behindernde Ähnlichkeit: Starre Tagesstrukturen, die aber unterschiedlich sind. A möchte um Punkt 12 Uhr Mittagessen, B um 14 Uhr.

    Moderatorenbeiträge sind an der grünen und fetten Schrift erkennbar! Alles andere stellt meine persönliche Meinung als Forennutzerin dar.

  • Hast du da evtl. ein konkretes Beispiel für?

    Nun, das typischste welches mir gerade einfällt ist, dass jemand sehr sensibel auf Kritik reagiert (vor allem wenn sie sehr kleinliche Dinge betrifft und/oder unsachlich vorgetragen wird) und der andere sehr undiplomatisch Kritik übt an Kleinigkeiten die ihm nicht passen. (Wobei es natürlich jeweils unterschiedlich bewertet wird, was "eine Kleinigkeit" ist)

  • Zu den sich gegenseitig störenden Eigenheiten: Ich hab mal eine Doku über einen Autisten gesehen, dessen SI Geräusche waren. Er hat überall kleine Lausprecher eingebaut, damit überall etwas zu hören ist. Ich würde wahnsinnig werden.

    Aber generell ist mein Verständnis für autistische Eigenarten grösser.

  • @Schwarze Katze hat es eigentlich sehr gut beschrieben.

    Nun, das typischste welches mir gerade einfällt ist, dass jemand sehr sensibel auf Kritik reagiert (vor allem wenn sie sehr kleinliche Dinge betrifft und/oder unsachlich vorgetragen wird) und der andere sehr undiplomatisch Kritik übt an Kleinigkeiten die ihm nicht passen. (Wobei es natürlich jeweils unterschiedlich bewertet wird, was "eine Kleinigkeit" ist)

    Das ist ja gerade keine Gemeinsamkeit, sondern in diesem Bereich so ziemlich das größte vorstellbare Konfliktpotential. Bei Aspies soll je erschwerend hinzukommen, dass diese sich besonders schwer in den anderen hineinversetzen können. Wenn wir im Beispiel bleiben, kann sich der Nörgler gar nicht vorstellen, dass sein Gegenüber nicht dankbar für seine Anregungen ist. Hinzu kommt vielleicht nocht, dass es sich von Person zu Person unterscheidet, welche Ansprache als höflich empfunden wird oder wo die wunden Punkte sind. Auch hier ist es für Aspies schwieriger, den jeweils richtigen Ton zu treffen. Wobei ich jetzt gerade diese Konstellation als geradezu universell menschlich erlebt habe.

  • Sympathie entsteht nicht durch vorhandene ähnliche Probleme.

    Echt? Mich finden meistens Leute sympathisch, die sich irgendwie in mir wiederfinden oder das Gefühl haben, das ich für ihre Probleme Verständnis habe. Hab mich schon manchmal bang gefragt, ob mich viele Leute einfach NUR deswegen mögen, weil sie gestört sind :? Aber zum Glück gibt's dann doch auch normale Leute.

    Sympathie kann auch durch ähnliche Interessen entstehen.

    Bei meinem Partner und mir ist beides sehr stark vorhanden, ähnliche Probleme und ähnliche Interessen und ähnliche Stärken, noch stärker, als es bei meinen Freunden der Fall ist. Manchmal hab ich das Gefühl, dass es schwierig ist, dass wir uns ja nicht wirklich ergänzen, sondern tendenziell die gleichen Dinge können und NICHT können, zudem wir auch noch in einem sehr ähnlichen Bereich arbeiten. Wenn z.B. BEIDE Personen nicht richtig planen, ist es noch schlimmer, als wenn nur die eine das nicht tut.

    Einmal editiert, zuletzt von seven_of_nine (20. Mai 2022 um 16:57)

  • Die Frage ist ja immer, ob sich ähnliches ergänzt oder sich behindert. Ich sehe da keinen Unterschied zwischen Autisten und Nicht-Autisten.

    Ergänzende Ähnlichkeit: Beide möchten es ruhig haben.
    Behindernde Ähnlichkeit: Starre Tagesstrukturen, die aber unterschiedlich sind. A möchte um Punkt 12 Uhr Mittagessen, B um 14 Uhr.

    Der Autismus alleine ist keine Garantie dafür, dass ich mit jemanden klarkomme. Meine Freunde sind ja auch Nicht-Autisten. Ich komme mit ihnen klar weil wir bei einigen Dingen ähnliche Sichtweisen haben und ähnliche Interessen, Charaktereigenschaften sind teilweise auch miteinander harmonierend.

    Hier im Forum bin ich ja sehr aktiv und die Probleme mit den anderen Autisten überschneiden sich schon mal und da bin ich auch schon mal gleicher Meinung bei den Beiträgen mit manchen Autisten aber trotzdem würde ich nicht mit jedem Autist, den ich dann auch in echt sehe klarkommen. Menschen, die auch autistisch sind und ähnliche Interessen und Sichtweisen wie ich habe - das würde funktionieren. Nur Autismus als Gemeinsamkeit wird nicht funktionieren weil ich sonst auch nicht viel mit der Person zum Reden habe. Irgendwann hat man alle "Probleme" mal durch und dann bleibt wenig übrig.

  • Bei mir ist es auch so, dass wenn ich mit jemandem befreundet bin und er immer wieder keine Rücksicht auf meine Gefühle und Bedürfnisse nimmt, ich ungehalten werden kann, im Sinne von: "Warum berücksichtigst er meine Belange nicht. Das finde ich mir gegenüber nicht nett." Wenn die Person zum Beispiel gern immer den gleichen Weg gehen möchte.

    Da ist es dann ein grosser Unterschied, ob die Person keine Rücksicht nehmen will, weil sie keine keine Lust darauf hat, auf mich einzugehen, oder ob sie nicht kann, weil es ihr eine Qual ist. Letzteres kann ich nehmlich sehr gut nachvollziehen und bin dann nicht böse, sondern fühle mit. Und da kann das Wissen darum, dass der andere auch Aspie ist, sehr helfen, die Situation richtig einzuschätzen.

  • @Abendrot:

    Es ist wichtig die Bedürfnisse auch zu kommunizieren, damit auf sie eingegangen werden kann.

    Das stimmt. In dem Fall war das so. Nach dem zigten Mal dachte ich mir dann: Nun hab Dich nicht so. Mir ist es wirklich wichtig, den anderen Weg zu gehen. Warum nimmtst Du keine Rücksicht auf mich.
    Also, ich hab das dann auch formuliert, aber nicht so ruppig.

    Mit dem Wissen darum, dass die andere Person auch solche Einschränkungen wie ich hat, war es für mich kein Problem mehr, es zu akzeptieren, auch wenn ich es schade fand, den anderen Weg nicht zu gehen. Ich hab es nicht mehr persönlich genommen, dass keine Rücksicht genommen wurde und ich habe mich noch mehr verbunden gefühlt, in dem Wissen, dass auch die andere Person gut nachvollziehen können wird, warum ich in manchen Punkten bin wie ich bin.

  • Ein anderes Beispiel, dass mir grad noch einfällt: Ich hatte einmal einen anderen Aspie kennengelernt, der in einer Situation aggressiv geworden ist (er hat bei McDonalds versehentlich etwas umgekippt, hat die Person neben uns damit bespritzt, alles war nass und er ist dann schimpfend gegangen und hat mich sort allein sitzen lassen).

    Ich selbst hatte erst 1-2 mal einen Meltdown, konnte das Verhalten nicht einordnen und habe mich, auch weil mich das Verhalten verängstigt hat, dann zurückgezogen. Ich dachte, erhätte Aggressionsprobleme.
    Hätte ich gewusst, was sich da grad bei ihm abspielt, hätte ich den Kontakt nicht einschlafen (RW) lassen.

  • Nach dem zigten Mal dachte ich mir dann: Nun hab Dich nicht so. Mir ist es wirklich wichtig, den anderen Weg zu gehen. Warum nimmtst Du keine Rücksicht auf mich.
    Also, ich hab das dann auch formuliert, aber nicht so ruppig.

    Ich kenne die Situation nicht. Von daher kann ich nur verallgemeinert sagen, dass es ohne Kompromisse nicht geht.
    Ich wäre den anderen Weg mit gegangen.
    Unbekanntes ist hier und da ja auch ok. Bei mir kommt da der positive Effekt des ADHS zum Tragen. :)
    Allerdings ist eine vorherige Information sehr hilfreich, damit ich mich darauf einstellen kann.

    Ich hatte einmal einen anderen Aspie kennengelernt, der in einer Situation aggressiv geworden ist (er hat bei McDonalds versehentlich etwas umgekippt, hat die Person neben uns damit bespritzt, alles war nass und er ist dann schimpfend gegangen und hat mich sort allein sitzen lassen).

    Das er gegangen ist, ist unschön.
    Ich hätte mich bei der anderen Person entschuldigt und es unter
    "Ok, Trottelfaktor Alarm. Shit happens." verbucht. :)
    Kann ja jedem mal passieren.

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