Quatscht ihr andere Leute voll?

  • Ich habe als Kind eher wenig geredet, eigentlich nur, wenn man mich dazu aufgefordert hat. Kann mich noch dran erinnern, dass meine Eltern immer meinten, ich müsste mal mehr mit anderen reden, weil die sonst denken würden, ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben. Also habe ich das versucht umzusetzen, wobei ich bis heute glaube, dass man einfach gemerkt haben muss, dass ich nicht rede, weil ich reden möchte, sondern, weil ich es soll.

    Irgendwann war mir das dann aber zu mühsam und ich habe wieder damit aufgehört. Als ich dann im Rettungsdienst anfing, da haben mich immer mal wieder Leute gefragt, was ich meine, was sie haben könnten, indem sie mir ihre Symptome nannten. Also die meinten das nicht als Quiz, sondern wollten ernsthaft Tips von mir. Gut, ich war medizinisch halt sehr interessiert, und wenn ich mir einen Reim auf die genannten Symptome machen konnte, hab ich quasi einen Fachvortrag gehalten, samt Fremdwörtern, die die anderen nicht verstanden. Einmal meinte eine Bekannte dann, ich solle sie nicht damit zutexten, das wolle sie doch gar nicht wissen. Ich war da ziemlich perplex, immerhin hatte sie mich doch um Rat gefragt, nur um mir dann mitzuteilen, dass sie den nicht hören will. "Dann frag mich nicht," sagte ich, und das hat sie auch wirklich nie wieder getan.

    Wenn mich etwas wirklich interessiert kann ich mich so dafür begeistern, dass ich auch mal nen langen Monolog darüber halte. Kommt in der Regel nicht so gut an. Man sagte mir dann schon, ich sei ein Spinner, oder verpeilt, aber harmlos.

  • Ja, es kann mir passieren, Menschen zuzuquatschen wenn es um etwas geht, was mich interessiert und wo ich dann eben zufällig auch etwas drüber weiß.
    Ja, ich weiß daß man das nicht machen soll. Ich weiß das auch in dem Moment, meistens jedenfalls. Und trotzdem passiert es mir dann. Und wenn es gekoppelt ist mit "es nicht ertragen, dass halbwahrheiten oder gar Unwahrheiten im Raum stehen bleiben", dann kann das schon schwierig sein für die anderen.

    Aber eigentlich denke ich, die Welt wäre so viel besser und spannender wenn es alle täten. Info dumping ist super cool. Ich schätze es sehr, wenn es andere tun. Jedenfalls meistens, wenn ich I'm Kopf ein dringenderes Problem habe oder eigentlich keine Zeit habe weil ich einen Termin habe, dann natürlich nicht.
    Ich lerne auch sehr gut und es bleibt viel hängen wenn jemand anders seine Info einfach bei mir abläd und ich Fragen stellen darf. Es ist klar, daß es Themen gibt die mich mehr interessieren als andere.

    Eigentlich verstehe ich nicht mal kognitiv warum es sozial nicht erlaubt ist und jegliche Unterhaltung auf der Oberfläche so vor sich hindümpeln muß um als angenehm empfunden zu werden. Ich weiß nur, dass es so ist und richte mich danach- in, äh, vielen Fällen.

    Einmal editiert, zuletzt von Tilia_0 (18. Juli 2022 um 17:22)

  • Interssante Frage:
    Erlich gesagt ja ich quatsche auch gerne andere mit irgendwas voll. Ich hatte nur nicht gedacht das es noch so vielen anderen auch so ergeht.
    Aber ich erzähle dann sehr oft irgend ein Blödsinn, so das die Leute darüber lachen können. :lol:

  • Diesen Verlauf halte ich gerade bei reflektierteren erwachsenen autistischen Menschen für sehr typisch. Eine generelle Zurückhaltung kann dabei auch durchaus mit der Neigung, zwischendurch in bestimmten Situationen doch wieder zu viel zu erzählen, kombiniert sein. Nach dem Motto "redet entweder zu viel oder zu wenig" - aber es passt nie so wirklich.


    Ohje...
    Mit ist das Ganze leider erst seit Kurzem klarer...

    Und danach war ich geschockt und zutiefst verunsichert... Google sagte, die meisten Menschen möchten allerhöchstens zwei Minuten lang über irgendetwas
    zuhören, seitdem schaue ich sozusagen innerlich dauernd auf die Uhr und denke mir, dass es sicher sowieso keinen interessiert.

    Wie viele auch schrieben hier, dazu die Erfahrungen als Kind. Ich hatte nie das Gefühl, dass mir jemand WIRKLICH zuhört, nicht einmal so halb, z.B am Tisch.
    Ich kam nie durch, fühlte mich selten verstanden.

    Und wenn man dann endlich jemanden trifft, bei dem man das Gefühl hat, auch etwas sagen zu dürfen, geht es mit mir durch und bricht aus mir heraus.
    Oder ich bin anderen wieder zuu ruhig.

    Wenigstens bin ich damit nicht alleine...
    Ist wohl normal, dass etwas so kippt? Und die Verunsicherung?
    Wenn man gerade erst mit autistischem Spektrum konfrontiert wurde?

    Ich frage andere auch viel, bin dann oft die, die beispielsweise angerufen (kreisch...) wurde, aus dem Krankenhaus.
    Wenn der andere gerade niemanden hatte. Weil ich, wenn nicht im langen Dienst, etwas habe, das deren "Freunde" wohl nicht haben, nämlich Zeit.

    Höre also viel zu, UND quatsche andere voll... Trotzdem... möchte kein so nerviges nichtsverstehendes Wesen für andere sein

  • Manchmal halte ich viele Monologe, aber nicht viel. Es beschwert sich niemand darüber. Das kann nur höflich sein, oder ich gehe wirklich niemanden auf die Nerven.

    "Igitt, die Muse hat mich geküsst." ~ ein autistischer Künstler

  • Nein, ich bin eher ruhig und zurückhaltend.
    Wenn ich mit jemanden versuche über meine Spezialinteressen zu reden, sind wir da auf einem ganz anderen Level.
    Da macht es auch gar keinen Sinn weiter zu reden.
    Außerdem bekam ich ja eh schon oft das Feedback, dass meine Interessen und generell mein Verhalten komisch sei.
    Mit solchen Leuten spreche ich auch gar nicht mehr.

    Mit @Grocel kann ich über bestimmte Themen intensiver sprechen.
    Und darüber oder einem bestimmten Detail kann ich mich mit ihm sogar stundenlang unterhalten.
    Unser Redeanteil ist dabei ausgewogen.

  • ich verspüre manchmal einen Rede-Brechreiz, wenn ich weiß, ich sollte eigentlich aufhören zu labern mache ich alles nur noch schlimmer, indem ich noch mehr Blödsinn rede.
    Ansonsten ist es bei mir so, entweder ich rede zu viel, oder (vor allem in Gruppen) zu wenig.

  • Ich bin vor allem anfangs total zurückhaltend. Wenn ich dann merke, von den anderen kommt ja gar nichts, dann lege ich voll los. Ich passe mich da den Gegebenheiten an. So bin ich auch wieder zurückhaltend, wenn von ihnen viel kommt.

    Je oberflächlicher das Klima, desto stiller bin ich. Je "tiefer" bzw. geistig anspruchsvoller das Klima, desto mehr schöpfe ich dann aus den Vollen. Damit kann ich dann andere auch überfordern. Wenn ich ganz viel Pech habe, fühlen die sich dann dadurch minderwertig und werden aggressiv.

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