Zusammensein mit anderen anstrengend - wie verhalten?

  • Hallo,

    ich habe mich oft verbogen und versucht mich anzupassen. Z.B. habe ich mich auf (Gruppen-)Treffen eingelassen, die für mich anstrengend waren und keinen Spaß gemacht haben. Ich habe krampfhaft versucht, zu Kollegen nett zu sein und irgendwelche Gespräche zu beginnen, obwohl ich in Pausen am liebsten nur Ruhe gehabt hätte.

    In letzter Zeit habe ich mehr auf meine Bedürfnisse geachtet und nicht nur darauf, was andere von mir wollen oder erwarten oder normal ist. Ich habe mehrere Treffen abgelehnt (was ich sonst nie mache) und gesagt, dass mir gerade nicht danach zumute ist. Auf der Arbeit habe ich meine Aufgaben gemacht und mich weniger im Pausenraum gezeigt.

    Allerdings kommt direkt Kritik und Unverständnis. Es wird nachgehakt, warum ich kein Treffen will, Leute sind enttäuscht, werfen mir vor, dass sie mich gar nicht mehr sehen, oder fragen, was los ist.

    Ich weiß nicht, wie ich mich erklären soll. Verhalte ich mich nach außen gesehen wirklich unhöflich, wenn ich das mache, was mir guttut, und mich aus Sachen rausziehe? Sollte ich mich lieber wieder verbiegen und schauspielern? Die Kritik, die dann kommt, kann ich nämlich auch nicht ertragen und bin danach mehrere Tage deprimiert und habe Angst, dass ich wirklich unhöflich wirke und mir das selbst nicht auffällt.

    Wie soll ich mich erklären? Ich weiß ja selbst nicht genau, was mit mir los ist. Ob es starkes Desinteresse, soziale Inkompetenz, Reizüberflutung, Schüchternheit oder eine Mischung aus allem ist. Ich kann anderen ja schlecht sagen „Die Gespräche / Treffen mit euch strengen mich an, deshalb bin ich lieber allein.“

    Wie macht ihr das, wenn ihr Zusammensein mit anderen auch anstrengend findet? Zwingt ihr euch dazu oder zieht ihr euch da raus?
    Wurdet ihr auch schon dafür kritisiert, dass ihr euch zu sehr rauszieht oder zu wenig Smalltalk haltet?


    Danke.

  • Ja, wenn du dich zurück ziehst, und den Kontakt zu anderen meidest, dann empfinden NTs das als unhöflich. Sie gehen erstmal von ihrer Erfahrungswelt aus, in der Menschen grundsätzlich Kontakte suchen. Gemieden werden sie in erster Linie dann, wenn die Sympathie nicht passt.
    Ein offener Umgang damit, dass du sehr sensibel auf äußerliche Reize reagierst, kann die Situation verbessern. Dadurch bekommen deine Kollegen eine Erklärung für dein Verhalten und können verstehen, dass es eben nicht daran liegt, dass du sie unsympathisch findest. Vielleicht eröffnet das auch die Möglichkeit hin und wieder an sozialen Zusammentreffen teilzunehmen, aus denen du dich jederzeit zurück ziehen kannst, wenn es dir zu viel wird.

  • Aus eigener Erfahrung heraus kann ich dir versichern, dass das mit dem Nachfragen mit der Zeit aufhören wird. Allerdings wirst du dann wahrscheinlich als "merkwürdig" bzw. "seltsam" und auf jeden Fall "anders" abgestempelt. NTs mögen es in der Regel nicht, wenn Jemand "anders" ist. Vermutlich sind sie dann ebenso verunsichert, wie man selbst eben in den Situationen ist, die für NTs wiederum normal und angenehm sind. Wenn du Pech hast, wirst du dann gemobbt. Man setzt sich von Ihnen ab, also grenzen sie sich auch ganz deutlich ab. Das muss natürlich nicht zwangsläufig sein, aber ich habe immer wieder diese Erfahrung machen dürfen, obwohl ich genau wie du nichts Böses, sondern nur einfach meine Ruhe haben wollte.

    Soli Deo Gloria

  • Wie macht ihr das, wenn ihr Zusammensein mit anderen auch anstrengend findet? Zwingt ihr euch dazu oder zieht ihr euch da raus?

    Das alles eher auf Privatkontakte bezogen:
    Ich ziehe mich raus, wenn mir etwas zu viel ist und wenn jemand Interesse hat tausche ich mich zu dem Thema auch aus, soweit es beidseitig sinnvoll und möglich erscheint.
    Wenn dadurch Kontaktimpulse einseitig oder beidseitg verschwinden, ist der Kontakt dann früher oder später weg aus meinem Leben, was dann eher eine Erleichterung ist.

    Andere Kontakte bleiben erhalten, werden dadurch aufrichtiger, was auch sehr entlastend ist und auch bereichernd.
    Doch sind das wenige bei mir, sehr viel weniger als früher, was mir unterm Strich sehr guttut.

    Ich kann anderen ja schlecht sagen „Die Gespräche / Treffen mit euch strengen mich an, deshalb bin ich lieber allein.“


    Wenn Dir die Menschen etwas bedeuten und Du Kontakt halten magst, macht denke ich Sinn, ihnen eine andere Form des Kontaktes , die Dir stimmiger erscheint, anzubieten.
    Vielleicht findet sich so eine andere Art des Zusammenseins.
    Und wenn Du merkst, dass Du ohne die Kontakte besser klarkommst, hast Du so mehr "Raum", Energie und/oder Chancen, einen für Dich passenden Weg im Leben zu finden.

    2 Mal editiert, zuletzt von ifi (15. Januar 2022 um 12:56)

  • Ich kann anderen ja schlecht sagen „Die Gespräche / Treffen mit euch strengen mich an, deshalb bin ich lieber allein.“

    Du könntest es allgemeiner formulieren: "Treffen mit Menschen strengen mich in der Regel sehr an. Das hat mit euch nichts zu tun. Ich bin lieber allein, weil ich mich sonst nicht entspannen kann."

  • Ich selbst entziehe mich auch geselligen Anlässen mit meinen Kollegen (Weihnachtsfeiern, Kollegiumsausflüge usw.). Aber ich biete bei verschiedenen Gelegenheiten auch meine Hilfe an. So habe ich die Hoffnung, dass ich nur als etwas merkwürdig, nicht aber als jemand wahrgenommen werde, dem die anderen egal sind.

  • Ich selbst entziehe mich auch geselligen Anlässen mit meinen Kollegen (Weihnachtsfeiern, Kollegiumsausflüge usw.).

    Das handhabe ich mittlerweile auch so und kommuniziere mit "schamloser Offenheit", dass ich an solchen geselligen Anlässen kein Interesse habe.
    Führte in der Vergangenheit bei manchen Kolleginnen und Kollegen zu "Irritationen", jedoch machte ich auch die Erfahrung, dass es noch (mitunter gar nicht wenige) andere gibt, die diesen geselligen Anlässen nicht die Bedeutung beimessen, die die Initiatoren derselben sich wünschten.

    Leute, die mich nicht zu einer Party oder einer Feier einladen, tun mir damit einen Gefallen.

  • @Elena
    Ich habe mich früher auch immer verbogen um freundlich zu sein und mit anderen möglichst gut auszukommen. Auf mein Rückzugs- und Ruhebedürfnis habe ich dabei wenig bis garkeine Rücksicht genommen, was mir sehr geschadet hat. Erklärungen dass mich verschiedene Aktivitäten gerade in grösseren Gruppen einfach überanstrengen wurden eigentlich nie verstanden. Ausreden wie Kopfschmerzen, Übelkeit oder was auch immer konnte ich auch nicht zu oft gebrauchen weil sonst überfürsorgliche Reaktionen kamen dass bei mir gesundheitlich etwas nicht in Ordnung sein könne und ich unbedingt mal einen Arzt aufsuchen solle. Andernfalls wurden diese Ausreden als das enttarnt was sie ja letztlich auch waren, nur aus anderen Beweggründen (mir wurde dann Desinteresse und Arroganz unterstellt). Inzwischen sage ich ganz einfach was die Gründe sind, egal ob sie verstanden werden oder nicht, einfach deshalb weil ich nicht mehr die Kraft habe immer alles haarklein erklären zu müssen, nur damit es dann meistens doch nicht verstanden wird. Das dienst einfach meinem Selbstschutz. Das ist allerdings keine Patentlösung und ich kann sie auch nur bedingt empfehlen, es wird in den allermeisten Fällen nicht gut aufgefasst.

  • Hallo @Elena,

    auf die Arbeit bezogen habe ich eine Idee: in Firmen, Abteilungen, auf Fluren oder was immer die Einheit ist, die Kontakt hat, gibt es meiner Erfahrung nach fast immer Menschen, auf die andere hören. Oft Menschen, die andere verteidigen, die auch mal was klarstellen und denen ganz allgemein mehr vertraut wird und die allgemein respektiert werden.

    Such Dir so eine Person und erklär ihr die Situation und bitte sie um Hilfe. Diese Person kann künftig, vermittelnd wirken. Was sie vermutlich auch gern tun wird.

    Wenn Du erklärst, dass Du die Kollegen magst und respektierst und nicht möchtest, dass sie einen falschen Eindruck haben, Dich jedoch gesellige Zusammenkünfte stressen, was nichts persönliches ist, dann sollte das vermittelbar sein.
    Denn im Grunde ist es ja eher kollegial, dass Du durch Vermeidung von Sozialstress dafür sorgst, dass Du arbeitsfähig bleibst und so vermeidest, dass andere Deine Arbeit mitmachen müssen oder sich arbeitsmäßig nicht auf Dich verlassen können.

    Bitte beachte, dass meine Vorstellung aus meiner Arbeitsrealität stammt. Inwieweit sie Dir nützt und umsetzbar ist, weiß ich daher nicht.

  • Eine Vertrauensperson, die als Vermittler dient, ist eine gute Idee, aber auch schwierig, weil ich eigentlich zu niemandem kein so vertrautes Verhältnis habe. Der Abteilungsleiter ist zwar nett, aber selbst zurückhaltend und wird bei anderen nicht so ganz respektiert.

    Meine größte Sorge ist, dass mein Verhalten nach außen hin richtig unhöflich / verletzend / undankbar wirkt. Dass ich mich regelrecht erschrecken würde, wenn ich mich selbst auf Video sehen würde.

    Höflichkeit und Empathie sind mir superwichtig. Demgegenüber steht aber mein Bedürfnis nach Ruhe und der Stress durch Reizüberflutung.

    Wenn nach langer Zeit mal wieder jemand bemerkt, dass ich mich seltsam verhalte, fühle ich mich absolut machtlos, weil ich selbst keine klare Erklärung / eindeutige Diagnose dafür habe. Dann steigere ich mich in Gedanken rein, dass in Wahrheit alle schlecht von mir denken.

    Was sicherlich auch noch paradox und unverständlich erscheint: Mit Kunden kann ich gut und gern Smalltalk halten und mich auch mit mehreren zusammen unterhalten. Mit Kollegen dagegen nicht. Mit Kunden gibt es halt vorgegebene Themen und das Reden macht für mich „Sinn“, weil es Teil meiner Arbeit ist. Mit Kollegen empfinde ich es dagegen als unvorhersehbar, anstrengend und oft sinnlos.

    Ich habe mich zuletzt schon damit erklärt, dass es halt einfach mein Charakter ist bzw. solche Zusammenkünfte nicht mein Ding sind, das aber nicht bedeutet, dass ich die anderen nicht mag. So wirklich verstanden wurde das, glaube ich, aber nicht.

    Die Konsequenz ist, dass ich jetzt wohl wieder stark darauf achten werde, Smalltalk zu beginnen. Auch wenn es anstrengend ist und ich gar nicht weiß, worüber ich reden will und immer stark überlegen muss, was für Themen jetzt üblich wären und was dagegen unpassend wäre.

    Bei engen Freunden ist es für mich einfacher. Da weiß ich, dass wir über alles reden können. Bei Kunden weiß ich auch, worüber ich reden kann, da ist es sehr förmlich/sachlich. Aber bei Bekannten oder Kollegen ist der Vertrautheitsgrad in der Mitte. Da muss ich stark überlegen, was man ansprechen kann und was nicht.

    Es geht nicht nur um Feiern/Betriebsausflüge, sondern auch um alltägliches Zusammenstehen, z.B. draußen mit denjenigen, die eine rauchen. Oder zusammen in der Kantine sein.

  • Wurdet ihr auch schon dafür kritisiert, dass ihr euch zu sehr rauszieht oder zu wenig Smalltalk haltet?

    Nein. Und selbst wenn, dann wäre es mir egal.
    Ich bin allerdings sowohl beruflich wie auch privat eher in einem nerdigen Umfeld unterwegs.
    Kritik daran, dass ich Andere Leute nicht genügend bespaße, wäre ein NoGo für mich. Da wäre ich dann auch relativ offen und würde meine Bedürfnisse klar kommunizieren.

    _,.-o~^°´`°^~o-.,_Ich ess Blumen...,.-o~^°´`°^~o-.,_

  • Ich kann anderen ja schlecht sagen „Die Gespräche / Treffen mit euch strengen mich an, deshalb bin ich lieber allein.“

    Das wäre tatsächlich unhöflich weil es impliziert dass es die Anderen sind die dich anstrengen und dass sie ihre Mängel als anstrengende Wesen beheben sollten um sich erträglich zu machen für dich und andere. Man kann immer sagen "Ich brauche Zeit für mich und deswegen tut eine Auszeit von Gesprächen/Treffen mich gut" oder "Ich brauche eine Pause um meinen Kopf klar zu kriegen" oder "Ich brauche etwas persönlichen Freiraum aber bin gleich wieder da."

    Es gibt genug introvertierte Menschen auf der Welt und es ist glaube ich inzwischen bekannt dass Menschen unterschiedliche "soziale Eimer" haben. Allerdings wenn du in der Vergangenheit dich anders verhalten hast ist es natürlich dass die Anderen sich fragen was los ist, was die Erklärung für die Veränderung in deinem Sozialverhalten sein könnte.

    Dass meine Beiträge so oft editiert werden hat meistens aber nicht immer damit zu tun dass ich sowohl grammatikalische oder syntaktische wie auch stilistische oder einfache Schreibfehler nicht immer sofort sehe und sie deswegen nachträglich korrigieren muss.

    Einmal editiert, zuletzt von Unbewohnte Insel (15. Januar 2022 um 15:15)

  • Das kommt mir sooo bekannt vor. Und ich habe auch genau diese Diskrepanz wie du, weshalb einen dann erst recht keiner versteht:

    Was sicherlich auch noch paradox und unverständlich erscheint: Mit Kunden kann ich gut und gern Smalltalk halten und mich auch mit mehreren zusammen unterhalten. Mit Kollegen dagegen nicht. Mit Kunden gibt es halt vorgegebene Themen und das Reden macht für mich „Sinn“, weil es Teil meiner Arbeit ist. Mit Kollegen empfinde ich es dagegen als unvorhersehbar, anstrengend und oft sinnlos.

    Ich habe mit offen sein verschiedene Erfahrungen gemacht.

    Man wird, nachdem man dazu was kommuniziert hat von manchen anders behandelt. Das kann dazu führen, dass es dann noch schwerer wird, wenigstens ab und zu mal mit den anderen zu reden/ab und zu mal mitzugehen. Davor war es mir eher möglich, wenigstens manchmal am Smalltalk teilzunehmen, aber danach steht man was das angeht ja erst Recht unter Beobachtung.

    Mein (derzeitiges) Fazit ist, dass mich das eher noch mehr stresst, oder zumindest nicht weniger. So oder so ist beides für mich mit Stress verbunden, der nur zu vermeiden wäre, wenn ich meine Arbeit unabhängig von "dem unnötigen Alltags-Außenrum" machen dürfte.

    Positiv war es mal so mit ca. 19 im FSJ, da habe ich mich sooo blöd gefühlt, weil ich einfach nicht so viel mit den anderen zusammenhocken konnte, obwohl ich sie nett fand (vielleicht ist das die Voraussetzung, dass das "Outing" positiv verläuft, dass man die anderen durchaus mag, und/oder sie einen auch). Als ich da einbisschen was zu erklärt habe (damals wusste ich noch null über Asperger, Intro-/Extro-Unterschiede), konnten die andere das zwar nicht wirklich verstehen, aber sie reagierten ganz locker à la ja ist doch nicht so schlimm, dann kommst du eben manchmal mit, wir freuen uns. Und ab da fühlte ich mich sogar etwas weniger gestresst bei Kontakt mit ihnen, da ich wusste, wenn ich mal plötzlich gehen will, weil mir alles zu viel wird, wird sie das wenigstens nicht so sehr überraschen!

    Achja, was ich aber auch kenne (in dem Fall im Privatleben): Man sagt durchaus in einer akuten Situation, dass man nicht so lang bleiben will / irgendwohin lieber nicht mitwill, lieber daheim allein wäre oä. Aber es wird nicht beachtet, scheinbar überhört, und/oder scheint dem anderen einfach so unnachvollziehbar, dass er es nicht glaubt? Wenn dann irgendwann später mal das Gespräch allgemein drauf kommt, und man sagt, dass man z.B. nicht so gern auf Partys geht, oder nicht gern telefoniert, heißt es: "Aber du warst doch oft dabei / machen wir doch oft! Da ist mir nichts an dir aufgefallen. Wenn du nichts sagst, kann ich ja nicht wissen, dass du das nicht magst!"
    Was soll man da machen?

    Einmal editiert, zuletzt von Lachatte (15. Januar 2022 um 16:26)

  • Meiner Erfahrung nach verstehen das die Leute nicht. Aus NT-Sicht sagt man, dass sie anstrengend sind, was die Betroffenen kränkt. Kränkung spielt bei NT sowieso eine große Rolle, sie fühlen sich in einer Tour persönlich angegriffen.
    Auch innerhalb meiner Familie gibt es leider kein Verständnis, obwohl sie von meiner Diagnose wissen! Ich glaube, unter NTs bedeutet Introversion, wenn man nur jeden zweiten Tag jemanden treffen kann, statt jeden Tag.
    Verständnis habe ich diesbezüglich außer von Autisten erst von einer anderen Person erfahren, aber der könnte auch Autist (ohne Diagnose sein).

    Du musst entscheiden, was für deine Gesundheit letztendlich besser ist: Dich zurückzuziehen (was dein gutes Recht ist!) und als Konsequenz komische Bemerkungen/unfreundlichere Behandlung in Kauf zu nehmen oder dich weiterhin verstellen.
    Dass du mit Kunden besser klarkommst, erlebe ich auch so: Zwar nicht mit Kunden, doch ich finde es einfacher, mit meinen Kursteilnehmern gut zurechtzukommen als mit Kollegen und bin froh, dass ich mit Kollegen wenig zu tun habe.

  • Genau davor habe ich auch Angst: Dass man nach einem Outing erst recht unter Beobachtung steht.

    Da ich mich erst in letzter Zeit mehr von anderen fernhalte, weiß ich auch nicht, wie ich das begründen soll. Kann ja schlecht sagen, dass ich endlich mal auf mein Ruhebedürfnis gehört habe. Dadurch merken andere, dass ich ihnen vorher etwas vorgespielt habe oder es sonst anstrengend für mich war.

    Ich kann auch schwer einschätzen, ob ich mich von außen betrachtet wirklich danebenbenehme und mich sogar entschuldigen sollte. Oder ob es legitim ist, mich so zu verhalten, wie ich mich verhalte. Ich grüße halt immer freundlich und bin für Gespräche bereit, wenn man mich anspricht. Nur selbst ergreife ich fast nie die Initiative. Außer wenn es wirklich was zu reden gibt, z.B. jemanden nach einer OP fragen, wie es ihm geht. Aber sonst, wenn nichts passiert ist und es nichts gibt, weiß ich einfach nicht, was für Gespräche ich anfangen soll. Ich habe mir ja schon einiges an Sätzen abgeguckt, was ich ab und zu auch anwende (z.B. „Na, alles klar?“ etc.), aber oft kommt mir das lächerlich vor und ich möchte andere in Ruhe lassen und auch selbst meine Ruhe. Bei so viel Kundenkontakt verstehe ich andere auch nicht, wie sie in jeder freien Minute noch weitere Gespräche führen wollen.

    Ich habe auch Bedenken, dass ich, wenn ich mich oute und öffne, versehentlich abwertende Ausdrücke benutze. In Gedanken spiele ich oft Dialoge durch, wie ich anderen mein Verhalten erklären würde, und dann rutscht mir immer irgendein abwertender oder arroganter Ausdruck anderen gegenüber raus. Und dann denke ich: Gott sei Dank fand das Gespräch jetzt nur in meiner Fantasie statt und nicht in Wirklichkeit.

    Gern würde ich mir irgendeine Erklärung oder einen Satz zurechtlegen, falls mein Verhalten mal wieder kritisiert wird. Aber welcher Satz wäre passend? Es sollte versöhnlich sein und nicht zu noch mehr Irritation führen, aber auch nicht zu viel Persönliches preisgeben.

    3 Mal editiert, zuletzt von Elena (15. Januar 2022 um 21:01)

  • Da ich mich erst in letzter Zeit mehr von anderen fernhalte, weiß ich auch nicht, wie ich das begründen soll. Kann ja schlecht sagen, dass ich endlich mal auf mein Ruhebedürfnis gehört habe. Dadurch merken andere, dass ich ihnen vorher etwas vorgespielt habe oder es sonst anstrengend für mich war.

    Wie hat sich denn dein Ruhebedürfnis 'Gehör' verschafft, wenn du es ignoriert hast? Warst du viel Müde? Hattest du evtl. häufig Kopfschmerzen/Migräne? Oder mit Verspannungen zu tun? Das wären dann Dinge, die du relativ gefahrlos nennen kannst. Z.B. so:

    "Hey, ich habe herausgefunden, dass meine Migräne-Attacken auf eine erhöhte Reizempfindlichkeit zurückzuführen sind. Ich hab das selber gar nicht so gemerkt, aber seit ich mir häufiger Ruhe gönne, ist es besser geworden. Und ich erkenne jetzt auch besser, wann es mir zu viel wird. Bitte verzeiht mir daher, wenn ich die Pausen nun vermehrt nutze, um mir eine kleine Auszeit zu gönnen, oder wenn ich mich aus einem Gespräch plötzlich zurück ziehen muss."

  • @Src2K

    Für mich fühlte sich das einfach positiv und befreiend an, nicht mehr so viel nachzudenken, was andere von mir erwarten. Ich habe mich sicherer/akzeptierter gefühlt und dachte, ich muss mittlerweile niemandem mehr was beweisen. Ich dachte, ich kann mir jetzt z.B. erlauben, draußen meine Pause zu verbringen statt in der Kantine, mich nicht mehr so oft zu Smalltalk zu zwingen, den Raum zu verlassen, sobald er voll ist und ein Gewusel herrscht.

    Ich könnte jetzt natürlich irgendein Leiden vorschieben oder sagen, dass ich in Gedanken bin, es mir wegen irgendwas nicht gutgeht. Aber eigentlich will ich ja aus dieser Schauspielerei raus.

    "Es tut mir leid, aber ich brauche manchmal eine kleine Auszeit" ist schon mal ein guter Satz.

  • Ich könnte jetzt natürlich irgendein Leiden vorschieben oder sagen, dass ich in Gedanken bin, es mir wegen irgendwas nicht gutgeht. Aber eigentlich will ich ja aus dieser Schauspielerei raus.

    Nein, auf keinen Fall etwas vorschieben, was nicht da ist! Ich kann natürlich nur von mir ausgehen. Und bei mir sind die Reize eben ein großer Punkt. Wenn ich mich denen überwiegend entziehen kann, habe ich zwischendurch auch immer mal wieder genug Energie um mit den Kollegen zu quatschen. Eigentlich mache ich das auch ganz gerne, aber es kostet halt viel Energie.

  • Ich habe noch mal über die Kritik von einem Kollegen aus meiner Abteilung nachgedacht, der meinte, ich würde mich in letzter Zeit zu wenig zeigen und wäre kaum noch zu Gesprächen bereit. Das hat mich ja wirklich getroffen.

    Mir ist aufgefallen, dass es genug Möglichkeiten für ihn gäbe, mit mir zu reden. Kurz vor Feierabend / 16 Uhr kümmere ich mich um diverse Sachen (Schränke/Türen/Büros abschließen etc.). Eigentlich ist das nicht (nur) meine Aufgabe, sondern jeder sollte mithelfen, aber fast immer mache ich das allein und auch der besagte Kollege ist dann einfach schon weg. Er könnte ja auch noch bleiben und mir dabei helfen und so mit mir ins Gespräch kommen. Ein paar Mal hat er mir auch schon vorgeworfen, ich wäre noch so lange da beschäftigt gewesen, obwohl der Grund dafür ist, das ich das ganze Abschließen am Ende alleine mache.

    Mich ärgert es, dass mir sowas Offensichtliches nicht früher einfällt. Auf seine Kritik könnte ich nämlich erwidern „Dann hilf mir doch, am Ende die Schränke usw. abzuschließen, dann sehen und sprechen wir uns auch öfter“.

    Oder wäre das schon wieder zu unpassend/provozierend?

  • Sachlich betrachtet hättest du natürlich recht. Leider würdest du damit seinen Vorwurf mit einem Gegenvorwurf erwidern. Damit würde er sich dann genau so angegriffen fühlen, wie du. Keine gute Basis um etwas zu klären.


    Was er dir anscheinend mitteilen möchte, ist, dass er gerne mehr Kontakt zu dir hätte. Das ist doch etwas schönes! Er akzeptiert dich als Teil des Teams und möchte nicht, dass du ausgeschlossen wirst. Er ist sich selber aber anscheinend auch unsicher, wie er an dich ran kommt. Evtl. sendest du (ungewollt) Signale, dass du nicht gestört werden möchtest.

    Dass er selbst auch unsicher ist, merkst du an der Formulierung. Er hätte auch sagen können: "Hey, du ziehst dich in letzter Zeit so zurück. Ist alles OK?". Hat er aber nicht. Er hat es als Vorwurf formuliert. Damit hält er sich emotional raus und kann besser damit umgehen, falls du ihn abweist. Dummerweise weist du ihn dadurch auch viel eher ab...


    Zwei Videos die etwas zum Thema passen:

    Sich durchsetzen
    Besser verhalten

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