Prof. Dose: "Wunschdiagnose bzw. Modediagnose Autismus bei Erwachsenen"

  • Also das meine , ich aus dem Link:
    Wichtiger Hinweis!
    Zeugnisbemerkungen müssen, wie die Zeugnisnoten, den Tatsachen entsprechen, nachvollziehbar sein und auf Beobachtetem und Festgestelltem beruhen. Die Aussage "im Großen und Ganzen" stellt in der Tat eine Einschränkung dar. Dies bedeutet, dass der Junge nicht durchgängig seine Hausaufgaben vollständig und korrekt gemacht hatte. Zeugnisse dürfen im Übrigen sehr wohl auch Nachteiliges enthalten, auf Lerndefizite oder Mängel im sozialen Verhalten oder auf sonstiges Fehlverhalten hinweisen. Sie sind ein innerschulisches Hilfsmittel im Rahmen der Erziehungsarbeit. Etwas anderes gilt nur für Zeugnisse, die Bewerbungszwecken dienen, also Abschlusszeugnisse, gegebenenfalls das Zwischenzeugnis von Abschlussklassen. Erleichtern Sie hier durch eine wohlwollende Formulierung den Start in das Berufsleben. Allerdings müssen die Zeugnisse auch in diesem Fall dem Grundsatz der Wahrheit und Klarheit Rechnung tragen.

  • Aber da sollte ja dennoch auffälliges Verhalten erwähnt sein.

    Ich bin mir nicht sicher, ob das heute wirklich in jedem Fall geschieht. Auffälligkeiten können sich ja in sehr unterschiedlicher Weise zeigen, und nicht alle stören den Ablauf. Was ist beispielsweise mit einem sehr ruhigen Kind, das aber nicht für die Lehrer sichtbar krass gemobbt wird und außerdem gute Noten schreibt? Was ist mit einem extrem unsportlichen und motorisch ungeschickten Kind, bei dem es keine erkennbaren körperlichen, gesundheitlichen oder kognitiven Gründe dafür gibt, das aber in den als wichtig geltenden Fächern gute Leistungen bringt?

    Beides können große Auffälligkeiten sein. In beiden Fällen bin ich mir keineswegs sicher, dass das heutzutage zwingend im Zeugnis thematisiert wird. Ich denke, da müssten noch heute zumeist die Eltern aktiv werden. Der einzige Unterschied zur Situation vor 20, 30 Jahren (oder noch länger her) wäre meiner Vermutung nach, dass die Eltern es wohl dann oft leichter hätten, mit ihren Beobachtungen und Fragen ernst genommen zu werden. Nicht vertröstet zu werden, dass es sich "auswächst". Aber auch das wäre wohl nicht unbedingt gesagt.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • Aber da sollte ja dennoch auffälliges Verhalten erwähnt sein.

    Aus eigener Erfahrung: Das braucht u.U. einen Konsenz in der Zeugniskonferenz. Die gab es bei mir in der Grundschule nicht, weswegen ich in zumindest in einem Jahr eben keine 4 in Betragen und auch keine entsprechenden Bemerkungen eingetragen bekommen habe, obwohl der Klassenlehrer das wollte. - Erzählte er mir jedenfalls.

    Moderatorenbeiträge sind an der grünen und fetten Schrift erkennbar! Alles andere stellt meine persönliche Meinung als Forennutzerin dar.

  • Was ist beispielsweise mit einem sehr ruhigen Kind, das aber nicht für die Lehrer sichtbar krass gemobbt wird und außerdem gute Noten schreibt?

    Dann würde da vermutlich etwas stehen in dieser Richtung.
    Zum Beispiel, "sehr ruhiger Schüler" , eventuell würde da etwas stehen von "sollte versuchen sich in den Klassenverband einzuordnen" oder ähnliche Hinweise.
    Wenn es eben "auffallend" wäre. Nicht jedes ruhige Kind ist ja ein undiagnostizierter Autist.

    Wobei es natürlich schwer ist das von außen zu beurteilen.
    Wenn da aber nichts steht, ist die Wahrscheinlichkeit doch deutlich geringer, dass ein solches Verhalten gegeben war?
    Natürlich ist das ja auch nur eine pädagogische Beurteilung, aber die Lehrer sehen/erleben die Kinder ja auch länger (zumindest war es eben früher so mit Klassenlehrer etc.)
    als einen Termin.

  • Glaub mir. Nein. Da muss nicht zwingend etwas auftauchen.
    Mein Sohn hatte ziemliche Auffälligkeiten hinsichtlich Disziplin und Sozialverhalten, darüber wurde auch Protokoll geführt und es fanden wiederholt Gespräche mit der Klassenleitung statt. Es tauchte nichts im Zeugnis auf.

    Ich schreibe in der Regel vom mobilen Endgerät aus - merkwürdige Wortkonstrukte sind ggf. der Autokorrektur geschuldet

  • Aus eigener Erfahrung: Das braucht u.U. einen Konsenz in der Zeugniskonferenz.

    Stimmt, wie ausführlich auffälliges Verhalten in einem ausformulierten Zeugnis erwähnt wird, liegt nicht nur im Ermessen einzelner Lehrer. Auch die Schulen haben da jeweils eine Art "Politik".

    eventuell würde da etwas stehen von "sollte versuchen sich in den Klassenverband einzuordnen" oder ähnliche Hinweise.

    Nicht zwingend, denke ich. Oder es wird, wenn, dann positiv formuliert. Beispielsweise, dass das Kind sich "inzwischen besser in den Klassenverband eingeordnet" hätte oder ähnliches.

    Mein Sohn hatte ziemliche Auffälligkeiten hinsichtlich Disziplin und Sozialverhalten, darüber wurde auch Protokoll geführt und es fanden wiederholt Gespräche mit der Klassenleitung statt. Es tauchte nichts im Zeugnis auf.

    Stimmt. Wenn Lehrer Auffälligkeiten ansprechen, heißt auch das noch lange nicht, dass sie sie im Zeugnis erwähnen. Ich kenne auch Beispiele, wo das nicht passiert ist, eines davon ist erst ein paar Jahre her. Wäre vermutlich heute auch nicht in jedem Fall anders.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • @Leonora Wahrlich! ;)

    Mein Bruder arbeitete nach der Pensionierung noch 2 Jahre als Beratungslehrer weiter (in Niedersachsen). Er erzählt immer noch spannende Geschichten aus dieser Zeit (vor 2 1/2 Jahren).

    Man glaubt gar nicht, wie hilflos manche Lehrkräfte auffälligem Schülerverhalten gegenüberstehen können. Sie können es auch nicht deuten und damit ist es für die meisten am einfachsten, es komplett auszublenden. :frown:

    Wenn dann keine "verwertbare " Äußerung der oder des Klassenlehrers zu abweichendem Verhalten der Schülerin/des Schülers im Zeugnis steht, kann das evtl. bei später/daraufhin durchgeführter Diagnostik zum Nachteil ausfallen.

    Jetzt versuche ich wieder die Überleitung zum ursprünglichen Thema:

    Shenya zitierte Prof. Dose:
    "Doch autistische „Züge“, die (wie Zwanghaftigkeit, Ängstlichkeit, Selbstunsicherheit, Neigung zu affektiver Instabilität, Misstrauen etc.) neben anderen Merkmalen die Persönlichkeit eines Menschen prägen können, begründen noch lange nicht die wissenschaftlichen Kriterien entsprechende Diagnose einer „Autismus-Spektrum-Störung“ (z.B. nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen/ICD-10 oder dem Diagnostisch Statistischen Manual/DSM-V)."

    Wenn die den wissenschaftlichen Kriterien entsprechenden Merkmale und Verhaltensweisen nicht abgefragt werden (gibt es immer noch: Er- oder sie - malt so konkrete Bilder, das ist kein Autist - er oder sie erzählt Witze, das macht kein Autist - er oder sie ist in einem Buchclub, das wäre doch nichts für Autisten!!), weil angeblich augenfällige Merkmale oder Einzelheiten gegen die Diagnose eines Aspergersyndroms oder einer anderen ASS sprächen, findet eigentlich auch keine leitliniengerechte Diagnostik statt.

    Das möchte ich noch einmal betonen. Punkt. - Capricorn over & out!

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

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