Individuelle Nachteilsausgleiche

  • Mich beschäftigt gerade das Thema Nachteilsausgleiche, weil ich den Eindruck habe dass die Ausgleiche zu begrenzt sind.

    Unter Nachteilsausgleich versteht man im deutschen Sozialrecht „Hilfen für behinderte Menschen zum Ausgleich behinderungsbedingter Nachteile oder Mehraufwendungen“


    Es gibt es eine vorgegebene Liste, was an Nachteilsausgleichen möglich ist. Verschiedene Jobbezogene Ausgleiche, Ermäßigungen, Rundfunkbeitrag, Studium, Steuerfreibeträge, etc. Aber die Nachteile die ein betreffender hat, sind etwas individuelles. Jemand kann im Alltag Nachteile haben, die bei dieser Auflistung gar nicht aufgeführt sind. Trotzdem ist der Nachteil für die Person vorhanden aber es ist scheinbar kein Ausgleich dafür vorgesehen.

    Nachteilsausgleiche können überwiegend nur genutzt werden, wenn eine Schwerbehinderung und weitere Voraussetzungen durch einen Schwerbehindertenausweis nachgewiesen werden können.


    Ein beispielsweise Autist mit einem GdB unter 50 kann auch Nachteile im Alltag haben, auch wenn es vom GdB für einen Schwerbehindertenausweis nicht reicht.

  • Mich beschäftigt oft eher die Gegenfrage: Warum komme ich aufgrund meiner Schwerbehinderung günstiger ins Schwimmbad, Museum usw.? Ist das fair? Wäre es nicht gerechter, wenn die Friseurin, die deutlich weniger verdient als ich, günstiger ins Schwimmbad, Museum usw. käme? Was hat eine Behinderung mit einer Ermäßigung zu tun?

    Surprised by the joy of life.

  • Mich beschäftigt oft eher die Gegenfrage: Warum komme ich aufgrund meiner Schwerbehinderung günstiger ins Schwimmbad, Museum usw.? Ist das fair? Wäre es nicht gerechter, wenn die Friseurin, die deutlich weniger verdient als ich, günstiger ins Schwimmbad, Museum usw. käme? Was hat eine Behinderung mit einer Ermäßigung zu tun?

    Man nimmt eben an, dass die Friseurin auch aus eigener Kraft einen anderen Beruf hätte lernen können, du aber nicht aus eigener Kraft nicht behindert sein kannst. Ich fühle mich auch manchmal zu Unrecht privilegiert, aber dann denke ich daran, wie viel ich wegen des Autismus nicht machen kann (volle Jahrmärkte, Seilbahnen, Bungee-jumping...) und dass es ja vernünftig ist, wenn ich Ausflüge mache. Das nützt der Gesellschaft, weil ich nicht depressiv werde. Und durch die Vergünstigung mache ich eben öfter einen Ausflug, den ich mir sonst nicht leisten könnte.

  • Was hat eine Behinderung mit einer Ermäßigung zu tun?

    So kann man zB auch ins Schwimmbad oder Museum gehen, wenn man es dort weniger lange aushält als andere. (Nicht alle haben Zeitkarten.)
    Ich kann mir dann vielleicht gar nicht alles ansehen, weil es mir zu viel wird. So kann ich es mir auf 2 Besuche aufteilen.


    Und wenn man zB Hilfen bekommt wie Eingliederungshilfe oder Pflege gibt es oft Einkommensgrenzen.

  • Wahrscheinlich geht man auch davon aus, dass Menschen mit Behinderung weniger Geld verdienen als Gesunde. Bei mir ist es so durch Teilzeitarbeit. Es ist ja ein Nachteilsausgleich, den man nicht zwingend in Anspruch nehmen muss, wenn man es bei sich für nicht gerechtfertigt hält. Der Nutzen ist auch nicht gigantisch.

    Jemand kann im Alltag Nachteile haben, die bei dieser Auflistung gar nicht aufgeführt sind. Trotzdem ist der Nachteil für die Person vorhanden aber es ist scheinbar kein Ausgleich dafür vorgesehen.

    Ja, es könnte z.B. jemand den Nachteil haben, keine Familie gründen zu können, aber ich wüsste nicht, wie man das ausgleichen könnte.
    Manche Regelungen zu Nachteilsausgleichen sind auch nicht so richtig passend. Zum Beispiel könnte ich das Merkzeichen B gut brauchen, aber das gibt es so viel ich weiß nur bei bestimmten Behinderungen und mit einem anderen Merkzeichen zusammen, und ein anderes Merkzeichen steht mir nicht zu.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Manche Regelungen zu Nachteilsausgleichen sind auch nicht so richtig passend. Zum Beispiel könnte ich das Merkzeichen B gut brauchen, aber das gibt es so viel ich weiß nur bei bestimmten Behinderungen und mit einem anderen Merkzeichen zusammen, und ein anderes Merkzeichen steht mir nicht zu.

    ASS lassen sich nicht nur in den Pflegegutachten für einen Pflegegrad nicht so richtig gut abbilden, man merkt es auch im Schwerbehindertenrecht.

    Ich selbst arbeite so, dass ich mir anschaue, was ein Mensch "braucht" und kreuze dann die Merkzeichen entsprechend an.
    Im Falle von "B" bedeutet B aber nur, dass eine Begleitperson bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel keine Fahrtkosten bezahlen muss.

    Die "Mindestvoraussetzungen" dafür sind regelmäßig auftretende Situationen aufgrund der Behinderung(en), bei denen der/die Behinderte Unterstützung beim Ein- und Aussteigen, Aufstehen oder Niedersetzen benötigt - beispielweise ein Rollifahrer. Oder bei Epilepsie vorwiegend tagsüber mit hoher Anfallshäufigkeit. Oder Ähnliches.

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

  • Im Falle von "B" bedeutet B aber nur, dass eine Begleitperson bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel keine Fahrtkosten bezahlen muss.

    Das ist mir bekannt.

    Auf freiwilliger Basis ist es auch so, dass einige Veranstalter (Parks, Konzerte oder so) für die Begleitperson keinen Eintritt verlangen, oder einen ermäßigten. Das wäre nützlich. Dann könnte ich z.B. mit meinem ehrenamtlichen Helfer in die Wilhelma gehen, und er müsste keinen Eintritt zahlen.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Für mich wäre ein "H" sehr hilfreich, wenn es bescheinigen würde dass ich im Alltag auf Hilfe angewiesen bin. Aber eben nicht nur bis zum 18. Geburtstag, weil meine Einschränkungen nicht weniger sind nur weil ich ü18 bin. "Kinder müssen das Handwerkszeug zum adäquaten Umgang mit ihrer Behinderung erst im Laufe ihrer Entwicklung erwerben" (https://www.betanet.de/merkzeichen-h.html) fängt bei mir erst jetzt an seit ich Hilfe vom ABW erhalte und wir vieles üben/lernen.

    Warum komme ich aufgrund meiner Schwerbehinderung günstiger ins Schwimmbad, Museum usw.? Ist das fair?


    Ich würde das wenn ich entscheiden würde eher dem Thema Recht auf Teilhabe zuordnen, würde das aber so machen dass jeder Mensch das gleiche Recht darauf hat. Also nicht nur Behinderte, sondern jeder der seinen individuellen Nachteil vorweisen kann. Also nicht abhängig vom GdB einen pauschalen Nachteilsausgleich geben, sondern abhängig vom Nachteil einen Nachteilsausgleich geben.

    Einmal editiert, zuletzt von LostOnEarth (5. November 2021 um 10:07)

  • Ich habe gute Chancen in der Berufsschule ein Nachteilsausgleich zu bekommen.

    • Mehr Zeit bei Test
    • Größere Schrift
    • Klare formulierte Fragen
    • Extra Raum ginge auch,da wir aber nur 9 in der Klasse sind nicht notwendig.

    Das Do ist der Weg. :prof:

  • Also nicht abhängig vom GdB einen pauschalen Nachteilsausgleich geben, sondern abhängig vom Nachteil einen Nachteilsausgleich geben.

    Beides kommt im Schwerbehindertenrecht bzw. SGB IX vor.

    Ich weiß ja, dass vieles darin gut durchdacht ist, aber nicht alles bzw. nicht alles ist logisch nachvollziehbar!

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