Umfrage: Berufsbildungswerke (BBWs)

  • Meine Erfahrungen im BBW (Potsdam) sind grundsätzlich positiv. Jedoch gibt es auch negative Aspekte, die, wenn man bedenkt, welch unterschiedliche Behinderungen und Einschränkungen die Maßnahmeteilnehmer haben, unabdingbar sind.

    Was wirklich klar erkennbar ist, ist dass die meisten Mitarbeiter (Pflegepersonal, Betreuer, Lehrer, Ausbilder) viel Toleranz entgegenbringen und bei Fragen selbstverständlich immer parat stehen. Ich muss aber auch zugeben, dass es einige Mitarbeiter gibt, die offensichtlich mit einer falschen Einstellung an die Arbeit mit Behinderten Menschen herangehen. Das heißt, dass sie entweder kaum Toleranz aufbringen, ungeduldig sind oder auch unangemessene Bemerkungen von sich geben. Das habe ich alles schon mitbekommen, ist aber glücklicherweise die Ausnahme.
    Wenn die Konflikte oder Beschwerden gegenüber einem Mitarbeiter jedoch überhand nehmen, kann man Probleme mit der Auszubildendenvertretung besprechen und diese wird dann versuchen, diese Probleme zu lösen. Bei Problemen im Alltag (z.B. Behörden) gibt es bei uns einen sogenannten "Bildungsbegleiter", der jederzeit ansprechbar ist und konstruktive Hilfe anbietet . Des Weiteren erfolgt im Haus eine psychologische Betreuung mit erfahrenen Psychologen. Termine können dort bei Bedarf oder auch regelmäßig vereinbart werden. Letztgenannten Dienst nutze ich allerdings so gut wie nie.
    In der Schule wird auch auf diejenigen Rücksicht genommen, die Aufgabenstellungen etwas langsamer zu lösen im Stande sind. Für die, die jedoch schneller arbeiten können, entsteht oft ein "Leerraum", in dem keine sinnvolle Beschäftigung möglich ist. Dieser Umstand ist mir allerdings bereits aus meiner vorherigen Schullufbahn bekannt und daher nicht ungewöhnlich.
    Die praktische Berufsausbildung erfolgt bei uns direkt im Haus in Übungsfirmen o.ä. oder in einem selbst gewählten Praktikumsbetrieb. Bei der Suche nach einem Praktikumsbetrieb und der Formulierung eines Bewerbungsanschreibens helfen die Ausbilder und Sozialpädagogen. Bei mir startet Ende des Osterurlaubs mein bereits zweites Praktikum. Von meinem ersten Praktikum weiß ich noch, dass die zuständigen Ausbilder regelmäßige Besuche dorthin unternehmen um zu überprüfen, ob die vom Praktikanten ausgeführten Arbeiten nicht unzumutbar sind und ob die Mitarbeiter auch die soziale Eignung für die Beschäftigung eines Praktikanten haben.

    Zur Unterbringung im Internat kann ich sagen, dass die Zimmer genügend Platz bieten, um es dort 3 Jahre auszuhalten und auch ein gewisses Maß an Freiraum bieten. Wenn es zu Streitigkeiten mit Zimmernachbarn kommt, sind Etagen-, Gang- oder Hausbetreuer gute Ansprechpartner, die auch in den meisten Fällen weiterhelfen können. Es gibt natürlich in den Internaten eine Hausordnung, an die sich jeder halten muss. Diese ist aber eher allgemein gehalten und regelt grundhafte Verhaltensweisen im Internat. Ich erfahre dadurch jedenfalls keine Einschränkungen.

    Freizeitaktivitäten werden auch vom Berufsbildungswerk in großer Zahl angeboten. Ich selbst nehme davon jedoch nur gelegentliche Besuche im Theater wahr. Den Rest meiner Freizeit plane ich individuell (ist ohnehin schon gut ausgefüllt).

    Zusammenfassend ist zu sagen, dass eine BBW eine gute Grundlage für eine spätere Beschäftigung im "Richtigen" Arbeitsleben ist, da man sehr behutsam auf die Arbeitswelt und Eigenständigkeit vorbereitet wird.

  • Ich werde definitiv Ende Mai eine vierwöchige Arbeitserprobungsmaßnahme in einem BBW in Nordrhein-Westfalen absolvieren.
    Bitte seid mir nicht böse, wenn ich vorerst für mich behalten möchte, welches BBW es ist, da ich mit solchen Daten im Internet sehr vorsichtig bin.
    Jedenfalls sind die Mitarbeiter dort sehr freundlich und zuvorkommend und auf meine Bitte, ein Einzelzimmer zu bekommen, wurde sehr positiv reagiert:
    "Das ist gar kein Problem. Wir können es nachvollziehen, dass Sie nicht mit einer fremden Person in einem Zimmer schlafen möchten. Wir werden das so vermerken."
    Diese Woche muss ich zu einem Aufnahmegespräch fahren. Danach kann ich bestimmt noch mehr sagen. :)

    Einmal editiert, zuletzt von Parvati (27. April 2015 um 09:50)

  • Bin im ersten Lehrjahr in einem BBW in Rheinland-Pfalz und bin bislang begeistert, außer von der mageren Vergütung (105 Euro). Das liegt jedoch auch daran, dass das Arbeitsamt die Wohnung und Heimfahrten finanziert.

    Die Berufsschule ist auch top, sieht sehr schön und sauber aus, die Lehrer sehr nett und kompetent und der Unterricht macht Spaß. Lediglich die Busverbindungen sind ungünstig, aber was soll man machen?
    Zudem liegt sie direkt neben einem Edeka und die Stadt ist gut während der Mittagspause zu erreichen.

    Ich wohne in einer Außenwohngruppe mit zwei anderen Leuten und möchte schnellstmöglich in eine Einzelwohnung wechseln. Der Betreuer ist toll, aber die Mitbewohner sind... schlimm. Der eine ist zu sehr Gesellschaftsmensch und drängt sich fast schon auf und der andere ist ein unfreundlicher Chaot, der die Arbeit auf uns abwälzt und dem man bezüglich Putzplan (der erst auf meine Aufforderung hin gemacht wurde) hinterherrennen musste.

    Ausbildung macht ebenso Spaß, auch wenn ich einen Ausbilder nicht ausstehen kann und ich glaube, der merkt das allmählich. Beim Arbeiten hat man den Eindruck, dass er keine Lust hat und nicht gestört werden will und SEHR offensichtlich macht, wer seine Lieblinge sind. Zudem reißt er ständig unlustige Witze. Zum Glück bin ich nun in einer anderen Abteilung.

    Sagt was ihr wollt, aber ich werde nie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln warm (RW). Dazu sind mir die Fahrpläne zu unvollständig (Mit dem Stadtteil allein kann ich nichts anfangen), unflexibel und die Fahrzeuge kommen meist zu spät.


    Davor war ich auf einer dreiwöchigen Arbeitserprobung in Bayern und es war eine Katastrophe. Genau das Gegenteil zu hier: hässlicher Betonklotz, unfreundliches Personal, Arbeit entsprach eher einer Beschäftigungstherapie und die Wohngruppe, oh Mann, die Wohngruppe. Auch als Erwachsene wurde man wie kleine Kinder behandelt, denen ihr Alltag bis auf die kleinste Minute durchorganisiert werden musste, weil sie ansonsten nur Blödsinn machen würden. Leute, ich bin erwachsen, ich brauche niemanden, der mir befiehlt, wie ich gefälligst den Tag zu verbringen habe. :roll:
    Auch bezüglich Videospielen sind sie SEHR intolerant und legen einem dämliche Auflagen auf - Shooter sind von Vornherein verboten und jedes verdammte Spiel muss angemeldet werden. Klar können die ruhig meine gesamte Steam-Bibliothek (Dutzende Spiele) abschreiben, wenn sie wollen... :m(:
    Zudem war die sogenannte "Gruppenpädagogin" (Immerhin sah sie echt gut aus und es war Sommer) sehr schnell wütend, wenn wir nicht sofort zum Essen an den Tisch kamen und die Zimmer wurden täglich kontrolliert - während wir weg waren. Zum Glück nicht die Schubladen und Schränke, sonst hätte es ein wahres Donnerwetter gegeben (RW).

    Mein Sachbearbeiter beim Arbeitsamt wollte mich zuerst dorthinstecken, weil es angeblich auf Autismus spezialisiert wäre (Davon habe ich aber kaum was gemerkt) und mein jetziges BBW hat diesbezüglich sogar mehr getan.

    Ich zumindest bin echt glücklich hier und bin froh über meine Entscheidung.

    Und wegen Arbeitgebern: Klar, Vorurteile, aber was soll man machen? Was sollen denn die ganzen arbeitslosen Akademiker sagen? Die Arbeitgeber werden immer etwas finden, wenn sie einen nicht haben wollen.

    Mah boi! This DINNER is what all true warriors strive for!

    Einmal editiert, zuletzt von GAZ Tigr (17. Mai 2015 um 14:42)

  • Hallo GAZ Tigr, vielen Dank für deinen Erfahrungsbericht! :)

    Heute in einer Woche geht es bei mir mit der Arbeitserprobung los. :(
    Vor den Gleichaltrigen habe ich die meiste Angst, da ich mit ihnen meistens nicht zurechtkomme.
    Der angekündigte Streik kommt auch noch dazu. Da er ja angeblich zehn Tage lang dauern soll, kann ich an dem ersten Wochenende wahrscheinlich gar nicht nach Hause fahren, wie ich es mir eigentlich vorgenommen hatte.
    Ach man... :(

  • Hallo GAZ Tigr,

    was für einen Beruf erlenst Du in dem BBW?

    Lieben Gruß
    Trinity


    Kaufmann für Büromanagement.

    Wollte ursprünglich Industriekaufmann lernen, doch wurde mir davon von einem Personaler abgeraten, weil der Sprachanteil sehr hoch wäre und ich deswegen mehr etwas Organisatorisches machen sollte.

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  • Wollte ursprünglich Industriekaufmann lernen, doch wurde mir davon von einem Personaler abgeraten, weil der Sprachanteil sehr hoch wäre und ich deswegen mehr etwas Organisatorisches machen sollte.

    Du solltest nicht blind auf solche Leute vertrauen. Es kommt da auch drauf an in was für einer Firma du bist und was dein Aufgabenbereich ist. Es gibt da auch Betriebe, wo du nicht so viel direkten Kundenkontakt hast. Man hat mir damals auch von einem kaufmännischen Beruf abgeraten und trotzdem habe ich die Ausbildung schulisch und auch in der Praxis ohne wirkliche Probleme gemeistert. Ich bin seitdem immer noch im gleichen Betrieb geblieben.

  • Du solltest nicht blind auf solche Leute vertrauen. Es kommt da auch drauf an in was für einer Firma du bist und was dein Aufgabenbereich ist. Es gibt da auch Betriebe, wo du nicht so viel direkten Kundenkontakt hast. Man hat mir damals auch von einem kaufmännischen Beruf abgeraten und trotzdem habe ich die Ausbildung schulisch und auch in der Praxis ohne wirkliche Probleme gemeistert. Ich bin seitdem immer noch im gleichen Betrieb geblieben.


    Mag sein, aber jetzt ist es sowieso zu spät.

    Der Beruf macht mir Spaß, was will ich mehr? ;)

    Mah boi! This DINNER is what all true warriors strive for!

  • Ich bin jetzt seit Dienstag im BBW und mache eine Arbeitserprobung in der Hauswirtschaft.
    Ich weiß immer noch nicht so recht, was ich auf die Frage, wie es mir gefällt, antworten soll.
    Grundsätzlich gefällt es mir gut, aber ich komme einfach nicht mit dem Kontakt zu den anderen Leuten zurecht.
    Mir fällt es sehr schwer, auf sie zuzugehen. Die Leute auf meiner Wohngruppe haben das aber zum Glück bemerkt und kommen daher auf mich zu.
    Wenn die Arbeit zu Ende ist, habe ich jedoch keine Lust mehr, irgendwas mit jemandem zu unternehmen.
    Dann möchte ich am liebsten einfach nur meine Ruhe haben und ziehe mich daher auf mein Zimmer zurück.
    Ich habe zwar Bedenken, dass ich mich damit selbst ausschließe, aber mir geht es so einfach besser.
    Wenn mich jemand aber fragt, ob ich die Pause mit ihm verbringen möchte, komme ich jedes Mal mit,
    um genau das zu vermeiden, aber eigentlich möchte ich auch dann lieber allein sein.
    Ich trickse mich dabei aber selbst aus, überwinde den inneren Schweinehund (RW) und komme trotzdem mit.
    Im Freizeitbereich war ich auch noch kein einziges Mal, weil ich einfach keine Lust dazu hatte.
    Morgen geht es erst mal wieder nach Hause, da Wochenende ist.

  • Darf ich fragen, in welchem BBW du bist?

    Ich sollte wegen meinen Augen auch in ein BBW. Habe das aber wegen der Chancen nachher einen Job zu bekommen abgelehnt.

  • Hallo caki,
    nimm es mir bitte nicht übel, aber ich würde es gerne lieber für mich behalten, in welchem BBW ich bin. :(
    Im Internet bin ich da manchmal leider ein bisschen paranoid.
    Dass man später keinen Job bekommt...diese Bedenken hatte und habe ich immer noch. Zumal mir heute wieder einmal bestätigt wurde, dass ich zu langsam bin. :(

    Im Moment geht es mir leider nicht so gut. Nähere Infos schreibe ich in den nächsten Tagen. Jetzt bin ich einfach nur k.o.

  • Jetzt komme ich endlich dazu, meine Erfahrungen zu schildern. Ich hatte längere Zeit kein Internet.

    Ich habe nun die Arbeitserprobung beendet und es geht entweder im September oder im Februar mit einer BVB (Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme) weiter.
    Ich hatte mich so sehr angestrengt, weil ich unbedingt dieses Jahr eine Ausbildung beginnen wollte.
    Als man mir dann in der Mitte des Zeitraumes sagte, dass ich, um Hauswirtschafterin zu werden, noch schneller werden müsse, ging meine Motivation in den Keller. (RW)
    Außerdem ergaben die Testungen, dass ich mein schulisches Wissen, insbesondere im mathematischen Bereich, wieder auffrischen muss.
    Im Schriftlichen waren meine Testergebnisse sehr gut. Deswegen, und weil ich diesen Bereich ebenfalls in die engere Wahl gezogen hatte, soll ich während der BVB noch den kaufmännischen Bereich ausprobieren.

    Leider war es so, dass ich mich fast gar nicht wohlgefühlt habe. Im Wohnbereich waren drei Leute, von denen zwei ebenfalls Autisten waren, mit denen ich mich sehr gut verstand. Einer davon hatte jedoch eine Woche vor meiner Abreise seine Maßnahme beendet und war dann leider nicht mehr da. Mit ihnen verbrachte ich die meiste Zeit. Wir saßen überwiegend im Wohnbereich vor dem Fernseher. Keiner von uns hatte Interesse daran, in den Freizeitbereich zu gehen. Das Gute war, dass wir alle den gleichen Humor hatten.
    Im Wohnbereich fühlte ich mich am wohlsten. Die restliche Zeit über hätte ich mich am liebsten zurückgezogen.
    Schon während des Frühstücks im Speisesaal bekam ich regelmäßig mit, wie ein und dieselbe Person ständig gemobbt wurde.
    Man muss zwar dazu sagen, dass sich diese Person aufgedrängt und dadurch die anderen Leute genervt hat, (mich aber nicht) aber trotzdem fand ich das nicht in Ordnung.
    Meine Arbeitsgruppe war eigentlich sehr nett. Die Leute sind auf mich zugekommen, haben mir geholfen, wenn ich etwas nicht verstand und versicherten mir, dass es ihnen egal sei, wie jemand aussieht. Auf der anderen Seite haben einige von ihnen jedoch ständig über übergewichtige Leute gelästert, obwohl ich, ebenfalls übergewichtig, daneben saß.
    Ich fühlte mich unwohl und war froh, als ich alleine auf meinem Zimmer war.
    Richtig zur Ruhe kam ich dort aber leider auch nicht, denn irgendjemand meinte, jeden Abend das gesamte BBW mit seiner Technomusik beschallen zu müssen.
    Einige Male lief die Musik auch nach Beginn der Nachtruhe.
    Die langen Zugfahrten am Wochenende machten mir ebenfalls sehr schwer zu schaffen. Ich kaufte mir immer zwei Zusatztickets, um mich in die erste Klasse setzen zu können und um dadurch die Zugfahrt besser ertragen zu können.
    Es ist sehr schwierig, an zwei Orten zu wohnen.
    Eigentlich möchte ich nicht mehr dort hin, aber ich muss.
    Ich muss mich da irgendwie durchbeißen. Eine andere Möglichkeit gibt es für mich nicht mehr.
    Glücklicherweise gab es dort ja auch viele nette Menschen, die ich dann hoffentlich wiedersehe.

  • Ich bin nun seit vier Monaten wieder im gleichen BBW und es liefe eigentlich ganz gut, wäre da nicht die Geräuschkulisse, die ich als sehr störend empfinde. Zum Glück habe ich ein Einzelzimmer bekommen. Abends komme ich nur sehr schlecht zur Ruhe und bin deshalb froh, dass ich jedes Wochenende nach Hause fahren kann. Daher kann ich auch nur am Wochenende hier im Forum etwas schreiben.
    Ich bin in einer Berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme und habe nun auch den kaufmännischen Bereich ausprobiert, der mir wesentlich besser liegt als die Hauswirtschaft. In diesem Bereich werde ich wohl auch die Ausbildung machen.
    In der Schule läuft es ebenfalls sehr gut.
    Die meisten Leute sind sehr nett.
    Es gibt auch viele Gruppen- und Sportangebote, unter anderem eine Autistengruppe und Psychomotorik.
    Trotz allem bin ich froh, wenn ich wieder "komplett" (die ganze Zeit über) in meiner eigenen Wohnung sein kann und die Maßnahme beendet habe, da es mir einfach schwer fällt, nicht zu Hause zu sein.

  • Hallo,

    ich bin in einem Berufsbildungswerk, mache dort meine Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten (mittlerweile 2. Lehrjahr) und habe vorher eine Berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme (BvB) gemacht. Ich habe bisher hier nur gute Erfahrungen gesammelt. Die Ausbilder und Betreuer sowie die Lehrer in der Berufsschule haben tierisch viel Verständnis und es gab noch kein Augenblick wo sie mich zu etwas gezwungen haben, was ich absolut nicht hingekriegt habe. Bei jeder Veranstaltung an der ich teilnehme, besteht die Möglichkeit dass ich gehe wann immer es mir zu viel wird, ich muss das dann nicht begründen oder ähnliches, sondern sage nur: ich gehe, es ist mir zu viel und damit ist es dann gut. Ich werde dann auch nicht gedrängelt zu bleiben. Genauso bin ich nicht verpflichtet an irgendwelchen Gruppenveranstaltung (außer Belehrungen) teilzunehmen, es wird mir komplett freigestellt und wenn ich daran teilnehme (auch außerhalb) kann ich immer noch mit den Betreuern unterschiedliche Dinge vereinbaren die mir das ganze erleichtern. So darf ich zum Beispiel bei der nächsten Weihnachtsfeier (Mittwoch) die außerhalb stattfindet, raus gehen wenn mir danach ist - auch während dem Programm. Ohne das mir das gewährt worden wäre, würde ich nicht mitfahren und das weiß mein Betreuer auch. Es ist immer jemand als Ansprechpartner da wenn wir jemanden brauchen, auch wenn mein Betreuer nicht da ist. Und es gibt beispielsweise auch Hilfestellungen. Ich traue mich beispielsweise nicht alleine die Mensa zu betreten, mein Betreuer hat dem Frühdienst Bescheid gegeben und ich wurde in die Mensa begleitet, ohne große Worte.

    Teilweise habe ich Tage wo ich so gut wie gar nicht spreche (mit niemandem) und dann wird es in der Ausbildung ohne Probleme akzeptiert wenn ich einfach nicht spreche und nur mit Zetteln kommuniziere. Im BvB habe ich beispielsweise am Anfang gar nicht gesprochen und nur schriftlich kommuniziert. Meine Ausbilderin hatte aber wahnsinnig viel Geduld mit mir, hat am Anfang die Zettel akzeptiert und hat mich nicht gezwungen zu sprechen, hat mir Gelegenheit gegeben mich einzugewöhnen und irgendwann hat sie mich ganz sanft darauf vorbereitet mit ihr und den Mitazubis zu sprechen. Schließlich habe ich dann gequatscht wie ein Wasserfall (ich kann ja sprechen wenn ich mich wohlfühle :) ) Ich bin ihr unglaublich dankbar gewesen dass sie so viel Geduld aufgebracht hat und auch Zettel akzeptiert hat am Anfang. In der Ausbildung jetzt ist es genauso, ich soll zwar sprechen, aber wenn ich gar nicht sprechen kann dann ist es mir auch möglich den Ausbildern einfach einen Zettel auf den Tisch zu legen oder eine Email zu schreiben. So funktioniert das auch in der Berufsschule die bei uns auf dem Gelände ist. Meine Mitazubis akzeptieren mich so wie ich bin und merken mir die meiste Zeit an wenn es mir nicht gut geht und reagieren entsprechend auf mich, und das obwohl ich überwiegend den ganzen Tag grinse - ich kann nicht so richtig mit der Mimik ausdrücken wie ich mich fühle. Zwei Mitazubis von mir (meine allerbesten Freunde) versuchen aber teilweise auch, meine autismusbedingten Defizite zu verbessern. So verlangt der eine eben prinzipiell von mir dass ich mit ihm mündlich kommuniziere wenn wir im gleichen Raum sitzen, dafür geht er auch mit mir eine Runde raus wenn ich es nicht schaffe vor den anderen zu sprechen. Im Notfall nimmt er auch Zettel an, aber ihm ist es lieber wenn ich spreche. Außerdem bittet er mich ab und an ihm in die Augen zu sehen (was mir mega schwer fällt). Wenn ich es nicht kann dann nimmt er es mir nicht übel, aber er versucht mich immer mal wieder daran zu erinnern. :) Außerdem probiert er schrittweise mich zu überzeugen dass ich mich mehr traue. Wenn ich beispielsweise gemeinsam mit ihm Abendbrot essen will und es sind Menschen im Clubraum, und mir ist das alles zu viel und will raus (obwohl es nur zwei Leute zusätzlich sind) dann weiß er genau dass ich es aushalte so lange er mit mir da drin ist und geht dann eben auch nicht auf mein Gebettel ein sondern bleibt stur und sagt beispielsweise: ich esse den Becher jetzt noch hier zu Ende. Aber was ich fair finde: wenn er mich teilweise dazu zwingt mich zu etwas zu überwinden, zum Beispiel im Clubraum bei den anderen Pizza zu essen, dann weiß er auch dass ich ihn brauche um die Situation zu meistern und er setzt sich dann auch neben mich ohne zu diskutieren. Er hat wahnsinnig viel Geduld mit mir. Ich habe ihn sehr lieb und rechne ihm daher auch hoch an dass er so viel Geduld aufbringt. Gestern war ich mit dem anderen besten Freund in der Stadt, war völlig überfordert wegen zu viel Menschen und er hat mich beruhigt und mich quasi ein bisschen durch die Menschen gelenkt indem er mich ein bisschen am Arm festgehalten hat und ganz konkret gesagt hat: jetzt scharf links, ein bisschen ein Stück nach rechts, usw.

    Die Betreuer versuchen mich in den Dingen die ich nicht so wirklich gut kann schrittweise zu fördern, beispielsweise Blickkontakt halten, sprechen obwohl mir nicht nach sprechen ist (dafür bieten sie mir dann immer Möglichkeiten an, wie "du kannst den Brief auch schreiben und dann liest du ihn mir vor", "soll ich mich umdrehen?" (das ist teilweise wirklich wahnsinnig hilfreich wenn ich wahnsinnig unter Druck stehe wenn der Betreuer sich dann nebenbei mit etwas anderes befasst und nicht völlig gebannt darauf achtet ob ich endlich mal was sage), "ich habe Zeit"... Ein Betreuer ist da besonders entspannt, wenn ich vor ihm stehe und absolut kein Wort raus kriege (was auch daran liegt dass ich in ihn verschossen bin, er weiß das) wartet er geduldig ab, einmal hat er gemeint: "Setz dich erst mal hin und komm erst mal an" oder er sieht dass ich es von mir aus alleine nicht schaffe ihn anzusprechen, legt den Kopf aufmunternd schief oder lächelt mich an und meint dann so: "Na was gibt es?" Und genau weil er so ruhig bleibt und mir Zeit lässt kriege ich es dann meistens doch hin zu sprechen. :) Kurz und gut: Mir gefällt es richtig gut hier und ich möchte das auch nicht mehr missen.

  • Heute hatte ich Abschiedsfeier im Berufsbildungswerk der Annastift Leben und Lernen gGmbH und morgen ist offizielle Verabschiedung! Ich hoffe ich komme zeitnah dazu hier ein Rückblick über meine Erfahrungen dort zu schreiben! Jetzt ganz aktuell habe ich aber ganz viel um die Ohren.

    „Wer die Vergangenheit vor sich herschleppt, der hat die Zukunft bereits hinter sich.“

  • Heute hatte ich Abschiedsfeier im Berufsbildungswerk der Annastift Leben und Lernen gGmbH und morgen ist offizielle Verabschiedung! Ich hoffe ich komme zeitnah dazu hier ein Rückblick über meine Erfahrungen dort zu schreiben! Jetzt ganz aktuell habe ich aber ganz viel um die Ohren(RW).

    „Wer die Vergangenheit vor sich herschleppt, der hat die Zukunft bereits hinter sich.“

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