Eingliederungshilfe für über 18. jährigen

  • Hallo, wir haben für unseren Sohn seit 3 Jahren Eingliederungshilfe für die Webschule genehmigt bekommen.
    Mit dem Jugendamt hatten wir dabei keine großen Probleme. Der Weg das Ruhen der Schulpflicht zu erhalten, war viel schwieriger, aber nach einem 1 1/2 jährigem Kampf, hatten wir dies auch geschafft.
    Die Webschule wurde für die ganzen letzten 3 Jahre immer bezahlt, auch die Genehmigung, nach seinem 18 Geburtstag Anfang des Jahres, war kein großes Problem.
    Nun haben wir vor zwei Wochen wieder einen Antrag gestellt und gestern von einer neuen Sachbearbeiterin einen Anruf erhalten.
    Sie meinte, sie kenne sich damit nicht aus, hätte aber nach Aktenlage entschieden, dass sie die Webschule nicht weiter genehmigen, da ja keine Schulpflicht mehr besteht.
    Auch auf nachfragen, warum dies so sei und was wir nun machen sollten, hatte sie keine Antwort.

    Ist es wirklich so, dass für über 18 jährige kein Anspruch auf Eingliederungshilfe für eine Schulbildung besteht?
    Wie soll er sonst einen Beruf erlernen?
    Er ist ein gymnasiumkind, hat bereits den hauptschulabschluss an der Webschule gemacht und kann bis zum Abitur weiter machen.
    Er hat nur die Möglichkeit, Abi zu machen um dann online zu studieren.
    Was muss man denn jetzt wieder beweisen oder „liefern“ damit wir weiterhin die Webschule bezahlt bekommen?
    Wie ist denn die Rechtslage, besteht ein Anspruch auf Bildung?

    Wir hatten gedacht, dass nun endlich alles rund läuft, nachdem das Ruhen der Schulpflicht geklärt ist und nun wieder Probleme :cryforjoy: . Wir sind so müde vom kämpfen und nun schon wieder?
    Wer weiß wie da die Lage so ist oder was wir machen können?
    Wir sind ja von unseren 4 Kindern unsere 3 Aspis alle noch am unterstützen, damit sie studieren können. Anscheinend gibt es kaum Hilfen für sie. Alles so schade.

  • Direkt mal bei der EUTB anrufen. (Man kann online sogar schauen, welche Stelle (im Umkreis) sich mit Autismus auskennt.)
    Nach meinem Laienwissen ist das Jugendamt nicht mehr zuständig und ein andere Sozialhilfeträger muss einspringen.
    Das ist das lustige Erwachsenenleben. :irony: :sarcasm:
    Die Träger lehnen dann auch gerne mal ab, weil sie den anderen Träger für zuständig halten. Das Problem verkleinert man, indem man fröhlich bei allen in Frage kommenden Trägern (Sozialamt, Jobcenter oder Rehaabteilung, Teilhabeträger; in anderen Sachverhalten die Krankenkasse) alles nötige beantragt und Ablehungsbescheide von den Stellen dann auch direkt weiterleitet.

    PS: Möglicherweise ist es ein weit verbreitetes und auch strukturell untermauertes Vorurteil, das kognitiv behinderte Menschen gleichzeitig dumm sind!?

    Edit:
    Normalerweise sollte eine erste "Ausbildung" durch Eingliederungshilfe gefördert werden (habe ich mal so gelesen).
    Hier auf Aspies eV gibt es ne interessante Pdf zum downloaden.

    Einmal editiert, zuletzt von Lou (16. Juni 2021 um 10:25)

  • Wenn es um berufliche Erst-Eingliederung in Form von wie auch immer geförderten Ausbildungsgängen geht (ohne rein schulische Ausbildung), wäre in der Regel die Arbeitsagentur zuständig, falls nicht med. Therapien vorrangig sind.
    Wenn dein Sohn jedoch einen allgemeinbildenden Schulabschluss anstrebt wie das Abitur, wäre meines Wissens nach immer noch die Jugendhilfe zuständig, weil er auch bis 21 - glaube ich - als Heranwachsender gilt und Eingliederungshilfen nach dem SGB VIII in Anspruch nehmen könnte.
    Es könnte sein, dass du in diesem Fall wieder einen Sozialrechtler bemühen müsstest.
    (Diese Aussage ist ohne Gewähr, ganz sicher bin ich mir nicht)

    Jedes isolierte Bewusstsein macht sich auf den Weg - wie die Kraft des Wassers V_V

  • Er ist ein gymnasiumkind, hat bereits den hauptschulabschluss an der Webschule gemacht und kann bis zum Abitur weiter machen.
    Er hat nur die Möglichkeit, Abi zu machen um dann online zu studieren.

    Was soll er einmal arbeiten?
    Ich gebe diesen Denkanstoß, aus eigenem Erleben: ich habe mich durchgekämpft, die ganzen Stationen bis inklusive Hochschulabschluss -- und heute bin ich erwerbsunfähig. In meinem erlernten Beruf gearbeitet habe ich nie. Seitdem ich 20 bin, hatte ich mehrmals die Diagnose schwere Depression und man könnte sagen, ich bin kaputt von jahrelanger Überforderung.
    Man bot mir die Behindertenwerkstatt an.
    Man sagte mir bei der Diagnose, die autistische Störung in meinem Gehirn wäre ausgeprägt, aber ich wusste vorher nichts davon dass ich behindert bin. Ist halt dumm gelaufen.
    Aber dein Sohn hat eine Diagnose, ihr wisst bereits dass er nicht zur Schule gehen kann, dass er wohl nicht ein reguläres Studium absolvieren kann... irgendwann wird er in der Realität aufkreuzen müssen, und ihr zögert das jetzt auf viele Jahre hinaus, aber am Endergebnis wird sich nichts ändern: wenn er nicht im normalen Leben mithalten kann, dann ist das so.
    Als ich mitten im Studium war, haben sie die Studiengebühren eingeführt, nun bin ich auch noch verschuldet. Also das ist ein teurer Spaß. Zu teuer, um das nur fürs Ego zu machen, wenn man danach nichts damit anfangen kann.

  • Ich schließe mich dem Hinweis von Neoni an.

    Ich habe reguläre Svhulen besucht und dort Abitur gemacht, mein Hochschulstudium aber aufgrubd der Überforderung mit den vorgesehenen Strukturen aus Vorlesungen und Lerngruppen überwirgend alleine im Selbststudium absolviert.

    Damit will ich sagen, dass das schon möglich ist. Aber die Frage ist, was danach kommt. In meinem.Fall ist es so, dass ich auf bald 10 Jahre in einem Beruf, der zu meinem Studium passt, arbeite.

    Jedoch habe ich nur ca. 4 Jahre davon noch weitgehend durch Kompensieren und Maskieren (damals noch keine Asperger-Diagnose) duchgehalten. Mittlerweile bin ich seit über zwei Jahren in Teilerwerbsminderungsrente und es zeichnet sich ab (rw), dass meine Zeit im Berufsleben wohl bald aus gesundheitlichen Gründen ganz enden wird.

    Das soll nicht heißen, dass es Eurem Sohn auch so gehen muss. Und ich habe wirtschaftlich und auch im Hinblick auf die Rente von meinen Berufsjahren profitiert, weil ich gut verdient habe. Das sind die Chancen. Aber auf der anderen Seite steht das Risiko, dass dieser Weg Euren Sohn einen hohen Preis kostet (rw).

    Mir fällt der langsame Abschied aus meinem geliebten Beruf sehr schwer und es belastet mich. Bei mir kommen neben Asperger noch andere biografische Ereignisse hinzu, die zu der Situation geführt haben, in der ich mich jetzt befinde. Dennoch kann ich Euch empfehlen zu überlegen, welcher Weg für Euren Sohn langfristig mehr Lebensfreude und eine gesicherte gesellschaftliche Teilhabe bedeutet. Und das kann unter Umständen durchaus die Werkstatt für Menschen mit Behinderung statt Abitur und Studium sein.

  • Mir fällt der langsame Abschied aus meinem geliebten Beruf sehr schwer und es belastet mich. Bei mir kommen neben Asperger noch andere biografische Ereignisse hinzu, die zu der Situation geführt haben, in der ich mich jetzt befinde. Dennoch kann ich Euch empfehlen zu überlegen, welcher Weg für Euren Sohn langfristig mehr Lebensfreude und eine gesicherte gesellschaftliche Teilhabe bedeutet. Und das kann unter Umständen durchaus die Werkstatt für Menschen mit Behinderung statt Abitur und Studium sein.

    Ich glaube für jeden ist gesellschaftliche Teilhabe etwas anderes. Auch langfristig kann es für jemanden besser sein Abitur und Studium gemacht zu haben auch wenn man es vielleicht beruflich zunächst nicht nutzen kann. Es können sich ja auch immer Dinge im Leben ändern, sowohl zum positiven als auch zum negativen, da ist so etwas als Rückhalt manchmal nicht schlecht. Auch wenn du jetzt nicht mehr in deinem Beruf arbeiten kannst, Bildung kann dir niemand nehmen und eine Werkstatt für Behinderte ist eigentlich Ausgrenzung vom Arbeitsleben, auch wenn es anders dargestellt wird.

  • Ich kannte mal einen Autisten, der hat mit viel Unterstützung irgendwie den Realschulabschluss geschafft. Aber diverse Praktika nach der Schule haben gezeigt, dass er nirgends auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt etwas leisten kann, da er in der ganzen Schulzeit eins nicht gelernt hat, nämlich mal irgendwas selbstständig zu machen. Ohne dass einer neben ihm sitzt und ihm sagt, was er tun soll, hätte er nicht eine einzige Schulstunde absolvieren können. Die ganze Quälerei durch die Schule war im Prinzip umsonst, und man hätte ihm das ersparen können.
    Doch der Elternwille zählt ja, und das Schulsystem macht das mit, weil Inklusion mehr zählt als Kindeswohl.

    Deshalb denke ich auch, man muss sich das gut überlegen, ob man sein Kind unbedingt durch Schule und gar noch Studium peitschen will, wenn die Leistungsfähigkeit einfach nicht da ist. Man muss sich überlegen, welchen Job das Kind später realistisch wirklich machen kann. Wenn man arbeitet, ist es nicht mehr wie in der Schule, da kann nicht mehr permanent einer daneben sitzen, schon gar nicht in einem Akademikerberuf.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Ich kannte mal einen Autisten, der hat mit viel Unterstützung irgendwie den Realschulabschluss geschafft. Aber diverse Praktika nach der Schule haben gezeigt, dass er nirgends auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt etwas leisten kann, da er in der ganzen Schulzeit eins nicht gelernt hat, nämlich mal irgendwas selbstständig zu machen. Ohne dass einer neben ihm sitzt und ihm sagt, was er tun soll, hätte er nicht eine einzige Schulstunde absolvieren können. Die ganze Quälerei durch die Schule war im Prinzip umsonst, und man hätte ihm das ersparen können.
    Doch der Elternwille zählt ja, und das Schulsystem macht das mit, weil Inklusion mehr zählt als Kindeswohl.

    Ein Schulbegleiter ist gerade dafür nicht da, es soll ja die Selbständigkeit gefördert werden. In manchen Punkten gebe ich dir Recht. Mein Sohn konnte die Schulbegleitung irgendwann nicht mehr ertragen, weil er sich ständig beobachtet gefühlt hat. Daher war es irgendwann gut, dass wir da einen Schlussstrich gezogen haben. Oft sind es aber nicht die Eltern, die unbedingt an der Integrationshilfe festhalten wollen, weil sie ja so nützlich auch für andere Kinder ist.
    Mein Sohn ist jetzt erwachsen, rückblickend würde man vieles anders machen, aber die Schulbegleitung hat ihn damals vor 15 Jahren davor bewahrt auf die Sonderschule zu müssen, das musste man nämlich zu der Zeit noch, allein weil es schon eine Autismusdiagnose gab.
    Schulbegleitung bekommt man nicht als Leistungshilfe, sondern sie soll ja lediglich die autismusbedingten Nachteile ausgleichen. Wenn sie richtig angewendet wird, kann sie sehr erfolgreich sein, aber oft läuft es eben nicht gut und das liegt leider häufig an der fehlenden Chemie.

  • Danke für die vielen Antworten.
    Wir haben uns schon viele Gedanken gemacht, was er mal im Leben so anfangen kann. Deshalb haben wir ihn ja auch von der Schule genommen, da er durch die ständige Veränderung und unvorhergesehene Dinge … immer kränker wurde.
    Wir haben über 2 Jahre gekämpft, dass er das Ruhen der Schulpflicht bekommt und Webschule machen kann.
    Die klappt mittlerweile gut, ihm geht es auch gut, nur durch die lange Überforderung in der Schule, ist dieser Weg wieder dort hin nicht einfach, bzw wird er nicht mehr machen.
    Eigentlich sollte er dieses Jahr den Realschulabschluss mitschreiben, aber durch eine Umstellung an der Webschule hat dies nicht geklappt und er macht es mächstes Jahr. Bis dahin lernt er den Stoff der 11 Klasse.
    Er ist schlau um das Abitur zu schaffen. Mit der Webschule ist dies auch gut möglich.
    Unsere großen Kinder studieren auch alle, die beiden Aspis machen mittlerweile ein Fernstudium, da die Ausbildung bzw das Studium an der normalen Uni zu stressig war. Die beiden haben aber ihr Abi auch an der Regelschule geschafft.
    Wie es mit allen Kindern weiter geht, wissen wir nicht. Sie müssen nichts machen, dürfen aber solange studieren oder Schulabschlüsse machen, wie es ihnen damit gut geht.
    Die Kinder leben mit uns im Haus zusammen, wir verstehen uns alle gut und unterstützen sie, soweit es uns möglich ist.

    Mittlerweile wissen wir auch, dass das Jugendamt auch weiter die Webschule bezahlen kann. Mein Mann hat noch einmal mit denen geredet und nächste Woche sollen wir noch einmal zum besprechen kommen. Mal sehen, was die dann sagen.

    Mir ist es ähnlich gegangen mit der Schule, bzw Ausbildung. Ich habe mich durch die ganzen Jahre gequält und das Abi nicht bestanden, da der Stress zu groß war. Die Ausbildung zur Physiotherapeutin habe ich nach der Hälfte abgebrochen, da nichts mehr ging. Auch danach war das arbeiten für mich so anstrengend, da ich ständig überfordert war.
    Aber wir wußten noch nichts von Autismus und so habe ich durchgehalten, bis unsere Kinder kamen.
    Zum Glück muss ich seitdem nicht mehr arbeiten gehen, da mein Mann recht gut verdient.
    Seit wir vom Autismus wissen, hat sich viel in der Familie geändert. Wir leben immer mehr so, wie es für uns gut ist. Wir sind sehr glücklich, dass unsere Kinder mittlerweile alle glücklich sind. Dies war nicht immer so. Bei mir merke ich, dass mir die vielen Jahre Überforderung körperlich nicht gut getan hat. Deshalb ist es uns allen wichtig, so viel wie möglich zu machen, aber ohne Überforderung.

    Ob der jüngste oder die beiden anderen,- die andere Tochter ist mit ihrem Studium durch und arbeitet- mal einen Abschluss Erlangen und oder länger arbeiten können, wo, wie oder wieviele Stunden, werden wir sehen.
    Bildung ist auf jedenfall nicht schlecht um viele Möglichkeiten zu haben.

    wir werden sehen, wie sich alles weiter entwickelt. Mittlerweile ist ja auch viel online möglich, so kann man vielleicht auch so arbeiten.
    Wir finden es halt immer schade, dass man meist um alles kämpfen muss. Nicht nur, dass man kaum Unterstützung bekommt, nein, viele Behörden arbeiten auch noch gegen einen… :cry: oder sagen, dass geht nicht…
    Kostet alles viel Kraft.

  • Aus meiner Sicht besteht eine große Schwierigkeit im Umgang mit Behörden, aber auch mit anderen Stellen wie beispielsweise Arbeitgebern, darin, dass psychische Erkrankungen oft noch nicht auf einer gleichwertigen Stufe mit körperlichen Erkrankungen gesehen bzw. in der täglichen Praxis berücksichtigt werden.

    Ich sehe es in dem Unternehmen, in dem ich arbeite, wie stark körperlich chronisch erkrankten bzw. köperlich behinderten Kollegen völlig selbstverständlich Verständnis und Unterstützung zukommt. Das finde ich auch gut so, denn sie brauchen das ja. Nicht gut finde ich dagegen, dass mir als psychisch kranker Person dieses Verständnis und diese Unterstützung oft verweigert wird oder ich sie langwierig erkämpfen muss.

    Von daher finde ich es klasse, dass Du die Rückmeldungen hier genau als das nimmst, was sie sind: Nämlich Anregungen :) . Und ich finde Deine Rückmeldung dazu auch echt klasse, denn es ist sehr ermutigend zu lesen, mit welcher Einstellung Ihr Euch der Situation stellt und Euch nicht unterkriegen lasst :) .

  • Aus meiner Sicht besteht eine große Schwierigkeit im Umgang mit Behörden, aber auch mit anderen Stellen wie beispielsweise Arbeitgebern, darin, dass psychische Erkrankungen oft noch nicht auf einer gleichwertigen Stufe mit körperlichen Erkrankungen gesehen bzw. in der täglichen Praxis berücksichtigt werden.

    Ich sehe es in dem Unternehmen, in dem ich arbeite, wie stark körperlich chronisch erkrankten bzw. köperlich behinderten Kollegen völlig selbstverständlich Verständnis und Unterstützung zukommt. Das finde ich auch gut so, denn sie brauchen das ja. Nicht gut finde ich dagegen, dass mir als psychisch kranker Person dieses Verständnis und diese Unterstützung oft verweigert wird oder ich sie langwierig erkämpfen muss.

    Von daher finde ich es klasse, dass Du die Rückmeldungen hier genau als das nimmst, was sie sind: Nämlich Anregungen :) . Und ich finde Deine Rückmeldung dazu auch echt klasse, denn es ist sehr ermutigend zu lesen, mit welcher Einstellung Ihr Euch der Situation stellt und Euch nicht unterkriegen lasst :) .

    Danke für deine Zeilen , ja, wir versuchen es immer lockerer zu sehen, nach dem Motto,- Alles geht, nichts muss.
    Das hat aber auch eine Weile gedauert, bis wir das konnten. So ist es aber besser.
    Nur machen es einem die ganzen Umstände und das man immer wieder alles selber raussuchen muss nicht einfach.
    Immer wieder suchen, sich erklären müssen, neue Gutachten liefern, diskutieren….
    Zu den Problemen, die ja eh schon jeder so mit sich hat.

  • Hallo,

    informiere Dich mal über die Voraussetzungen für Hilfen für junge Erwachsene beziehungsweise Volljährige. Auf diesem Wege erfolgt in der Regel ab dem 18. Geburtstag die Kostenabrechnung für diverse Eingliederungshilfen, zum Beispiel die Autismustherapie. Dort heißt es unter anderem, dass der Kostenträger nicht nur eine ausreichende, sondern auch eine angemessene Schulbildung unterstützen muss. Wir stehen im nächsten Jahr vor demselben Problem und uns wurde gesagt, dass das eigentlich auf diesem Weg klappen müsste.

  • Ja, ich habe mittlerweile mit unserem Anwalt geredet, genau so sollte es sein, dass junge Erwachsene noch weiterhin Eingliederungshilfe bezahlt wird. Dann ist mir auch aufgefallen, dass die die Webschule ja genau so schon die Monate von seinem 18. Geburtstag bis zum August so finanzieren.
    Nun haben die zuständigen aber gewechselt,- unsere ist in Mutterschutz- und die neue hat entweder nicht richtig hingeguckt oder weiß nicht was Webschule so ist oder….
    Wir haben mittlerweile mit 2 Damen geredet und sie wollen es nun noch einmal überprüfen, bzw sich mit uns nächste Woche treffen.
    Die waren doch sehr verwundert, dass wir noch einmal mit ihnen reden wollten , dachten die, dass wir jetzt so einfach sagen,- Ah, ok und tschüss?

    Wir haben ja „Beweise“ das der Realschulabschluss und das Abi gut möglich sind. Er war bis zur 8. Klasse am Gymnasium und hatte, trotz Stress gute Noten.
    Anscheinend ist es so, dass nun wir „beweisen“ müssen, dass die Maßnahme „ Sinnvoll und zielführend“ ist. Vorher wurde dies übernommen, nachdem wir alle anderen Maßnahmen als ungeeignet belegt haben, durch mehrere Gutachten von unserem Psychiater.
    So sind wir wieder etwas optimistischer, dass es doch weiter geht mit der Webschule.

  • ...genau so sollte es sein, dass junge Erwachsene noch weiterhin Eingliederungshilfe bezahlt wird. Dann ist mir auch aufgefallen, dass die die Webschule ja genau so schon die Monate von seinem 18. Geburtstag bis zum August so finanzieren.

    Wenn ich es richtig gelesen habe, war ja ein Ablehnungsgrund für die neue Sachbearbeiterin (Bezirkssozialarbeiterin?) das Erlöschen der Schulpflicht nach Erreichen der Volljährigkeit.

    Die Schulpflicht ruht aber doch laut deiner Darstellung, hat also erst mal gar nichts mit der Ablehnung direkt zu tun. :x
    Ich bin sogar überzeugt, dass ihr nach all dem jahrelangen Gekämpfe mehr Ahnung von der Gesamt-Situation und ihrer möglichen Lösung versteht als die entscheidende Dame.

    Ich kenne die Situation auch aus zahlreichen ähnlichen Kämpfen und kann dir nur den Rat geben, beharrlich und höflich und wieder beharrlich zu bleiben. Und zurückfragen. Und nett bleiben. Und noch mal nachfragen...zermürbe sie mit deinem Charme :twisted: ....viel Erfolg!

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

  • Okay, es dauerte einen Tag, aber nun verstehe ich... Weil ich deinen Beitrag nur überflogen hatte (nicht böse gemeint, Aufmerksamkeitsmangel...), dachte ich die ganze Zeit, es ginge um eine Schule, an der man das Weben lernt, und wunderte mich die ganze Zeit über, was das mit der Schulpflicht zu tun hat und dass/weshalb das Erlernen des Webens in der heutigen Zeit noch sinnvoll sein soll :oops: :lol:

    Zum eigentlichen Thema: Leider kann ich zu Eingliederungshilfe nichts Sinnvolles beitragen. Und sollte ich selbst im AS liegen, bin ich lediglich ein Grenzfall, d.h. schwächer betroffen als viele andere, von daher kann ich leider auch hinsichtlich der beruflichen Kompensation schwererer ASS-Symptome nur wenig Produktives beitragen.

    Was ich jedoch äußere, auch auf die Gefahr hin, wieder als "Krawallhamster" (sry ;) ) angesehen zu werden:
    Ich erachte es als sehr kritisch, bei einem gerade volljährig gewordenen Menschen bereits zu erwägen, dass seine Chancen, im Berufsalltag zurechtzukommen, so gering sein könnten, dass er eine (neigungssgerechte) schulische und/oder berufliche Ausbildung gar nicht erst erhalten sollte.
    Vor ein paar Tagen schaute ich einen Bericht, in dem eine Firma gezeigt wurde, die (anscheinend) nur im AS liegende Menschen einstellt, gerade wegen ihrer Besonderheiten, die dort jedoch (wenigstens teilweise) als Stärken angesehen werden. Das war aber eine auf IT-Dienstleistungen ausgerichtete Firma, soweit ich das recht abspeicherte.
    Auch in diesem Thema bin ich nicht so tief "drin", dass ich nun rechtlich Verwertbares beitragen könnte, dazu müsste ich weiter recherchieren, kann ich vielleicht bald mal tun, wenn sich das Problem nicht bald lösen sollte. Es gibt aber sehr wohl diverse Möglichkeiten (und auf den Gesetz- und den Arbeitgeber abzielende Verpflichtungen) zur beruflichen Eingliederung gesundheitlich (auch psychisch/neurologisch) Beeinträchtigter; Wichtig ist natürlich (gerade als Non-NT), dass er "seinen Beruf"/"seine Nische" findet, und nicht zu etwas gedrängt wird, was ihm nicht liegt. Das und die Eingliederung in eine entsprechende Tätigkeit wird mit Unterstützung - u.a. eben Eingliederungshilfe - beim Erlernen eines seinen Neigungen entsprechenden Berufes jedoch tendenziell einfacher sein, als wenn man ihn aufgrund seiner Normabweichung gleich "aussortiert" (sorry für die Begriffswahl).

    Und bei aller Reflexion des (Un-)Sinns einer beruflichen Eingliederung: Das Abitur ist eine gute Basis für sehr viele berufliche Wege, daher würde ich zumindest den Erwerb des Abiturs definitiv nicht unter einen Finanzierungs-/Sinnhaftigkeitsvorbehalt stellen, sondern bei der allgemein gehaltenen schulischen Ausbildung "einfach mal machen" und entsprechend Eingliederungshilfe (beim entsprechenden neuen Träger, wie @Capricorn schon schrieb) einfordern. Anspruch besteht ziemlich sicher, und wenn nicht, dürfte er einklagbar sein...

  • Vor ein paar Tagen schaute ich einen Bericht, in dem eine Firma gezeigt wurde, die (anscheinend) nur im AS liegende Menschen einstellt, gerade wegen ihrer Besonderheiten, die dort jedoch (wenigstens teilweise) als Stärken angesehen werden.

    Es ist zweifellos gut, dass es diese Firma gibt.
    Aber man sollte sich das nicht als eine Art "Waldorffirma" vorstellen.
    Es ist eine Firma, die monetären Gewinn einfahren will und muss.
    Da reicht es nicht, seinen Namen tanzen zu können, um bezahlt zu werden, sondern man muss in der Lage sein, bei Kunden dieser Firma als Consultant verwertbare Ergebnisse generieren zu können.

  • Stimmt. Dass das nicht der Fall sei, wurde ja auch weder ex- noch naheliegend impliziert. ;)
    Aber dass jemand Eingliederungshilfe nutzen will, heißt noch lange nicht, dass er bloß seinen Namen tanzen kann.
    Wie gesagt, habe hier den Thread bisher nur grob überflogen - aber wenn die Eingliederungshilfe in diesem Fall tatsächlich primär oder ausschließlich darauf abzielt, dass er auf Homeschoolingbasis das Abitur erwerben kann, frage ich mich umso mehr, worin der das Hinterfragen seiner Erwerbsfähigkeit anstoßende Grund bestehen soll. Wenn er z.B. nicht mit anderen Personen in einem Raum lernen kann, aber (dennoch...) die erforderliche Leistung erbringt, ist er gut genug für das, was er tut. Auch im Berufsleben gibt es seine Beeinträchtigungen ausgleichende Möglichkeiten (und besagte auf den Arbeitgeber abzielende Verpflichtungen). Klar ists ohne Einschränkung einfacher, aber auch mit sehr gut möglich.

  • Doch der Elternwille zählt ja, und das Schulsystem macht das mit, weil Inklusion mehr zählt als Kindeswohl.

    Diese von Dir angeführte Inklusion, verdient ihren Namen nicht. Es fehlt im Schulsystem und auch im allgemeinen die Kenntnis bzgl. Autismus, der Wille sich damit auseinanderzusetzen, sowie, daraus folgernd die Kompetenz.
    Unsere Erfahrungen mit Jugendämtern und Schulen sind nach einem Jahr, dergestalt, dass zunächst erst einmal alles abgelehnt wird, in der Hoffnung, die Eltern würden schon die Füße ruhig Halten (RW). Ging bei unserem
    Sohn nur mit massiven Druck auch von Seiten seines Psychiaters und seiner Psychologin. Das von meinem Sohn formulierte Lebensziel ist, Wissen zu erlangen. Das beinhaltet für ihn, zumindest zur Zeit noch, zur Schule zu gehen
    und später womöglich auch zu studieren. Inklusion wäre für mich, ihm das zu ermöglichen. Gewisse Hindernisse lassen sich nicht beseitigen, aber man kann es für ihn erträglicher gestalten, wenn die betreffenden Personen alle
    ihnen vorhandenen Möglichkeiten ausschöpfen und sich zumindest am Rande (RW) mit der Thematik beschäftigen oder zumindest den erarbeiteten Vorgaben bzgl. des Probanden, Folge leisten.

  • Auch langfristig kann es für jemanden besser sein Abitur und Studium gemacht zu haben auch wenn man es vielleicht beruflich zunächst nicht nutzen kann.

    Je mehr man kann, desto mehr erwarten die Leute. Man hat gute Noten und ist selbstständig, also empfehlen sie Gymnasium. Dann empfehlen sie Abitur. Dann empfehlen sie Studium. Dann empfehlen sie einen tollen Job... Und am Ende setzt man hochqualifiziert im Arbeitsamt, ist völlig fertig, aber die Leute begreifen das Problem nicht, weil man ja soviel kann und so talentiert wäre und schon soviel geschafft hat.

    Außerdem ignorierst du hier, mit wieviel Leid das erkauft ist. 10 Jahre Depression und dann nochmal 10 Jahre völliges Burnout. Plötzlich bist du 40, und die Hälfte deines Lebens warst du komplett fertig kurz vor dem Suizid.

    Und mich betraf das nicht, weil ich das alles aus eigener Kraft geschafft habe, aber vielleicht hat er bei Versagen, später starke Schuldgefühle, weil seine Eltern ihm das alles bezahlt haben.

    Oder aber, er macht sich nun ein völlig überhöhtes Selbstbild, und wird dann sehr, sehr tief fallen, wenn er scheitert. Vielleicht lässt er sich auch später nicht mehr auf "niedrigere" Berufsziele ein, weil er das dann unter seinem Niveau empfindet, schließlich hat er ja Abitur und studiert.


    Wie gesagt, habe hier den Thread bisher nur grob überflogen - aber wenn die Eingliederungshilfe in diesem Fall tatsächlich primär oder ausschließlich darauf abzielt, dass er auf Homeschoolingbasis das Abitur erwerben kann, frage ich mich umso mehr, worin der das Hinterfragen seiner Erwerbsfähigkeit anstoßende Grund bestehen soll.

    Der Grund besteht aus persönlicher Erfahrung. Der Junge traut sich nicht zu, eine Oberstufe zu besuchen, bzw die Eltern und seine Ärzte trauen ihm das auch nicht zu. Und ein Studium regulär mit Präsenz offensichtlich auch nicht.
    Ich weiß nun nicht, wie die Schule heute ist. Sie soll lärmtechnisch und organisatorisch katatrophal sein. In der heutigen Zeit, wäre ich wohl nicht beschulbar gewesen. Insofern verstehe das Homeschooling ansich schon.
    Er wird aber später, Vorstellungsgespräche bestehen müssen. Und wenn er das schafft: dann wird er täglich seine gewohnte Umgebung verlassen müssen und den Arbeitsweg bewältigen, Tag für Tag Reizüberflutung. In der Arbeit wird er ständig Veränderungen haben, neue Leute, neue Aufgaben, evtl Kunden. Das ist allein schonmal das Reizüberflutungsproblem. Ich weiß nicht wo er noch Probleme hat, im selbstständigen Arbeiten vielleicht?
    Der Grund ist also der, dass er bereits heute als Schüler, in einer geschützen Parallelwelt leben muss, weil er sonst krank wird, und auch die Zukunft (Online-Studium) soll das so bleiben, aber in der Arbeitswelt gibt es so etwas nicht.
    Ich habe auch immer gedacht, dass ich noch "stärker" werde irgendwann, aber es ist nicht passiert. Irgendwann muss man sich mit seinen Schwächen auseinander setzen.
    Ich würde also nach der Mittleren Reife oder dem Abitur, mal einen Job empfehlen. Habe ich damals gemacht, und mir heimlich gewünscht, ich könnte behindert sein und in einer beschützen Umgebung leben und arbeiten... wusste ich damals natürlich nicht, ich war undiagnostiziert und auf mich gestellt. Also bin ich studieren gegangen, um Zeit zu kaufen vor dem Arbeitsleben.
    Aber so muss er das nicht machen, er weiß ja jetzt schon Bescheid.

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