Diagnose Kind 10 Jahre?

  • Bei meinen Sohn häufen sich die Hinweise immer mehr. Mein Vater selbst hat eine Diagnose im Erwachsenenalter und ich sehe in diesen Selbsttests viele Züge von mir selbst. Bei meinen Sohn gab es bereits im Krippenalter von der Erzieherin Hinweise, später in der Ergotherapie wurde auch in den Raum gestellt.

    Das Kind schließt gerade die Grundschule sehr gut ab. Er hat eine kleine private Grundschule besucht und wechselt auf einen öffentlichen Gymnasium mit doppelt so viele Kinder in der Klasse und doppelt so viele Klassenzüge. Ich habe bedenken ehrlich gesagt, aber vielleicht liegt es an mir?

    Ich habe ausgiebig mit einer Freundin gesprochen heute. Sie ist Psychologin in einer Schule im Ausland. Sie hat mir ein Selbst-/Elterntest nahegelegt und mein Kind lag mit 21/37 Punkte deutlich drüber. Ich habe bedenken, ob eine Diagnose Strebenswert ist, wenn das Kind bisher gut klar kam. Die Freundin empfiehlt, ein Fachmann zur Rate zu ziehen. Sie meinte, es muss nicht gleich eine Diagnose sein. Ihr ging es eher in Richtung Eltern Unterstützung. Sie ist selber keine Fachfrau für Autismus, hat aber ein Kind im Spektrum. Sie hat zB bedenken, dass das Kind Mobbing Opfer werden kann, weil es nicht 100% zwischen Realität und Fiktion unterscheiden kann. zB bei einen James Bond Film, fragt er öfters ob der Schauspieler jetzt nun gestorben ist oder ob die Explosion real war. Bei Büchern zB Percy Jackson kommt die Frage, ob die griechischen Götter und der Olymp wirklich existieren usw. Das Kind liest gerne Bücher, die seinen momentanen Interessen entsprechen und wenn da zB Fiktion und Realität gemischt wird (zB Zeitreise oder so was wie Percy Jackson oder Harry Potter), hat er tatsächlich Probleme mit der Unterscheidung. Das ist nur einer der „Hinweise“ laut diesen Test/Freundin, aber das gibt mir sehr zu denken.

    Ich würde mich über Erfahrungen freuen bezüglich einer Diagnose in dem Alter.

  • Hallo und willkommen im Forum.

    Im Grunde würde ich bei den langen Wartezeiten auch sogar anraten sich schonmal bei einer Autismusambulanz auf die Warteliste setzen zu lassen, ich weiß nicht ob die Wartefristen bei Kindern auch so lang sind wie bei Erwachsenen.
    Erwachsene warten hier meist mindestens 1 Jahr auf den ersten Termin. Bei einigen Stellen sogar 2 Jahre.

    Fall das Kind auf der neuen Schule klarkommt, kann man den Termin auch wieder absagen, aber in dem Zeitraum kann man zumindest schonmal sehen wie sich das Kind an der neuen Schule eingewöhnt und ob es zu Problemen kommt.
    Ich könnte hier Gefahren sehen, das das Kind eventuell schneller an schlechte Freunde oder ähnliches geraten könnte.
    Bei einem kind was in der Entwicklung in manchen Bereichen hinterhinkt, werden andere Kinder das früher oder später schnell bemerken und entweder für ihren Vorteil nutzen und das Kind ausnutzen oder es daran aufziehen.
    Ich wäre da vorsichtig. Ich habe selbst keine Kinder, aber ich würde das eigene Kind zumindest darüber aufklären, damit es das im Vorfeld auch weiß und sich im klaren ist das es solche "bösen" Menschen gibt.
    Auch das Thema Drogen und das andere Kinder versuchen werden das Kind mit zu ziehen oder zu überreden sowas auch mal auszuprobieren, ist ein Thema was schon ab der 5. oder 6. Klasse anfangen kann.
    Man kann dem kind die Entscheidungen nicht abnehmen, aber man kann schon recht früh erklären was schädlich oder gefährlich ist und was nicht.
    Bei mir als Autist hat das immer gut geklappt weil ich meinen Eltern mehr vertraute als allen anderen.

    Go bad or go home!

  • Genau das, also die mangelnde Fähigkeit im Kindesalter Fiktion und Realität zu trennen ist ja der Grund für FSK, USK etc...
    Ich finde es klingt eher normal, dass dort dann Fragen entstehen, die geklärt werden müssen.
    Verdächtig wären andere Fragen aus meiner Sicht.

    Hilfreich wäre dann auch ein "Sachbuch" , z. B. Über Griechische Mythologie mit dem man das vergleichen kann.

  • Was für Hinweise sind das? Aus der Distanz und mit diesen wenigen Anhaltspunkten schwer zu beurteilen. Mobbinggefahr sehe ich nicht als Grund für eine Diagnose. Hat dein Sohn Schwierigkeiten im Kontakt mit anderen Kindern ? Fällt es ihm schwer in der schule dem Unterricht zu folgen, weil er mehr damit beschäftigt ist das Soziale einzuordnen und ihn die Fülle an Informationen überlastet? Wenn du das bejahen kannst ist eine Diagnose sinnvoll, da du dann entsprechende Hilfen für deinen Sohn in Anspruch nehmen kannst. Es kann natürlich auch sein , das er in der Schule gut "funktioniert" und seine Ticks oder ähnliches dann zu Hause auslebt. Oder es kommt irgendwann zum Overload Meltdown Depressionen. Erstmal vorstellig werden ist auf alle Fälle nicht die falsche Entscheidung. Deine Angst vor der Stigmatisierung deines Sohnes auf grund einer diagnose, ist für deinen Sohn auf jeden fall schlimmer, als es die Diagnose selbst wäre, wenn er denn eine solche bekommt. Ganz viel Konjunktiv auf Grund der unzureichenden Datenlage.

  • Eine Diagnostik ist im jüngeren Alter einfacher als wenn er älter ist, deshalb würde ich das früh machen lassen. Ob man dann was damit anfängt oder das Ergebnis erstmal in der Schublade verschwindet, kann man dann immer noch entscheiden. Das Schwierigere wird sein, es mit ihm gut zu kommunizieren, damit er versteht, dass da was sein könnte, es aber nicht sein Selbstbewusstsein beeinträchtigt. Ich habe keine Ahnung, wie ehrlich man in dem Alter sein sollte.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Eine offizielle Diagnose kann auch Nachteile bringen (z.B. Stigmatisierung, Schwierigkeiten bei Gesundheitsprüfungen), deswegen würde ich das nur machen lassen, wenn dein Sohn Hilfen benötigt, die man ohne Diagnose nicht bekommt.

  • Eine Diagnostik ist im jüngeren Alter einfacher als wenn er älter ist, deshalb würde ich das früh machen lassen. Ob man dann was damit anfängt oder das Ergebnis erstmal in der Schublade verschwindet, kann man dann immer noch entscheiden.

    Nein, das sollte man sich gut überlegen.
    Die Diagnose kann später durchaus Nachteile z.B. beim Abschluss von Versicherungen mit sich bringen, und ein Verschweigen der Diagnose im Kindesalter ist dann nicht ratsam.
    Wenn das "Kind" volljährig ist, dann kann es selbst entscheiden, ob die Vorteile die Nachteile überwiegen.
    Vorher sollte man das als Eltern lieber dreimal als nur zweimal überdenken.
    Also genau nicht "einfach mal eine Diagnostik machen, kann ja nicht schaden!".

  • Ohne klinisch relevante Einschränkungen darf gar keine Diahnose gestellt werden. Von daher nehme ich an, dass im Falle einer Diagnosestellung auch ausreichend schwere Einschränkungen vorliegen. Für diese Einschränkungen kann das Kind Hilfen bekommen, sei es in Form von Nachteilsausgleichen, Schulbetreuung oder auch Therapiekonzepten. Der mögliche Ausschluss einer BU viele Jahre später ist aus meiner Sicht kein gutes Argument gegen eine Diagnostik. Möglicherweise lässt sich ja durch frühzeitige und gezielte Intervention die Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit viel besser reduzieren als mit einem sich "durchs Leben quälen" mit hohen Kosten, weil im Grunde Hilfestellungen angesagt gewesen wären.

    "Auf der Metaebene lässt sich Abstand gewinnen zum Geschehen. [...] Und dabei zeigt sich, dass es andere Perspektiven, andere Erlebensweisen und viel mehr Möglichkeiten für Lösungen gibt, als sich der Mensch in seiner alten kleinen Welt hatte träumen lassen." (Brit Wilczek)

  • Vielen Dank für eure Ratschläge. Das ist genau, was meine Freundin mir sagte: muss man genau abwägen. Natürlich ist das nicht der einziger Hinweis. Es gab schon mal den Verdacht von Fachfremden (Erzieherin und ergopädagogin) und dazu noch mein Vater (diagnostiziert) in der Familie. Er ist wirklich sehr sehr gut in der Schule, aber das soziale hinkt tatsächlich hinterher, jetzt aber nicht gravierend. Er hat keine enge Freunde und scheint keine zu brauchen, kommt aber ansonsten klar im klassengefüge. Dass er seine Marotten hat, ist den Klassenkameraden sogar aufgefallen, aber er wird so angenommen.

    Ich glaube, er kann vieles gut kompensieren, weil wir ehrlich gesagt einiges (Routinen, Tipps und Tricks sozusagen) gewöhnt sind im Umgang, die ihn das Leben im Alltag erleichtern, zB wir gehen immer mündlich nach, was demnächst passiert wie erstmal kommen wir an, machen die Tür auf, ziehen uns die Schuhe aus usw. mir fiel schon sehr früh auf, dass wenn er weiß, was kommt, die meisten Aktivitäten sehr gut klappen. Overload kennen wir leider allzu gut. Das kennt mein Vater von sich selbst als Kind auch und hat mit dem Enkel schon mal darüber gesprochen, was ihn damals geholfen hat.

    Er sagt zB dass er in der Schule alle ausblenden kann um sich zu konzentrieren. Er kann allgemein gut im Flow arbeiten, wenn ihn was interessiert (wie jeder sonst auch) und er ist total Noten fixiert. Noten sind ihn unglaublich wichtig. Er hat aber jetzt die Home Schooling Phase extrem genossen une sagt, am liebsten hätte er immer Home Schooling. Die Pause ist wegen Lautstärke eine Qual, obwohl er selbst ein lautes Kind ist. Aber das realisiert er 0. Allerdings geht er in einer kleinen privaten grundschule mit kleinen Klassen. Wie das im Gymnasium mit Doppel so viele Kindern sein wird?

    Meine Freundin kennt eine Fachfrau für Autismus in der Heimat, mit der ich online aus Elternsicht sprechen könnte und vielleicht mir helfen würde, weiter aufmerksam zu sein und ihn zu unterstützen. Ich muss sagen, dass mit der Schulwechsel durchaus Angst gibt und ich daher versuche, mir das nicht anmerken zu lassen indem ich ihn ermutige.

  • Eine Diagnostik ist im jüngeren Alter einfacher als wenn er älter ist, deshalb würde ich das früh machen lassen. Ob man dann was damit anfängt oder das Ergebnis erstmal in der Schublade verschwindet, kann man dann immer noch entscheiden. Das Schwierigere wird sein, es mit ihm gut zu kommunizieren, damit er versteht, dass da was sein könnte, es aber nicht sein Selbstbewusstsein beeinträchtigt.

    :thumbup:
    Würde ich alles auch genau so sagen, zusätzlich noch der Hinweis, dass Diagnostik auch in einer (spezialisierten) kinder- und jugendpsychiatrischen Praxis gemacht werden kann. Also nicht nur in einer Ambulanz, wo die Wartezeiten manchmal wirklich elend lang sind.

    Macht ist das Spielzeug der Reichen, das sie mit niemandem teilen (Muriel Barbery, "Die Eleganz des Igels")

  • Für mich war damals auf jeden Fall der Wechsel aufs Gymnasium ein Schock, aber das ist vielleicht für jedes Kind so. Ich hatte trotzdem aber anfangs auch da gute Noten.
    Es ist gut dass du so aufmerksam bist und das bemerkst.

  • Von daher nehme ich an, dass im Falle einer Diagnosestellung auch ausreichend schwere Einschränkungen vorliegen. Für diese Einschränkungen kann das Kind Hilfen bekommen, sei es in Form von Nachteilsausgleichen, Schulbetreuung oder auch Therapiekonzepten. Der mögliche Ausschluss einer BU viele Jahre später ist aus meiner Sicht kein gutes Argument gegen eine Diagnostik. Möglicherweise lässt sich ja durch frühzeitige und gezielte Intervention die Wahrscheinlichkeit einer Berufsunfähigkeit viel besser reduzieren als mit einem sich "durchs Leben quälen" mit hohen Kosten, weil im Grunde Hilfestellungen angesagt gewesen wären.

    Ich habe mir überlegt, dass in meiner Kindheit vermutlich auch jeder gesagt hätte "sie kommt doch klar", aber wie es innen drin aussieht, hat keiner gemerkt. Früher war ich der Meinung, eine späte Diagnose ist besser, weil man dann mehr Dinge lernt, wie selbstverständlich zu machen. Inzwischen tendiere ich mehr zu der Meinung, dass eine frühe Diagnose besser ist, weil man dann früher Verständnis und Hilfe bekommt und nicht ständig mit allem allein ist. Das könnte wichtig sein, um einem Leben voll Depressionen vorzubeugen.

    Bei Kindern finde ich halt auch wichtig, dass die Hilfe dann einsetzen kann, wenn das Kind sie braucht. Wenn man dann erstmal die Ärzteodysse für eine Diagnostik machen muss, kostet das wertvolle Zeit und Nerven.

    Aber klar, eine BU-Versicherung oder eine private Krankenversicherung ist dann nicht mehr so leicht möglich.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Inzwischen tendiere ich mehr zu der Meinung, dass eine frühe Diagnose besser ist, weil man dann früher Verständnis und Hilfe bekommt und nicht ständig mit allem allein ist. Das könnte wichtig sein, um einem Leben voll Depressionen vorzubeugen.

    Ich denke, da muss man sehr nach individueller Betroffenheit und Leidensdruck differenzieren. Eine offizielle Diagnose braucht man nur für externe Hilfen. In leichteren Fällen reicht aber vielleicht schon, wenn Unterstützung und Verständnis innerhalb der Familie da ist (wie hier offenbar gut gegeben) und das Kind so beim Ausgleich seiner Defizite unterstützt wird. Dafür muss man das Kind aber nicht mit einer offiziellen Diagnose stigmatisieren, da reicht eine Verdachtsdiagnose aus.

    Aber klar, eine BU-Versicherung oder eine private Krankenversicherung ist dann nicht mehr so leicht möglich.

    Auch bei Verbeamtungswunsch oder anderen gesundheitlichen Eignungsprüfungen kann eine offizielle Diagnose hinderlich sein.

    Rückblickend würde ich sagen, dass es mir geholfen hätte, wenn der Verdacht früher aufgekommen wäre, weil ich dann manches eher verstanden und eher zu kompensieren gelernt hätte. Hilfen, die eine offizielle Diagnose erforderten, habe ich aber erstmalig mit 37 gebraucht und es widerstrebt mir immernoch, mich als behindert deklarieren zu müssen, um diese zu bekommen. Ich möchte mir die Auswirkungen auf mein Selbstwertgefühl, wenn ich diesen Stempel schon als Kind aufgedrückt bekomen hätte, nicht ausmalen. Die wären mit Sicherheit erheblich.

    6 Mal editiert, zuletzt von Aldana (16. Mai 2021 um 20:40)

  • In leichteren Fällen reicht aber vielleicht schon, wenn Unterstützung und Verständnis innerhalb der Familie da ist (wie hier offenbar gut gegeben) und das Kind so beim Ausgleich seiner Defizite unterstützt wird.

    Wenn das funktioniert, dann ja, aber dann muss man wirklich gut in Kontakt sein mit seinem Kind. Meine Mutter hätte vermutlich jederzeit gesagt, dass sie alles über mich weiß und mich unterstützt, aber das Gegenteil war der Fall.

    Auch bei Verbeamtungswunsch oder anderen gesundheitlichen Eignungsprüfungen kann eine offizielle Diagnose hinderlich sein.

    Bei der Verbeamtung definitiv nicht, zumindest wenn man einen Schwerbehindertenausweis hat. Die Verbeamtung darf dann nicht abgelehnt werden.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Bei der Verbeamtung definitiv nicht, zumindest wenn man einen Schwerbehindertenausweis hat. Die Verbeamtung darf dann nicht abgelehnt werden.

    Den kriegt man aber erst ab GdB 50 und wenn die Beeinträchtigung so groß ist, dann wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch in der Kindheit externe Hilfen benötigen, sodass die Diagnose dann wiederum deswegen sinnvoll wäre.

  • Vielleicht ist das dann nicht die richtige Fernsehunterhaltung für einen Zehnjährigen?

    Für das Alter empfehle ich Bud Spencer und Terence Hill. Am Ende stehen alle wieder auf, es gibt kein Blut und man kann sehr viel lachen. Außerdem sind die Filme gut für den moralischen Kompass. Das ist eine Empfehlung, die auf Erfahrung gründet und aus meinem tiefsten Inneren von dem Kind in mir kommt, das sich zuweilen immer noch zu Wort meldet. So wie jetzt gerade. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Andreas (16. Mai 2021 um 21:43)

  • Interessant, dass du das schreibst. genau ein Bud Spencer Film wäre die Alternative gewesen. Es war der 1. James Bond Film und er schaut auch selten Filme mit Menschen statt Zeichentrick. Ich glaube, er kann damit weniger anfangen.

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