Flexibler werden als Autist?

  • Aber was ist mit kurzfristigen Änderungen? Also Beispiel auf der Arbeit: heute morgen im Meeting ergab sich ein Problem, dessen Lösung eigentlich in meinem Aufgabenbereich liegt. Jedoch habe ich das noch nie gemacht. Es brauchte außerdem sofort/so schnell wie möglich eine Lösung. Die Kombination aus Unvorhergesehen, Neu und Zeitdruck hat mich bis zur Untätigkeit gelähmt. Ein Kollege ist mir dann zur Hilfe gekommen und hat sich darum gekümmert (ca.4h Arbeit). Klar, kann man versuchen zu akzeptieren. Aber ich fürchte langfristig Nachteile auf Arbeit dadurch. Das kommt so mehrmals im Monat vor. Momentan unterstützen mich meine Kollegen, aber wie lange noch? Ich bin einfach komplett gelähmt/unfähig zu denken in solchen Situationen. Und hinterher schäme ich mich für meine Unfähigkeit. Und teilweise wird es von anderen Kollegen als Faulheit oder gar Arbeitsverweigerung wahrgenommen (der Kollege, der mir half, weiß von meiner Diagnose, andere nicht).

  • @Marnie Sehr gute Frage. Ich kann sie für mich nur so beantworten: Ich habe das trotz aller Bemühungen nicht geschafft. Ich habe es zwar geschafft, mich besser darauf einzustellen, dass es Situationen gibt, die schlecht vorhersehbar sind, und wo es gut ist, sich von vorneherein um mehr "Gelassenheit" zu bemühen, aber das sind dann eben Situationen, wo auch keine Leistung zu erbringen ist. Meine erarbeitete Gelassenheit bezieht sich dann darauf, mit etwas Glück nicht zu sehr gestresst zu sein und zu meiner Entscheidungsunfähigkeit mit einem Lächeln auch ein Stück weit zu stehen. Unter Arbeitsbedingungen reicht das aber auf Dauer tatsächlich wohl in der Regel nicht aus. Ich habe während meiner Berufstätigkeit versucht, alle Eventualitäten vorauszuahnen, Alternativpläne zu ersinnen, und andere zu beobachten und so mein Repertoire zu erweitern für schnelle flexible Reaktionen. Es war ein ungeheurer Stress, da ich in einem sozialen Beruf gearbeitet habe und sehr viel Verantwortung hatte in einem Umfeld, wo alle Nase lang Entscheidungen zu treffen waren und sozial aufs jeweilge Individuum angemessen reagiert werden musste. Ich bin im Burnout gelandet, und es war klar, dass ich nicht fähig bin diesen Beruf auf Dauer auszuüben, ohne immer wieder krank zu werden. Ich habe da ganz klar Grenzen, die ich auch mit aller Anstrengung und Übung und Strategien nicht überwinden kann.

  • Ich plane meinen Urlaub Mitte September zu nehmen. Das ist direkt vor der Bundestagswahl. Die Wahrscheinlichkeiten, dass da spontane Verschärfungen kommen, ist relativ gering.

    Klingt nach einer guten Strategie.

    Also die Unternehmung am Urlaubsort?

    Ne. Der Urlaubsort an sich. Bis vor wenigen Tagen hatten alle Hotels in Deutschland zu. Und bis vor zwei Wochen hätte ein Aufenthalt im deutschsprachigen Ausland eine Quarantäne nach sich gezogen. Das hat es so schwer gemacht zu planen.

    Aber was ist mit kurzfristigen Änderungen? Also Beispiel auf der Arbeit: heute morgen im Meeting ergab sich ein Problem, dessen Lösung eigentlich in meinem Aufgabenbereich liegt. Jedoch habe ich das noch nie gemacht. Es brauchte außerdem sofort/so schnell wie möglich eine Lösung. Die Kombination aus Unvorhergesehen, Neu und Zeitdruck hat mich bis zur Untätigkeit gelähmt. Ein Kollege ist mir dann zur Hilfe gekommen und hat sich darum gekümmert (ca.4h Arbeit). Klar, kann man versuchen zu akzeptieren. Aber ich fürchte langfristig Nachteile auf Arbeit dadurch. Das kommt so mehrmals im Monat vor. Momentan unterstützen mich meine Kollegen, aber wie lange noch? Ich bin einfach komplett gelähmt/unfähig zu denken in solchen Situationen. Und hinterher schäme ich mich für meine Unfähigkeit. Und teilweise wird es von anderen Kollegen als Faulheit oder gar Arbeitsverweigerung wahrgenommen (der Kollege, der mir half, weiß von meiner Diagnose, andere nicht).

    Im Rahmen dessen, wo ich das schaffen muss kriege ich das hin. Also z.B. dass ich eigentlich meinen Arbeitstag geplant habe, aber dann muss plötzlich noch ein Bericht geschrieben werden, der mehr oder weniger sofort fertig sein sollte. Dann strukturiere ich meinen Tag um nach einer kurzen Pause zum Luftholen. Mir hilft dabei auch das Mitgefühl der Kollegen ("Wir wissen das ist jetzt schwierig für dich") und deren Anerkennung ("Du machst das echt gut trotz deiner Behinderung"). So wie du das beschreibst wäre dass der Kollege, der hilft, damit umgehen kann weil er von deiner Diagnose weiß ja vielleicht gute Gründe für ein Outing. Aber wie auch das Tool Start (sag-ichs.de) nahelegt gibt es dabei so einiges zu beachten. Im Berufsleben versuche ich auch an anderen Stellen wett zu machen, dass Kollegen mit "Einschränkungen" klarkommen müssen. So bedankte ich mich mit einer Weihnachtskarte und Süßigkeiten an meinem letzten Arbeitstag vor Weihnachten. Also ich schrieb in der Karte wie dankbar ich bin akzeptiert zu werden und so. Viele sagten mir daraufhin, dass sie das gut fanden, sich freuen, dass ich ihre Kollegin bin, auch wenn manches nicht immer einfach ist.

    Surprised by the joy of life.

  • Mir fällt gerade dazu ein, dass ich häufig das Feedback bekomme, ich würde mich zu sehr auf das Problem anstatt auf mögliche Lösungen konzentrieren. Das war mir bisher nicht bewusst, aber mir wird jetzt klar, dass damit meine mangelnder Flexibilität gemeint ist. Manchmal bin ich echt langsam im Denken .

    So kenne ich es von mir selbst: In dem Gefühl gefangen sein, welches das Problem in mir aufkommen lässt. Solange das so ist, setzt der Denkprozess gar nicht richtig an. Es mag zwar auf einen selbst wie mangelnde Denkgeschwindigkeit wirken, doch in Wirklichkeit ist es meiner Erfahrung nach ein Problem des Umganges mit dem eigenen (heftigen) Gefühl; sobald man dieses in den Griff bekommen hat, kann man seine Energie darauf richten, Lösungen zu finden. Wesentlich dafür ist, dass man überhaupt davon ausgeht, Lösungen finden zu können, und nicht in Angst und Ohnmacht versinkt oder Ärger und Wut wie Pferde durchgehen lässt. Je öfter das gelingt, desto leichter geht es beim nächsten Mal, weil die Erfahrung, mit solchen Situationen fertig geworden zu sein, Ruhe einbringt. In den letzten Jahren machte ich große Fortschritte darin und gewann damit an Flexibilität.

    Man muss die Menschen nehmen, wie sie sind. Ich mich auch.

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