Sozialen Beruf ausüben mit Asperger-Spektrum-Diagnose: Bitte um eure Erfahrungen und Rat

  • Hallo liebe Leute,

    ich bin neu hier im Forum und um gleich ehrlich damit zu sein, stehe ich noch vor meiner Diagnostik. Jedoch leide ich mit meinen Eigenarten in meinem gewählten Arbeitsfeld.
    Daher wollte ich gerne von Gleichgesinnten (Pädagogen, Sozialarbeitern und allen "verwandten" Professionen) wissen, wie ihr euren Arbeitsalltag bewerkstelligt.

    Vielleicht etwas zu mir. Ich bin studierter Sozialpädagoge. Das Studium wurde von meinen Eltern eingeleitet, weil Psychologie wegen zu schlechter Noten nicht möglich war (das wollte ich eigentlich machen, weil ich unter anderem Kategorien und kurze Menschenkontakte mag). Schon während des Studiums wurde mir klar, dass das potenziell nichts für mich sein wird. Ich schloss das Studium aber ab, um eine Ausbildung vorweisen zu können.

    - Ich kann mich schwer in andere hineinversetzen, außer ich habe so eine Situation irgendwann in meinem Leben schon mal erlebt. Ich schreibe das dann einer Kategorie zu und agiere dem entsprechend, aber eine Tiefe hat es nicht;
    - Egal, wie lange ich eine Person kenne, mir kommt es jedes Mal so vor, als würde ich sie neu kennen lernen (Nervosität);
    - Wenn jemand plötzlich Gefühlsausbrüche zeigt, bin ich sofort überfordert (weinen, laut schreien, lachen, Krach machen). Da bekomme ich sofort innere Panik und mir wird schlecht;
    - Ich kann nicht abschalten. Ich höre alles, was im Raum, Flur oder sonst wo passiert.
    - Wenn mich etwas überfordert (Aufgabe) stagniere ich und verfalle in einer Art Apathie, mein Kopf fühlt sich leer an, mein Körper fühlt sich an, als würde er in einen Schraubstock gespannt;
    - Wenn etwas keinen klaren Rahmen oder Regel hat, finde ich mich handlungsunfähig vor;
    - Situationen richtig zu zu ordnen gelingt mir nicht. Ich setze sie meistens aus, was in dem Beruf relativ fatal sein kann;
    - Ich habe eine sehr hohe Erwartungshaltung an mich, "normal" und "kompetent" zu wirken (das hielt ich bis auf meine jetzige Arbeit bis nach der Probezeit aufrecht = "meine soziale Fassade");
    - Manchmal verstehe ich nicht, was von mir verlangt wird, außer man sagt es mir direkt, was mein Selbstwert noch mehr mindert.
    - Gängige Sprichworte oder Wortspiele verstehe ich, außer die Situation ist schon gespannt.
    - Mir fällt es schwer "Nein" zu sagen, oder meine wirklichen Gefühle zu äußern. Bei mir ist immer alles "Ja" oder "Mir geht es sehr gut".


    Jetzt wollte ich fragen, ob jemand das von seiner Arbeitswelt über sich auch kennt und wie er / sie damit umgeht.

    Eine Umschulung hatte ich bereits zwei Mal angestrebt wurde aber von der Agentur für Arbeit und JobCenter abgelehnt, da ich:

    - Das Studium relativ gut abgeschlossen habe;
    - Kompetent wirke (danke "soziale Fassade");
    - Schon insgesamt 3 Jahre gearbeitet habe und meine Chefs mir sehr gute Dienstzeugnisse ausgestellt haben;
    - Ich mir nur zu schwere Arbeitsfelder ausgesucht habe;
    - Die damalige Tagesklinik und der MDK der Agentur für Arbeit hatten mich als "arbeitsfähig" ausgewiesen.
    = Kein Anspruch auf eine finanzierte Umschulung auch wenn ich mich gewährt hatte.

    Ich bin gerade wirklich sehr verzweifelt, wie ich mit meiner Situation umgehen soll.
    In meinem neuen Beruf bin ich seit zwei Tagen und ich habe gestern auf heute kaum geschlafen. Hatte keinen Appetit oder Durst. Hatte Panik vor dem heutigen Arbeitstag. Hatte die ganze Arbeitszeit bis zum Feierabend hinein starke Kopfschmerzen. Die Leitung hat mich gestern gesprochen und heute noch mal. Wie es mir gefällt, wie es mir geht und noch paar Tips gegeben, wie ich arbeiten soll. Umsetzen wird schwierig.


    Danke jedem für seinen / ihren Rat.

    Euer Tristan

    Einmal editiert, zuletzt von Tristan (9. März 2021 um 18:39)

  • Wie wäre es in die 2. reihe (RW) zu rutschen, also jetzt scheinst du, so klignt es zumindest aktiv mit KLienten/Patienten etc. umgehen zu müssen. Istd as für dich der größte Stressfaktor? Es gibt ja auch genug Stellen für Sozialpädagogen die dann eher verwalten oder eher auf Informationsstellen sitzen, also wo sie beispielsweise Material für andere Sozialpädagogen etc. herstellen und ab und an Fortbildungen geben etc. Das wäre dann nicht mehr ganz so mitten drin? Als Sozialpädagoge kannst du aber auch für eine Beratungsstelle arbeiten, telefonisch, vor ort oder online, da hast du dann auch eher kurze Menschenkontakte bzw. immer wieder abwechselnde.

  • Mir scheint, ein Teil deiner Schwierigkeiten hat mehr mit dem Selbstvertrauen zu tun als mit deinen Fähigkeiten. Daran kannst du vielleicht arbeiten?
    Ansonsten gibt es im Bereich Sozialpädagogik auch Jobs, wo man nicht so häufig direkt mit Menschen zu tun hat, z.B. wenn man in einer öff. Verwaltung arbeitet. Vielleicht wäre so etwas dann für dich geeignet.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Hallo ihr Zwei,

    Danke euch für eure Antworten.

    Im Umgang mit jedem Menschen. Ob Kollegen, Chefs, Klienten und anderen Partnern im Hilfenetzwerk. Ich kann Menschen einfach nicht einschätzen. Jedes Mal ist es, als würde ich sie neu treffen und ich weiß nicht, was ich sagen oder wie ich reagieren soll. Bei fast jeder Situation denke ich mir: "Hätte das jetzt jemand anderes auch so gemacht?" Ich brauche einen sehr strikten Rahmen, feste Arbeitszeiten, nichts, was mich irgendwann "schwimmen lassen wird", am besten wäre eine richtige Einarbeitung. Das versprechen aber viele Arbeitgeber und dann wird das nicht umgesetzt. Dieser Arbeitgeber setzt: Lernen durch Machen vorraus. So scheint mir das. Immer wenn ich erfrage, ob mir jemand das näher erklären kann, heißt es: Wenn dich das interessiert, du kannst meinen Ordner nehmen. Wenn es sein muss, können wir uns aber auch zusammen setzen.

    Und Unvorhersehbares macht mir extreme Angst. Gerade denke ich z.B. zum 1000sten Mal darüber nach, ob mich die Kollegen und die Leitung wieder zur Seite nehmen und fragen / sagen, wie es mir geht / was ich verbessern muss. Ob ich mit den Klienten dieses Mal besser klar komme, oder die sich wieder nur denken "Was will der Neue von mir? Höre ich nicht drauf."

    Das mit dem eher verwalterischen / bürokratischen oder beraterischen Bereich habe ich schon versucht. Ich bin leider recht alternativ (sichtbare Tattoos und Tunnel), daher bekomme ich in diesen Bereichen immer absagen, oder ich benehme mich im Bewerbungsgespräch schon so "sozial-seltsam", dass sie gleich sagen: "Nein, tut uns Leid. Ihnen fehlt eine professionelle Persönlichkeit".

    Vielleicht habe ich meine Frage zu breit gefächert gestellt.

    Gibt es jemanden, der / die trotz Diagnose in einem engeren Klienten-Setting arbeiten kann, ohne eine "soziale Fassade" zu errichten, bzw. mir / dem Forum Bewältigungsstrategien / Hilfestellung geben kann.

    Zu meinen besten Tagen (kann man wohl so sagen) konnte ich meine "soziale Fassade" oder "Geschauspieler" ca. 6 Monate aufrecht erhalten und danach brach ich immer zusammen. Jetzt ist es nach zwei Tagen so und ich mag meinen Job nicht schon wieder verlieren. Mein Lebenslauf schaut schon relativ katastrophal aus und meine Partnerin würde mich wahrscheinlich auch verlassen, wenn ich meinen neuen Job nicht halten kann. Sie wünscht sich in unserer Beziehung einen gewissen Grad an "Normalität" und da gehört ein arbeitender und relativ gut verdienender Freund dazu. Und diese "Normalität" hätte ich ja auch gerne, aber da sind halt einfach meine Eigenarten, die mich daran hindern - oder ich mich hindern lasse.

  • Gibt es jemanden, der / die trotz Diagnose in einem engeren Klienten-Setting arbeiten kann, ohne eine "soziale Fassade" zu errichten, bzw. mir / dem Forum Bewältigungsstrategien / Hilfestellung geben kann.

    Ich befürchte je nach Einschränkungen ist kaum ein Job, in dem es soziale Kontakte gibt ganz ohne soziale Fassade möglich. DIe Frage ist viel eher wie viel soziale Fassade ist notwendig und wie viel kannst du da leisten ohne das du daran scheiterst und unglücklich wirst.

    Zu meinen besten Tagen (kann man wohl so sagen) konnte ich meine "soziale Fassade" oder "Geschauspieler" ca. 6 Monate aufrecht erhalten und danach brach ich immer zusammen. Jetzt ist es nach zwei Tagen so und ich mag meinen Job nicht schon wieder verlieren. Mein Lebenslauf schaut schon relativ katastrophal aus und meine Partnerin würde mich wahrscheinlich auch verlassen, wenn ich meinen neuen Job nicht halten kann. Sie wünscht sich in unserer Beziehung einen gewissen Grad an "Normalität" und da gehört ein arbeitender und relativ gut verdienender Freund dazu. Und diese "Normalität" hätte ich ja auch gerne, aber da sind halt einfach meine Eigenarten, die mich daran hindern - oder ich mich hindern lasse.

    Hast du mal mit ihr darüber gesprochen? Also das ist ja zusätzlicher Stress der dir schadet. Meiner Freundin ist da snicht wichtig und trotzdem ist da natürlich ein gewisser Druck da der von mir selber kommt. Wenn du denkst das deine Freundin dich gar verlässt, wird es für dich garantiert nicht leichter sein. Kannst du das vkielleicht lindern?

  • Hast du schon eine Perspektive, wie lange du auf deine Diagnostik warten musst?

    Magst du dein Arbeitsumfeld genauer beschreiben?

    Ich arbeite auch in sozialen Bereich, genaueres gerne via PN.

    Bei mir sind es kleine Dinge, die Erleichterung bringen. Sensorische Entlastung, wo es nur geht, schaffen. Dokumentation ist ja im sozialen Bereich das A und O. Nutze sie zu deinem Vorteil! Dokumentiere den Umgang mit Klienten sorgfältig und bereite dich auf den nächsten Kontakt vor. Im sozialen Bereich wird man eigentlich grundsätzlich nicht eingearbeitet (leider!!!). Ich habe mir am Ende eines Arbeitstages alle Ablaufe, Anweisungen etc noch einmal vor Augen geführt und in ein Notizheft geschrieben. Das nutze ich immer noch, wenn ich mit der Chefin telefoniere (kann gesprochene Anweisungen schlecht verarbeiten und telefonieren ist sowieso ein ganz schlechtes Thema bei mir) oder mich auf Teams vorbereite. Habt ihr QM? Arbeite dich da rein, da hast du schon einen gewissen Überblick über gewisse Prozesse und musst es dir nicht jedes Mal aufs Neue irgendwie aneignen, wenn dir eine neue Situation begegnet.

    Beobachte erfahrene Kollegen im Umgang mit Klienten. Ich habe mir von denen einige Standardsätze angeschaut und mir ein regelrechtes professionelles Kostüm gebastelt.

    Ansonsten versuche ich mich auch "von der Front" weg zu arbeiten. In Hagen kann man übrigens zulassungsfrei und staatlich Psychologie als Fernstudium absolvieren.

    Ich schreibe in der Regel vom mobilen Endgerät aus - merkwürdige Wortkonstrukte sind ggf. der Autokorrektur geschuldet

  • weil ich unter anderem Kategorien und kurze Menschenkontakte mag

    Da hatte ich eigentlich direkt an eine wissenschaftliche Bibliothek oder einen Fachverlag gedacht.

    Ich bin leider recht alternativ

    Dann kommen vielleicht eher Buchhandlungen infrage.

    Oder du gehst eher in die Lehre oder Forschung. An Unis kann man ja durchaus etwas individueller sein. Ich hatte früher an der Uni z.B. durchaus den einen oder anderen Dozenten aus der Metall-Szene.

  • Hallo Tristan,

    was du schreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich selbst habe u.a. auch Pädagogik studiert und arbeite seit zwölf Jahren in der Sozialen Arbeit. In dieser Zeit habe ich sehr anstrengende Erfahrungen machen müssen, verbunden u.a. auch mit Mobbing, Burn-out mit langer Krankschreibung und zwei Klinikaufenthalten. Damals dachte ich, ich könne nie wieder in dieses Arbeitsfeld zurück gehen, habe es dann doch gewagt. Das ist jetzt mehr als vier Jahre her und bei meinem neuen Arbeitgeber klappt es gut. Meine Erfahrung ist, dass v.a. die Rahmenbedingung für mich stimmig sein müssen (v.a. keine Reizüberflutung, eigenes Büro, Termine selbst festlegen können etc.). Dann traue ich mir auch die unterschiedlichsten Tätigkeiten zu. Ich arbeite jetzt bei einem sehr kleinen Arbeitgeber, wo ich sehr selbstbestimmt arbeiten und mich entsprechend gut einteilen kann. Ein Grossteil meiner Arbeit macht die Beratung von Klienten aus. Das klappt sehr gut. Ich habe mich sehr intensiv selbständig (schon als ich noch krank geschrieben war) in die Thematik eingearbeitet und kann den Klienten mein Fachwissen weitergeben, wofür viele sehr dankbar sind - auch wenn ich sie vielleicht oft zu sehr zutexte. Da ich sehr ruhig und ein guter Zuhörer bin, fühlen sich die Klienten bei mir in der psychosozialen Beratung sehr gut aufgehoben. Oft genügt das Zuhören schon. Ich bekomme immer wieder tolle Rückmeldungen - was mich in dieser Arbeit bestätigt. Da wir auch ein kleiner Verein sind, muss ich keine grösseren Teambesprechungen mehr mitmachen, was für mich der absolute Horror früher in anderen Jobs war und was ich definitiv nicht mehr machen werde. So wie du schreibst, bist du noch nicht sehr lange in der Sozialen Arbeit tätig? Es gibt in diesem Beruf viele verschiedene Arbeitsfelder und nicht jedes passt auf Anhieb. Hast du denn schon verschiedene Bereiche ausprobiert? Ich z.B. würde definitiv nie in einer stationären Einrichtung und / oder im Schichtdienst arbeiten. Das würde definitiv weit über meine Belastungsgrenze hinaus gehen. Durch die längere Krankheitsphase habe ich gelernt, auf solche Dinge bewusst zu achten. Ich hoffe, dass du doch noch eine Nische findest, in der du dich wohlfühlen kannst. Neben der Beratungstätigkeit entwickele ich auch Projektkonzeptionen für meinen Arbeitgeber. Da ich sehr gerne schreibe und das bei uns sonst keiner kann, passt das super. Meine Erfahrung ist, dass die meisten Sozialarbeiter nicht gerne und gut Projektkonzeptionen entwickeln. Falls dir das Schreiben liegt, könnte das möglicherweise eine Option für dich sein?

  • Hallo,

    ich versuche alle Fragen zu beantworten.

    Ich benötige an einem Arbeitstag ungefähr 2/3 (wenn man den Tag aufteilen würde) an "sozialer Fassade", um die Arbeit zu bewerkstelligen. Stress unterdrücke ich. Das merkt man vielleicht an einem zuckenden Auge, aber Stimming unterdrücke ich komplett, weil das auffällig ist (Haare zwirbeln, bei großem Stress herausreißen, Finger aneinander reiben oder Hände wedeln bei aufgeregter Freude). Wenn ich dann nach der Arbeit daheim bin, befasse ich mich einige Stunden damit, um wieder runter zu fahren. Wenn mich etwas belastet, brauche ich meist mehrere Tage, bis ich es nicht mehr als belastend empfinde.

    Meist schafft es meine Freundin meine Gedankengänge zu "neutralisieren", bzw. meinen Tag zu reflektieren und meine negativen Gedanken ins positive um zu deuten. Eine Lernerfahrung daraus zu machen.

    Zu den Bereichen, in denen ich bereits gearbeitet hatte: Kinderheim (Vollzeit), ambulant betreutes Wohnen für Personen mit Doppeldiagnose (Vollzeit) und nun in einer HPT (Teilzeit). Sozialarbeiter bin ich erst seit 2017.

    In meiner zweiten Beschäftigung hatte mir eine erfahrene Kollegin angeraten, eine Soziotherapie auf zu nehmen, damit ich meine Kompetenzen verbessere, bzw. welche erwerbe. Das hatte ich jedoch abgelehnt, weil ich zu der Zeit arbeiten wollte. Ich leugnete meine Schwierigkeiten. Schob alles auf das "Burn-Out" und das Gependel.

    In meiner jetzigen Arbeit weiß ich nicht, ob mein (gegebenen Falls vorliegender) Asperger Autismus durchscheint. Vielleicht durch meine kargen Antwort-Mustern und wenigem Nachfragen. Gespräche überfordern mich einfach.

    Auf meine eigentliche Stelle (Fachdienst) habe ich mich so gut wie es geht vorbereitet. Jedoch kam ich dann durch Corona in einen anderen Bereich (HPT). Innerhalb von 3 Tagen war ich dort eingestellt und habe mich etwas eingelesen. Dennoch ist es ganz anders, als ich es angenommen habe. Das mit dem Notizbuch habe ich mir auch überlegt. Habe ich auch schon angemerkt, dass ich viel mitschreiben möchte. Für meine Kollegen schien das seltsam gewirkt zu haben, jedenfalls würde ich es so deuten. Verhalten abschauen gestaltet sich etwas schwierig, weil die Kollegen das Klientel schon lange kennt und bei Kontakten immer damalige Ereignisse mit einbinden, von denen ich nichts weiß. Wenn ich versuche dieses auf meine Klienten umzufunktionieren, bin ich mir immer nicht sicher, ob dies "in Ordnung", oder über das Ziel hinaus geschossen ist. Morgen werde ich versuchen, mit den Kollegen darüber in Kontakt zu treten. Aber mir scheint es, als seien sie an Austausch nicht sonderlich interessiert. Siehe: Fehlende Einarbeitung.

    Ich habe mich über die Jahre bei vielen Stellen beworben und keine wollte mich übernehmen (Gängige: Beratung, Bewährungshilfe, (Familien-)Gerichtshilfe, etc.). Erst einmal zu alternativ und zweitens eben keine gefestigte professionelle Persönlichkeit.

    Das mit dem Forschen hatte ich bei meiner damaligen Arbeitssuche auch überlegt gehabt. Das Problem bei mir ist nur, wenn mich ein Forschungsgebiet nicht interessiert, befasse ich mich damit nicht voll und ganz. Aber ich denke, dass ich diese Eigenschaft so oder so ablegen müsste.

    Danke euch sehr für Eure Beiträge.

    Euer Tristan

    Einmal editiert, zuletzt von Tristan (9. März 2021 um 23:32)


  • Das mit dem eher verwalterischen / bürokratischen oder beraterischen Bereich habe ich schon versucht. Ich bin leider recht alternativ (sichtbare Tattoos und Tunnel), daher bekomme ich in diesen Bereichen immer absagen, oder ich benehme mich im Bewerbungsgespräch schon so "sozial-seltsam", dass sie gleich sagen: "Nein, tut uns Leid. Ihnen fehlt eine professionelle Persönlichkeit".

    Also bei uns in der Kinder- und Jugendhilfe rennen die merkwürdigsten Gestalten rum, ich falle da gar nicht auf und mit Tattoos und Tunnel würdest du eher zum Durchschnitt gehören.

  • Hallo ADD83,

    dann habt ihr bei euch im Ort Glück. Bei mir wurde ich überall abgelehnt. Aus "diskriminierenden Gründen" darf man ja niemanden ablehnen, aber bis dato hab ich immer Absagen bekommen.

    Danke dir für deinen Erfahrungsbericht.

  • Tristan, ich würde dir nach dem, was du schilderst, dringend anraten, das Berufsfeld zu wechseln.

    das wollte ich eigentlich machen, weil ich unter anderem Kategorien und kurze Menschenkontakte mag

    Zodds Vorschlag finde ich nicht schlecht: Im Backoffice ohne Kontakt zu Klienten wirst du selbst weniger überfordert. So wie du dein Verhalten oben schilderst, solltest du nicht hilfebedürftigen Klienten zur Seite gestellt werden. Du bist selbst instabil und würdest keine große Hilfe darstellen, eher sogar eine Belastung für Teilnehmer. Als Mitarbeiter mit Einschränkungen kann man als Vorbild dienen für beeinträchtigte Klienten, aber nicht in einem Bereich, in dem du Stabilität geben sollst. So lange du deine Arbeit gut erbringst sind die Einschränkungen nachrangig, aber das sieht bei dir anders aus (innere Panik, handlungsunfähig, überfordert bei beruflichen Alltagssituationen).

    Dass die Agentur für Arbeit keine Umschulung finanzieren will ist typisch. Es gibt Möglichkeiten, in deiner Situation an eine finanzierte Umschulung zu kommen, aber ich würde zunächst den Weg versuchen, in deinem Berufsfeld zu bleiben, was ohne Kundenkontakt zu suchen und wo du genügend Struktur und Anleitung hast.

    Bevor du dir eine Umschulung erkämpfst, kannst du auch in Erwägung ziehen, in einen Bereich zu wechseln, der deinem Wunsch nach Kategorisierung entspricht und den kurzen Menschenkontakten, wofür aber keine Ausbildung erforderlich ist. Wie wäre es als Aushilfe bei der Postsortierung oder Postzustellung für Briefe? Es werden momentan Quereinsteiger gesucht.
    Wie oben schon geschrieben, wäre Bibliotheksdienst auch sehr passend!!
    Oder ein Job in einem Inklusionsbetrieb in dem einfache Tätigkeiten verrichtet werden? Viel verdienen wirst du dort nicht, deshalb könnte es sich lohnen, den schweren Weg zu gehen und bei der DRV Erwerbsunfähigkeitsrente zu beantragen. Dafür musst du 5 Jahre Beiträge angesammelt haben. Die Rente wird vermutlich nicht über Grundsicherungsniveau sein, so dass du auch gleich einen einfachen Nebenjob machen könntest und zusätzlich Grundsicherung beantragst. Wahrscheinlich werden aber Leistungen gekürzt, so dass du nicht auf das Lohnniveau kommen wirst, das du in deinem jetzigen Beruf hast.

    Dein jetziger Zustand ist auf Dauer weder für dich, noch für einen Arbeitgeber im sozialen Bereich tragbar.


    Zitat von Tristan

    Sie wünscht sich in unserer Beziehung einen gewissen Grad an "Normalität" und da gehört ein arbeitender und relativ gut verdienender Freund dazu.

    Will dir deine Partnerin auch vorschreiben, in welchem Bereich du zu arbeiten hast? Natürlich kannst du arbeiten und Sicherheit bieten, aber nur, wenn du dich selbst nicht überforderst und dir einen Bereich suchst, in dem du stabil bleibst. Das mit dem gut verdienen würde ich mir aus dem Kopf schlagen. Wenn deine Partnerin das nicht mag, war es die Falsche.

    2 Mal editiert, zuletzt von Drachenboot (14. März 2021 um 10:18)

  • Ich danke euch für eure Ratschläge. Das werde ich mir alles überlegen.

    Post hatte ich mir sogar während meiner Arbeitslosigkeit überlegt gehabt.

    Es wird sich gleich etwas mit einem anderen Thema von mir schneiden, daher nur in Kürze:

    Donnerstag war meine Kollegin sehr unzufrieden mit meinem Arbeitsverhalten. Meine Erklärungen stimmten sie nicht zufrieden.
    Am Freitag sprach sie es erneut an, weil sie mich nicht verstanden haben will. In unserem "Gespräch" bekam sie mich in einen "Overload" und dann in einen "Shutdown" in dem ich nur noch weinte.

    An sich sagt sie mir ja mit meinen Eigenarten nichts neues, aber sie legte es immer wieder so aus als wolle ich nicht arbeiten und sei faul.
    Sie wollte dann ein 3er-Gespräch mit der Leitung, um zu klären inwieweit ich dort arbeiten kann. Sie will es ja mit mir versuchen, aber da muss sich was ändern.

    Den ganzen Tag war ich dann im Büro der Leitungen, weil ich nicht mehr konnte. Fand die Kollegin nicht gut.

    Ich sprach dann mit der Hausleitung und später mit der Gesamtleitung (meine Chefin). Beide sind Psychologinnen und meinten, dass sie bei mir Asperger in Verdacht haben und da sei es schwierig mit der Arbeit.

    Sie haben mir jetzt frei gestellt, ob ich morgen in der HPT weiterarbeiten will, oder nicht. Wenn nicht, soll ich mich die Woche krank schreiben lassen und wir sprechen am Donnerstag, ob ich nicht in einen anderen Bereich wechseln kann und überhaupt will.

    Ich will es definitiv noch mal versuchen. Hatte gestern Abend aber noch mal einen gewaltigen Shutdown und musste bis 8 Uhr morgens mit meiner besten Freundin telefonieren, die mir viele Verhaltensweisen nahe gelegt hat, um Schaden zu begrenzen.

    Heute geht es mir immer noch nicht ganz so gut, aber ich hoffe, dass ich morgen wieder "ok" bin.

  • Hallo Gerit,

    danke für deine Worte. Es ist halt so, dass ich meine Eigenschaften so für mich nicht bemerke, sondern erst, wenn ich näher mit Leuten zu tun habe. Prinzipiell mag ich ja soziale Kontakte, aber ich bekomme es nicht gezeigt oder komme in eine Handlung. Dann nervt es mich an mir selber, dass ich mich an solchen Situationen derartig festbeiße und Panikattacke nach Panikattacke bekomme. Mich reinsteigere. "Warum kannst du nicht normal sein? Andere bekommen das doch auch hin."

    Meine Freundin und meine beste Freundin haben mir jetzt zwar Handlungsalternativen gegeben, aber dann ärgere ich mich auch über mich selber, dass ich da nicht selber drauf komme.

    - z.B. Plan eine kleine Aktivität, die dir selber liegt (Basteln);
    - versuch simplen Smalltalk (Wie war dein Tag / Wochenende?)

    Für mich sind Gespräche kompliziert. Was soll ich fragen, was soll ich sagen. Meist kommen von mir Gegenfragen nach längeren "Denkpausen" ("Was könntest du als nächstes fragen? Passt die Frage, ist das angemessen?").

    Ich verbeiß mich irgendwann so in diesem Negativen, dass ich im Kopf komplett blockiert bin. Derzeit ist es in meinem Kopf wie ein "Karussell, das nicht aufhört zu drehen". Es fällt mir immer noch schwer, das fallen zu lassen. Mir ist schlecht, teilweise zittere ich, sehe total fertig aus, obwohl ich meine feste Zeit geschlafen habe.

    Vor meinem ersten Diagnosegespräch am Mittwoch habe ich auch schon leichte Panik, weil ich nicht weiß, was auf mich zu kommt. Ob ich nun Asperger habe, oder etwas anderes.

    Generell muss ich an meinem Selbstwert arbeiten. Dass meine Eigenarten eben ein Teil von mir sind, mich aber nicht definieren. Ich denke, dass ich derzeit die einzige Schadensbegrenzung an mir selbst, sonst mache ich mich wieder fertig.

    2 Mal editiert, zuletzt von Tristan (15. März 2021 um 09:00)

  • @Tristan:
    Ich finde es wichtig, daß Du nicht so hart mit Dir ins Gericht gehst. Du mußt Dich schützen, nicht Dich dafür verurteilen, daß Du Du bist. Stell Dir vor, Du hättest ein gelähmtes Bein. Dafür würdest Du Dich doch auch nicht selber fertigmachen, sondern Du würdest versuchen herauszufinden, wie Du mit einem Bein möglichst gut leben kannst.

  • Hallo Gerit,

    danke dir für deine lieben Worte. Ja, das stimmt, das würde ich mit dem Bein versuchen.

    Ich denke, dass ich in meinem Leben schon so oft "angeeckt" und dadurch ausgegrenzt und gemobbt wurde, dass ich bei jedem sozialen Kontakt Angst habe, dass es wieder passieren könnte.
    Dadurch versuche ich sehr stark meine "soziale Fassade" auf recht zu erhalten und sozial kompetent zu wirken. Und das ist anstrengend. Klappt mein Vorhaben des "normal und gut bei Leuten ankommen" nicht, werte ich mich stark im Selbstwert ab. Vor allem, wenn mich mein Gegenüber konkret auf meine Eigenarten ansprecht und darüber auch noch sauer / enttäuscht ist. Dann bin ich für Tage in einer negativen Gedankenspirale, kann "nicht mehr über den Tellerrand" hinaus schauen und brauch wirklich lange, und externes Gedankensortieren durch Dritte, bis ich mich wieder gefangen habe.

    In meinem Leben war ich oft schon bei Psychotherapeuten und nie wart mir geholfen, meist ging es mir danach noch schlimmer, weil sie keine Idee hatten, was mit mir sein kann. Ich hoffe so, dass mich der Termin am Mittwoch endlich weiter bringt.

  • Tristan:
    Hat der Schneemann ein Augustiner Bier in der "Hand"? Ich glaube ja. Lecker. :)

    Ich wünsche Dir alles Gute für Deinen Termin am Mittwoch. Das Lesen hier im Forum hat mich auch echt weitergebracht. Zu sehen, daß man nicht alleine ist, tut gut ! :)

  • Ja, das ist ein Augustiner :) Lecker! Und danke dir erneut für deine Worte. Das bedeutet mir echt viel, weil ich mir wieder mal wie der größte Versager auf Erden vor komme.


    Das Lesen hier bringt mir auch viel, aber der Austausch ist mir wirklich wichtig. Vor allem, weil mich Leute so oft missverstehen oder meinen, ich sei "desinteressiert", "unaufmerksam", "kühl", "emotionslos", "verpeilt", list goes on.
    Obwohl bis auf das "Verpeiltsein" alles überhaupt nicht stimmt. Ja, ich frage wenig nach wie es anderen Leuten geht, ja, ich melde mich bei anderen wenig, ich schaue immer monoton in der Gegend herum. Aber innen sieht es anders aus. Liebend gerne würde ich wie die "Teletubbie-Sonne" (Metapher und gewaltige Ironie) durch die Welt gehen. Immer strahlend, immer lachend, immer fröhlich und zugewandt. Das würde ich alles gerne nach außen Tragen, aber irgendwie kann ich es nicht, überreiße es nicht oder verpasse den Moment, weil ich über eine Angemessenheit nachdenke ("Würde meine Reaktion darauf jetzt passen?").

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