Reha Erfahrungen

  • So ihr lieben, ich merkte: das Interesse an meinen Erfahrungen in der Reha ist da, also will ich euch allgemein erzählen.
    Die ersten Tage waren eine Katastrophe. Morgen bin ich eine Woche schon hier.
    Ich habe keine ASS Diagnose, denn ich bin seit einem Jahr auf der Warteliste. Ich äußere hier aber in jedem therapeutischen Gespräch, dass es bei mir eine Vermutung auf ASS gibt. Das wird auch notiert. Und das scheint auch manche meiner Merkwürdigkeiten zu erklären.
    Eigentlich bin ich hier wegen Depression. Ich merke aber, dass ich damit nicht viel anfangen kann. Denn wenn man wegen Depression irgendwo ist, wird man rumgeschubst ohne Ende. Beispiel: Frühsport. Damit wollen sie einem einen Tritt in den Hintern geben, um früh aufzustehen. Funktioniert aber bei mir nicht, denn ich bin um die Uhrzeit (6h30) nicht mal fähig ins Bad zu gehen. Mir ist morgens speiübel (nein ich bin nicht schwanger) und mein Blutdruck ist chronisch zu niedrig, die Ohnmachtsgefahr sehr groß.
    Die Themen, die einen als Depressiven so angehen sollten, passen auch nicht zu mir. In den letzten Tagen hatte ich schon 3 Panikanfälle. Ich denke mal, das waren einfach Overloads. Ich stand einfach da und heulte rum wie ein kleines Kind. Unfähig zu reden und zu denken. Mein Körper verselbstständigt sich immer mehr. Heute bin ich sogar in einem Entspannungsverfahren zusammengebrochen - also da wo ich es am wenigsten erwartet hätte! Ich war einfach fertig.
    Nicht nur mir geht es hier so mit Überforderung, auch allen NTs. Es IST einfach stressig. Und oft werden die Pläne geändert - heute wegen so eines plötzlich angeordneten Corona Tests. Alle mussten dafür antreten.

    Oft ist auch voll unlogisches auf den Plänen - Beispiel: ich mit meinem zu niedrigen Blutdruck MUSS, weil es der Gesetzgeber zu will, in eine Infoveranstaltung für Hypertonie. Okay... Nur Zeit absitzen. Unfug. Aber muss. Da kann die Ärztin auch nix machen, das ist einfach so Pflicht. Hoffentlich finde ich einen guten Fensterplatz und interessante Details draußen :sarcasm:
    Und auf so einem Therapieplan ist auch nicht immer alles stimmig. Ich habe zB immer noch keinen Einzelgesprächstermin bei meiner Psychologin diese Woche, obwohl man jede Woche mindestens einen Termin haben sollte. Ich habe das schon bei meinem 2. Panikanfall nachts um 4 Uhr vermerken lassen, dann nochmal heute ohne Panik, und später nach meinem 3. Panikanfall. Und morgen sehe ich die Psychologin in einer Gruppe, dann soll ich sie ansprechen. Wieso funktioniert das erst wenn ich sie anspreche? Und bei allen anderen geht das einfach so? Nun ja, nichts ist perfekt.

    Was mich völlig absolut total krass überrascht hat hier, ist die Tatsache: hier habe ich seit dem 2. Tag keine Verdauungsbeschwerden mehr. Also gar keine. Das ist der Hammer. Und das obwohl ich ständig durchdrehe. Und obwohl ich trotz Fruktosemalabsorption viel Obst und Gemüse esse... Aber eins ist hier anders: die Regelmäßigkeit. Ich bleibe allein deswegen schon hier, weil das echt wie Urlaub ist, dass ich mich da hinsetzen und einfach essen kann.
    Klar, anfangs war es super hart, denn es ist laut im Speisesaal, und zugig und grell und nochmal laut... Und so viele Menschen, und oft so blöde kindergartenmäßige Spielchen ("Neiiiin, ICH sitz hier!!!"). Aber ich habe hier erstmals gelernt, meine wunderbaren Kurzzeit-Shutdowns anzunehmen... Ich mach dann einfach für eine Weile "zu".

    Überhaupt mach ich mir nicht mehr die Mühe, Leute anzusprechen oder deren Smalltalk weiter zu führen.

    Diesen Satz musste ich so explizit schreiben. Er ist wichtig. Bisher hab ich immer und überall versucht, mit Menschen in Kontakt zu kommen. Hauptsache nicht auffallen. Hauptsache nett wirken. Bloß nicht unfreundlich wirken. Vergiss es. Es funktioniert nicht und ES MACHT AUCH KEINEN SINN. Denn ich bin nicht hier um freundlich zu sein, sondern um endlich mal eine realistische, authentische und unverstellte Einschätzung zu bekommen.
    Ich bin nicht biestig. Wenn sich jemand zu mir setzen will, gerne. Aber ich erfülle nicht die Erwartungen von Gesprächigkeit. Endlich erlaube ich mir, so zu sein, wie ich schon immer gern gewesen wäre. Endlich bin ich nicht mehr in meinem "Arbeitsmodus", den ich in meinem bisherigen Beruf immer haben musste.

    Zurück zum Essen: Also manchmal ist das Speissaal-Dasein lästig, ja. Aber inzwischen ist es adaptiert als erholsam gleichförmiger Ablauf. Und ich esse auch nahezu immer das gleiche. Es tut mir so gut, nicht darüber nachdenken zu müssen, was ich denn jetzt schon wieder kochen soll oder dass ich sogar bald schon wieder einkaufen müsste... 8o Sondern einfach hinsetzen und aufessen.
    Natürlich lasse ich alles weg von dem ich weiß, dass es mir nicht gut tut. Daher ist das auch entspannt: ich esse nur das was mir gut tut. Das kann ich sogar mit der Köchin zusammen festlegen im Voraus. Und sie kochen hier sooo lecker. Ernährungsberatung hab ich hier auch. Es hieß ja, ich hätte eine Essstörung. Aber ich es ist eher auch eine Form von Wahrnehmungsstörung, wenn man den eigenen Hunger nicht so wahrnehmen kann. Das Sättigungsgefühl schon, aber nicht wann es Zeit wäre zu essen. Dass ich diese Regelmäßigkeit beibehalte nach der Reha, ist mein Ziel. Allein schon deswegen brauche ich einen anderen Beruf :lol:

    Ja, Berufsfindung ist hier das große Anliegen bei mir.

    Auch wenn das alles ziemlich schräg klingt, was ich hier erzähle über mein Erleben - ich suche mir hier auch Inseln. Ich telefoniere jeden Tag mal nach Hause, zumindest dahin wo es mir gut tut. Und ich habe das unsagbare Glück, dass hier noch jemand ist, die erstaunlich viele Ähnlichkeiten mit mir hat, obwohl sie kein Aspi ist, jedenfalls fand bisher noch niemand, dass das bei ihr zutrifft. Ich mag sie, wir haben uns auf Anhieb in unserer Sprache verstanden. Alles muss ganz akurat sein und der eigenen Ordnung folgen. Der Austausch ist intensiv, aber nicht zu viel, und wohltuend. Für beide. Wir wurden sogar schon von den anderen für Schwestern gehalten :lol:

    Mein Rücken... Ich muss jetzt aufhören, ist eh schon genug geschrieben... Wer was wissen will, darf gerne fragen. Vielleicht kann ich es beantworten, sofern meine bisherige Erfahrung ausreicht.

    Achso, eine Sache noch. Weil im Zimmer nebenan sehr viel geschnarcht wird, und ich keine Ohrstöpsel oder ähnliches vertrage, habe ich den Wunsch nach einem Zimmerwechsel geäußert. Nun war 1 Zimmer frei geworden und das sollte ich mir erst mal anschauen. Also bin ich rein und hab das eine halbe Stunde auf mich wirken lassen, auch wenn die Optik/Atmosphäre mich schon sehr abgeschreckt hat. Das Fazit: Also, ein Treppenhaus daneben und ein "Wohnzimmer" gegenüber und viel Begängnis auf dem Flur braucht man eher nicht bei empfindlichen Ohren. Ich hatte also die Wahl zwischen "bekannt scheiße" und "unbekannt scheiße". Natürlich hab ich mich für das erste entschieden und bin in meinem bisherigen Zimmer geblieben. Es gibt ja noch so Drogen wie Baldrian und so. Die zieh ich mich jetzt wieder rein. Tabletten nehme ich nicht.

  • Auch ich bin zur Zeit in Reha, bin allerdings schon 3 Wochen dort und habe (eigentlich) noch 2 Wochen. Es ist eine psychosomatische Klinik in Thüringen, habe die letzten 2 relevanten Befundberichte von mir den Ärzten dort an die Hand gegeben (RW). Den einen vom Mai letzten Jahres, mit der Verdachtsdiagnose auf ASS von Frau Dr. Preißmann, und dem Ausschluss auf ASS vom ZI Manhheim vom letzten Dezember.
    Habe die offizielle Diagnose Schizophrenie, soziale Phobie und eher unter der Hand (RW), aber von der Ärztin im ZI Mannheim angedeutet, auffällige Züge Richtung AD(H)S (kam in einem Fragebogen heraus).

    Hatte vor gut 2 Jahren, mit Absprache meiner Psychaterin, meine letzte Arbeitsstelle gekündigt, unter anderem wegen burnoutähnlichen Symptomen, Gefahr von zuviel Stress und Entgegenwirken eines weiteren psychotischen Schubes.
    Der Rehaantrag wurde auch etwa vor einem Jahr gestellt, über einige Schwierigkeiten, Nachreichen von fehlenden Unterlagen, erfolgte dann Ende November letzten Jahres die Zusage für die Reha.

    Habe ein ziemlich hohes Erregungsniveau, soll heißen, ich schieße gerne mal (gedanklich) über ein Ziel hinaus, auch viel selbstgemachter Stress usw.
    was ich inhaltlich aus dem "Stressbewältigungsseminar der Rehaklinik" mitgenommen habe.

    Frage mich gerade in dieser Sekunde, in der ich diese Zeilen schreibe ob ich mich in einer Art Overload befinde, kann das gerade gar nicht richtig sagen.
    Habe vorgestern einen AlexithymieTest gemacht, der hier im Forum verlinkt war, Ergebnis, dass bei mir laut Test einen stark ausgeprägte Gefühlsblindkeit vorhanden ist.
    Kann es sein, dass dadurch ein Overload nicht richtig verbalisiert werden kann ?

    Naja, auf jedenfall geht es mir aktuell schlechter als am Rehastart. Bin ja schon 2 Jahre nicht mehr in Arbeit, und abgesehen von stressigen Situationen im privaten Umfeld ging es mir ja gut, die Trigger der Arbeitswelt sind ja schon lange weg und meine Erregungsniveau hat sich schon lange wieder auf "eher normal" eingependelt.

    Versuche gerade 2 Personen aus dem Weg zu gehen, neige zum Oversharing und habe festgestellt, nach 2 1/2 Wochen Reha, das die 2 Personen mir überhaupt nicht guttun, passiert bei mir oft, dass ich bei neuen Menschen einfach später merke, dass diese toxisch für mich sind. Bin so damit beschäftigt denen aus dem Weg zu gehen, dass sich meine Grundstimmung verschlechter hat, hab ja auch eher Probleme im der Kommunikation/Interaktion mit anderen Menschen, dass ich im Einzelgespräch mit meiner Therapeutin schon gefragt habe, ob ich eine Woche früher nach Hause könnte, weil mich das so stresst hier. Bin auch ziemlich platt abends, lag gestern wieder um 20:30 Uhr im Bett und bin dementsprechend wieder früh wach (und kann hier was schreiben :d ).

    Aber ich habe Qi Gong für mich entdecken können und werde auch noch das Meditieren angehen, hoffe bei letzterem dass das noch richtig gut wird.
    Ansonsten gibt es hier halt einige zerbrechliche Menschen hier, aber Grüppchenbildung findet hier halt auch statt, nach einer gewissen Zeit, also der gleiche Mist wie draußen im Leben auch.

    Fazit: kann vielleicht erst mit etwas Abstand, also wenn die Reha zuende ist und dann vielleicht noch etwas länger, sagen ob es mir wirklich was gebracht hat. Durch meinen letzten Ausbildungsberuf als Arbeitserzieher, hab ich ja grob einen Einblick auf verschiedene Krankheitsbilder erwerben dürfen, viele finden sich im "Rehasammelbecken" wieder und viel neues hab ich bis jetzt nicht mitbekommen, aber das liegt auch an meiner Biographie, an mir wurde schon viel rumgedoktert, sei es in der Psychatrie/Ergo/Sozialkompetenztraining ...

    PS: Abschließende Testung auf ASS an der Uni Köln steht noch aus, dann geb ich Ruhe :d mit der Wartezeit die ich hab, im Sommer diesen Jahres

    „we must never stop watching the sky with our hands in our pockets“
    (the weakerthans)

  • Bin ganz gespannt, wer zuerst zur atestung in did Uniklinik eingeladen wird :)

    Vorzeitig wurde meine Reha beendet. Nicht weil ich nicht mitgemacht hätte - im Gegenteil, ich habe mich sehr bemüht. Und das, obwohl ich hier laufend mit meinem Trauma konfrontiert war, also in einer Gruppe sein. Daher ist das hier das falsche Setting, um meine Traumata zu behandeln, ich brauche also Einzeltherapie. Mir ist es schon zu viel, mit Menschen in einem Raum zu sein. Das war vorher schon so, aber hier ist es arg, weil nonstop und unvermeidlich. Ich werde also schon nach 3 statt nach 5 Wochen entlassen und kann - da es nicht meine Schuld ist - trotzdem schon die berufliche Reha beantragen.

    Von hier habe ich trotz einiges mitgenommen an positiven Aspekten:

    Regelmäßigkeit und Struktur im Alltag
    Vertrauen in Mahlzeiten
    Auf Ruhe Bedürfnis achten
    Eine liebe Freundin, die ähnlich tickt wie ich
    Gefestigte Beziehung zu Partner
    Verantwortung für mein Kind abgegeben
    Über meine Merkwürdigkeiten sprechen
    Berufswahltests und Sozialberatung
    Emotionale Erkenntnisse durch Kunsttherapie
    Etwas mehr körperliche Ausdauer
    2 kg mehr auf den Rippen
    Info für Skoliose Physiotherapie
    Wirklich hilfreiche Rückengymnastik
    Sagen können wenn mich andere stören
    Genuss von etwas Freizeit für Spezialinteressen
    Bezeichnung Hyperakusis für mein Leiden
    Die Wiederentdeckung von Auberginen

    Und ein Entlassungsbericht, in dem alle meine Einschränkungen aufgelistet sind, und in dem ausdrücklich zu einer Autismus Diagnose geraten wird, und in dem steht, dass ich für meinen bisherigen Beruf leistungsunfähig bin. Hurra!

    Der Kampf ist beendet. Ich darf ein neues Leben anfangen.

  • Gibt es eine Autismus spezifische Reha??

    Meine Therapeutin hier in der Reha hatte gesagt, sowas gebe es, aber genaues wusste sie auch nicht.

    Die Sozialberaterin hier in der Reha meinte, es gebe speziell Autismus berücksichtigende Berufliche Reha. Aber genaues wusste auch sie nicht.

    Weiß hier jemand genaues?

  • Die Sozialberaterin hier in der Reha meinte, es gebe speziell Autismus berücksichtigende Berufliche Reha. Aber genaues wusste auch sie nicht.

    Weiß hier jemand genaues?

    Berufliche Reha ist ja ein Sammelbegriff für alle möglichen Maßnahmen von Assessments bis zu Umschulungen oder Platzierungen in einer WfbM. Da gibt es auch Autismusspezifisches.

    Für Coachings z.B. SALO+PARTNER Berufliche Rehabilitation - für Menschen mit Autismus (salo-partner.de)

    Auch einige Berufsförderungswerke (also die Institution, die u.a. Umschulungen anbieten) haben Angebote für Menschen mit Autismus, z.B. für Hamburg: Besondere Angebote (bfw-hamburg.de)

    Bei der letzten Bundestagung von Autismus Deutschland war ich erstaunt wie viele Anbieter beruflicher Rehaleistungen für Menschen mit Autismus mit einem Stand vor Ort waren. Gefühlt so 15-20.
    Hier sind Kontaktdaten zu ein paar: Aspies e.V.

    Surprised by the joy of life.

  • Gibt es diesbezüglich Neuigkeiten? Diagnostik abgeschlossen?

    Hallo Sonnenseele, ist ja lustig, bin heute wieder das erste mal seit dem Frühjahr wieder hier im Forum ... hab das lange schleifen lassen (RW).

    Jetzt, am 9. November hab ich den ersten Termin an der Uni Köln. Hab mich auch längere Zeit nicht mehr mit AAS beschäftigt, die letzten Tage versuche ich mich diesem Thema wieder zu nähern, will ja wieder nicht ganz unvorbereitet/unstrukturiert in die Diagnostik reingehen.

    Versuche mich zu ordnen, eine Verschriftlichung meiner Gedanken wäre ja wohl sinnvoll.

    „we must never stop watching the sky with our hands in our pockets“
    (the weakerthans)

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