Wie sehr leidet euer Selbstvertrauen durch AS

  • "Also kleine Enkelkinder durch den Garten rennen sehen möchten wir dann doch noch zu Lebzeiten erleben." oder "Also in 1 - 2 Jahren könntet ihr dann schon einmal heiraten. Ihr werdet nicht jünger."

    Adäquate Antwort wäre z. B.: "Das ist unsere Entscheidung und geht euch nichts an."

    Im Übrigen müssen sich viele Frauen jenseits der 30, die keine Kinder haben, solche Sprüche anhören (ich persönlich zum Glück nicht, aber viele andere Frauen ohne expliziten Kinderwunsch berichten solche Erlebnisse). Das hat absolut nichts mit Autismus zu tun.

    Ich glaube, du solltest dir wirklich mal dringend Gedanken darüber machen, was DU willst. Diese konservativen Lebensvorstellungen, die du derzeit als "normales" Leben betrachtest, scheinen es dem Inhalt deiner Beiträge nach jedenfalls nicht zu sein.

    4 Mal editiert, zuletzt von Aldana (11. März 2021 um 02:25)

  • Hallo Aldana,

    danke dir für deine Antwort. Meine Partnerin ist Mitte 20, ich bin Anfang 30.
    Meine Partnerin sagt ihren Eltern schon, dass sie es sein lassen sollen. Die entgegnen dann immer: "Nein, nein. Das ist eure Sachen. Wir machen doch nur Spaß."
    Ich kann es dann nicht deuten, oder nehme an, dass sie das Gesagte auch so meinen. Meine Freundin entgegnet mir dann: "Die meinen das schon so, wollen es nur nicht zu geben."

    Da entziehe ich mich dann dem Gespräch, weil es mir in der Situation dann zu viel ist.

    Das mit den "getrennten Haushalten" im "gleichen Hausstand" wäre eine gute Idee. Das werde ich mir merken, falls es wirklich zu einem Zusammenzug kommt. Eben "winde ich mich da noch raus".

    Was ich für mein Leben möchte war schon immer schwierig. Das wurde schon von meinen Eltern damals "bemängelt" und versucht zu fördern. Ich solle einen festen Sportverein finden, ausgeübt habe ich dann sehr viele Sportvereine, aber ich kam da nie persönlich an, wurde gemobbt und hörte wieder damit auf. Musikunterricht wollte ich als Kind, das wurde mir aber verboten, weil "Noten gezählt werden" und ich ja nicht gut rechnen kann. Da stellen sie mir kein über 1000€ teures Klavier in das Wohnzimmer. In meiner Jugend durfte ich dann zwar Schlagzeugunterricht nehmen. Durfte mir aber kein Schlagzeug kaufen. Ich sparte mir dann ein elektronisches Schlagzeug zusammen, was ich dann nur mit Kopfhörer spielen durfte. Irgendwann dann gar nicht mehr, weil es trotzdem laut ist. Später hatte ich kaum Zeit mehr dafür, verlor es aus den Augen und hörte dann damit auf. Später begann ich mein Studium.

    Bei mir waren es immer kleine Ziele, die ich verfolgte, ohne zu wissen warum ich sie eigentlich erreichen möchte. Rückblickend wahrscheinlich, weil es viele andere Kinder auch gemacht und geschafft haben und gesellschaftlich angesehen war. Zum Beispiel nach der Realschule das Gymnasium zu besuchen. Eigentlich wollte ich einen gastronomischen Beruf machen, oder Kunst studieren. Beides wurde von meiner Familie abgelehnt und mit Enterbung gedroht.

    Jetzt könnte man ja sagen: "Ist doch dein Leben". Aber da ich sehr unselbstständig war und meine Eltern anscheinend viele meiner Eigenarten unbewusst kompensiert haben, war ich bis Ende meines Studiums von meinen Eltern abhängig.

    Seitdem ich eigenständig bin, merke ich meine Eigenarten immer mehr und ich komme in meinem Leben nicht zurecht. Eben kompensiert meine Freundin sehr viel, beziehungsweise leitet mich an. Das rechne ich ihr hoch an, da meine damalige Partnerin, die AS bei mir diagnostiziert haben will, alles für mich übernehmen wollte. Mich kontrollieren wollte.

    Hoffe, dass diese Unterhaltung nicht in ein "off-topic" gerät und die eigentliche Themenstellung verfälscht.

    Einmal editiert, zuletzt von Tristan (11. März 2021 um 07:02)

  • Ich sag da nur meine Wäsche, meine Gewohnheiten und so hab ich das auch in meiner Beziehung beidseits praktiziert (mit anderem VA, der aber auch völlig andere Wäschegewohnheiten als ich hatte)

    Normal. Führt dazu, dass meine Frau alle Wäsche zusammenlegt außer meine Socken :)
    . die landen dann auf einem Haufen, damit ich sie sortieren kann. Besser so für alle. Und was das Geschirr angeht, zum Glück haben wir die Wohnung gemeinsam eingerichtet, da konnten wir gleich am Anfang ein Sortiersystem ausarbeiten. Blöd ist es wahrscheinlich, wenn einer die Wohnung schon hat und der andere kommt dazu. Da doch lieber gemeinsam eine neue Wohnung finden. Aber dann muss man sich auch einigermaßen sicher sein, dass die Beziehung voraussichtlich nicht kürzer hält als die Wohnung. Aber das gute an einer gemeinsam eingerichteten Wohnung ist dann, dass man Rückzugsräume schaffen kann. Funktioniert bei "dazuziehen" weniger gut, weil jeder Raum in der Wohnung ja schon definiert ist.

    Einmal editiert, zuletzt von Lars77 (11. März 2021 um 12:22)

  • @Tristan: Hast du mit deiner Freundin schon offen über deine Sorgen gesprochen? Ich glaube, du darfst ihr zugestehen, anders zu sein als die Ex. Das wäre ihr gegenüber fair. Vielleicht hat sie ja auch Marotten, auf die Rücksicht genommen werden muss.

    Bei mir müssen auch Handtücher, Bettwäsche, etc auf bestimmte Weise gefaltet sein, damit ich mich wohl fühle. Mein Mann braucht die Küche in seiner speziellen Form sortiert, damit er sich zurecht findet. Da er besser kocht und Kochen allgemein für mich ein zwiespältiges Thema ist (ich mache es ab und an gerne, es braucht aber viel Energie, da Handlungsplanungsstrategien bei mir da vollkommen versagen, danach sieht die Küche aus "wie ein Schlachtfeld" und ich bin komplett müde, Kuchen backen ist leichter, aber da neige ich zu zu viel Perfektionismus, dem mein Mangel an Handlungsplanung im Weg steht...). Deshalb gibt es Bereiche, die er kontrollieren darf und es gibt Bereiche, die ich kontrollieren darf. Ich kontrolliere, wie viel Waschmittel in die Maschine kommt, damit die Wäsche möglichst nicht danach riecht, er bestimmt, wo die Messer aufbewahrt werden. Seine Sachen kann ich falten, wie er es gerne mag, solang er mir nicht reinredet, wie ich die Küchenhandtücher falte.

    Es gibt Wege, miteinander klar zu kommen, ohne, dass Kompromisse als Verlust erlebt werden müssen.

    Ich schreibe in der Regel vom mobilen Endgerät aus - merkwürdige Wortkonstrukte sind ggf. der Autokorrektur geschuldet

  • Meine Partnerin sagt ihren Eltern schon, dass sie es sein lassen sollen. Die entgegnen dann immer: "Nein, nein. Das ist eure Sachen. Wir machen doch nur Spaß."
    Ich kann es dann nicht deuten, oder nehme an, dass sie das Gesagte auch so meinen. Meine Freundin entgegnet mir dann: "Die meinen das schon so, wollen es nur nicht zu geben."

    Ich würde die Situation genauso wie deine Freundin deuten. Und selbst wenn es wirklich nur scherzhaft gemeint gewesen wäre, zeugen solche Aussagen grundsätzlich immer von der inneren Einstellung der äußernden Person. Jemand der Heirat+Kinder nicht für sich als Standard empfindet, würde niemals so eine Aussage machen.

    Deine Probleme kommen ganz offensichtlich von der schlechten Behandlung in deinem Elternhaus. Wie kann man sein Kind nur so massiv in der freien Entfaltung seiner Persönlichkeit behindern?! Kein Wunder, dass du so kein Vertrauen in dich selbst entwickeln konntest. Ich hoffe, du findest jetzt, da du davon gelöst bist, einen Weg zu dir selbst.

    Einmal editiert, zuletzt von Aldana (11. März 2021 um 14:29)

  • Ich würde die Situation genauso wie deine Freundin deuten. Und selbst wenn es wirklich nur scherzhaft gemeint gewesen wäre, zeugen solche Aussagen grundsätzlich immer von der inneren Einstellung der äußernden Person. Jemand der Heirat+Kinder nicht für sich als Standard empfindet, würde niemals so eine Aussage machen.

    Ja. Mein Mann pflegt zu sagen: "Jedem Witz wohnt Wahrheit inne". Menschen scherzen über das, was ihnen wichtig ist.

    Ich schreibe in der Regel vom mobilen Endgerät aus - merkwürdige Wortkonstrukte sind ggf. der Autokorrektur geschuldet

  • Danke an euch alle.

    Ja, das habe ich jetzt auch gelernt, dass solche Aussagen dann wohl ernst gemeint sind. Das hat meine Freundin mir lange erklärt.

    Mit ihr habe ich gesprochen. Sie lässt mich Sachen machen wie ich möchte und ich lerne derzeit meine Freundin auch machen zu lassen. Manche Sachen stören mich, aber ich versuche sie nicht zu ändern.
    Die Thematik mit dem Zusammenziehen hatten wir schon oft. Ich hatte ihr schon einmal vorgeschlagen, ob wir nicht einfach getrennte Wohnungen machen oder eine sehr große Wohnung anmieten, in der sich jeder genug zurück ziehen kann. Ihr Schlusswort beim letzten Gespräch war: "Du magst gar nicht mit mir zusammen ziehen. Weißt du was? Ich nehme mir irgendwann einfach eine eigene. Aber ob ich die Beziehung dann noch möchte, kann ich dir nicht sagen."

  • Das ist natürlich schade. :( Das hört sich an, als wäre sie enttäuscht. Ich kenne sie natürlich nicht und war nicht dabei, deshalb kann ich nur spekulieren.

    Wenn ich an Deiner Stelle wäre, dann wäre das jetzt wieder so ein Punkt, an dem ich mich fragen würde: "Hat sie recht? Will ich das in Wirklichkeit gar nicht?" Und danach unweigerlich der Gedanke: "Stimmt was nicht mit mir? Mache ich was falsch?" gepaart mit einem schlechten Gewissen. Genau solche Situationen hatte ich natürlich auch zur Genüge in meinem Leben.

    Ich finde das immer total schwierig. Es ist ein Balance-Akt, der für Außenstehende nur schwer verständlich ist. Irgendwo in mir drin wollte ich immer einfach "normal" sein, gemocht werden, mich anpassen. Und gleichzeitig kenne ich meine Grenzen, ich weiß, was ich brauche und wo ich mich von "normalen" Menschen unterscheide. Und wenn ich mich immer nur zurücknehme, bleibt irgendwann von mir selbst nichts mehr übrig.

    Nur weil ich bestimmte Bedürfnisse habe, auf die ich nicht verzichten kann, bin noch lange nicht immer ich diejenige, die irgendwas falsch macht. Trotzdem könnte ich persönlich nicht losgelöst von allen anderen existieren. Eine gewisse Anpassung ist nötig. Diese Balance zu finden zwischen "mich anpassen, um dazu zu gehören" und "ich selbst sein" ist unglaublich schwer.

    Ich wünsche Dir jedenfalls, dass es funktioniert. :thumbup:

  • Das war in keiner Weise Inhalt oder hintergründige Vorstellung meiner Aussage.

    Das wollte ich auch gar nicht unterstellen. Ich wollte nur ausdrücken, dass ich es für einen großen Unterschied halte, ob man ein selbstgewähltes "alternatives" Leben lebt, mit eigenen Erfolgen, sozialer Einbindung etc. Oder ob eben ungewollt in einer schwierigen Situation ist, wo vieles nicht geklappt hat. Bei letzterem halte ich es für kontraproduktiv, sich das gewissermaßen als "alternativen Lebensentwurf" schönzureden. Das war eher als allgemeine Aussage gedacht, weil ich diese Tendenz manchmal gegenüber Leuten in schwieriger Situation sehe.

    Sehe ich ähnlich. Wieso sollte ich denn so einen Zustand akzeptieren wollen? Natürlich will ich es nicht jedem Recht machen aber mich damit abfinden alleine zu sein und von Mitmenschen nicht akzeptiert zu werden ist jetzt echt kein toller Zustand. Die Probleme werden ja im Alter nicht weniger.

    Das ist auch noch ein wichtiger Aspekt. Zukunftsängste können da eine große Rolle spielen, zumal Einsamkeit sich ab einem gewissen Punkt auch wohl oft immer weiter verfestigt.

    From my youth upwards my spirit walk'd not with the souls of men. (...)
    My joys, my griefs, my passions, and my powers, made me a stranger.

  • - Sie legte mir Wäsche zusammen: Ich legte sie wieder so zusammen, wie ich es mache.
    - Sie legte Wäsche in den Schrank: Ich sortierte sie nach Farben und Art (T-Shirt mit Brusttasche, Langarm-Shirt zu dünnen Pullovern, etc.)
    - Sie räumte Geschirr in den Schrank: Ich sortierte es wieder um.
    - Sie faltete Socken unterschiedlich, damit man schneller sieht, ob es lange oder kurze sind: Ich sie es wieder gleich.
    - Sie mischte unifarbene Sneaker-Socken: Ich sortierte sie der Marke oder Saumnaht wieder geordnet zu.
    - Sie putzt mir die Wohnung: Ich erklärte ihr, wie ich es normalerweise mache.

    Ich muss sagen, eigentlich kenne ich es von meinen Eltern her tendenziell nur so, dass sie beide die Dinge nicht so lassen können, wie der andere sie gemacht hat. Da ich es ja von meinen Eltern her so kenne, hielt ich das irgendwie für normal...

    Aber bei dem Anlass habe ich jetzt mal darüber nachgedacht und festgestellt, dass das meiste davon irgendwie schon ziemlich unökonomisch und unharmonisch ist... Dennoch würde ich das meiste wohl auch so machen. Ich habe das schon ab dem Teeniealter ca. meist so gemacht fällt mir gerade auf, weil ich immer fand, dass meine Mutter die Kleidung nicht ordentlich bzw. sinnvoll zusammenlegt. Da ich keine Beziehung habe, weiß ich nicht, wie das jetzt da wäre. Aber als Frau ist es ja meist heute noch so, dass vorausgesetzt wird, dass man das eh alles selbst macht.

    Zur Ausgangsfrage: An sich fühle ich mich wohl mit mir und meiner Art. Aber wie andere damit umgehen, kann mich schon manchmal ziemlich runterziehen, sodass ich dann in den Situationen und diesen Menschen folglich gegenüber ein geringes Selbstbewusstsein habe. Wenn mich Leute noch nicht kennen (also auch meine Eigenarten noch nicht), bin ich "normal selbstbewusst" .

  • Ich finde es bewundernswert, wie gut manche von euch mit der Diagnose umgehen können. Ich muss leider zugeben, dass mein Selbstvertrauen schon ziemlich stark wegen AS leidet. Ich bin zwar natürlich dankbar, diagnostiziert worden zu sein und auch Unterstützung erhalten zu haben. Für mich persönlich hat die Diagnose aber eher weniger zu Akzeptanz, sondern dazu geführt, mich als minderwertig und als Mensch zweiter Klasse zu betrachten, das Leben unschön zu finden und mir manche Dinge kaum zuzutrauen, weil ich mir denke: "Als Autist kriege ich das eh nicht hin und werde es nie so gut wie die NTs hinkriegen, was soll's." :(

    Da meine Ansicht aber anscheinend nicht universell geteilt wird, scheint da noch ein anderes Problem dahinterzustecken.

  • Für mich persönlich hat die Diagnose aber eher weniger zu Akzeptanz, sondern dazu geführt, mich als minderwertig und als Mensch zweiter Klasse zu betrachten, das Leben unschön zu finden und mir manche Dinge kaum zuzutrauen

    So eine Phase hatte ich auch, und manchmal empfinde ich es auch noch so, aber seltener.
    Ich unterscheide zwei Dinge:
    - traurig sein, weil manche Dinge nicht gehen (lässt sich nicht ändern, muss man mit leben)
    - sich minderwertig fühlen, weil etwas nicht geht (tue ich nicht und sehe auch nicht ein, dass ich das müsste, da ich nichts dafür kann)

    Eventuell werde ich auch künftig mich wieder mehr trauen, etwas zu probieren und mich nicht mehr von Gedanken aufhalten lassen, dass ich das nicht könnte. Ob ich es kann, weiß ich dann, wenn ich es probiert habe.
    Die Diagnose ist ja nützlich, weil man besser weiß, was man sich nicht mehr antun braucht, das spart Energie und Nerven. Aber sie sollte einen nicht hindern, etwas zu tun, wenn man es wirklich will.

    Historisch gesehen waren die schrecklichsten Dinge wie Krieg, Genozid oder Sklaverei nicht das Ergebnis von Ungehorsam, sondern von Gehorsam.
    (Howard Zinn)

  • Eventuell werde ich auch künftig mich wieder mehr trauen, etwas zu probieren und mich nicht mehr von Gedanken aufhalten lassen, dass ich das nicht könnte. Ob ich es kann, weiß ich dann, wenn ich es probiert habe.

    Klasse, Shenya! :) :thumbup: :thumbup:

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