Als Autist erkannt werden

  • Ich habe schon öfter mitbekommen, das andere Leute überrascht darüber sind wenn sie erfahren, dass ich Autist bin. Es kommt meistens die Aussage, dass sie da nicht drauf gekommen wären und ich einen ganz normalen Eindruck auf sie mache. Ich frage mich dann immer, auf welche Kriterien sie achten, was einen Asperger-Autisten ausmacht oder wie ich mich aus ihrer Sicht verhalten müsste, dass sie drauf kommen.
    Ich kann es selbst nicht einschätzen wie ich auf andere Leute wirke, ich verhalte mich eigentlich immer eher unaffällig und rede auch nicht viel. In der Berufschule, war ich mit einem andern Autisten, ich glaube er war auch Aspi. Der war jedoch in seiner Art und seinem Benehmen sehr viel "auffälliger" als ich. Da kam dann einmal eine Mitschülerin und sagte über ihn "der ist aber schon voll der Autist". Als ich dann sagte, dass ich auch Autist bin, meinte sie "du bist doch kein Autist". Das fand ich ziemlich blöd, aber sie hat sich dann später sogar entschuldigt.
    Früher habe ich mich noch oft verstellt um, zu sein wie die Anderen, mittlerweile versuche ich das aber nicht mehr. Es ist für mich trotzdem noch schwer, mit fremden Leute umzugehen, auch wenn es mir heute schon deutlich besser gelingt. Da ist immer eine gewisse Anspannung dabei. Das habe ich aber bei eigentlich allen Personen außerhalb meiner Familie, außer bei meiner Freundin.

    Gibt es die Assoziation, dass sich Autisten/Asperger immer übermäßig auffällig verhalten müssen?

  • Gibt es die Assoziation, dass sich Autisten/Asperger immer übermäßig auffällig verhalten müssen?

    Ja. Aber viele machen es alleine schon am Aussehen fest, ohne dein Verhalten beobachtet zu haben.
    Habe aber sogar schon von Fachpersonen gehört, dass ich kein Autist sein kann, weil ich ja sprechen kann etc.

    Selbst wenn ich in einer Stresssituation bin und mein Stimming nicht einfach lassen kann und da sitze und schaukle und niemand ansehe, dann kam auch schon diese Aussage. Ich falle auf, häufig zumindest. Allerdings verbinden das die meisten Menschen nicht mit Autismus.

    Auch gibt es sowohl das Vorurteil, dass Autisten Intelligenz-gemindert sind, als auch, dass sie Genies sind usw.

    Falls du Englisch kannst, empfehle ich dir folgenden amüsanten Artikel:
    https://autisticnotweird.com/dont-look-autistic/

  • Ich falle auf, häufig zumindest. Allerdings verbinden das die meisten Menschen nicht mit Autismus.

    Genau. Verschroben, seltsam, merkwürdig - aber auf Autismus ist noch nie jemand gekommen. Meine Art zu gehen, wenn ich allein unterwegs bin (da gehen die Gedanken spazieren, und dann fange ich schon mal an zu flattern, das sieht man auch dann, wenn ich es erfolgreich zu unterdrücken glaube) war durchaus schon Anlass zu Kommentaren. Aber auch Leute, die das kennen, sind überrascht, wenn ich ihnen die Erklärung AS liefere.

  • Gibt es die Assoziation, dass sich Autisten/Asperger immer übermäßig auffällig verhalten müssen?

    Die meisten Menschen haben zu wenige Kenntnisse über das Autismus-Spektrum. Sie denken dabei oft an Klischees.

    Viele hochfunktionale Autisten sind zudem eher im äußeren Bereich des Spektrums und betreiben "Social Masking".

    Daher sind solche Aussagen/Reaktionen von Laien meiner Meinung nach nicht ungewöhnlich.

    Problematisch finde ich es eher, wenn solche Aussagen von Fachleuten* kommen. Diese Erfahrung habe ich zwar nicht machen müssen, aber ich las solche Sachen öfters hier im Forum.

    Über Köln las ich im Forum auch schon Schlechtes, aber ich mache dort bis heute gute Erfahrungen und finde die Mitarbeiter dort sehr kompetent. Auch mit Frauen im Spektrum kennen sie sich natürlich aus, auch wenn im Forum manchmal etwas Anderes behauptet wird.

    *Mit Fachleuten meine ich Leute, die offiziell auf Autismus spezialisiert sind.

    Einmal editiert, zuletzt von Sonnenseele (22. Februar 2021 um 11:13)

  • Zitat

    Habe aber sogar schon von Fachpersonen gehört, dass ich kein Autist sein kann, weil ich ja sprechen kann etc.

    Ja das kenne ich leider auch, in einer Psychotherapie. "Sie wirken auf mich jetzt aber nicht wirklich wie ein Autist". Das war von der Person vielleicht wenig durchdacht diese Aussage, mir kam es vor als ob sie das sogar eher als eine Art Kompliment gemeint hätte. Bei mir führte es zu dem Eindruck, dass sie meine Diagnose anzweifeln könnte. Da wird einem als Autist gesagt, man soll nicht direkt sagen was man denkt aber manche nicht-Autisten hauen manchmal auch unbedachte Aussagen heraus.


    Zitat

    Gibt es die Assoziation, dass sich Autisten/Asperger immer übermäßig auffällig verhalten müssen?

    Ich vermute dass das mit dem großen Spektrum zu tun hat. Von "schwer betroffen" bis "kaum merkbar" fällt alles unter den Begriff "Autismus/Autist" und je nachdem haben manche Menschen auch bestimmte Klischees/Vorurteile im Kopf, nach denen sie urteilen. Ich finde, dass es für mich Vorteil und Nachteil gleichzeitig ist, so normal zu wirken. Wenn man es nicht sagen will, merken die meisten wohl nicht dass man "behindert" ist. Aber in manchen Situationen wo man Rücksicht bräuchte, glaubt es einem dann vielleicht auch keiner weil man so normal wirkt.

    Zitat

    Ich falle auf, häufig zumindest. Allerdings verbinden das die meisten Menschen nicht mit Autismus.

    So ist das bei mir auch. Einmal habe ich es in einer Arztpraxis mitgeteilt und sie meinten dann "Wir haben schon gemerkt dass bei Ihnen etwas anders ist, konnten aber nicht sagen was" Weshalb ich manchmal denke, dass es nichts bringt das verheimlichen zu wollen. Lieber wissen andere Menschen warum ich so "seltsam" bin, anstatt dass sie das zwar wahrnehmen aber sich selbst eine Erklärung suchen und mir damit etwas unterstellen das nicht stimmt.

  • @LeuChris stimme dir zu. Hab das selber schon oft mitbekommen, sowohl in der Schule als auch in der Berufsschule in der ich jetzt bin.
    Man geht immer davon aus das Autisten, Aspies etc alle ganz auffällige "tics" und Benehmen haben.
    Leider wie so häufig bei Themen, s.a. Psychische Erkrankungen. Viele sind zu uninformiert und manche wollen auch gar nicht. Oft bin ich damit konfrontiert worden das Autismus als absolute Behinderung und Störung behandelt wird, das im Alltag keinen Platz hat.
    Schade eigentlich, aber sehr selten treffe ich auf Menschen die offenen Ohres (RW) zuhören und bspw von mir oder anderen "belehrt" werden wollen bzw. dazu bereit sind dazu zu lernen.

  • Das Problem mit "normal" funktionierenden Autisten: Sie spielen eine Rolle, und zwar so gut, dass diese als echt rüberkommt. Meinem kleinen Chef musste ich das damals regelmäßig sagen; der hat das bis zum Ende nicht wirklich fassen können (war aber der einzige, der wenigstens versucht hat, drauf einzugehen). Und ich war über Jahre jeden Abend so erschöpft, dass ich eine Stunde brauchte, um wieder normal denken zu können. Dazu vielleicht ein Zitat:

    Of course, some people with AS do learn body language and emoting by studying actors in TV/film/theater and acting out their emotions. Compensating like this is terribly exhausting, as they're essentially giving a live stage performance any time they're talking to someone, and it can also lead to people sensitive to body language consciously or unconsciously realizing that the "aspie" is acting (as opposed to being natural), which is the sort of thing that in many people would be a danger sign. As result, the "aspie" can come off as "creepy" even if they've theoretically solved their aforementioned body language problem.


    Auf deutsch:
    viele mit Asperger lernen das Verwenden von Emotionen und Körpersprache durch das Beobachten von Schauspielern verschiedener Art, vermutlich, weil bei diesen klarer erkennbar ist, welche Mimik oder Gestik gerade welche Bedeutung hat. Diese "Rolle" kann so gut gespielt werden dass das von außen nicht mehr merkbar ist. Allerdings bekommen manche Menschen das mit. Und da sie Angst haben, dass man ihnen etwas vorspielt werten sie das häufig als Gefahr. Sprich, selbst wenn das Problem mit der Körpersprache gelöst sein sollte kommt man häufig trotzdem als unheimlich rüber. Außerdem ist das ständige Rollenspiel extrem anstrengend, da man im Grunde bei jedem sozialen Kontakt eine komplette Bühnenshow abzieht.

    Natürlich flirten Autisten, sie bekommen es nur nicht mit.
    Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Aufbewahrung der Asche.

  • Für mich ist das mittlerweile ein Problem, daß man mir nach außen hin nichts anmerkt. Manchmal wünsche ich mir so auffällig zu sein wie ein Bekannter von mir. Da würde ich vielleicht dann auch die Unterstützung bekommen, die ich benötige.
    Ich habe schon im Kindergarten gelernt Mimiken zu interpretierten und nachzuahmen, sowie mein Verhalten so anzupassen, daß ich nicht auffalle. Das kann ich nicht so leicht wieder ablegen. Aber wie es in mir drin aussieht, daß begreift leider keiner.

  • So was kannst Du meist nur ablegen, wenn Du nicht mehr das Gefühl hast, es aufsetzen zu müssen. Wenn ich eine PErson z.B. gut genug kenne, kann ich meist die Maske fallen lassen. Je mehr es allerdings gleichzeitig sind, desto schwieriger wird das.

    Natürlich flirten Autisten, sie bekommen es nur nicht mit.
    Tradition ist die Weitergabe des Feuers, nicht die Aufbewahrung der Asche.

  • Für mich ist das mittlerweile ein Problem, daß man mir nach außen hin nichts anmerkt. Manchmal wünsche ich mir so auffällig zu sein wie ein Bekannter von mir.

    Kann ich absolut nachvollziehen, denn mir geht es auch so. Ich wäre lieber ein "NT" oder ein sozial total auffälliger Aspie mit Spezialbegabungen. Aber so laufe ich Gefahr, immer wieder "rückfällig" zu werden, was meine Diagnose betrifft.

  • Bei anderen (2-3 Aspi-Freunden/Bekannten) von mir habe ich die Ausprägungen sehr stark bemerkt.


    Ich selbst versuche jede auffällige Tendenz immer stark zu unterdrücken und lebe meine spezielle/direkte Art nur privat mit Freunden aus.

  • So was kannst Du meist nur ablegen, wenn Du nicht mehr das Gefühl hast, es aufsetzen zu müssen. Wenn ich eine PErson z.B. gut genug kenne, kann ich meist die Maske fallen lassen. Je mehr es allerdings gleichzeitig sind, desto schwieriger wird das.

    Das hört sich zwar nachvollziehbar an, doch genau da fängt auch mein Problem an. Ich habe nie gelernt die Maske abzusetzen. Ich habe alle Schwierigkeiten mit mir selbst ausgekämpft. Nach außen hin war ich immer der ruhige Typ, der jeden Tag gleich wirkt, unauffällig aber durchaus angenehm. Ich kann mich sprachlich sehr gut ausdrücken und bin ausreichend intelligent um nicht auffällig zu wirken. Ich habe nie gelernt ich selbst zu sein. Bei allem was ich tue, überlege ich immer wie das nach außen hin wirken könnte, ohne wirklich Ahnung zu haben, wie ich wirklich wirke. Das geschieht ganz automatisch, verbraucht aber unendlich Ressourcen, so daß ich mittlerweile so ziemlich am Ende bin. Ich habe keine Ahnung, wie ich das ändern könnte. Zumal die sehr schwer ist Hilfe zu bekommen, wenn man äußerlich völlig normal wirkt.

  • Das Problem kenne ich. Auch ich habe mich immer an anderen orientiert und weiß gar nicht so Recht, wie ich ich sein kann.
    Immerhin ist es nicht mehr so anstrengend, was auch bedeuten kann, dass ich mittlerweile mehr bei mir bin.

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