Authentizität oder Maske?

  • Ich vermute es ist was anderes wenn man von sich aus jemand darstellen will der man in echt nicht ist, weil man ein Ziel verfolgt, vielleicht geht es dann eher, als wenn man jemanden darstellen soll der man garnicht sein will. Ich denke aber das auch hier das auf die Dauer nicht gut ist.

    Das ist auch interessant. Wobei das bestimmt viel Energie frisst!

  • [...] zum Beispiel auch was @FrankMatz und @Melanie84 angesprochen haben, wenn man im Team sitzt oder bei Verwandtschaft und man merkt dass man einfach nicht mehr kann. Ich quäle mich meistens die letzte Stunde nur noch durch, am Ende, wenn ich froh bin es geschafft zu haben sitzen alle noch zusammen und quatschen ewig weiter. Ich erwähne dann immer mal, dass ich los muss/will, teilweise wird das tatsächlich überhört und die Leute reden einfach weiter. Selten schaffe ich es einfach tschüss zu sagen und zu gehen aber meist reden die dann alle wie Wasserfälle und unterbrechen traue ich mich dann auch nicht wirklich, da ich nicht weiß wie es wirkt. [...] Wenn es heißt wie bleiben bis XX:YY Uhr, dann ist das für mich eigentlich ein Fakt und die Erlaubnis dann gehen zu dürfen. Andere würden wohl gerne bis in die Nacht da sitzenbleiben.

    Ah, ok, das hätte ich jetzt gar nicht unter "Maskieren" eingeordnet.

    In solchen Fällen denke ich, die Erwartung von den anderen ist gar nicht unbedingt, dass man die ganze Zeit widerwillig da sitzen bleibt.
    Da wird eher stillschweigend davon ausgegangen, dass jeder, der kein Interesse am Geplauder hat, sich schon längst irgendwie "verdünnisiert" hat.

    (Wobei ich damit auch so meine Schwierigkeiten hab, daher versuche ich, solche Situationen möglichst frühzeitig zu erkennen, um gar nicht erst in so was reinzurutschen. Zu Familienfeiern geh ich mittlerweile gar nicht mehr hin, auch nicht Weihnachten, Hochzeiten oder so was.)

    "He that can take rest is greater than he that can take cities." ~ Benjamin Franklin

    Ich hab mehr Spielwiesenbeiträge als du!

  • Da ich aber nicht unauffällig sein kann, werde ich etwas exzentrisch wahrgenommen.

    Das habe ich sehr früh (ich schätze spätestens mit 10) zur Methode gemacht. Natürlich nicht absichtlich, das ergab sich so, verstanden habe ich es erst viel später. Sollte man natürlich nicht übertreiben, aber in der Klasse war ich dann halt der Bekloppte mit den abseitigen Interessen, der aber als derjenige, der z.B. die sorgsam geplanten oder skurrilen Späße gegenüber den Lehrern ausgeheckt hat, doch einen gewissen sozialen Wert hatte. Auch an der Uni habe ich das beibehalten - mich nie total auf eine Gruppe fixieren, sondern in beiden (Institut und Studentenverbindung) mitmachen, aber auf eine Weise, dass immer eine gewisse Sonderstellung da war - also in einem "normal linken" Fach den Verbindungsstudenten zu zeigen, ohne ihn rauszuhängen, bei der Verbindung war ich derjenige mit dem skurrilen Studienfach und Haufen von Steinen im Zimmer. Das erspart viel Maskierung, ohne gleich als völlig bekloppt zu gelten. Und auch heute noch hat der leichte Hauch von "verschrobenem Wissenschaftler", den ich durchaus kultiviere, schon eine gewisse exkulpierende Wirkung.

  • @Abendstern

    Es gibt viele Beispiele, zum Beispiel auch was @FrankMatz und @Melanie84 angesprochen haben, wenn man im Team sitzt oder bei Verwandtschaft und man merkt dass man einfach nicht mehr kann. Ich quäle mich meistens die letzte Stunde nur noch durch, am Ende, wenn ich froh bin es geschafft zu haben sitzen alle noch zusammen und quatschen ewig weiter. Ich erwähne dann immer mal, dass ich los muss/will, teilweise wird das tatsächlich überhört und die Leute reden einfach weiter. Selten schaffe ich es einfach tschüss zu sagen und zu gehen aber meist reden die dann alle wie Wasserfälle und unterbrechen traue ich mich dann auch nicht wirklich, da ich nicht weiß wie es wirkt. Die anderen scheinen sich da „auszukotzen“ und brauchen das, ich hab dann nur noch Kopfschmerzen und will weg. Wenn es heißt wie bleiben bis XX:YY Uhr, dann ist das für mich eigentlich ein Fakt und die Erlaubnis dann gehen zu dürfen. Andere würden wohl gerne bis in die Nacht da sitzenbleiben.
    Oder wenn sich welche um Nichtigkeiten streiten, am liebsten würde ich ihnen sagen, dass ihr Verhalten „Kindergarten“ ist, sie sollen sich aufs Wesentliche konzentrieren und ihr Arbeit machen und nicht private Machtspielchen treiben, stattdessen sehe ich mich aber gezwungen jeder Partei verständnisvoll zuzuhören, Gespräche zu führen, blabla. Meiner Meinung nach völlig nutzlos, da sie so das Verhalten nicht ablegen, weil es ihnen gar nicht klar ist, sondern nur, dass sie sich ungerecht behandelt fühlen.
    Meine Antwort bei Kinder wäre da: „Du sollst ihn nicht heiraten, sondern nur klar kommen ohne das ihr euch haut, also reiß dich zusammen und sag wenn was ist!“. Selbst in extrem freundlich wüsste ich nicht wie ich das bei Erwachsenen ausdrücken sollte, also kommt wieder die Maske und ich mach den Mist mit.

    Ich fand das sehr schockierend zu lesen und jetzt ist für mich der Hintergrund deines Eröffnungsbeitrags auch klarer. Mir fällt dazu nur eines ein: Du brauchst dringend mehr Rückgrat! Und zwar ganz, ganz viel davon!
    Die erste Situation hat überhaupt nichts mit Maskierung zu tun, das ist schlicht und ergreifend nur Vernachlässigung deiner eignen Bedürfnisse. Das ist extrem ungesund und kein Wunder, dass du dich damit nicht wohl fühlst. Wie Abendstern schon schrieb, die meisten anderen wären in deiner Situation einfach gegangen.
    Zu der zweiten Situation, wieso sagst du das den Leuten nicht einfach? Das, was du einem Kind sagen würdest, kannst du genauso gut auch einem Erwachsenen sagen. Und wenn du dich mit dem Gedanken unwohl fühlst, dass sich davon vielleicht einer vergrätzt fühlt, dann sag deine Meinung eben nicht, aber halt dich wenigstens raus anstatt dich von den anderen für deren Wohlbefinden ausnutzen zu lassen. Mit einem "du , das ist ne Sache unter euch, ich möchte da nicht hineingezogen werden" kann man sich ganz galant und höflich aus der Situation nehmen.

  • Auf der Arbeit spiele ich eine Rolle. Da maskiere ich mich also sehr stark.
    [...]

    Ich werde mich auf der Arbeit niemals so zeigen, wie ich wirklich bin, da ich in meinem Beruf dann nicht mehr ernst genug genommen werden würde.

    So langsam wird mir klar, warum mir immer und immer wieder die Arbeitsstelle gekündigt wurde, obwohl ich immer sehr gute Leitstungen erbrachte und stets freundlich und engagniert war. Das mit dem Maskieren liegt mir nicht. Bzw. ich wüsste garnicht, wie ich es bewusst anstellen sollte, nicht irgendwie komisch aufzufallen.

    Kompensieren tue ich schon, aber nicht mit Absicht und nicht bewusst. Bis vor knapp 3 Jahren ahnte ich noch nicht einmal, dass ich bei mir eine Autismusspektrumstörung vorliegt, und meine Konpensationsmechanismen, die ich mir über die Jahre für soziale Situationen unbemerkt angeeignet habe, liefen unbewusst ab. Ich habe jedenfalls nie bewusst auf der Arbeit und auch sonstwo eine Rolle gespielt oder in sozialen Situationen meine Eigenheiten unterdrückt. Ich merkte oft noch nicht einmal, dass ich überhaupt komisch auffalle... bis dann mal wieder die Kündigung für mich aus heiterm Himmel kam... :?

    Und auch jetzt mit der Kenntnis der Diagnose weiß ich immer noch nicht, wie ich es "besser" machen könnte, um nicht ungewollt anzuecken.

  • So langsam wird mir klar, warum mir immer und immer wieder die Arbeitsstelle gekündigt wurde, obwohl ich immer sehr gute Leitstungen erbrachte und stets freundlich und engagniert war. Das mit dem Maskieren liegt mir nicht. Bzw. ich wüsste garnicht, wie ich es bewusst anstellen sollte, nicht irgendwie komisch aufzufallen.
    Kompensieren tue ich schon, aber nicht mit Absicht und nicht bewusst. Bis vor knapp 3 Jahren ahnte ich noch nicht einmal, dass ich bei mir eine Autismusspektrumstörung vorliegt, und meine Konpensationsmechanismen, die ich mir über die Jahre für soziale Situationen unbemerkt angeeignet habe, liefen unbewusst ab. Ich habe jedenfalls nie bewusst auf der Arbeit und auch sonstwo eine Rolle gespielt oder in sozialen Situationen meine Eigenheiten unterdrückt. Ich merkte oft noch nicht einmal, dass ich überhaupt komisch auffalle... bis dann mal wieder die Kündigung für mich aus heiterm Himmel kam... :?

    Und auch jetzt mit der Kenntnis der Diagnose weiß ich immer noch nicht, wie ich es "besser" machen könnte, um nicht ungewollt anzuecken.

    Beschreibt ziemlich genau meine Erfahrungen. Allerdings hatte ich über viele Jahre und mehr als nur eine Stelle überhaupt keine Probleme im Beruf. Erst nach einem weiteren Wechsel ging das auf einmal los (was dann auch zum Autismusverdacht geführt hat) - und das, obwohl ich mich bemüht hatte noch offener und freundlicher zu sein um schneller einen Kontakt zu den Kollegen aufzubauen. Mein Fazit daraus war, dass man, wenn man bereits sehr gute Kompensationsstrategien besitzt, es überhaupt nicht mehr beeinflussen kann, ob man aneckt oder nicht, sondern es allein am Gegenüber liegt. Wenn deine Kollegen dich scheiße finden und ausgrenzen wollen, dann tun sie das, egal wieviel Mühe du dir gibst.

  • Wenn deine Kollegen dich scheiße finden und ausgrenzen wollen, dann tun sie das, egal wieviel Mühe du dir gibst.

    Kurzgefasst könnte man das bei zwei meiner Arbeitsstellen, die ich verloren habe, so zusammenfassen.

    Und dabei war ich meist überdurchschnittlich beliebt bei den Patienten (ich bin Medizinierin). Das weiß ich aus praxisinternenen, über Jahre fortlaufenden Bewertungssystemen durch die Patienten. Ich habe inzwischen den Verdacht, dass ich bei den Patienten überdurchschnittlich beliebt war, weil ich so bin, wie ich bin. Das heißt, dass ich garnicht anders kann, als meine Patienten für voll zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegen, was leider nicht selbstverständlich ist in meinem Kollegenkreis. Außerdem schienen viele Patienten meine sachliche Art zu schätzen. Ich hatte sehr viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Die wollen oft nicht so gerne "sozial betütelt" werden.

    Den Kollegen mag es aber ein Dorn im Auge (RW) sein, wenn sich jemand "unorthodox" den Patienten gegenüber verhält und damit auch noch Erfolg hat.

  • Meine Antwort bei Kinder wäre da: „Du sollst ihn nicht heiraten, sondern nur klar kommen ohne das ihr euch haut, also reiß dich zusammen und sag wenn was ist!“. Selbst in extrem freundlich wüsste ich nicht wie ich das bei Erwachsenen ausdrücken sollte, also kommt wieder die Maske und ich mach den Mist mit.

    Ja, genau das denke ich mir in solchen Runden auch oft. Ich habe da aber auch noch keine vernünftige Lösung dafür gefunden, weil die anderen Leute da gar nichts dazu hören wollen, außer sich selbst reden. :)

    Ich bin meistens zu Hause, weil ich da auch arbeite, und muß mich dann immer bewusst darauf einstellen, wenn wir zB. einen Termin beim Jugendamt haben, um dort halbwegs "vernünftig" zu wirken.. :nod: Ich komme mir dann immer vor wie in einem Spiel unserer Pflegekinder: "Du bist jetzt wohl die Pflegestellenleiterin, und im Spiel ist die jetzt Deine Chefin, und dann sagst Du wohl, ...."

  • Und dabei war ich meist überdurchschnittlich beliebt bei den Patienten (ich bin Medizinierin). Das weiß ich aus praxisinternenen, über Jahre fortlaufenden Bewertungssystemen durch die Patienten. Ich habe inzwischen den Verdacht, dass ich bei den Patienten überdurchschnittlich beliebt war, weil ich so bin, wie ich bin. Das heißt, dass ich garnicht anders kann, als meine Patienten für voll zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegen, was leider nicht selbstverständlich ist in meinem Kollegenkreis. Außerdem schienen viele Patienten meine sachliche Art zu schätzen. Ich hatte sehr viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Die wollen oft nicht so gerne "sozial betütelt" werden.

    Den Kollegen mag es aber ein Dorn im Auge (RW) sein, wenn sich jemand "unorthodox" den Patienten gegenüber verhält und damit auch noch Erfolg hat.

    Das klingt für mich sehr plausibel. Ich habe in meinem Beruf ähnliches erlebt und sehr oft liebe Dankesworte von Kunden bekommen, dass sie sich bei mir so gut beraten gefühlt haben und ich glaube auch, dass es daran liegt, weil ich so bin, wie ich bin, weil ich sachlich und unvoreingenommen ihre Bedürfnisse erfrage und sie sich dadurch wahrgenommer und individueller behandelt fühlen als bei vielen meiner Kollegen. Die schicken nur ihre vorgefertigen Standardschreiben raus, die zwar nicht inhaltlich falsch sind, bei denen sich der Kunde aber vermutlich nur wie eine Nummer behandelt vorkommt. Ich hingegen passe alle Schreiben individuell auf den Vorgang an, einfach weil sich Standardschreiben für mich falsch anfühlen, und das scheint gut anzukommen.

    Vielen Kollegen ist es ein Dorn im Auge, wenn man einfach nur gut in dem ist, was man tut. Leistungsneid ist leider sehr verbreitet, vorallem unter der Sorte von Menschen, die einen auch aus anderen Gründen ausgrenzt. Das hab ich in den Stellen, bei denen es besonders schlimm war, sehr stark erlebt.

  • Vielen Kollegen ist es ein Dorn im Auge, wenn man einfach nur gut in dem ist, was man tut.

    Ja, das habe ich auch mehrfach erlebt.

    Bei einer Stelle bin ich schon in der Probezeit gekündigt worden, weil ich, wie ich im Nachhinein erfahren habe, meiner Vorgesetzten ein Dorn im Auge war. Das war eine Weiterbildungsstelle zur Fachärztin. Ich hatte mich da so richtig reingehängt und mir schon im Vorfeld auf Kongressen, Seminaren, Praktika etc. ein enormes Wissen angeeignet.
    Als ich dann endlich auch die passende Weiterbildungsstelle bekommen hatte, war ich total happy und habe wohl zu viele zu schlaue Fragen gestellt und wollte alles immer genau wissen. Das kam bei meiner Vorgesetzten, die nur angelernte Kraft war und bei Weitem nicht den Wissenstand hatte wie ich, überhaupt nicht gut an.
    In meiner Naivität war ich stillschweigend davon ausgegangen, dass jemand, der mir als Ausbilder zugeteilt wird, auch über ein größeres Fachwissen verfügt als ich. Ich bin garnicht auf die Idee gekommen, dass ich diese Kollegin mit meiner engagierten Art und meinem Drang, alles genau wissen zu wollen, völlig überfordere.

    Nach meinem Verständnis sollte nur jemand angehende Fachärzte weiterbilden, der selber auch ein fundiertes Wissen hat. Das wurde aber in der Praxis nicht so eng gesehen. Mir ist eine solche Einstellung schleierhaft. Aber leider begegnete mir im Berufsleben eine solche schwer zu begreifende "Unschärfe" häufiger und mit einer mir nicht begreiflichen Gleichgültigkeit.

    Was aber nicht heißen soll, dass ich es grundsätzlich ablehne, von Menschen mit geringerem Ausbildungsstand als meinem unterricht zu werden. Das war ein weiterer Punkt, der mich womöglich auch als ungewöhnlich erscheinen ließ. Wenn ich merkte, dass zum Beispiel eine Auszubildende im ersten Lehrjahre irgendwas sehr gut drauf hatte, was ich noch nicht oder nicht so gut konnte, habe ich nicht gezögert, mir bei dieser Person Rat einzuholen und mich von ihr unterrichten zu lassen.

  • So langsam wird mir klar, warum mir immer und immer wieder die Arbeitsstelle gekündigt wurde, obwohl ich immer sehr gute Leitstungen erbrachte und stets freundlich und engagniert war. Das mit dem Maskieren liegt mir nicht. Bzw. ich wüsste garnicht, wie ich es bewusst anstellen sollte, nicht irgendwie komisch aufzufallen.

    Ich glaube ein Teil der Lösung ist, sich auf die richtige Stelle zu bewerben bzw. das Glück zu haben, so eine Stelle zu erwischen. Bei mir ist das teilweise so, das sobwohl ich das Gefühl habe, mich oft gerade im beruflichen anders zu verhalten als privat, also vor allem meine emotionen oft irgendwie abgeschaltet sind und ich alles nur noch sachlich warhnehme ich trotzdem insbesonder bei Vorstellungsgesprächen mich nur bedingt verstellen kann (und es darauf auch nicht anlege). Wenn ich eine Stelle nicht so toll finde, kann ich keine Begeisterung vorheucheln und werde nicht genommen. Find ich eine Stelle toll, dann bin ich sehr begeistert und verfalle in gerne mal in Fachmonologe und stelle Nachfragen bzw. selber fragen. Wenn damit einer nicht umgehen kann, fliege ich da schon raus. Dann ist zumindest eine gewisse Basis da.

    Und dabei war ich meist überdurchschnittlich beliebt bei den Patienten (ich bin Medizinierin). Das weiß ich aus praxisinternenen, über Jahre fortlaufenden Bewertungssystemen durch die Patienten. Ich habe inzwischen den Verdacht, dass ich bei den Patienten überdurchschnittlich beliebt war, weil ich so bin, wie ich bin. Das heißt, dass ich garnicht anders kann, als meine Patienten für voll zu nehmen und ihnen auf Augenhöhe zu begegen, was leider nicht selbstverständlich ist in meinem Kollegenkreis. Außerdem schienen viele Patienten meine sachliche Art zu schätzen. Ich hatte sehr viel mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Die wollen oft nicht so gerne "sozial betütelt" werden.

    Das klingt für mich sehr plausibel. Ich habe in meinem Beruf ähnliches erlebt und sehr oft liebe Dankesworte von Kunden bekommen, dass sie sich bei mir so gut beraten gefühlt haben und ich glaube auch, dass es daran liegt, weil ich so bin, wie ich bin, weil ich sachlich und unvoreingenommen ihre Bedürfnisse erfrage und sie sich dadurch wahrgenommer und individueller behandelt fühlen als bei vielen meiner Kollegen. Die schicken nur ihre vorgefertigen Standardschreiben raus, die zwar nicht inhaltlich falsch sind, bei denen sich der Kunde aber vermutlich nur wie eine Nummer behandelt vorkommt. Ich hingegen passe alle Schreiben individuell auf den Vorgang an, einfach weil sich Standardschreiben für mich falsch anfühlen, und das scheint gut anzukommen.

    Da sollte man berücksichtigen, dass es ja meist nicht das eine richtige Verhalten gibt, sodnern es gerade im beruflichen Kontext stark davon abhängt mit wem man gerade zu tun hat. Das kann beispielsweise hierarchich sein aber man spricht ja mit Kunden auch anders als mit Kollegen, zumindest ist das glaube ich so. Da habe ich auch meine Schwierigkeiten und bin gerne mal zu AUßenstehenden sehr undistanziert. Ich hab mal eine zeitlang am telefon "Tschüss Tschüss" gesagt und e shat Wochen gedauert bis mir aufgefallen ist, dass das wohl nicht sehr seriös wirkt... bei Kollegen geht das aber bei anderen...

    Als ich dann endlich auch die passende Weiterbildungsstelle bekommen hatte, war ich total happy und habe wohl zu viele zu schlaue Fragen gestellt und wollte alles immer genau wissen. Das kam bei meiner Vorgesetzten, die nur angelernte Kraft war und bei Weitem nicht den Wissenstand hatte wie ich, überhaupt nicht gut an.
    In meiner Naivität war ich stillschweigend davon ausgegangen, dass jemand, der mir als Ausbilder zugeteilt wird, auch über ein größeres Fachwissen verfügt als ich. Ich bin garnicht auf die Idee gekommen, dass ich diese Kollegin mit meiner engagierten Art und meinem Drang, alles genau wissen zu wollen, völlig überfordere.

    Das merkt man mir schon bei den Vorstellungsgesprächen an, wer damit nicht klar kommt stellt mich meistens nicht ein. Aber ja viele finden das schwierig und nervig, ich erkläre das teilweise den Leuten, das sich sie nicht kontrollieren ode rtesten will, sondern einfach so viel wie möglich verstehen will. Ich hoffe das hilft.

  • bzw. das Glück zu haben, so eine Stelle zu erwischen.

    Genau das ist der Haken. Wenn man seine Möglichkeiten ausschöpft ist es am Ende nur noch das - reines Glück.
    Und das kann man in den meisten Fällen auch nicht im VG aussieben, im Gegenteil, da hatte ich bisher durch die Bank weg immer den Eindruck, dass man genommen wird, eben weil man aufgrund seiner Fertigkeiten überzeugt hat. Wenn man dann aber die Stelle anfängt, spielt das auf einmal keine Rolle mehr, da zählt dann nur noch, ob man sich ins "Kollektiv" einfügt oder nicht (so liefs bei denen, die mir gekündigt haben). Oder man hat eben das Glück und erwischt Vorgesetzte, die einen genau dafür schätzen, dass man in der Lage ist mitzudenken und auch mal kritische Nachfragen zu stellen und die einen eben auch genau aus dem Grund nach dem VG einstellen wollten.
    Ich habe beides erlebt, in Stellen, die inhaltlich identisch waren, und mit gleichem Verhalten meinerseits. Bei der einen wollte man mir noch weit vor Ende der Probezeit kündigen, bei der anderen hat man mich regelrecht angebettelt zu bleiben als ich nach knapp zwei Jahren in ein für mich besser passendes Aufgabengebiet wechseln wollte.

  • Genau das ist der Haken.

    In meinem speziellen Bereich sind die Stellen sehr, sehr dünn gesät und die Bewerberzahlen hoch. Da muss man wirklich großes Glück haben, einen "Volltreffer" zu landen.

    Und das kann man in den meisten Fällen auch nicht im VG aussieben, im Gegenteil, da hatte ich bisher durch die Bank weg immer den Eindruck, dass man genommen wird, eben weil man aufgrund seiner Fertigkeiten überzeugt hat. Wenn man dann aber die Stelle anfängt, spielt das auf einmal keine Rolle mehr, da zählt dann nur noch, ob man sich ins "Kollektiv" einfügt oder nicht (so liefs bei denen, die mir gekündigt haben).

    Kommt mir sehr bekannt vor.

  • In meinem speziellen Bereich sind die Stellen sehr, sehr dünn gesät und die Bewerberzahlen hoch. Da muss man wirklich großes Glück haben, einen "Volltreffer" zu landen.

    Bei mir ähnlich, Konkurrenz geht oft noch, aber in guten (!) Zeiten 1 Stelle alle 1-2 Wochen deutschlandweit ist nicht viel Auswahl und ich brauch glaub ich keinem hier erklären, dass ich eben nicht mal so einfach komplett woanders hinziehen kann.

    Kommt mir sehr bekannt vor.

    Auch wenn wir in völlig unterschiedlichen Bereichen arbeiten, scheinen wir die gleichen Erfahrungen gemacht zu haben. Alle deine Berichte hier geben übertragen auf die Spezifiken meiner Tätigkeit genau das wieder, was auch ich in einzelnen Stellen erlebt habt. Auch wenn ich niemandem diese Erfahrungen wünsche, irgendwo tuts doch auch gut, nicht allein damit zu sein.

  • Ich hatte das schonmal vor längerer Zeit geschrieben, finde das aber so schnell nicht wieder, also:
    Im professionellen Kontext hat 'man' eine professionelle "persona" und persona ist einfach ein anderes Wort für Maske. Das war die mir total einleuchtende Aussage bei eine Weiterbildung. Da gehört zB der weiße Kittel beim Arzt dazu.
    Da ich Kundenkontakt habe (also: nur bis 13.3.2020 war das, jetzt ist das suspendiert) ist/war das auch sehr ausgeprägt.
    Für Bekannte habe ich eine weniger ausgeprägte Maske, für den engste Familienkreis noch weniger Maskierung.
    Ohne eigentlich fast nie.
    ZB Händeflattern mache ich nur im engsten Familienkreis, sonst unterdrücke ich es.

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